Texte und Zeichen

Christof Wackernagel: Verlogen, dumm und unverschämt

C

Leben im Kreisverkehr

Chris­tof Wacker­na­gel legt unver­öf­fent­lich­te Tex­te zur Kul­tur­in­dus­trie und der RAF vor.

Von Jörg Auberg

 

 

I. In den ein­schlä­gi­gen His­to­rio­gra­fien des bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Ter­ro­ris­mus der 1970er Jah­re zählt Chris­tof Wacker­na­gel zu den minor cha­rac­ters einer über­hitz­ten Geschich­te, die von der Revol­te gegen einen auto­ri­tä­ren Staat in die Abgrün­de eines »Neo-Auto­ri­ta­ris­mus« führ­te. Obwohl er einer pro­mi­nen­ten Künst­ler­fa­mi­lie ent­stamm­te und früh als Schau­spie­ler in Fil­men von Johan­nes Schaaf und Micha­el Ver­hoe­ven reüs­sier­te, ver­ließ er den vor­ge­zeich­ne­ten Kar­rie­re­weg und schloss sich in den frü­hen 1970er Jah­ren der radi­ka­len Lin­ken an. 

 

Dokumentation der RAF-Kassiber das info (Neuer Malik Verlag, 1987)
Doku­men­ta­ti­on der RAF-Kas­si­ber das info (Neu­er Malik Ver­lag, 1987)

Als »frei­er Mit­ar­bei­ter« in der Kanz­lei des Rechts­an­walts Klaus Crois­sant küm­mer­te er sich neben ande­ren um das info, einen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nal von »authen­ti­schen« Zeug­nis­sen aus den Gefäng­nis­sen, in denen Ange­hö­ri­ge der Roten Armee Frak­ti­on (RAF) ein­sa­ßen.1 In die­sem Kon­text ging es nicht allein dar­um, eine »Gegen­öf­fent­lich­keit« zur herr­schen­den bür­ger­li­chen Öffent­lich­keit her­zu­stel­len, son­dern auch die lin­ke »Öffent­lich­keit« (sofern sie nach dem Zer­fall in kon­kur­rie­ren­de Orga­ni­sa­tio­nen über­haupt noch bestand) nach den Erfor­der­nis­sen des RAF-Rackets zu kon­for­mie­ren. So ver­such­te der Crois­sant-Zir­kel, die Publi­zie­rung des von Peter Brück­ner her­aus­ge­ge­be­nen Ban­des Ulri­ke Marie Mein­hof und die deut­schen Ver­hält­nis­se (1976) wegen »Abwei­chung« von der herr­schen­den RAF-Linie zu unter­bin­den.2 Offen­bar spiel­te Wacker­na­gel in die­ser Geschich­te eine unrühm­li­che Rol­le, in der »Crois­sant und Co« – wie es in einer gemein­sa­men Erklä­rung lin­ker Buch­lä­den hieß – »ein­deu­tig sta­li­nis­ti­sche Metho­den« anwand­ten3, um die Öffent­lich­keit im Sin­ne eines mili­tä­risch agie­ren­den leni­nis­ti­schen Rackets zu mani­pu­lie­ren. In einem Brief aus dem Jah­re 1986 erin­ner­te Wolf­gang Pohrt den pro­mi­nen­ten RAF-Häft­ling aus dem Kul­tur­mi­lieu an die­se Epi­so­de: »Dei­ne Zen­sor-Rol­le, als das Erschei­nen von Mein­hof-Tex­ten ver­hin­dert wer­den soll­te, ist bei Betei­lig­ten unver­ges­sen.«4

 

 

