Moleskin Blues

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  • Christian Brückner: Hinab in den MaelströmChris­ti­an Brück­ner: Hin­ab in den Maelström14. Janu­ar 2024Im Maul des Abgrunds Mar­gi­na­li­en zum Erzähl­kon­zert »Hin­ab in den Maelström« von Jörg Auberg Der Begriff des Fort­schritts ist in der Idee der Kata­stro­phe zu fun­die­ren. Daß es ›so wei­ter‹ geht, ist die Kata­stro­phe. Sie ist nicht das jeweils Bevor­ste­hen­de son­dern das jeweils Gege­be­ne. Wal­ter Ben­ja­min1   In sei­nem Stan­dard­werk zur Erfah­rung der Moder­ni­tät im 19. und 20. Jahr­hun­dert All That Is Solid Melts Into the Air (1982) beschrieb Mar­shall Ber­man den »Maelstrom des moder­nen Lebens« als ein Zen­tral­mo­tiv der kapi­ta­lis­ti­schen Moder­ne, in der Geschich­te und Tra­di­ti­on per­ma­nent durch die his­to­ri­sche Ent­wick­lung in Fra­ge gestellt wur­de – oder mit den Wor­ten Karl Marx’ und Fried­rich Engels’: »Alles Stän­di­sche und Ste­hen­de ver­dampft, alles Hei­li­ge wird ent­weiht, und die Men­schen sind end­lich gezwun­gen, ihre Lebens­stel­lung, ihre gegen­sei­ti­gen Bezie­hun­gen mit nüch­ter­nen Augen anzu­se­hen.«2 Wie Theo­dor W. Ador­no beob­ach­te­te, beschrieb Edgar Allan Poe in sei­ner Kurz­ge­schich­te »A Des­cent into the Maelström« eine zen­tra­le Alle­go­rie der Moder­ne, deren Moment »in der atem­los krei­sen­den, doch gleich­sam still­ste­hen­den Bewe­gung des ohn­mäch­ti­gen Boo­tes im Wir­bel des Mael­stroms« bestehe.3 Der Maelstrom war nicht nur ein kri­ti­sches Moment, son­dern in der Dar­stel­lung des hin­ab­rei­ßen­den Wir­bels delek­tier­te sich Poe – mut­maß­te Ador­no – auch an dem Grau­en als Sen­sa­ti­ons­qua­li­tät, wel­che in den dik­ta­to­ri­schen und tota­li­tä­ren Peri­oden des 20. Jahr­hun­derts zur per­p­etu­ier­ten Gewohn­heits­er­fah­rung wur­de. Nach­dem die Kurz­ge­schich­te im Mai 1841 in der Zeit­schrift Graham’s Maga­zi­ne erschie­nen war, fie­len die ers­ten Kri­ti­ken nega­tiv aus: Die Erzäh­lung sei, urteil­te ein Kri­ti­ker im Dai­ly Chro­nic­le, »der Feder eines Men­schen unwür­dig, des­sen Talen­te ihm ein brei­te­res und weit­rei­chen­de­res Spek­trum ermög­li­chen«, und Poe selbst kon­ze­dier­te anfäng­lich, dass die Geschich­te in Eile geschrie­ben und der Schluss »unvoll­kom­men« sei.4 Auch für Poes Bio­graf Jef­frey Mey­ers war »A Des­cent into the Maelström« ein »unter­ge­ord­ne­tes Werk« im Poe-Kor­pus.5 Die­ser grau­en­haf­te Fall Den­noch ent­fal­tet die Geschich­te über ein Fischer­boot, das an der nor­we­gi­schen Küs­te in der schein­bar ruhi­gen See in den zer­stö­re­ri­schen Stru­del eines Mael­stroms gezo­gen und in der Tie­fe ver­nich­tet wird, eine ein­zig­ar­ti­ge sug­ges­ti­ve Kraft des Grau­ens und der Kata­stro­phe. Kein Mensch habe wie Poe, schrieb sein Bewun­de­rer Charles Bau­de­lai­re, »mit grö­ße­rer magi­scher Kraft vom Aus­nah­me­zu­stand im Leben von Mensch und Natur erzählt«.6 Auch wenn Poe in sei­ner »Appli­ka­ti­on« von Lite­ra­tur Wis­sen­schaft, Ratio­na­li­tät und Tech­no­lo­gie als Instru­men­te der »Wahr­heits­nä­he« (verisi­mi­li­tu­de in der Poe-Phi­­lo­­lo­­gie) zur Gestal­tung und Mani­pu­la­ti­on des Spek­ta­kels der Rea­li­tät ver­wen­de­te und vor allem mit der Maelstrom-Alle­­go­rie als Erfin­der der moder­nen sci­ence fic­tion gilt7, ver­bin­det die Erzäh­lung Tra­di­ti­on und Moder­ne in der Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen den urwüch­si­gen Kräf­ten der Natur und den beschränk­ten Mit­teln der mensch­li­chen Ver­nunft. Obwohl Poe als »Erfin­der meh­re­rer Lite­ra­tur­gat­tun­gen« reüs­sier­te (wie Paul Valé­ry schrieb8), rekur­rier­te er in sei­ner Erzäh­lung the­ma­tisch und erzähl­tech­nisch auf Samu­el Tay­lor Coler­id­ges Bal­la­de The Rime of the Anci­ent Mari­ner9, die nicht nur in über­höh­ter Form eine Fahrt ins Unge­wis­se dar­stell­te, son­dern auch in einem poli­ti­schen Kon­text die Kos­ten des bri­ti­schen Empire-Unter­­neh­­mens in Gestalt von Skla­ven­hal­tern, Sklav*innen und schein­bar unbe­tei­lig­ten Zeitgenoss*innen auf­zeig­te. In Coler­id­ges Fan­ta­sien hef­tet sich die Schuld durch Teil­ha­be an eine Gesell­schaft, deren porö­se See­le (wie in Dan­tes höl­li­scher Ima­gi­na­ti­on) »von einem schim­me­li­gen Nie­der­schlag des dicken Duns­tes, ein Schreck für Aug und Nase« über­zo­gen ist.10 In Poes Geschich­te spie­geln sich in Anti­zi­pa­ti­on von Engels’ »Dia­lek­tik der Natur« weni­ger die Natur­ge­set­ze denn von urwüch­si­gen Kräf­ten frei­ge­setz­te Ener­gien, die eine unkon­trol­lier­ba­re Bewe­gung jen­seits aller Gesetz­mä­ßig­keit oder Beherrsch­bar­keit in Gang set­zen. Wie in Coler­id­ges Bal­la­de ver­wen­det Poe den erzäh­le­ri­schen Kunst­griff, einen äuße­ren und einen inne­ren Erzäh­ler zu ver­wen­den, um unter­schied­li­che Per­spek­ti­ven des Gesche­hens dar­zu­stel­len. Doch in dem Kunst­griff, einen ame­ri­ka­ni­schen Tou­ris­ten aus der äuße­ren Per­spek­ti­ve auf den nor­we­gi­schen Fischer tref­fen zu las­sen, der von sei­ner kata­stro­phi­schen Erfah­rung berich­tet, gelingt Poe eine sub­ti­le Kri­tik des frü­hen Tou­ris­mus im 19. Jahr­hun­dert, die er in ande­ren Tex­ten auf die tou­ris­ti­schen Exkur­sio­nen an die Nia­­ga­ra-Was­­ser­­fäl­­le oder in die west­li­chen Prä­rien Nord­ame­ri­kas zum Aus­druck brach­te, in denen sich bri­ti­sche und ame­ri­ka­ni­sche Tourist*innen an den »Natur­schön­hei­ten des Lan­des« delek­tier­ten.11 Wie Kevin J. Hayes in einer Inter­pre­ta­ti­on der Kurz­ge­schich­te her­vor­hebt, ist der nor­we­gi­sche Fischer eine Inkar­na­ti­on des Arbei­ters, der sei­ne Exis­tenz ris­kiert, wäh­rend der ame­ri­ka­ni­sche Tou­rist in der Rol­le des Voy­eurs ver­harrt, der vom Fels­vor­sprung einen risi­ko­frei­en Blick auf die Gefahr (den Maelstrom) wer­fen möch­te, ohne sich selbst in Gefahr zu brin­gen.12 Nach Hayes iden­ti­fi­zier­te sich Poe mit dem alten Fischer: Im kom­mer­zi­el­len Publi­ka­ti­ons­ge­schäft, das im urba­nen Ame­ri­ka zu einem vita­len Sek­tor der Öko­no­mie wur­de, wäh­rend zugleich in Städ­ten wie Phil­adel­phia (wo Poe sich in den frü­hen 1840er Jah­ren nie­der­ge­las­sen hat­te) gewalt­tä­ti­ge Rackets mit ter­ro­ris­ti­scher Gewalt unter Ein­satz von Xeno­pho­bie und Ras­sis­mus das urba­ne Gesche­hen bestimm­ten, betrach­te­te sich Poe als »Arbei­ter«, der sei­ne Gesund­heit und sei­nen Ver­stand für den Lebens­un­ter­halt sei­ner Fami­lie ein­setz­te.13 Im kapi­ta­lis­ti­schen Betrieb, wo er als Autor per­ma­nent Novi­tä­ten zu lie­fern hat­te, ohne dass die Poten­ta­ten der Maga­zin­un­ter­neh­men ent­spre­chend sei­ne Leis­tung hono­rier­ten, wur­de er vom Stru­del des Sys­tems in immer tie­fe­re dunk­le Regio­nen des Aus­nah­me­zu­stands gezo­gen. Der Ent­wurf des Schre­ckens »Poes Maelstrom ist ein Ent­wurf des Schre­ckens«, schreibt der Gra­fi­ker Klaus Det­jen in der Aus­ga­be der Kurz­ge­schich­te in der Typo­gra­phi­schen Biblio­thek. »Der Mensch der unbe­re­chen­ba­ren Natur aus­ge­lie­fert, wird dar­in zum Prüf­stein sei­ner selbst.