Texte und Zeichen

Exposé

E

Problemstellung


In bis­he­ri­gen Arbei­ten wur­de die Geschich­te der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len unter fol­gen­den Prä­mis­sen behandelt:

  • Die Geschich­te der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len spiel­te sich als ein »Coming of Age«-Prozess ab (Alex­an­der Bloom, Ter­ry Cooney)
  • Die Geschich­te der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len ist Teil des »lite­ra­ri­schen Radi­ka­lis­mus« im frü­hen 20. Jahr­hun­dert (James Gil­bert, Dani­el Aaron, Wal­ter B. Rideout)
  • Die Geschich­te der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len ist eine Geschich­te der »Dera­di­ka­li­sie­rung« (Alan M. Wald)
  • Die Geschich­te der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len ist eine Geschich­te des Nie­der­gangs (Howard Brick)
  • Die Geschich­te der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len ist eine Geschich­te der Insti­tu­tio­na­li­sie­rung des Moder­nis­mus als Ideo­lo­gie (Hugh Wil­ford, Ser­ge Guil­baut, Tobi­as Boes)
  • Die Geschich­te der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len ist eine poli­tisch-kul­tu­rel­le Geschich­te der hier­ar­chi­schen Inbe­sitz­nah­me und Besitz­stands­wah­rung (John Carey, Paul Gor­man et al.)

 

Zielsetzung


Mei­ne Her­an­ge­hens­wei­se ver­zich­tet auf eine mono­kau­sa­le Beschrei­bung der Ent­wick­lung der Prot­ago­nis­ten als auch auf eine poli­tisch-mora­li­sche Beur­tei­lung à la Wald. Es geht nicht um »Nar­ra­ti­ve« eines »poli­ti­schen Ver­rats« oder einer Abkehr vom »wah­ren« oder »rich­ti­gen« Weg, die Wald in sei­nen Dis­kus­sio­nen immer wie­der ins Spiel bringt, son­dern um eine demo­kra­ti­sche Auf­ga­be des Intel­lek­tu­el­len (als Gegen­part des »Tech­ni­kers des prak­ti­schen Wis­sens«), wie sie Sart­re beschrieb. Auch in ihrer empha­ti­schen, wenn auch zuwei­len dif­fu­sen Ver­kör­pe­rung der intel­lek­tu­el­len Rol­le in der bür­ger­lich-kapi­ta­lis­ti­schen Gesell­schaft bewahr­ten die New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len (ähn­lich wie Ador­no) den wider­stän­di­gen Geist gegen das Getrie­be, dem sich die »Aka­de­mi­ker« ver­schrie­ben und schließ­lich mit »Haut und Haa­ren« über­ant­wor­tet hat­ten. In die­sem letzt­lich idea­li­sier­ten Modell fand schließ­lich auch der New-Left-Intel­lek­tu­el­le Rus­sell Jaco­by in sei­nem pole­misch über­spitz­ten Plä­doy­er »The Last Intellec­tu­als« sei­ne Angriffs­spit­zen gegen ver­krus­te­te geis­ti­ge­Funk­tio­närs­schich­ten der Gegenwart.


Hypothesen


ProjektAus heu­ti­ger Sicht – vor allem im Kon­text der Dis­kus­si­on um die ras­sis­ti­sche Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart der USA – könn­te ein klas­si­scher Text wie Phil­ip Rahvs »Pal­e­face and Reds­kin« aus dem Jah­re 1939, der das Selbst­ver­ständ­nis der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len (nicht zuletzt im Kon­text des gras­sie­ren­den Anti­se­mi­tis­mus in New York und in der Welt) gera­de­zu im Sti­le einer Dekla­ra­ti­on arti­ku­lier­te, nicht mehr wider­spruchs­los hin­ge­nom­men wer­den. Gera­de in die­sem Text kommt die nar­ziss­ti­sche Selbst­fi­xiert­heit der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len zum Aus­druck, wäh­rend sie für die Gemet­zel der Ver­gan­gen­heit kei­nen Gedan­ken erüb­ri­gen kön­nen. Schon die­sem zen­tra­len Text deu­te­te sich die spä­te­re Selbst­auf­ga­be an die »ame­ri­ka­ni­schen Ver­hält­nis­se« der Nach­kriegs­zeit an.


Am Ende geht es nicht um die »Erret­tung« des Intel­lek­tu­el­len im Jah­re 2020 (wie Gérard Noi­ri­el in der Neu­aus­ga­be des »Plai­doy­er pour les intellec­tuels« schrieb), son­dern um die intel­lek­tu­el­le Ver­ant­wor­tung in uni­ver­sa­lis­ti­scher Per­spek­ti­ve, die als Gegen­pol zur Wah­rung von Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen fun­giert. In sei­ner »wah­ren« Funk­ti­on arbei­tet der Intel­lek­tu­el­le auf die eige­ne Abschaf­fung hin, um — pathe­tisch gespro­chen – die Men­schen zu Intel­lek­tu­el­len der eige­nen Exis­tenz zu befä­hi­gen. Damit wäre der mut­maß­li­che geis­ti­ge Vater der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len, Leo
Trotz­ki, bestä­tigt, der in der über­schwäng­li­chen Pha­se nach der Oktoberrevolution
davon schwärm­te, »den Grund­stein für eine klas­sen­lo­se, erst­mals wahr­haft mensch­li­che Kul­tur« zu legen (»Lite­ra­tur und Revo­lu­ti­on«, 1923)

 

Texte und Zeichen

Um auf dem Laufenden zu bleiben …

Jörg Auberg - Writer, critic, editor, publisher