II. Als Wacker­na­gel schließ­lich 1977 in den Unter­grund der RAF abtauch­te, folg­te er dem auto­ri­tä­ren Mus­ter der selbst­er­nann­ten »Stadt­gue­ril­la« und ließ sich zum will­fäh­ri­gen »Befehls­emp­fän­ger« einer höhe­ren Gewalt funk­tio­na­li­sie­ren. Auf Wei­sung Bri­git­te Mohn­haupts wur­den er und sein Freund Gert Schnei­der im Novem­ber 1977 zur »Haupt­woh­nung« der RAF in den Nie­der­lan­den geschickt, die längst von der Poli­zei über­wacht wur­de. Im Feu­er­ge­fecht ver­letz­ten sie drei nie­der­län­di­sche Poli­zis­ten, und der Aus­flug über die nie­der­län­di­sche Gren­ze kos­te­te ihm meh­re­re Jah­re Haft.5 Im Jah­re 1980 wur­de Wacker­na­gel zu 15 Jah­ren Gefäng­nis ver­ur­teilt, kam aber bereits 1987 frei, nach­dem er sich 1983 von der RAF offi­zi­ell gelöst hat­te und Claus Pey­mann und ande­re Pro­mi­nen­te für sei­ne Haft­ent­las­sung ein­ge­setzt hat­ten.6

In der Zeit der Haft ent­deck­te Wacker­na­gel sei­ne schrift­stel­le­ri­sche Beru­fung. In einem Text aus dem Jah­re 1984 schrieb er: »Dia­lek­tik der Iso­la­ti­on: je mehr ich abge­schlos­sen war, des­to kla­rer wur­de mir, dass ich den­ken kann, was ich will, also schrei­ben, was ich will – im Geis­te bin ich der frei­es­te Mensch der Welt.«7 Im glei­chen Jahr ver­öf­fent­lich­te er im ehe­mals lin­ken Ver­lag Stroemfeld/Roter Stern den Erzähl­band Nad­ja. Hämisch erkor ihn Wolf­gang Pohrt neben Peter-Paul Zahl und Peter-Jür­gen Boock zum »dritte[n] Mann in der Run­de schrift­stel­lern­der RAF-Vete­ra­nen«8. Der lite­ra­ri­sche Erfolg woll­te sich nicht so recht ein­stel­len, sodass Wacker­na­gel nach sei­ner Haft­ent­las­sung wie­der ins Schau­spiel­fach wech­sel­te. Den­noch gab er das Schrei­ben nicht auf, auch wenn die Resul­ta­te in den Augen der Kri­tik eher mit­tel­mä­ßig waren. Sei­ner Novel­le Gad­ha­fi läßt bit­ten (2002) konn­te Heinz Lud­wig Arnold, der Begrün­der der Zeit­schrift Text + Kri­tik, wenig abge­win­nen. »Die­se unsäg­li­che Schmon­zet­te ist weder eine Novel­le noch eine Erzäh­lung«, echauf­fier­te er sich, »und der Schrift­stel­ler ist ganz offen­sicht­lich eine Rol­le, die nicht jedem Schau­spie­ler liegt.«9

 

 

Szenenfoto aus der Kommissar-Folge Doktor Meinhardts trauriges Ende (1970) [Quelle: 3Sat/http://www.kommissar-keller.de/]
Sze­nen­fo­to aus der Kom­mis­sar-Fol­ge Dok­tor Mein­hardts trau­ri­ges Ende (1970) [Quel­le: 3Sat/http://www.kommissar-keller.de/]

III. In sei­nem Buch Ver­lo­gen, dumm und unver­schämt, das größ­ten­teils unver­öf­fent­lich­te Tex­te aus den Jah­ren von 1980 bis 2015 ver­sam­melt, beschreibt Wacker­na­gel iro­nisch die eige­ne per­sön­li­che Bio­gra­fie. Kurz bevor sich die RAF mit der Befrei­ung Andre­as Baa­ders im Som­mer erschuf, agier­te Wacker­na­gel in einer Epi­so­de der Kri­mi-Serie Der Kom­mis­sar, die von Her­bert Rein­ecker kon­zi­piert wor­den war, einem ehe­ma­li­gen NSDAP-Mit­glied, das sowohl für die HJ-Zei­tung Jun­ge Welt als auch die SS-Zeit­schrift Das schwar­ze Korps geschrie­ben hat­te.10 Jahr­zehn­te spä­ter agier­te er wie­der in »Schmon­zet­ten« der Kul­tur­in­dus­trie. Das Leben ver­lief im Kreis­ver­kehr: Nach »RAF-Mit­glied­schaft, Gefäng­nis, dm geschei­ter­ten Ver­such, den bewaff­ne­ten Kampf in der BRD mit Mar­xens ›Kapi­tal‹, Band I zu erklä­ren« war er schließ­lich »wie­der als TV-Seri­en­ko­mö­di­ant« tätig.11