«14 Wäh­rend die bei­den Brü­der von einer Sturm­böe über Bord geris­sen oder angst­er­füllt para­ly­siert sind, kann sich der drit­te nach »sechs Stun­den töd­li­chen Grau­ens«15 mit beson­ne­ner Ver­nunft ret­ten. »You must get over the­se fan­ci­es«16 , belehrt der Fischer den ame­ri­ka­ni­schen Tou­ris­ten am Ran­de des Klip­pen­vor­sprungs. In dem »Erzähl­kon­zert« Hin­ab in den Maelström, das auf der Über­set­zung der früh ver­stor­be­nen Schrift­stel­le­rin Gise­la Etzel (1880–1918) beruht, wer­den die »fan­ci­es« des Ori­gi­nals zu »Angst­vor­stel­lun­gen«, wäh­rend sie in spä­te­ren Über­set­zun­gen abschwä­chend als »Ein­bil­dun­gen« über­setzt wer­den.17 In die­ser Auf­trags­pro­duk­ti­on des Hes­si­schen Rund­funks aus dem Jah­re 2023 kom­bi­niert der mehr­fach aus­ge­zeich­ne­te Kom­po­nist Mar­tin Auer mit sei­nem gleich­na­mi­gen Quin­tett und dem Spre­cher Chris­ti­an Brück­ner den Text Poes mit einer dezen­ten, küh­len »sound­scape« in der Tra­di­ti­on des moder­nen Jazz. Die Kom­po­si­ti­on (in der Trom­pe­te, Saxo­fon, Pia­no, Bass und Schlag­zeug akzen­tu­ie­rend ein­ge­setzt wer­den) umkreist den Text, ohne zum belang­lo­sen Klang­tep­pich oder effekt­ha­sche­ri­schen Rumor zu ver­kom­men. Chris­ti­an Brück­ners Instru­ment ist die tie­fe, etwas rau­chig klin­gen­de Stim­me, mit der in ruhi­ger Gelas­sen­heit und einem emo­tio­na­len Under­state­ment die Erfah­rung des Ent­set­zens im Meer, im Stru­del und im Trich­ter, im Ange­sicht des Todes und in der Erleich­te­rung des Ent­rin­nens vor­trägt, obgleich auch das Ent­kom­men mit ewi­gen Nar­ben erkauft ist. Wie in ande­ren Pro­duk­tio­nen Brück­ners – Brück­ner Beat (2001) und Brück­ner Ber­lin (2017) – , in denen Musik (in ers­ter Linie Jazz) und Spra­che kom­bi­niert wur­de, ist das Erzähl­kon­zert eine beein­dru­cken­de und über­zeu­gen­de »mul­ti­künst­le­ri­sche« Umset­zung der Poe’schen Alle­go­rie, zumal durch die zurück­hal­ten­de Inter­pre­ta­ti­on das Moment der Sen­sa­ti­on als kata­stro­phi­sche Regres­si­on (wie sie Ador­no der Moder­ne und ihren frü­hen her­aus­ra­gen­den Reprä­sen­tan­ten Poe und Bau­de­lai­re zuschrieb18) unter­lau­fen wird. In der Kopro­duk­ti­on des Mar­tin Auer Quin­tetts mit dem erfah­re­nen Sprach­vir­tuo­sen Brück­ner wird die »Welt des Ent­set­zens und der Aus­weg­lo­sig­keit«, die Bernd Lenz in einem kur­zen Text über Poes Erzäh­lung benennt, ein Meer der Schat­ten, »vor dem die Ver­nunft letzt­lich kapi­tu­lie­ren« müs­se19, neu­er­lich erfahr­bar. Die Ein­zig­ar­tig­keit die­ser Pro­duk­ti­on wird umso deut­li­cher, wenn man als Ver­gleich die »alt­frän­ki­sche« Lesung Charles Brau­ers unter dem Titel Im Wir­bel des Mal­stroms aus dem Jah­re 2001 her­an­zieht, deren Wir­kung von der dama­li­gen Kri­tik als ein­schlä­fernd und »dra­ma­tisch hin­ge­haucht« jen­seits aller Authen­ti­zi­tät beur­teilt wur­de.20 Wäh­rend Brau­er Poes Erzäh­lung im seda­tiv­en Ton in die Gruft ver­ab­schie­det, legen Brück­ner und das Mar­tin Auer Quin­tett die zeit­ge­mä­ße Qua­li­tät und die (durch­aus wider­sprüch­li­che) Moder­ni­tät des Poe’schen Tex­tes offen. In der Figur des über­le­ben­den Fischers mate­ria­li­siert sich – mit den Wor­ten des ame­ri­ka­ni­schen Sozio­lo­gen John Bel­la­my Fos­ter – die dia­lek­ti­sche Ver­nunft, die Natur sowohl als äuße­re Rea­li­tät mensch­li­cher Akti­vi­tät als auch als die inne­re Rea­li­tät der mensch­li­chen Exis­tenz begreift.21 Für Fos­ter ist Öko­lo­gie der Beweis der Dia­lek­tik. Im Rah­men der gesell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se ori­en­tier­te sich Poe an den Gege­ben­hei­ten und den Ansprü­chen des Mark­tes. Die Ent­schei­dung für die Kurz­ge­schich­te, die er meis­ter­lich beherrsch­te, ent­sprang nicht einer frei­en Wahl für die »kon­zi­se Erzähl­form«, wie Bernd Lenz schrieb, son­dern weil in den 1840er Jah­re – wie Lewis Mum­ford kon­sta­tier­te – ein »Bedürf­nis nach kur­zen Hap­pen der Ent­span­nung in der Rou­ti­ne eines Arbeits­ta­ges« herrsch­te.22 Trotz aller Inte­gra­ti­on in den kom­mer­zi­el­len Markt und der Sym­pa­thien für die kon­ser­va­ti­ve Poli­tik der Whigs (den Vor­läu­fern der Repu­bli­ka­ner) schmug­gel­te Poe jen­seits von »Öko­phi­lie« und »Öko­pho­bie«23 eine öko­lo­gi­sche Per­spek­ti­ve in sei­ne Lite­ra­tur, die über die gän­gi­gen Kli­schees von Grau­en und Ent­set­zen in der natür­li­chen Umwelt hin­aus­geht und die Zeit »töd­li­chen Ent­set­zens« (wie Gise­la Etzel den Ter­mi­nus »dead­ly ter­ror« über­setzt) mit­tels einer erken­nen­den und selbst­kri­ti­schen Ver­nunft zu tran­szen­die­ren ver­mag. Am Ende muss nicht der Unter­gang »im Maul des Abgrunds«24 ste­hen. © Jörg Auberg 2024 Biblio­gra­fi­sche Anga­ben: Edgar Allan Poe. Hin­ab in den Maelström. Über­setzt von Gis­la Etzel. Spre­cher: Chris­ti­an Brück­ner. Kom­po­nist, Trom­pe­te: Mar­tin Auer. Saxo­fon: Flo­ri­an Trübs­bach. Pia­no: Jan Esch­ke. Bass: Andre­as Kurz. Schlag­zeug: Bas­ti­an Jüt­te. Ber­lin: Argon Ver­lag, 2023. Audio-CD, Lauf­zeit: 1 Stun­de 13 Minu­ten, 20 Euro. ISBN: 978–3‑7324–2091‑9. Wei­ter­füh­ren­de Infor­ma­tio­nen: Hin­ab in den Maelström mit Chris­ti­an Brück­ner und dem Mar­tin Auer Quin­tett Bild­quel­len (Copy­rights) Cover Hin­ab in den Maelström © Argon Ver­lag Cover Phan­tas­ti­sche Fahr­ten © dtv (Celes­ti­no Piat­ti) Cover The Coll­ec­ted Tales and Poems of Edgar Allan Poe © Modern Libra­ry Cover Ein Sturz in den Mal­strom © Wall­stein Verlag/Büchergilde Guten­berg Cover Erzäh­lun­gen in zwei Bän­den (Bd. 2) © Bücher­gil­de Guten­berg Cover Im Wir­bel des Mal­stroms © Hör­buch Ham­burg Nach­wei­se Wal­ter Ben­ja­min, »Zen­tral­park«, in: Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. I:2, hg. Rolf Tie­de­mann und Her­mann Schwep­pen­häu­ser (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1991), S. 683 ↩ Mar­shall Ber­man, All That Is Solid Melts Into the Air: The Expe­ri­ence of Moder­ni­ty (New York: Pen­gu­in Books, 1988), S. 16; Karl Marx und Fried­rich Engels, »Mani­fest der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei«, in: MEW, Bd. 4 (Ber­lin: Dietz Ver­lag, 1990), S. 465 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Mini­ma Mora­lia: Refle­xio­nen aus dem beschä­dig­ten Leben (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1987), S. 318 ↩ The Poe Log: A Docu­men­ta­ry Life of Edgar Allan Poe, 1809–1849, hg. Dwight Tho­mas und David K. Jack­son (Bos­ton: G. K. Hall, 1987), https://www.eapoe.org/papers/misc1921/tplgc06a.htm ↩ Jef­frey Mey­ers, Edgar Allan Poe: His Life and Lega­cy (New York: First Coo­per Squa­re Press, 2000), EPUB-Ver­­­si­on, S. 153 ↩ Charles Bau­de­lai­re, »Edgar Poe, Leben und Werk«, in: Edgar Allan Poe, Unheim­li­che Geschich­ten, hg. Charles Bau­de­lai­re, übers. Andre­as Nohl (Mün­chen: dtv, ²2018), S. 377 ↩ Cf. John Tresch, »Poe invents sci­ence fic­tion«, in: The Cam­bridge Com­pa­n­ion to Edgar Allan Poe, hg. Kevin J. Hayes (Cam­bridge: Cam­bridge Uni­ver­si­ty Press, ⁵2007), S. 113–132 ↩ Paul Valé­ry, »Die Situa­ti­on Bau­de­lai­res«, übers. August Brü­cher, in: Paul Valé­ry, Wer­ke, Bd. 3: Zur Lite­ra­tur, hg. Jür­gen Schmidt-Rade­­feldt (Ber­lin: Suhr­kamp, 2021), S. 224 ↩ Cf. Mar­ga­ret J. Yon­ce, »The Spi­ri­tu­al Des­cent into the Maelström: A Debt to ›The Rime of the Anci­ent Mari­ner‹«, Poe News­let­ter, 2, Nr. 2 (April 1969), S. 26–29 ↩ Mari­na War­ner, Ein­lei­tung zu: Samu­el Tay­lor Coler­idge, The Rime of the Anci­ent Mari­ner (Lon­don: Vin­ta­ge Books, 2004), S. ix‑x; Dan­te Ali­ghe­ri, Die Gött­li­che Kom­mö­die, übers. Karl Voss­ler (Frankfurt/Main: Bücher­gil­de Guten­berg, 1978), S. 89 ↩ Edgar Allan Poe, »Mor­ning on the Wis­sa­hic­con«, https://www.eapoe.org/works/essays/mrnwisa.htm; Dia­na Roy­er, »Edgar Allan Poe’s ›Mor­ning on the Wis­sa­hic­con‹: An Elegy for His Penn Maga­zi­ne Pro­ject«, Penn­syl­va­nia Histo­ry, 61, Nr. 3 (July 1994), S. 318–331 ↩ Kevin J. Hayes, Edgar Allan Poe (Cri­ti­cal Lives) (Lon­don: Reak­ti­on Books, 2009), EPUB-Ver­­­si­on, S. 78 ↩ Scott Pee­p­les, The Man of the Crowd: Edgar Allan Poe and the City (Prince­ton, NJ: Prince­ton Uni­ver­si­ty Press, 2020), EPUB-Ver­­­si­on, S. 69–102 ↩ Klaus Det­jen, »Typo­gra­phie als Rui­ne. Zur Gestal­tung«, in: Edgar Allan Poe, Ein Sturz in den Mal­strom, übers. Hans Woll­schlä­ger, Typo­gra­phi­sche Biblio­thek, Bd. 7 (Göt­tin­gen: Wal­l­stein-Ver­­lag und Frankfurt/Main: Bücher­gil­de Guten­berg, 2011), S. 68 ↩ Poe, Ein Sturz in den Mal­strom, S. 33 ↩ Edgar Allan Poe, »A Des­cent into the Maelström«, in: The Coll­ec­ted Tales and Poems of Edgar Allan Poe (New York: Modern Libra­ry, 1992), S. 127 ↩ Edgar Allan Poe, »Hin­ab in den Maelström« (Gise­la Etzel), https://www.projekt-gutenberg.org/poe/maelstro/maelstro.html; Poe, »Im Stru­del des Mael­stroms«, in: Edgar Allan Poe, Erzäh­lun­gen in zwei Bän­den, übers. Hed­da Eulen­berg, Bd. 2 (Frankfurt/Main: Bücher­gil­de Guten­berg, 1966), S. 255; Poe, Ein Sturz in den Mal­strom (Hans Woll­schlä­ger), S. 34; Poe, Unheim­li­che Geschich­ten (Andre­as Nohl), S. 228 ↩ Ador­no, Mini­ma Mora­lia, S. 318 ↩ Bernd Lenz, Nach­wort zu: Edgar Allan Poe, Phan­tas­ti­sche Fahr­ten (Mün­chen: dtv, 1985), S. 141 ↩ https://www.perlentaucher.de/buch/edgar-allan-poe/im-wirbel-des-malstroms.html ↩ John Bel­la­my Fos­ter, The Return of Natu­re: Socia­lism and Eco­lo­gy (New York: Month­ly Review Press, 2020), S. 254 ↩ Lenz, Nach­wort zu: Edgar Allan Poe, Phan­tas­ti­sche Fahr­ten, S. 141; Lewis Mum­ford, Tech­nics and Civi­liza­ti­on (1934; rpt. Chi­ca­go: Uni­ver­si­ty of Chi­ca­go Press, 2010), s. 197 ↩ Cf. Sara L. Crosby, »Bey­ond Eco­phi­lia: Edgar Allan Poe and the Ame­ri­can Tra­di­ti­on of Eco­hor­ror«, Inter­di­sci­pli­na­ry Stu­dies in Lite­ra­tu­re and Envi­ron­ment , 21, Nr. 3 (Som­mer 2014), S. 513–525 ↩ Poe, Unheim­li­che Geschich­ten, S. 240 ↩ […]
  • Richard Brautigan: Forellenfischen in AmerikaRichard Brau­tig­an: Forel­len­fi­schen in Ame­ri­ka18. Novem­ber 2023Trou­vail­les (I) Vom Spiel mit dem Buch als Buch Nach­be­trach­tun­gen zu Richard Brau­tig­ans Roman »Forel­len­fi­schen in Ame­ri­ka« von Jörg Auberg Kürz­lich erstand ich in dem exqui­sit bestück­ten Ver­sand­an­ti­qua­ri­at Abend­stun­de, das von Wolf­gang Schä­fer in Lud­wigs­ha­fen betrie­ben wird, ein Exem­plar von Richard Brau­tig­ans Roman Forel­len­fi­schen in Ame­ri­ka, der 1971 in der Über­set­zung von Céli­ne und Hei­ner Bas­ti­an bei Han­ser erschien. Gestal­tet wur­de der Band von dem legen­dä­ren Gra­fik­de­si­gner Heinz Edel­mann, der als Art Direc­tor für den Bea­t­­les-Film Yel­low Sub­ma­ri­ne (1968) fun­gier­te und für die ZDF-Spiel­­fil­m­­rei­he Der phan­tas­ti­sche Film den Vor­spann kre­ierte. In dem Stan­dard­werk Wer­ke der eng­li­schen und ame­ri­ka­ni­schen Lite­ra­tur von 1890 bis zur Gegen­wart cha­rak­te­ri­sie­ren Wolf­gang Kar­rer und Eber­hard Kreut­zer Brau­tig­ans Text als Unter­mi­nie­rung der Unter­schei­dung zwi­schen Rea­li­tät und Fik­ti­on, wobei die schein­ba­re Idyl­le des Angelns mit den gegen­wär­ti­gen Erschei­nun­gen der Indus­tria­li­sie­rung und Kom­mer­zia­li­sie­rung kon­tras­tiert wird. In ihrer knap­pen Ein­ord­nung beschrei­ben sie Brau­tig­ans Roman als »Erzähl­mi­nia­tu­ren mit per­ma­nen­ter Leser-Irri­­ta­­ti­on (Ver­schie­bung, Ver­keh­rung, Ver­rät­se­lung)«, in denen sich die »Ten­denz zu skur­ri­len Ara­bes­ken, sur­rea­lis­ti­schen Bil­dern, gro­tes­ker Über­trei­bung, Geschich­ten ohne Poin­te, par­odis­ti­schen Effek­ten« arti­ku­lie­re. Es sei, dia­gnos­ti­zie­ren K&K, ein »Spiel mit dem Buch als Buch (ein­schließ­lich Umschlag und Typo­gra­phie)«.1 POMO is a Four-Let­ter Word Wie Bil­ly Coll­ins in einem Vor­wort zu einer spä­te­ren ame­ri­ka­ni­schen Aus­ga­be schreibt2, war der selt­sa­me, iro­ni­sche Selbst­be­zug des Buches augen­fäl­lig und gab Brau­tig­ans Roman wenn nicht ein Allein­stel­lungs­merk­mal, so doch ein kri­ti­sches selbst­re­fle­xi­ves Moment, das spä­ter im Post­mo­der­nis­mus (vul­go Pomo) häu­fig zum selbst­ge­nüg­sa­men Kli­schee der geis­ti­gen wie poli­ti­schen Lee­re, Belie­big­keit oder Ober­fläch­lich­keit, zum Inge­ni­um des post-1968er Zeit­geis­tes der neo­kon­ser­va­ti­ven Rea­­gan-Ära wur­de.3 Obwohl Brau­tig­an in den spä­ten 1960er Jah­ren zum Best­­sel­­ler-Autor avan­cier­te, erklomm er – im Gegen­satz zu Tho­mas Pyn­chon, Robert Coo­ver oder Donald Bart­hel­me – als Autor kaum den kri­ti­schen Olymp der zeit­ge­nös­si­schen Kri­tik. In Stan­dard­wer­ken über den 1968er Zeit­geist wie in Mor­ris Dick­steins Gates of Eden: Ame­ri­can Cul­tu­re in the Six­ties (1977) oder Todd Git­lins The Six­ties: Years of Hope, Days of Rage (1987) kam er nicht vor, wäh­rend er von den Hütern des kri­ti­schen Moder­nis­mus als Nach­züg­ler der Bea­t­­nik-Lite­ra­­tur ver­ach­tet wur­de. In einer Kri­tik von Brau­tig­ans Erst­lings­werk A Con­fe­de­ra­te Gene­ral from Big Sur (1965) warf ihm Phil­ip Rahv, der Doy­en der ame­ri­ka­ni­schen mar­xis­ti­schen Lite­ra­tur­kri­tik, in der New York Review of Books vor, dass er anstatt einer Geschich­te nur eine Serie von impro­vi­sier­ten Sze­nen in der Manier Jack Kerou­acs pro­du­zie­re. Das Buch sei »Pop-Schrei­­be­­rei in ihrer schlimms­ten Art«, monier­te Rahv, der die Bezü­ge von Brau­tig­ans kali­for­ni­schen Prot­ago­nis­ten zu den Kon­fö­de­rier­ten des ame­ri­ka­ni­schen Bür­ger­kriegs nur als selt­sa­mes Geheim­nis des Autors abtat.4 Nach dem Abflau­en des gegen­kul­tu­rel­len Zeit­geis­tes und der Inkor­po­ra­ti­on ehe­mals wider­stän­di­ger Pro­duk­te in den Main­stream-Kor­­pus nahm sich die New York Review of Books der »Pop-Schrei­­be­­rei« Brau­tig­ans noch ein­mal an. »Das Brau­­ti­g­an-Phä­­no­­men, Kali­for­ni­en gefil­tert durch Brau­tig­an, ent­wi­ckelt sich seit eini­gen Jah­ren in Pro­sa und Ver­sen wei­ter«, hieß es in einem Arti­kel mit dem Titel »Brau­tig­an Was Here« im Jah­re 1971. »Wie weit ist es gekom­men und wohin geht es? Wie die Anhal­ter, die neben der Rou­te 1 ste­hen und gleich­zei­tig in bei­de Rich­tun­gen fah­ren, han­delt es sich um ein cha­rak­te­ris­ti­sches Phä­no­men, das schwer ein­zu­schät­zen ist.«5 Im Gegen­satz dazu nahm Tony Tan­ner in City of Words (1971), sei­nem bahn­bre­chen­den Buch über die US-ame­ri­­ka­­ni­­sche Lite­ra­tur von den 1950er bis zu den spä­ten 1960er Jah­ren, Brau­tig­an als Kul­tur­kri­ti­ker wahr: Obwohl er vor­der­grün­dig »extrem lus­tig« sei, herr­sche in sei­nen Tex­ten ein durch­drin­gen­der Strom von Ver­lust, Ver­wüs­tung und Tod, eine »kali­for­ni­sche Trau­rig­keit« jen­seits der jovia­len Ober­flä­che vor.6 Wie Mal­com Brad­bu­ry in sei­ner Geschich­te des moder­nen ame­ri­ka­ni­schen Romans schrieb, hat­te Brau­tig­an das Stig­ma, der »John Len­non des Hip­­pie-Romans« zu sein, obgleich er sich auf die­se Klas­si­fi­ka­ti­on nicht redu­zie­ren ließ.7. In der kri­ti­schen Tra­di­ti­on von C. Wright Mills kämpf­te er mit lite­ra­ri­schen Mit­teln gegen den »mili­­tä­risch-indus­­tri­el­­len Kom­plex«, woll­te im Zeit­al­ter der Hoch­tech­no­lo­gie und der über­bor­de­nen mili­tä­ri­schen Macht eine »pas­to­ra­le ame­ri­ka­ni­sche Unschuld« zurück­ge­win­nen8 – ein Unter­fan­gen, das einem mehr­fach gewen­de­ten leni­­nis­­tisch-trot­z­kis­­ti­­schen Par­ti­san im Kal­ten Krieg wie Phil­ip Rahv, der aus Russ­land über Paläs­ti­na in die USA emi­griert war, nicht nur unver­ständ­lich erschien, son­dern über­aus suspekt vor­kom­men muss­te.9 Weit­aus kla­rer arbei­te­te Leo Marx die Kri­tik am tech­no­lo­gie­fi­xier­ten ame­ri­ka­ni­schen Kapi­ta­lis­mus in sei­ner Stu­die The Machi­ne in the Gar­den (1964) her­aus, in der er die öko­lo­gi­sche Gesell­schafts­kri­tik der »Neu­en Lin­ken« der 1960er Jah­re anti­zi­pier­te und den Bogen vom anar­chis­ti­schen Außen­sei­ter Hen­ry David Tho­reau zum Akti­vis­ten der Bür­ger­rechts­be­we­gung Mario Savio spann­te. Leo Marx’ Kri­tik der tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lung ging ein­her mit den kri­ti­schen Ein­las­sun­gen von Lewis Mum­ford und Mur­ray Book­chin, die ein neu­es öko­lo­gi­sches Bewusst­sein nicht nur im Umgang mit