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Kri­ti­ken
  • Der Fall SiloneDer Fall Silo­ne22. April 2025Der Fall Silo­ne Igna­zio Silo­nes Rol­le im Kampf gegen den Faschis­mus   von Jörg Auberg Hei­li­ger, Revo­lu­tio­när, Ver­rä­ter In der pul­sie­ren­den Zeit des Kal­ten Krie­ges galt Igna­zio Silo­ne (1900–1978) bei anti­sta­li­nis­ti­schen Lin­ken in der west­li­chen Hemi­sphä­re als »säku­la­rer Hei­li­ger«, als der »gelieb­tes­te Volks­held der ita­lie­ni­schen Lin­ken«, des­sen Ruhm und Wahr­haf­tig­keit sich vor allem aus sei­ner Abkehr vom Kom­mu­nis­mus begrün­de­te, ohne den Sozia­lis­mus ver­ra­ten zu haben.1 In sei­nen Roma­nen, schrieb Jür­gen Rüh­le in sei­nem Stan­dard­werk über die Rol­le von Schriftsteller*innen im Kom­mu­nis­mus des 20. Jahr­hun­derts, »gewann die ita­lie­ni­sche Lin­ke mit ihrem Anti­fa­schis­mus, ihrer Ver­wur­ze­lung im Hei­mat­bo­den, ihrer eigen­wil­li­gen Reli­gio­si­tät und stol­zen Unab­hän­gig­keit exem­pla­ri­sche Gestalt«.2 An die­sem Mythos arbei­te­te Silo­ne selbst, als er – in der Bekennt­nis­an­tho­lo­gie ehe­ma­li­ger Kom­mu­nis­ten The God That Fai­led (1950) – dar­auf insis­tier­te, dass sozia­lis­ti­sche Poli­tik nicht an eine par­ti­ku­la­re Theo­rie, son­dern an den »Glau­ben« gebun­den sei. Je mehr sozia­lis­ti­sche Theo­rien ihren »wis­sen­schaft­li­chen« Cha­rak­ter beton­ten, umso flüch­ti­ger sei­en sie; nur sozia­lis­ti­sche Wer­te sei­en per­ma­nent. Auf Theo­rien kön­ne man eine Schu­le begrün­den, insis­tier­te Silo­ne, doch nur auf Basis von Wer­ten kön­ne eine Kul­tur, eine Zivi­li­sa­ti­on, eine neue Lebens­grund­la­ge zwi­schen Men­schen auf­ge­baut wer­den.3 Für den ehe­ma­li­gen Trotz­kis­ten und Lite­ra­tur­kri­ti­ker Irving Howe, des­sen Lebens­the­ma (und Lebens­trau­ma) das Schei­tern des Sozia­lis­mus war, ver­kör­per­te Silo­ne einen »Hero­is­mus der Ermü­dung« in den »dunk­len Zei­ten« des moder­nen Euro­pas, »im Her­zen unse­rer Kata­stro­phe«, hat­te aber zugleich die »Bega­bung für Eigen­sinn«, die ihn über die Bit­ter­keit und Ver­zweif­lung hin­weg half. Für Howe war Silo­ne »der am wenigs­ten ver­bit­ter­te Ex-Kom­­mu­­nist, der nach­denk­lichs­te Radi­kal­de­mo­krat« und damit ein Vor­bild gegen die blin­de Devo­ti­on gegen­über über­hol­ten Dog­men, auch wenn sie in links­dra­pier­ten Neu­ver­klei­dun­gen erneut unter das Volk gebracht wer­den soll­ten.4 Auch wenn in den 1950er-Jah­­ren, der Deka­de des »gesell­schaft­li­chen Kon­for­mis­mus«, Silo­nes poli­ti­sche Lite­ra­tur nicht mehr als »sen­ti­men­ta­le Nost­al­gie« erschei­nen moch­te, reprä­sen­tier­te für Howe ein Roman wie Fon­ta­ma­ra (1933), obgleich er auf den ers­ten Blick in der Nie­der­la­ge endet, trotz allem revo­lu­tio­nä­re Hoff­nung und einen vita­len Elan, der als Gegen­kraft zum anti­rea­lis­ti­schen Ästhe­ti­zis­mus der begin­nen­den Post­mo­der­ne wirk­te. »Silo­nes Roma­ne«, pos­tu­lier­te Howe, »ent­hal­ten die tief­grün­digs­te Visi­on des­sen, was Hero­is­mus in der moder­nen Welt sein kann«.5 In den 1960er-Jah­­ren nahm die Wert­schät­zung für Silo­nes Pro­sa­werk jedoch merk­lich ab. Sym­pto­ma­tisch ist die Antho­lo­gie des Ita­­li­en-Lie­b­ha­­bers Klaus Wagen­bach (Mein Ita­li­en, kreuz und quer), die erst­mals 2004 erschien und zwan­zig Jah­re spä­ter in einer