Eine selbst­kri­ti­sche Refle­xi­on zu den unter­schied­li­chen Rol­len in den ver­schie­de­nen Vari­an­ten der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Kul­tur­ge­schich­te fin­det sich in die­sen Tex­ten aller­dings nicht. Eine Ver­lags­mit­tei­lung insi­nu­iert statt­des­sen eine media­le Ver­schwö­rung zur Unter­drü­ckung der Wahr­heit: »Die meis­ten Tex­te sind unver­öf­fent­licht, wenn sie auch diver­sen Medi­en ange­bo­ten wur­den – die Absa­gen gin­gen oft über die übli­chen Rou­ti­ne­for­mu­lie­run­gen hin­aus und waren gelin­de gesagt gefüh­lig. Es ist also über­fäl­lig, die­se unter­drück­ten Tex­te ver­füg­bar zu machen.«12

 

 

IV. Im Vor­wort for­mu­liert Wacker­na­gel eine grund­sätz­li­che Kri­tik der »Kul­tur­in­dus­trie«, ohne dass er den Ter­mi­nus kri­tisch oder his­to­risch reflek­tiert. Statt­des­sen ergeht er sich in abs­trak­ten ver­schwö­rungs­theo­re­ti­schen Behaup­tun­gen. »Kul­tur­in­dus­trie ist Funk­ti­on der men­schen­ver­ach­ten­den Dik­ta­tur der Pro­fit­ma­xi­mie­rung«, dekla­miert er im Stil eines mis­sio­na­ri­schen Kaders aus den seli­gen 1970er Jah­ren, an dem die Dis­kus­sio­nen der ver­gan­ge­nen vier Jahr­zehn­te spur­los vor­über gegan­gen sind. »Sie kon­di­tio­niert die Men­schen, eine Poli­tik zu akzep­tie­ren, die über Lei­chen geht. Sie spie­gelt ein Leben vor, das alles Leben­di­ge abtö­tet.« 13 Bele­ge für sei­ne Theo­rie prä­sen­tiert Wacker­na­gel nicht; statt­des­sen chan­giert er in Pre­dig­ten zwi­schen Höl­le und Para­dies, Ver­damm­nis und Glück­se­lig­keit. Eine kon­kre­te Ana­ly­se der Herr­schafts­ver­hält­nis­se – weder in den letz­ten bei­den Jahr­zehn­ten der »alten« Bun­des­re­pu­blik noch in der Gegen­wart – fin­det nicht statt. Statt­des­sen wird über die »Kul­tur­in­dus­trie« schwa­dro­niert, die Wacker­na­gel als Wer­be­ab­tei­lung der Poli­tik« und als »Teil des Krie­ges« bezeich­net.14 Stets sind »die Men­schen« Opfer einer anony­men Maschi­ne­rie, die unter dem Namen »Kul­tur­in­dus­trie« fir­miert. Wel­che Akteu­re oder Kräf­te sie am Lau­fen hält, bleibt jedoch im Dunkel.

Ohne­hin ist der Titel des Buches irre­füh­rend. Rea­li­ter geht es um das The­ma Gewalt, das für Wacker­na­gel auf­grund der eige­nen Bio­gra­fie trau­ma­ti­sche Dimen­sio­nen besitzt, die aus sei­ner Ver­gan­gen­heit als RAF-Famu­lus, als Expa­tria­te in Mali und als Akteur der deut­schen Kul­tur­in­dus­trie resul­tiert, die – so lau­tet Wacker­na­gels The­se – vor allem mit zuneh­mend bru­ta­le­ren Kri­mis ihren Bei­trag zur gesell­schaft­li­chen Habi­tua­li­sie­rung der Gewalt leis­te. Sen­de­rei­hen wie Tat­ort hät­ten eine »gna­den­lo­se Bru­ta­li­sie­rung des deut­schen Fern­se­hens in den letz­ten bei­den Jahr­zehn­ten« betrie­ben. »Per­ma­nen­te Gewalt­dar­stel­lung erzeugt Abstump­fung«, schluss­fol­gert er, und in sei­nen Augen ist der Mensch »ein nach­äf­fen­des Wesen«, das mit einer »atemberaubende[n] Eska­la­ti­on der Gewalt­dar­stel­lung« von Quen­tin Taran­ti­no bis zu Fil­men der Tat­ort-Rei­he zu immer neu­en Gewalt­ex­zes­sen sti­mu­liert wer­de.15