natür­li­chen Res­sour­cen, son­dern auch mit mensch­li­chen Herr­schafts­for­men jen­seits von Domi­nanz und Unter­wer­fung in den öko­no­mi­schen Pro­zes­sen in Fabri­ken, Uni­ver­si­tä­ten und Fami­li­en the­ma­ti­sier­ten.10 War Kaf­ka Apa­che? In einem Essay über die Hoff­nung und Ent­täu­schung, die das Kon­strukt »Ame­ri­ka« dar­stellt, zitier­te Marx aus einem Gedicht Her­man Mel­vil­les aus dem Jah­re 1860, in dem er über die »Übel mei­nes Lan­des« reflek­tier­te, wo »die schöns­te Hoff­nung der Welt« mit dem schlimms­ten Ver­bre­chen der Mensch­heit ver­bun­den sei.11 Ähn­lich äußer­te sich in Brau­tig­ans Buch Trout Fishing in Ame­ri­ca ein Jahr­hun­dert spä­ter die Span­nung zwi­schen Uto­pie und Ent­täu­schung: Es begann mit typo­gra­fi­schen Spie­le­rei­en, unmit­tel­bar gefolgt von einer Refle­xi­on über das »Cover« des Buches – bei­de Momen­te gehen in der deut­schen Aus­ga­be ver­lo­ren. Der Umschlag eines Buches erfasst nicht »The Cover for Trout Fishing in Ame­ri­ca« in Gän­ze, bei dem die apo­ka­lyp­ti­schen Unter­tö­ne aus dem ver­gan­ge­nen Jahr­zehnt der abso­lu­ten tech­no­lo­gi­schen Mach­bar­keit im Über­le­ben der von Poli­tik und Tech­no­lo­gie ver­strahl­ten Indi­vi­du­en in »Duck and Cover«-Übungen im Kal­ten Krieg mit­schwan­gen. Im Som­mer 1945 bomb­ten sich – wie Dwight Mac­do­nald in sei­ner anar­cho­pa­zi­fis­ti­schen Zeit­schrift Poli­tics schrieb – die »Ver­tei­di­ger der Zivi­li­sa­ti­on« auf das mora­li­sche Niveau der »Bes­ti­en von Mai­danek«, wobei die Wis­sen­schaft­ler des mili­tä­ri­schen Pro­jekts sich als Spe­zia­lis­ten und Tech­ni­ker begrif­fen, die sich ihrer indi­vi­du­el­len Ver­ant­wor­tung ent­schlu­gen.12 Wie der däni­sche Atom­wis­sen­schaft­ler Niels Bohr sei­nen US-ame­ri­­ka­­ni­­schen Kol­le­gen ins Stamm­buch schrieb, muss­te das gan­ze Land in eine Fabrik für die Anrei­che­rung von Plu­to­ni­um und Was­ser­stoff­ent­wick­lung ver­wan­delt wer­den. Das Land in der Nähe von Los Ala­mos, wo die Wis­sen­schaft­ler im Auf­trag der US-ame­ri­­ka­­ni­­schen Regie­rung die Bom­be ent­wi­ckel­ten, wur­de zum nuklea­ren Test­ge­biet und die ansäs­si­gen »Nati­ve Ame­ri­cans« zu Test­per­so­nen der ato­ma­ren Kon­ta­mi­nie­rung im Lau­fe von mehr als hun­dert Deno­ta­tio­nen.13 In Brau­tig­ans Anfangs­ka­pi­tel erscheint Kaf­ka in der ame­ri­ka­ni­schen Land­schaft: War es Kaf­ka, der durch das Lesen der Auto­bio­gra­fie Ben­ja­min Fran­k­lins Ame­ri­ka ken­nen­lern­te … Kaf­ka, der sag­te, »ich mag die Ame­ri­ka­ner, weil sie gesund und opti­mis­tisch sind«.14 Mög­li­cher­wei­se war Kaf­ka in sei­nem »roman­ti­schen Anti­ka­pi­ta­lis­mus« (wie Cos­tas Despi­nia­dis schreibt) eher den »Nati­ve Ame­ri­cans« zuge­tan, wie nicht nur in dem kur­zen Text »Wunsch, India­ner zu wer­den« zum Aus­druck kam.15 In Arthur Holit­schers Repor­ta­ge Ame­ri­ka heu­te und mor­gen (die Kaf­ka zu sei­nem Ame­ri­­ka-Roman inspi­rier­te) heißt es zum Stich­wort »India­ner«: Nicht gera­de dar­um, weil die India­ner ein so schwer zivi­li­sier­ba­res Natur­volk sind, stel­len sie ein solch sym­pa­thi­sches Wun­der im neu­en Welt­teil vor. Son­dern dar­um, weil alles rings um die­ses stol­ze, beraub­te und miß­han­del­te Volk her­um sich der moder­nen Zivi­li­sa­ti­on erfreut und der India­ner es vor­zieht, in sei­nen Ber­gen und Gebü­schen elend zugrun­de zu gehen. Dar­um hat der India­ner auf irgend­ei­ne Wei­se sich die Lie­be der Men­schen erwor­ben, die die Erde lie­ben, die aber die Zivi­li­sa­ti­on eini­ger­ma­ßen krank gemacht hat.16 Zu den bit­te­ren Iro­nien der kapi­ta­lis­ti­schen Geschich­te gehört, dass Kaf­ka von den Adep­ten des digi­ta­len Kapi­ta­lis­mus für die Ver­mark­tung ihrer Pro­duk­te in Dienst genom­men wird, wie etwa bei der vor­geb­lich »frei­en Soft­ware« Apa­che Kaf­ka, die als »ver­teil­tes Mes­­sa­­ging-Sys­­tem« für den Kom­plex Big Data Daten­strö­me spei­chert und ver­ar­bei­tet. Auf die Fra­ge, wor­in die Bezie­hung zwi­schen »Kaf­ka the wri­ter« und »Apa­che Kaf­ka« bestehe, weiß das künst­li­che Super­hirn ChatGPT zu berich­ten, dass kei­ne Bezie­hung bestehe. Das »ver­teil­te Mes­­sa­­ging-Sys­­tem« habe sich nach dem Autor zu Ehren sei­nes Wer­kes benannt, das oft von »The­men der Ent­frem­dung und Büro­kra­ti­sie­rung« han­de­le. Mit den Wor­ten der Situa­tio­nis­ten: »Eine Geis­tes­krank­heit hat unse­re Welt befal­len: die Herr­schaft der Bana­li­tät.«17 Alles wird in die »Daten­ver­ar­bei­tung« inte­griert, und der Autor, der gegen das auto­ri­tä­re Sys­tem anschrieb, wird zum Namens­ge­ber eines tech­no­lo­gi­schen Sys­tems, in dem jede Regung gespei­chert und ver­ar­bei­tet wird, gewis­ser­ma­ßen als frei flu­ten­de Auto­ma­ti­on eines »kaf­ka­es­ken Pro­zes­ses«. Im Zeit­al­ter der omni­prä­sen­ten Daten ist die Gesell­schaft inte­gral, beob­ach­te­te Theo­dor W. Ador­no bereits in den spä­ten 1940er Jah­ren, »schon ehe sie tota­li­tär regiert wird«. »Noch Kaf­ka wird zum Inven­tar­stück des unter­ge­mie­te­ten Ate­liers.«18 Die intel­lek­tu­el­le Arm­se­lig­keit brei­tet sich ihre Bah­nen durch die magi­schen Kanä­le des Immer­glei­chen, die im News­peak des tech­no­lo­gi­schen Digi­­tal-Mar­ke­­tings als Gegen­welt der »frei­en Inhal­te«, der »frei­en Platt­for­men« und der »frei­en Pro­gram­me« allen­falls als Bei­trä­ge zur Geis­tes­ge­schich­te in einer unter­ge­gan­ge­nen Welt fir­mie­ren kön­nen. Schrei­ben und Fischen Kaf­ka habe, schrieb Ador­no, »die tota­le Robin­so­na­de geschrie­ben, die in einer Pha­se, in der jeder Mensch sein eige­ner Robin­son wur­de und auf einem mit zusam­men­ge­raff­tem Zeug bela­de­nen Floß ohen Steu­er umher­treibt«19 Auch Brau­tig­ans Wer­ke sind »Robin­so­na­den« in einer ein­fa­chen und kla­ren Spra­che, die ihre Vor­bil­der in Sher­wood Ander­son und Ernest Heming­way hat­te. Zuwei­len wur­de Brau­tig­an als der »Heming­way der Sech­zi­ger«20 titu­liert, und der Titel Trout Fishing in Ame­ri­ca spiel­te auf Heming­ways kur­zen Arti­kel »Trout Fishing in Euro­pe« an, der 1923 in der Zei­tung Toron­to Star Weekly erschien, sowie auf die vie­len Pas­sa­gen über das Forel­len­fi­schen in Heming­ways Werk, den Kampf um das Schrei­ben und Fischen in der Vor­stel­lung von Mas­ku­li­ni­tät, der letzt­lich um die Fra­ge von Gelin­gen und Schei­tern der männ­li­chen Exis­tenz in der Aus­ei­an­der­set­zung mit der Natur kreis­te.21 Schon seit frü­hen Jah­ren prä­sen­tier­te sich Heming­way gern als erfolg­rei­cher Kämp­fer mit sei­ner Beu­te – im Fal­le des Fisch­fangs reich­te sie von der Forel­le bis zum Schwert­fisch – und demons­trier­te in die­ser Pose die Unter­wer­fung der Natur durch einen wil­lens­star­ken Mann. Bei Brau­tig­an geht es auch um das Erkun­den von Fang­grün­den, doch oft steht »das Buch« im Vor­der­grund, das in ver­viel­fäl­tig­ter Form wie ein unüber­schau­ba­res Kon­vo­lut von anti­quier­ten, ver­mo­dern­den Beu­te­stü­cken zur Schau gestellt wird, obwohl der geis­ti­ge Nutz- und Nähr­wert in Zei­ten des Ver­ges­sens, des Zer­falls und der Demenz nicht ein­mal nach­weis­bar ist. In einer mit »Sea, Sea Rider« beti­tel­ten Vignet­te beschreibt Brau­tig­an einen Buch­händ­ler, der Geor­ge Orwell und Edmund Wil­son moch­te und im Alter von sech­zehn Jah­ren zuerst durch Dos­to­jew­ski und spä­ter die Huren von New Orleans sei­ne Lebens­er­fah­rung sam­mel­te. Der Buch­la­den war ein Park­platz für alte Fried­hö­fe, Tau­sen­de alter Fried­hö­fe stan­den hier in Rei­hen geparkt wie Autos. Die meis­ten Schwar­ten waren ver­grif­fe­ne Aus­ga­ben, und nie­mand woll­te sie mehr lesen, und die Leu­te, die die Bücher gele­sen hat­ten, waren ver­stor­ben oder hat­ten sie ver­ges­sen, aber durch den orga­ni­schen Pro­zeß der Musik