Die Geschichte der New Yorker Intellektuellen ist in vieler Hinsicht typisch für die Entwicklung linker Intellektueller im zwanzigsten Jahrhundert. Ihren Anfang nahm sie in der Großen Depression, als sich links orientierte Schriftsteller, Poeten, Essayisten, Kritiker und Journalisten um die Partisan Review scharten. Vorwiegend aus jüdischen Immigrantenfamilien stammend, hatten viele von ihnen zunächst mit der Kommunistischen Partei sympathisiert, schlugen aber im Zuge der Moskauer Prozesse einen von Leo Trotzki beeinflussten antistalinistischen Kurs ein und begriffen sich als Vorkämpfer einer revolutionären künstlerischen Moderne, deren Repräsentanten sowohl in den autoritären als auch in den demokratisch verfassten Staaten verfemt und attackiert wurden.
Im Laufe der Jahre begannen jedoch die marxistischen Überzeugungen bei den meisten Angehörigen dieses Zirkels zu schwinden: Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierten sie sich als geläuterte Liberale und wiedergeborene Amerikaner im antikommunistischen Kampf gegen den stalinistischen Totalitarismus und für die kulturelle Freiheit. Schließlich war es ihnen gelungen, aus der Peripherie ins Zentrum der amerikanischen Gesellschaft vorzudringen und die intellektuelle Debatte bis Ende der fünfziger Jahre zu bestimmen.
Als in den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren eine neue Generation in Kultur (wie die Beat-Literaten) und Politik (die Bürgerrechts- und Studentenbewegung) auftauchte, begann der Stern der New Yorker Intellektuellen zu sinken, da sie für die neue Sensibilitätem kaum das richtige Gespür zu entwickeln vermochten. Längst selbst zur Geschichte geworden, richteten sie sich im Museum der Moderne ein. Mittlerweile fand das Projekt ein unwiderrufliches Ende: Im April 2003 wurde die Partisan Review, einst das Flaggschiff der amerikanischen Intellektuellen, nach dem Tod des letzten Herausgebers eingestellt.
Die Besonderheit der New Yorker Intellektuellen wurde durch einen historischen Moment ermöglicht, in dem politische und gesellschaftliche Konstellationen, kulturelle Traditionen und die urbanen Gegebenheiten New Yorks ineinander spielten und die Voraussetzungen für die Konstituierung und Entwicklung der Gruppe lieferten. Unter anderen Bedingungen oder an einem anderen Ort hätte sich der markante intellektuelle Stil nicht herausbilden können. Zugleich aber resultierten aus diesem besonderen Kontext die Mängel und Beschränktheiten der New Yorker Intellektuellen.
Das Buch beschreibt den Weg zentraler Figuren des Zirkels wie Philip Rahv, Dwight Macdonald und Irving Howe durch die Jahrzehnte (wobei historische Ereignisse wie Stalinismus, Zweiter Weltkrieg, Holocaust und Kalter Krieg eine entscheidende Rolle spielen) und stellt neben den politischen Diskussionen auch Debatten über die Rolle von Intellektuellen in Kultur und Gesellschaft dar. Am Ende triumphierte das egoistische Interesse machtpolitischer Intellektuellen, die weniger an Freiheit und Demokratie interessiert waren denn an der Zementierung der eigenen Herrschaftsposition — zunächst im Neokonservatismus der »Reagan-Ära« und später im »autoritären Populismus« der MAGA-Bewegung Donald Trumps.
[…] Aubergs umfassende Geschichte der New Yorker Intellektuellen [wird] sicher auch als eine Art implizites Nachschlagewerk zu diesem Thema fungieren: Man muss es nicht gleich ganz lesen, sondern kann seine Lektüre auch gezielt nach einzelnen Namen, Zeitschriftenprojekten oder politischen Ereignissen anlegen. Wo man dabei auch ansetzt, wird man es mit Gewinn tun.
Rolf Paar, in: literaturkritik.de
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