 

V. Hin­ter die­ser ein­di­men­sio­na­len Dis­kus­si­on der Gewalt lugt stän­dig die Ver­gan­gen­heit des Autors, der sich zu Beginn der 1970er Jah­re nicht dem Stru­del schein­bar revo­lu­tio­nä­rer »Gegen­ge­walt« im Kampf gegen die »fal­sche Herr­schaft« ent­zie­hen konn­te und in einer kopf­lo­sen Despe­ra­do-Akti­on bei­na­he zum Mör­der gewor­den wäre. Nicht erst mit Fil­men Quen­tin Taran­ti­nos begann im Kino eine Ästhe­tik der exzes­si­ven Gewalt. Gera­de in den spä­ten 1960er Jah­ren hat­ten Fil­me wie Bon­nie and Cly­de, The Wild Bunch, Die Schlacht von Algier, If … oder Il Mer­ce­na­rio Kon­junk­tur, die im Sin­ne des dama­li­gen Zeit­geis­tes Rebel­li­on und Wider­stand gegen die herr­schen­den Auto­ri­tä­ten mit Gewalt und Mili­tanz gleich­setz­ten. Emble­ma­tisch für die gewalt­ge­schwän­ger­te Stim­mung jener Jah­re war Stew Alberts Lob­prei­sung der Sam-Peckin­pah-Pro­duk­ti­on The Wild Bunch, er sei ein »revo­lu­tio­nä­rer Film«, weil er zei­ge, dass man sich »eine Kano­ne schnap­pen« müs­se. Die übri­gen ideo­lo­gi­schen Kon­no­ta­tio­nen spiel­ten offen­bar kei­ne Rol­le.16

 

Christof Wackernagel. Verlogen, dumm und unverschämt (Oktober Verlag 2015)
Chris­tof Wackernagel.
Ver­lo­gen, dumm und unver­schämt (Okto­ber Ver­lag 2015)

Eine kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit der »kul­tur­re­vo­lu­tio­nä­ren Bewe­gung« der 1960er und 1970er Jah­re, als deren mili­tan­ter Arm die RAF zu agie­ren schien, fin­det bei Wacker­na­gel nicht statt. In sei­nen Tex­ten ver­kör­pert die »ori­gi­na­le« RAF eine gerech­te Rebel­li­on gegen die Ver­bre­chen der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Herr­schaft und die bis­her fun­da­men­tals­te Oppo­si­ti­on, wobei in der Kul­mi­na­ti­on des »Deut­schen Herbst« im Jah­re 1977 Hanns Mar­tin Schley­er als »Sym­bol der nicht über­wun­de­nen Nazi­zeit« ent­führt wur­de, ehe die »Stadt­gue­ril­la« die eige­nen Inten­tio­nen per­ver­tier­te und sich in einem Strom der Regres­si­on und Bewusst­lo­sig­keit ver­lor.17 Dass die RAF seit ihrer Grün­dung als auto­ri­tä­res Racket agier­te, ver­schweigt Wacker­na­gel in sei­ner fal­schen Heroi­sie­rung der »ori­gi­na­len« RAF. »Das Racket kennt kein Erbar­men mit dem Leben außer ihm, ein­zig das Gesetz der Selbst­er­hal­tung«18 Der Apo­stat ver­tei­digt trotz aller inhalt­li­chen Dif­fe­ren­zen immer wie­der das Racket. Dem Film Stamm­heim (1986) attes­tiert er die »Ästhe­tik eines Por­nos«, eines Gen­res, das »Ersatz­be­frie­di­gung für Ver­klemm­te« dar­stel­le. Auf der ande­ren Sei­te kri­ti­siert er Chris­ti­an Geiss­lers RAF-Roman kamalat­ta (1988) für des­sen »Inner­lich­keits­ge­bro­del«, in dem sich das »Pathos des Abso­lu­ten« mit der selbst­ge­rech­ten deut­schen Tie­fe paar­te (wie Theo­dor W. Ador­no in sei­nem Vor­trag »Auf die Fra­ge: Was ist deutsch« die­se peren­nie­ren­de Mes­al­li­ance in den deut­schen Land­schaf­ten beschrieb19). Für Wacker­na­gel war Geiss­ler der »Durch­hal­te­pro­pa­gan­dist aus dem siche­ren Hin­ter­land«.20 Mit die­ser Kri­tik, die Geiss­ler-Fans als »Vor­ar­bei­ten« einer »antilin­ken« Kam­pa­gne galt, wur­de Wacker­na­gel als »ein frü­he­rer Gefan­ge­ner aus der RAF« von selbst­er­nann­ten Mund­stü­cken einer »radi­ka­len Lin­ken« exkom­mu­ni­ziert.21 In jenen Jah­ren wur­de die RAF noch als Voll­stre­cker einer »Gegen­macht« ver­herr­licht, ehe ihr spä­ter – nach ihrem orga­ni­sa­to­ri­schen Able­ben – in einem pro­to­ty­pi­schen Fall des gän­gi­gen Oppor­tu­nis­mus im Milieu des Jour­na­lis­mus Anti­se­mi­tis­mus und Natio­na­lis­mus nach­ge­wie­sen wur­de.22 Eine kri­ti­sche Ana­ly­se des bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Ter­ro­ris­mus, die auch eine Selbst­re­fle­xi­on der Schrei­ben­den ein­schlie­ßen müss­te, sucht man vergeblich.