waren die Bücher wie­der Jung­frau­enm gewor­den. Sie tru­gen ihre alter­tüm­li­chen Copy­rights wie neue Jung­fern­häu­te.22 In dem spä­te­ren Roman The Abor­ti­on (1971) arbei­tet der Prot­ago­nist in einer Biblio­thek für unpu­bli­zier­ba­re Bücher in San Fran­cis­co, in der »Ver­lie­rer des Lebens« ihre Manu­skrip­te depo­nie­ren kön­nen. Dort wer­den sie in Emp­fang genom­men, regis­triert und ein­sor­tiert. Die Trans­for­ma­ti­on zu Büchern wer­den sie nicht erle­ben, Leser*innen wer­den sie nicht fin­den, aber sie wer­den – von wem auch immer – geschätzt. Out of the Past Wie Kath­ryn Hume beob­ach­te­te, erlosch Brau­tig­ans lite­ra­ri­sche Bedeu­tung nach dem Ende der gegen­kul­tu­rel­len Eupho­rie in der kri­ti­schen Ver­ges­sen­heit.23 Sei­ne kate­go­ria­le Ver­knüp­fung mit der kali­for­ni­schen Bea­t­­nik- und Flower-Power-Bewe­­gung wur­de ihm – ohne dass er es ver­hin­dern konn­te – zum Ver­häng­nis. Er war weni­ger das lite­ra­ri­sche Sprach­rohr der Hip­­pie-Gene­ra­­ti­on, denn ein radi­ka­ler Expe­ri­men­ta­tor, der die kri­ti­sche US-ame­ri­­ka­­ni­­sche Tra­di­ti­on mit der Infra­ge­stel­lung popu­lä­rer Mytho­lo­gien in Form des Wes­tern und des Kri­mi­nal­ro­mans ver­band – ähn­lich wie bei Robert Coo­ver oder Paul Aus­ter, die enger in die post­mo­der­ne Infra­struk­tur seit den 1980er Jah­ren ein­ge­bun­den waren als das schein­ba­re Relikt der 1960er Jah­re. Im Lau­fe der Zeit schien er aus der Welt zu fal­len und die Kon­trol­le über sein Leben zu ver­lie­ren: Oft war er »betrun­ken, mür­risch und gehetzt«, wie Keith Abbott in sei­nen Erin­ne­run­gen an Brau­tig­an schrieb.24 Auf einer Deut­sch­­land-Tour­­nee bemerk­te sein deut­scher Über­set­zer Gün­ter Ohne­mus, dass er außer Kon­trol­le war, Lesungs­ter­mi­ne nicht ein­hielt oder Ver­an­stal­tun­gen tor­pe­dier­te und Mög­lich­kei­ten, in Euro­pa mit sei­ner Lite­ra­tur ein beschei­de­nes Aus­kom­men zu fin­den, in den Wind schlug. Im mythi­schen Jahr 1984 fand man den 49-jäh­ri­­gen Autor tot neben einer Alko­hol­fla­sche und einer Waf­fe vom Kali­ber .44. In einem spä­te­ren Nach­ruf schrieb der Schrift­stel­ler Her­mann Peter Piwitt: Als vor eini­gen Mona­ten der Tod Richard Brau­tig­ans gemel­det wur­de, war mir, als hät­te mir Augen­tha­ler ins Knie getre­ten. Brau­tig­an schrieb die zärt­lichs­ten, ver­rück­tes­ten, kunst­volls­ten und zugleich schlich­tes­ten Geschich­ten, die mir unter­ge­kom­men sind, seit ich vor 12 Jah­ren ›In Was­ser­me­lo­nen Zucker‹ las. Wovon sie han­deln? Es sind alle­samt Epi­pha­ni­en des All­tags, eine betö­ren­der als die ande­re, vol­ler unschein­ba­rer uner­hör­ter Bege­ben­hei­ten — und viel zu scha­de, um vor­her etwas aus­zu­plau­dern.25   Oder um es anders aus­zu­drü­cken:  »I hope that Richard Brau­tig­an will for­gi­ve me for wri­ting this sto­ry.«26 © Jörg Auberg 2023 Biblio­gra­fi­sche Anga­ben: Richard Brau­tig­an. Forel­len­fi­schen in Ame­ri­ka. Über­setzt von Céli­ne und Hei­ner Bas­ti­an. Mün­chen: Carl Han­ser Ver­lag, 1971. 136 Sei­ten. ISBN: 3–446–11496–3. Wei­te­re Wer­ke: Richard Brau­tig­an. A Con­fe­de­ra­te Gene­ral from Big Sur (1964). Ein­lei­tung von Black Fran­cis. Edin­burgh: Canon­ga­te, 2014. 142 Sei­ten, £ 8,99. ISBN: 978–1‑78211–379‑9. Richard Brau­tig­an. Trout Fishing in Ame­ri­ca (1967). Ein­lei­tung von Bil­ly Coll­ins. Bos­ton: Mari­ner Books, 2010. 112 Sei­ten, US-$ 13,95. ISBN: 978–0‑547–25527‑9. Richard Brau­tig­an. In Water­me­lon Sugar (1968). Lon­don: Vin­ta­ge Books, 2015. 141 Sei­ten, £ 8,99. ISBN: 978–0‑099–43759‑8. Richard Brau­tig­an. The Abor­ti­on: A His­to­ri­cal Romance 1966 (1971). Lon­don: Vin­ta­ge Books, 2002. 171 Sei­ten, £ 12,99. ISBN: 978–0‑099–43758‑1. Richard Brau­tig­an. Reven­ge of the Lawn: Sto­ries 1962–1970 (1972). Ein­lei­tung von Sarah Hall. Edin­burgh: Canon­ga­te, 2014. 146 Sei­ten, £ 8,99. ISBN: 978–1‑78211–378‑2. Richard Brau­tig­an. The Haw­k­li­ne Mons­ter: A Gothic Wes­tern (1974). Edin­burgh: Canon­ga­te, 2017. 172 Sei­ten, £ 9,99. ISBN: 978–1‑78689–042‑9. Richard Brau­tig­an. Som­bre­ro Fall­out: A Japa­ne­se Novel (1976). Ein­lei­tung von Jar­vis Cocker. Edin­burgh: Canon­ga­te, 2014. 177 Sei­ten, £ 9,99. ISBN: 978–0‑85786–264‑8. Richard Brau­tig­an. Dre­a­ming of Baby­lon: A Pri­va­te Eye Novel 1942 (1977). Edin­burgh: Canon­ga­te, 2017. 185 Sei­ten, £ 8,99. ISBN: 978–1‑78689–044‑3. Richard Brau­tig­an. So the Wind Won’t Blow It All Away (1982). Ein­lei­tung von Jef­frey Lent. Edin­burgh: Canon­ga­te, 2017. 104 Sei­ten, £ 9,99. ISBN: 978–1‑78689–046‑7. Richard Brau­tig­an. A Unfort­u­na­te Woman: A Jour­ney (2000). Ein­lei­tung von Jef­frey Lent. Edin­burgh: Canon­ga­te, 2001. 110 Sei­ten, £ 9,99. ISBN: 978–1‑84195–146‑1. Bild­quel­len (Copy­rights) Cover Forel­len­fi­schen in Ame­ri­ka © Carl Han­ser Verlag/Heinz Edel­mann Cover Trout Fishing in Ame­ri­ca © Mari­ner Books Cover A Con­fe­de­ra­te Gene­ral from Big Sur © Canon­ga­te Cover Heming­way on Fishing © Scrib­ner Clas­sics Publi­ci­­ty-Foto von Richard Brau­tig­an © John Frey­er (www.brautigan.net) Nach­wei­se Wolf­gang Kar­rer und Eber­hard Kreut­zer, Wer­ke der eng­li­schen und ame­ri­ka­ni­schen Lite­ra­tur von 1890 bis zur Gegen­wart, 4. erwei­ter­te Auf­la­ge (Mün­chen: dtv, 1989), S. 305 ↩ Bil­ly Coll­ins, »Intro­duc­tion«, in: Richard Brau­tig­an, Trout Fishing in Ame­ri­ca (New York: Mari­ner Books, 2010), S. xi ↩ Todd Git­lin, »Post­mo­der­nism: Roots and Poli­tics«, Dis­sent, Win­ter 1989, S. 100–108 ↩ Phil­ip Rahv, »New Ame­ri­can Fic­tion«, New York Review of Books, 8. April 1965, https://www.nybooks.com/articles/1965/04/08/new-american-fiction/ ↩ Robert M. Adams, »Brau­tig­an Was Here«, New York Review of Books, 22. April 1971, https://www.nybooks.com/articles/1971/04/22/brautigan-was-here/ ↩ Tony Tan­ner, City of Words: A Stu­dy of Ame­ri­can Fic­tion in the Mid-Twen­­tieth Cen­tu­ry (Lon­don: Jona­than Cape, 1971), S. 406 ↩ Mal­colm Brad­bu­ry, The Modern Ame­ri­can Novel (New York: Pen­gu­in Books, 1983, rev. 1994), S. 217 ↩ Brad­bu­ry, The Modern Ame­ri­can Novel, S. 217–218 ↩ Zum Hin­ter­grund sie­he Jef­frey Mey­ers, »The Trans­for­ma­ti­ons of Phil­ip Rahv«, Sal­magun­di, Nr. 202–203 (Früh­­jahr-Som­­mer 2019), S. 179–209; und Jörg Auberg, New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le: Eine poli­­tisch-kul­­tu­­rel­­le Geschich­te von Auf­stieg und Nie­der­gang, 1930–2020 (Bie­le­feld: Tran­­script-Ver­­lag, 2022), S. 267–276 ↩ Leo Marx, The Machi­ne in the Gar­den: Tech­no­lo­gy and the Pas­to­ral Ide­al in Ame­ri­ca (New York: Oxford Uni­ver­si­ty Press, 1964; rev. 2000), S. 367–386; Lewis Mum­ford, Tech­nics & Civi­liza­ti­on (1934; rpt. Chi­ca­go: Uni­ver­si­ty of Chi­ca­go Press, 2010); Lewis Her­ber (d. i. Mur­ray Book­chin), Our Syn­the­tic Envi­ron­ment (1962; rpt. East­ford, CT: Mar­ti­no Fine Books, 2018) ↩ Leo Marx, »Belie­ving in Ame­ri­ca: An Intellec­tu­al Pro­ject and a Natio­nal Ide­al«, Bos­ton Review, 1. Dezem­ber 2003, https://www.bostonreview.net/articles/leo-marx-believing-america/; Her­man Mel­ville, »Mis­gi­vings«, https://poets.org/poem/misgivings ↩ Dwight Mac­do­nald, Poli­tics Past (New York: Viking, 1957), S. 169–179 ↩ Ned Black­hawk, The Redis­co­very of Ame­ri­ca: Nati­ve Peo­p­les and the Unma­king of U. S. Histo­ry (New Haven: Yale Uni­ver­si­ty Press, 2023), S. 210; Wolf­gang Haug, »Ein pas­sen­der Film zum mili­ta­ris­ti­schen Zeit­geist: ›Oppen­hei­mer‹«, Gras­wur­zel­re­vo­lu­ti­on, Nr. 484 (Dezem­ber 2023), S. 17 ↩ Richard Brau­tig­an, Forel­len­fi­schen in Ame­ri­ka, übers. Céli­ne und Hei­ner Bas­ti­an (Mün­chen: Han­ser, 1971), S. 8 ↩ Cos­tas Despi­nia­dis, The Ana­to­mist of Power: Franz Kaf­ka and the Cri­tique of Aut­ho­ri­ty (Mon­tré­al: Black Rose Books, 2019), S. 37–61; Franz Kaf­ka, Die Erzäh­lun­gen, hg. Roger Her­mes (Frankfurt/Main: Bücher­gil­de Guten­berg, 1996), S. 7 ↩ Arthur Holit­scher, Ame­ri­ka heu­te und mor­gen (Ber­lin: S. Fischer, 1913), S. 204 ↩ Der Gro­ße Schlaf und sei­ne Kun­den: Situa­tio­nis­ti­sche Tex­te zur Kunst, hg. Han­na Mit­tel­städt (Ham­burg: Edi­ti­on Nautilus/Edition Moder­ne, 1990), S. 16 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Mini­ma Mora­lia: Refle­xio­nen aus dem beschä­dig­ten Leben (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1987), S. 275–276 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Pris­men: Kul­tur­kri­tik und Gesell­schaft, hg. Rolf Tie­de­mann (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1987), S. 276 ↩ Jar­vis Cocker, Ein­lei­tung zu: Richard Brau­tig­an, Som­bre­ro Fall­out: A Japa­ne­se Novel (Edin­burgh: Canon­ga­te, 2014), S. viii ↩ Heming­way on Fishing, hg. Nick Lyons (New York: Scrib­ner Clas­sics, 2012), S. 95–100 ↩ Brau­tig­an, Trout Fishing in Ame­ri­ca, S. 22; Brau­tig­an, Forel­len­fi­schen in Ame­ri­ka, S. 27 ↩ Kath­ryn Hume, »Brautigan’s Psy­cho­ma­chia«, Mosaic, 34, Nr. 1 (März 2001), S. 89 ↩ Keith Abbott, Down­stream from Trout Fishing in Ame­ri­ca: A Memoir of Richard Brau­tig­an (Ver­mil­li­on, SD: Astro­phil Press, 2009), S. 97 ↩ Her­mann Peter Piwitt, »H.P. Piwitts klei­nes Feuil­le­ton: Epi­pha­ni­en des All­tags«, Kon­kret, Febru­ar 1986, S. 78 ↩ Richard Brau­tig­an, Reven­ge of the Lawn: Sto­ries 1962–1970 (Edin­burgh: Canon­ga­te, 2014), S. 139 ↩ […]
  • Ernst Schoen: Tagebuch einer Deutschlandreise 1947Ernst Schoen: Tage­buch einer Deutsch­land­rei­se 19474. Novem­ber 2023Unver­söhn­li­che Erin­ne­run­gen Ernst Schoens Tage­buch einer Deutsch­land­rei­se 1947 von Jörg Auberg In einer mit dem Titel »Staats-Räson« über­schrie­be­nen Notiz kurz nach sei­ner Rück­kehr nach West­deutsch­land in den spä­ten 1940er Jah­ren umriss Max Hork­hei­mer das »ver­stärk­te Lei­den« jener Men­schen, »die schon zivi­li­siert waren und nun aufs neue durch die Müh­le müs­sen«1 Die­se Beschrei­bung traf auch auf den Kom­po­nis­ten, Schrift­stel­ler und Rund­funk­re­dak­teur Ernst Schoen (1894–1960) zu, der in den 1920er Jah­ren in der Wei­ma­rer Repu­blik zum Kreis von Avan­t­­gar­­de-Musi­kern im Umfeld von Arnold Schön­berg und als Rund­funk­pio­nier bei Radio Frank­furt agier­te, ehe er 1933 nach der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Macht­über­nah­me und einer Inhaf­tie­rung in der Straf­an­stalt Fuhls­büt­tel in Ham­burg nach Lon­don ins Exil floh. Vier­zehn Jah­re spä­ter unter­nahm er im Auf­trag der BBC eine Rei­se durch das von Faschis­mus, Krieg und Zer­stö­rung gezeich­ne­te Deutsch­land, über die er in einem Tage­buch oft­mals ver­bit­tert sei­ne Ein­drü­cke und Refle­xio­nen fest­hielt, die er im offi­zi­el­len »Ger­ma­ny Report« für sei­nen Auf­trag­ge­ber aus­spar­te. Blick zurück in Bit­ter­nis »In Schoens Tage­buch«, schrei­ben die Herausgeber*innen Sabi­ne Schil­­ler-Lerg und Wolf­gang Sten­ke in ihrer Ein­lei­tung, »tritt die Per­spek­ti­ve des Emi­gran­ten in den Vor­der­grund, des für kur­ze Zeit des Zurück­ge­kehr­ten auf das besieg­te, besetz­te und vom Krieg zer­stör­te Land, aus dem er 14 Jah­re zuvor ver­trie­ben wur­de. Sie ist geprägt von Melan­cho­lie und Bit­ter­nis über die ver­lo­re­ne Exis­tenz.«2 In Schoens Schil­de­run­gen nimmt die Aver­si­on gegen die deut­schen spie­ßer­haf­ten und klein­bür­ger­li­chen Oppor­tu­nis­ten, die sich sowohl mit der nazis­ti­schen Herr­schaft als auch mit den Satra­pen der Besat­zungs­mäch­te arran­gier­ten, brei­ten Raum ein. In über­füll­ten Zügen begeg­nen ihm »Men­schen­ge­spens­ter«, die sich »in Elend und Bos­heit durch­ein­an­der drän­gen«.3 Zugleich hat der Emi­grant Schoen wenig Sym­pa­thie für das Per­so­nal der Besat­zungs­ver­wal­tung, der CCG (Con­trol Com­mis­si­on for Ger­ma­ny), die ihm bei­spiels­wei­se als »wenig ange­neh­me CCG-Wei­ber«4 begeg­nen. Cha­rak­te­ris­tisch für Schoens Wahr­neh­mung der deut­schen Ver­hält­nis­se ist eine Skiz­ze, in der er sei­ne Ein­drü­cke bei der Ankunft am Düs­sel­dor­fer Rhein­ufer schil­dert: In der Hal­le des hüb­schen, ganz ele­gan­ten Hau­ses gegen­über dem Rhein­ufer emp­fing mich der dienst­tu­en­de Por­tier im dun­keln [sic] Zivil­an­zug, ein Rie­se über 7 Fuss gross, anschmeis­se­risch, aber ins­ge­heim schmie­rig intim und ver­ach­tungs­voll zu dem die­sen Leu­te natür­lich nur zu gut bekann­ten Typ des ehe­ma­li­gen Deut­schen, den ich dar­stell­te. Am Emp­fangs­tisch eine hüb­sche deut­sche Hut­sche , gut eng­lisch spre­chend. Man fühlt sofort, wie über­all, die pas­si­ve Resis­tenz auf der Grund­la­ge der natür­li­chen Faul­heit des Para­si­ten.5 Auf sei­nen Sta­tio­nen Düs­sel­dorf, Frankfurt/Main, Ber­lin und Ham­burg begeg­net er auch außer­ge­wöhn­li­chen Intel­lek­tu­el­len in Gestalt von Ver­le­gern, Rund­funk­pro­du­zen­ten und Kul­tur­funk­tio­nä­ren wie Dolf Stern­ber­ger, Ernst Rowohlt, Eugen Cla­as­sen oder Klaus Gysi, doch pri­mär sind ihm die Deut­sche als »Mas­se« sado­ma­so­chis­ti­scher »Weich­lin­gen« zuwi­der: »Die Deut­schen sind offen­bar gera­de dar­um so tief gesun­ken«, ana­ly­siert er in sei­nem Tage­buch, »weil sie nie, wie ihr Min­der­wer­tig­keits­kom­plex sich selbst und ande­ren vor­ma­chen woll­te, zu hart, son­dern weil sie immer zu schlei­mig weich waren, immer Zucht­meis­ter brauch­ten, die alles mit ihnen machen durf­ten, und auf die sie in wider­li­cher Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit schimp­fen durf­ten und dür­fen.« 6 In Schoens Wahr­neh­mung waren die deut­schen Ver­hält­nis­se in der Wie­der­ho­lung des Immer­glei­chen, der Kata­stro­phe, ein­ge­fro­ren, und Mög­lich­kei­ten, aus dem umschlos­se­nen Kon­ti­nu­um der Geschich­te aus­zu­bre­chen, schien es kaum zu geben. So erklärt sich auch Schoens Skep­sis gegen­über die Ver­fah­ren der Ent­na­zi­fi­zie­rung und Demo­kra­ti­sie­rung des öffen­t­­lich-rech­t­­li­chen Sek­tors im »post­fa­schis­ti­schen« Deutsch­land. In sei­nen Augen gab es »vie­le mick­ri­ge Zeit­schrif­ten« 7 wie Die Gegen­wart, Frank­fur­ter Hef­te und Die Wand­lung, die in ihrer viel­stim­mi­gen Belang­lo­sig­keit de fac­to kei­nen demo­kra­ti­schen Pro­zess beein­fluss­ten. »Die­se Infla­ti­on der Zeit­schrif­ten«, schrieb er in sei­nem »Ger­ma­ny Report«, »erklärt sich mei­ner Mei­nung nach zum einen aus dem gegen­wär­tig vor­herr­schen­den Bedürf­nis der Deut­schen nach intel­lek­tu­el­ler Orioen­tie­rung, zum ande­ren aus dem Man­gel an Büchern.« 8 Rund­funk und Avant­gar­de Schoens Blick auf Deutsch­land und die Mög­lich­kei­ten einer demo­kra­ti­schen Ent­wick­lung speis­te sich aus der per­sön­li­chen Bio­gra­fie und den his­to­ri­schen Erfah­run­gen, die hin­ter ihm lagen. In Axel Schildts Ter­mi­no­lo­gie war er ein »Medi­en­in­tel­lek­tu­el­ler« und doch mehr: ein Künst­ler, ein Netz­wer­ker, ein Avant­gar­dist. »Der Rund­funk war Ernst Schoens Medi­um«, kon­sta­tie­ren die Herausgeber*innen Schil­­ler-Lerg und Sten­ke in ihrem akri­bisch recher­che­rie­r­ten und glän­zend geschrie­be­nen Nach­wort. »Er ver­stand sofort, dass sich durch des­sen Tech­nik eine enor­me Umwäl­zung in kul­tu­rel­len, gesell­schaft­li­chen und sozia­len Berei­chen ankün­dig­te. Ernst Schoen war der rich­ti­ge Mann am rich­ti­gen Platz.