Das Pro­blem die­ses Ban­des ist die feh­len­de kon­zep­tio­nel­le und intel­lek­tu­el­le Struk­tur. Weder wird er einer Kri­tik der Kul­tur­in­dus­trie noch einer »Auf­ar­bei­tung der Ver­gan­gen­heit« im Sin­ne Ador­nos gerecht, um den Bann des Ver­gan­ge­nen zu bre­chen.23 Wacker­na­gels Buch ist nicht mehr als eine Samm­lung weit­ge­hend unver­öf­fent­lich­ter Tex­te aus den letz­ten 35 Jah­ren, die in Roh­form prä­sen­tiert wer­den. Die points of inter­sec­tion der Geschich­te muss sich der Leser selbst erschlie­ßen. Die eige­ne Ver­ant­wor­tung in den ver­schie­de­nen zeit­ge­schicht­li­chen Pro­zes­sen – sowohl als Mit­glied in lin­ken »Struk­tu­ren« der 1970er Jah­re als auch als Ange­stell­ter der Kul­tur­in­dus­trie – the­ma­ti­siert Wacker­na­gel zu kei­nem Zeit­punkt. Die­se Unfä­hig­keit zur kri­ti­schen Intro­spek­ti­on rui­niert schließ­lich auch die intel­lek­tu­el­le Auf­rich­tig­keit die­ses Buches.

 

Biblio­gra­phi­sche Angaben:

Chris­tof Wackernagel.
Ver­lo­gen, dumm und unverschämt: 
Kul­tur­in­dus­trie von 1977 bis heute.
Müns­ter: Okto­ber Ver­lag 2015.
218 Sei­ten, 17,90 EUR.