«9 Obwohl Schoen als Vetre­ter der Avant­gar­de Ber­lin als sei­nen Lebens­mit­tel­punkt betrach­te­te, begrün­de­te er – etwas wider­wil­lig – in Frank­furt am Main das Renom­mee, eine Heim­statt der »Avant­gar­dis­ten des Rund­funks« geschaf­fen zu haben – unter ande­rem für sei­nen lang­jäh­ri­gen Freund Wal­ter Ben­ja­min, des­sen aka­de­mi­sche Lauf­bahn sich (auf Grund sei­ner jüdi­schen Her­kunft) zer­schla­gen hat­te und der statt­des­sen im Medi­en­be­reich als frei­er Mit­ar­bei­ter Fuß zu fas­sen such­te. In einem »Gespräch mit Ernst Schoen« (publi­ziert in der Zeit­schrift Lite­ra­ri­sche Welt im August 1929) doku­men­tier­te Ben­ja­min den hohen Anspruch Schoens in der »Radio­welt«: »Das Radio ist an einem bestimm­ten, ver­hält­nis­mä­ßig will­kür­li­chen Punk­te sei­ner Ent­wick­lung aus der Stil­le des Labo­ra­to­ri­ums her­aus­ge­ris­sen und zu einer öffent­li­chen Ange­le­gen­heit gemacht wor­den. Sei­ne Ent­wick­lung ging vor­her lang­sam, sie geht jetzt nicht schnel­ler. Wür­de ein Teil der Ener­gien, die einem oft all­zu inten­si­ven Sen­de­be­trieb die­nen, auch heu­te den Ver­suchs­ar­bei­ten zuge­wandt, so wür­de der Rund­funk dadurch geför­dert wer­den.«10 Nach der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Macht­über­nah­me wur­de ihm sei­ne pro­gres­si­ve Rund­funk­ar­beit und sei­ne Zusam­men­ar­beit mit Wal­ter Ben­ja­min und Ber­tolt Brecht zum Ver­häng­nis.11 In der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Usur­pa­ti­on des Medi­ums wur­de das Radio umge­stülpt »zum uni­ver­sa­len Maul des Füh­rers« und zum »Geheul der Panik« (wie Max Hork­hei­mer und Theo­dor W. Ador­no in der Dia­lek­tik der Auf­klä­rung kon­sta­tier­ten).12 Auch nach der Nie­der­la­ge des natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutsch­lands schien Schoen »das Medi­um Rund­funk kon­ta­mi­niert«. Die Erwar­tung des Kom­men­den war dun­kel: »Ich glau­be nicht an die Zukunft der Kunst«, schrieb Schoen 1946, »wohl aber an die Zukunft des Dilet­tan­tis­mus.« Eine Befrei­ung fand nicht statt – wie in John Haw­kes Roman Der Kan­ni­ba­le (1949) blieb Deutsch­land ein von Dämo­nen, Irr­sinn und Gewalt heim­ge­such­tes Land: »Auf der Kup­pe des Hügels sah er lan­ge Rei­hen in die vom Patrio­tis­mus bereits wie­der­be­leb­te Anstalt zurück­mar­schie­ren«, heißt es am Ende von Haw­kes Roman. »Sie gin­gen den Hang hin­un­ter und kamen, ohne etwas zu mer­ken, an dem Aas in der Lache zer­tram­pel­ter Dis­teln vor­bei.«13 Nach­le­ben eines Emi­gran­ten Trotz aller Vor­be­hal­te gegen­über Deutsch­land und den Deut­schen kehr­te Schoen 1951 nach Deutsch­land zurück, da in Eng­land sei­ne Lebens­grund­la­ge als Emi­grant zusam­men­ge­bro­chen war. »Mit der Ent­las­sung aus der BBC«, schrei­ben Schil­­ler-Lerg und Sten­ke, »weil die Deut­sche Abtei­lung des Aus­lands­diens­tes ver­klei­nert wur­de, war die Ent­schei­dung, nach Deutsch­land zurück­zu­keh­ren, trotz aller Schwie­rig­kei­ten gefal­len.« In einem bit­te­ren Sinn blieb er der »Typ des ehe­ma­li­gen Deut­schen« (wie er in sei­nem Tage­buch sich selbst bezeich­ne­te), ein »Spät­heim­keh­rer«, dem es nicht gelang im vom Kal­ten Krieg zer­ris­se­nen Deutsch­land Fuß zu fas­sen, zumal er sich poli­tisch in einer Grau­zo­ne beweg­te. Er ver­or­te­te sich links mit Sym­pa­thien für den demo­kra­ti­schen Sozia­lis­mus, ohne blind für die fata­le Pra­xis des auto­ri­tä­ren Staa­tes auf Grund­la­ge eines beto­nier­ten Mar­xis­­mus-Leni­­nis­­mus zu sein. Wie der »Remi­grant« Peter Lor­re war Schoen in der deut­schen Land­schaft ein »Ver­lo­re­ner«, der nach Ver­trei­bung und Flucht exis­ten­zi­ell sei­ne Welt und auch sich selbst ver­lor.14 Trotz der Für­spra­che von pro­mi­nen­ten Intel­lek­tu­el­len in Ost und West wie Ber­tolt Brecht und Theo­dor W. Ador­no ver­moch­te er nicht mehr Fuß zu fas­sen. »Brecht ver­sprach«, notier­te er 1952 in sei­nem Tage­buch, »Suhr­kamp für mich zu zu inter­es­sie­ren. Dar­auf ver­schwand er in der Ver­sen­kung und ich auf der Stra­ße.« 1952 erhielt Schoen als »Wie­der­gut­ma­chungs­leis­tung« durch den Hes­si­schen Rund­funk 15.000 D‑Mark, und ein Jahr spä­ter wur­de er zum Archiv­lei­ter des Deut­schen Thea­ters in Ber­lin ernannt. Die Posi­ti­on ver­lor er jedoch 1957, und in Fol­ge der Lebens­um­stän­de seit 1933 erkrank­te er an Herz­in­suf­fi­zi­enz. Nach einer Herz­ope­ra­ti­on in einem West­ber­li­ner Kran­ken­haus starb er am 10. Dezem­ber 1960. Acht Jah­re zuvor hat­te er in sei­nem Tage­buch geschrie­ben: »Ich kom­me zu der Mei­nung, daß zu vie­le Deut­sche auf bei­den Sei­ten schlech­te Ker­le sind, die mensch­li­che Eli­te so herz­lich als wol­le sie die Sün­den ihres Vol­kes wie­der gut­ma­chen.« Im Jah­re 2023 fei­ert der kom­mer­zia­li­sier­te öffen­t­­lich-rech­t­­li­che Rund­funk mit gro­ßem Getö­se »100 Jah­re Radio«, wäh­rend die all­täg­li­che Pra­xis von Play­lists, Musik-Stream­­li­­ning, Belie­big­keit und Kon­for­mis­mus bestimmt wird. »Was das Radio betraf«, schrei­ben Schil­­ler-Lerg und Sten­ke in ihrem Nach­wort, »so kam Schoen zu dem Schluss, dass er schon wäh­rend der Wei­ma­rer Repu­blik ästhe­ti­sche Maß­stä­be gesetzt hat­te, die wei­ter­hin Gül­tig­keit bean­spru­chen konn­ten.« Im öffen­t­­lich-rech­t­­li­chen Anstalts­be­trieb, den Hein­rich Böll in sei­ner immer noch zeit­ge­mä­ßen Sati­re Dok­tor Mur­kes gesam­mel­tes Schwei­gen (1955) kari­kier­te, haben Schoens ästhe­ti­sche Maß­stä­be jedoch kei­nen Raum: Es herrscht – wie Schoen kri­ti­sier­te – ein oppor­tu­nis­ti­scher Dilet­tan­tis­mus vor.   © Jörg Auberg 2023 Biblio­gra­fi­sche Anga­ben: Ernst Schoen. Tage­buch einer Deutsch­land­rei­se 1947. Auf­zeich­nun­gen eines Emi­gran­ten. Her­aus­ge­ge­ben von Sabi­ne Schil­­ler-Lerg und Wolf­gang Sten­ke. Wagen­bachs Taschen­buch 858. Ber­lin: Ver­lag Klaus Wagen­bach, 2023. 176 Sei­ten, 13 Euro. ISBN: 978–3‑8031–2858‑4. Bild­quel­len (Copy­rights) Cover Tage­buch einer Deutsch­land­rei­se 1947 © Wagen­bach Cover Die Wand­lung © Buch­hand­lung R² (Anti­qua­ri­at via Booklooker.de) Por­trät Ernst Schoen  © Pri­vat­ar­chiv Schoen / Schil­ler-Lerg Cover Der Kan­ni­ba­le © Ver­lag Peter Selin­ka Illus­tra­ti­on Wal­ter Ben­ja­min: Radio Days © The Nati­on/ Joe Ciar­diel­lo Nach­wei­se Max Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Band 6, hg. Alfred Schmidt (Frankfurt/Main: Fischer, 1991), S. 206 ↩ Sabi­ne Schil­­ler-Lerg und Wolf­gang Sten­ke, Ein­lei­tung zu: Ernst Schoen, Tage­buch einer Deutsch­land­rei­se 1947: Auf­zeich­nun­gen eines Emi­gran­ten (Ber­lin: Wagen­bach, 2023), S. 9 ↩ Schoen, Tage­buch einer Deutsch­land­rei­se 1947, S. 42 ↩ Schoen, Tage­buch einer Deutsch­land­rei­se 1947, S. 21 ↩ Schoen, Tage­buch einer Deutsch­land­rei­se 1947, S. 22 ↩ Schoen, Tage­buch einer Deutsch­land­rei­se 1947, S. 25 ↩ Schoen, Tage­buch einer Deutsch­land­rei­se 1947, S. 95 ↩ Schoen, Tage­buch einer Deutsch­land­rei­se 1947, S. 94 ↩ Sabi­ne Schil­­ler-Lerg und Wolf­gang Sten­ke, »Die vier Leben des Ernst Schoen«, in: Schoen, Tage­buch einer Deutsch­land­rei­se 1947, S. 125 ↩ Wal­ter Ben­ja­min, »Gespräch mit Ernst Schoen«, in: Ben­ja­min, Gesam­mel­te Schrif­ten, Band IV, hg. Till­man Rex­roth (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1991), S. 550–551 ↩ Howard Eiland und Micha­el W. Jen­nings, Wal­ter Ben­ja­min: A Cri­ti­cal Life (Cam­bridge, MA: The Bel­knap Press of Har­vard Uni­ver­si­ty Press, 2014), S. 330–332 ↩ Max Hork­hei­mer und Theo­dor W. Ador­no, »Dia­lek­tik der Auf­klä­rung«, in: Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Band 5, hg. Gun­ze­lin Schmid-Noerr (Frankfurt/Main: Fischer, 1987), S. 187 ↩ John Haw­kes, Der Kan­ni­ba­le, übers. Wer­ner Schmitz (Ravens­burg: Ver­lag Peter Selin­ka, 1989), S. 229–230; sie­he auch Moni­ca Black, Deut­sche Dämo­nen: Hexen, Wun­der­hei­ler und die Geis­ter der Ver­gan­gen­heit im Nach­kriegs­deutsch­land (Stutt­gart: Klett-Cot­­ta, 2021) ↩ Cf. Flo­ri­an Gros­ser, Nach­wort zu: Gün­ter Anders, Der Emi­grant (Mün­chen: C. H. Beck, 2021), S. 75 ↩ […]

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Mordecai Richler — Eine Straße in Montreal

Mordecai Richler: Eine Straße in Montreal (ars vivendi, 2021)

Erinnerung und Befreiung Mordecai Richlers autobiografische Erzählungen über St. Urbain von Jörg Auberg   Das Mont­rea­ler Vier­tel um die St. Urbain Street war – dem kana­di­schen Film­re­gis­seur Ted Kotcheff zufol­ge – für Mor­de­cai Rich­ler das, was für Wil­liam Faul­k­ner Yokna­pa­taw­pha war: sei­ne Domä­ne der Erin­ne­rung und lite­ra­ri­schen Fik­ti­on.1 Hat­te er sich in sei­nem...

Defining the Age — Daniel Bell, His Time and Ours

Defining the Age: Daniel Bell, His Time and Ours (Columbia University Press, 2022)

Verloren und abtrünnig   Daniel Bells Lamento einer verblassten Geschichte von Jörg Auberg Der Sozi­al­wis­sen­schaft­ler Dani­el Bell (1919–2011) gilt als ein pro­to­ty­pi­scher Reprä­sen­tant der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len des 20. Jahr­hun­derts, der nicht nur den Weg von der »alten Lin­ken« in den 1930er Jah­ren zum Neo­kon­ser­va­tis­mus der Rea­gan-Ära beschritt, son­dern auch den...

Hommage an Cineaste

Cineaste: Ausgabe Frühjahr 2022 (47:2)

Kritik und Gegenöffentlichkeit Seit 1967 setzt die Zeitschrift Cineaste Massstäbe in der Filmpublizistik   von Jörg Auberg   »Kurz­um, der Film­kri­ti­ker von Rang ist nur als Gesell­schafts­kri­ti­ker denkbar.« Sieg­fried Kra­cau­er 1   Im Som­mer 1967 erschien die ers­te drei­ßig­sei­ti­ge Aus­ga­be der New Yor­ker Film­zeit­schrift Ciné­as­te (damals noch in der fran­zö­si­schen...

Joseph McBride — Billy Wilder: Dancing on the Edge

Joseph McBride: Billy Wilder: Dancing on the Edge (Columbia University Press, 2021)

Vom Zyniker zum Moralisten Joseph McBride und Noah Isenberg werfen einen neuen Blick auf das Werk Billy Wilders von Jörg Auberg In der klas­si­schen Film­ge­schichts­schrei­bung wird Bil­ly Wil­der immer wie­der als Zyni­ker eti­ket­tiert. In ihrer Geschich­te des Films (1962) sahen die bei­den Film­his­to­ri­ker Ulrich Gre­gor und Enno Pata­l­as in Fil­men wie The Seven Year Itch (1955), Some...

Karl Heinz Roth — Blinde Passagiere

Karl Heinz Roth: Blinde Passagiere - Die Coronakrise und die Folgen (Verlag Antje Kunstmann, 2022)

Der Kampf geht weiter Karl Heinz Roth analysiert die Folgen der Corona-Krise   von Max Henninger Redak­tio­nel­le Vorbemerkung ach wie vor hat die Coro­na-Pan­de­mie den Pla­ne­ten fest im Griff, wobei nicht allein gesund­heits­po­li­ti­sche Fak­to­ren die mensch­li­che Exis­tenz bestim­men, son­dern zuneh­mend auch extre­mis­ti­sche Rackets und ver­schwö­rungs­theo­re­ti­sche »Nar­ra­ti­ve«...

Helmut Böttiger — Die Jahre der wahren Empfindung

Helmut Böttiger: Die Jahre der wahren Empfindung (Wallstein, 2021)

Das Verschwinden der Dialektik Helmut Böttigers »Jahre der wahren Empfindung«   von Jörg Auberg   »Wer nur etwas von Lite­ra­tur ver­steht, ver­steht auch davon nichts.« Lothar Bai­er 1 Die Erin­ne­rung an die lite­ra­ri­schen 1970er Jah­re in Deutsch­land ver­bin­det sich zum einen mit »Groß­schrift­stel­lern« wie Hein­rich Böll, Gün­ter Grass, Arno Schmidt oder Uwe John­son und zum...

Ingrid Gilcher-Holtey — Warten auf Godot?

Ingrid Gilcher-Holtey und Eva Oberloskamp (Hgg.): Warten auf Godot? (Berlin: Walter de Gruyter, 2020)

Furien des Verschwindens   Anmerkungen zu einer Anthologie der »Intellectual History« nach 1968   von Jörg Auberg »Wie der Intel­lek­tu­el­le es macht, macht er es falsch.« Theo­dor W. Ador­no 1   Im Wort­schatz der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len, bemerk­te Euge­ne Good­he­art in einem kur­zen Abriss ihrer Geschich­te, bezeich­ne­te der Begriff »Aka­de­mi­ker« stets das...

Wolfgang Haug — Theodor Plievier: Anarchist ohne Adjektive

Wolfgang Haug: Theodor Plievier (Edition AV)

Der Autor in der Revolte Anmerkungen zu Wolfgang Haugs Biografie über Theodor Plievier von Jörg Auberg »Ein Autor muß sei­nem Stoff gewach­sen sein.« Theo­dor Plie­vier 1 In sei­ner volu­mi­nö­sen Stu­die Medi­en­in­tel­lek­tu­el­le in der Bun­des­re­pu­blik zähl­te der His­to­ri­ker Axel Schildt den Schrift­stel­ler Theo­dor Plie­vier (1892–1955) zur Grup­pe »ehemalige[r] kommunistische[r]...

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