© Text: Jörg Auberg 2016
© Fotos: Archiv des Autors

Nachweise

  1. Cf. Pie­ter Bak­ker Schut, das info: Brie­fe der Gefan­ge­nen aus der RAF, 1973–1977 (Kiel: Neu­er Malik Ver­lag, 1987)
  2. cf. Buch­stäb­lich Wagen­bach, 50 Jah­re: Der unab­hän­gi­ge Ver­lag für wil­de Leser (Ber­lin: Wagen­bach, 2014), S. 65; Uwe Son­nen­berg, Von Marx zum Maul­wurf: Lin­ker Buch­han­del in West­deutsch­land in den 1970er Jah­ren (Göt­tin­gen: Wall­stein Ver­lag, 2016), S. 422–428
  3. Zitiert in: Son­nen­berg, Von Marx zum Maul­wurf, S. 425
  4. Wolf­gang Pohrt, Gewalt und Poli­tik: Aus­ge­wähl­te Reden & Schrif­ten, 1979–1993, hg. Klaus Bit­ter­mann (Ber­lin: Edi­ti­on Tiamat, 2010), S. 278
  5. Butz Peters, Töd­li­cher Irr­tum: Die Geschich­te der RAF (Frankfurt/Main: Fischer, 2007), S. 478–479
  6. Ulf G. Stu­ber­ger, Die Akte RAF: Taten und Moti­ve, Täter und Opfer (Mün­chen: Herbig, 2008), S. 292–293
  7. Kas­si­ber: Ver­bo­te­nes Schrei­ben (Mar­bach: Deut­sche Schil­ler­ge­sell­schaft, 2012), S. 194
  8. Pohrt, Gewalt und Poli­tik, S. 281. Dabei brach­te Pohrt eini­ges durch­ein­an­der: Zahl gehör­te, auch wenn die Ankla­ge ande­res behaup­te­te, nie­mals zur RAF.
  9. Heinz Lud­wig Arnold, »Besuch beim gro­ßen Inten­dan­ten«, Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung, 13. Mai 2002, http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/rezension-belletristik-besuch-beim-grossen-intendanten-162947.html
  10. Die Fol­ge Dok­tor Mein­hardts trau­ri­ges Ende wur­de 1969 gedreht und am 13. März 1970 aus­ge­strahlt. Quel­le: http://www.kommissar-keller.de/)
  11. Chris­tof Wacker­na­gel, Ver­lo­gen, dumm und unver­schämt: Kul­tur­in­dus­trie von 1977 bis heu­te (Müns­ter: Okto­ber Ver­lag, 2015), S. 193
  12. Ver­lags­mit­tei­lung, 2. Novem­ber 2015
  13. Chris­tof Wacker­na­gel, Ver­lo­gen, dumm und unver­schämt, S. 9
  14. Chris­tof Wacker­na­gel, Ver­lo­gen, dumm und unver­schämt, S. 11
  15. Chris­tof Wacker­na­gel, Ver­lo­gen, dumm und unver­schämt, S. 176, 195–196
  16. Todd Git­lin, The Who­le World is Wat­ching: Mass Media in the Making and the Unma­king of the New Left (Ber­ke­ley: Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia Press, 1980), S. 201; Stew Albert (1939–2006) gehör­te zu den Grün­dern der Yip­pies und war Mit­her­aus­ge­ber der  Antho­lo­gie The Six­ties Papers (1984)
  17. Chris­tof Wacker­na­gel, Ver­lo­gen, dumm und unver­schämt, S. 47, 103, 106
  18. Max Hork­hei­mer, »Die Rackets und der Geist«, in: Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Band 12, hg. Gun­ze­lin Schmid Noerr (Frankfurt/Main: Fischer, 1985), S. 290
  19. Theo­dor W. Ador­no, Stich­wor­te: Kri­ti­sche Model­le 2 (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1969), S. 106, 112
  20. Chris­tof Wacker­na­gel, Ver­lo­gen, dumm und unver­schämt, S. 64; Wacker­na­gel argu­men­tiert in sei­nem Text ähn­lich wie Klaus Jünsch­ke: cf. »›Begrei­fen, daß Krieg ist, und sich ent­schei­den‹: Klaus Jünsch­ke über Chris­ti­an Geiss­lers Roman ›kamalat­ta‹«, Der Spie­gel, Nr. 12 (1989), S. 234–242
  21. Oli­ver Tol­mein, »Ästhe­tik des Kamp­fes«, Kon­kret, Nr. 12 (1988), S. 14
  22. Wil­liam Wright, »Was hat der Deut­sche Herbst mit dem 11.9. zu tun? Wider die Ein­eb­nung des Oben-Unten-Gegen­sat­zes in Gesell­schafts­ana­ly­sen«, Gras­wur­zel­re­vo­lu­ti­on, Nr. 273 (Novem­ber 2002), http://www.graswurzel.net/273/herbst.shtml
  23. Theo­dor W. Ador­no, Ein­grif­fe: Neun kri­ti­sche Model­le (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1963), S. 146

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