aktua­li­sier­ten Aus­ga­be neu auf­ge­legt wur­de. Auch wenn in Wagen­bachs Ver­lag Silo­nes Roman Der Fuchs und die Kame­lie (1960) 1998 in einer über­ar­bei­te­ten Über­set­zung erschien, in dem – nach Irving Howe – noch ein­mal der »mensch­li­che Impuls« sich wider­spie­gel­te, der »das Bes­te im euro­päi­schen Sozia­lis­mus« reprä­sen­tie­re6, blieb Silo­ne in einem Quer­schnitt, der »die Geschich­te, die stets gegen­wär­ti­ge, die Klas­sen­kämp­fe, das Trau­ma des Faschis­mus, die andau­ern­de Span­nung zwi­schen Selbst­ent­fal­tung und dem Gefühl der Fremd­be­stimmt­heit«7 reflek­tie­ren soll, außen vor. Der Fokus lag nach Wagen­bachs Inten­ti­on auf der Lite­ra­tur der ita­lie­ni­schen Avant­gar­de der 1960er-Jah­­re und danach oder (wie Wagen­bach an ande­rer Stel­le schrieb) gegen die »Lan­ge­wei­le des ordent­lich gezim­mer­ten neo­rea­lis­ti­schen Romans«8. Ver­kör­pert wur­de die­se Rich­tung der »nach­ho­len­den« Moder­ni­sie­rung der ita­lie­ni­schen Lite­ra­tur durch die Grup­pe 63, die in Per­son von Nan­ni Bal­est­ri­ni, Umber­to Eco, Lui­gi Maler­ba, Gior­gio Man­ganel­li und ande­ren Autor*innen der Neo-Avan­t­­gar­­de den »Kampf gegen den kru­den und sen­ti­men­ta­len Rea­lis­mus der damals offi­ziö­sen Roman­li­te­ra­tur«9 (wie Wagen­bach das Pro­jekt beschrieb) zu orga­ni­sie­ren such­ten. In sei­nem pro­gram­ma­ti­schen Essay »Die Lite­ra­tur als Lüge« stritt Man­ganel­li den Anspruch der Lite­ra­tur ab, Aus­druck von Mora­li­tät zu sein: »Lite­ra­tur ist unmo­ra­lisch«, pos­tu­lier­te er, sei abtrün­nig von »jedem soli­da­ri­schen Gehor­sam, jeder Ein­wil­li­gung ins eige­ne oder frem­de gute Gewis­sen, jedem mit­mensch­li­chen Gebot«. In ers­ter Linie ent­schlie­ße sich der Schrift­stel­ler, »unnütz zu sein«. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der 1930er-Jah­­re, in der der Lite­ra­tur eine sozia­le Ver­ant­wor­tung zuge­schrie­ben wur­de, cha­rak­te­ri­sier­te Man­ganel­li die Lite­ra­tur als »aso­zi­al«: »Die Lite­ra­tur ist anar­chisch und folg­lich eine Uto­pie: als sol­che löst sie sich unun­ter­bro­chen auf, um neue Form zu gewin­nen. Wie alle Uto­pien ist sie infan­til, auf­rei­zend, ver­wir­rend.«10 Mit dem »Spiel­trieb« der post­mo­der­nen Lite­ra­tur nach 1945 konn­te Silo­ne sich nie anfreun­den. »Die alten Legen­den und Hei­li­gen­ge­schich­ten ste­hen ihm näher als die avan­cier­te zeit­ge­nös­si­sche Lite­ra­tur«11, urteil­te der Lite­ra­tur­kri­ti­ker Lothar Mül­ler anläss­lich des hun­derts­ten Geburts­ta­ges Silo­nes. Ähn­lich urteil­te Alber­to Mora­via: Silo­nes Werk gehö­re zu »einer inzwi­schen über­hol­ten Tra­di­ti­on des ita­lie­ni­schen Natu­ra­lis­mus«.12 Für Howe war Silo­ne nicht nur ein Held (wie Geor­ge Orwell oder Arthur Koest­ler), son­dern ein Meis­ter der mora­li­schen Klar­heit »in Momen­ten von Schwie­rig­kei­ten und Soli­da­ri­tät«, auch wenn (wie in Der Fuchs und die Kame­lie) sich der mora­li­sche Wider­stand gegen die Gezei­ten der Herr­schaft ledig­lich in Trä­nen äußert (»Die Trä­nen wecken kei­nen Toten wie­der auf, aber was soll man sonst tun.«).13 wie sich spä­ter – nach Silo­nes Tod – her­aus­stel­len soll­te, war der »mora­li­sche Wider­stand« durch­aus befleckt, Silo­nes Lite­ra­tur Aus­druck einer (mit Man­ganel­lis Wor­ten) »heroi­schen, mytho­lo­gi­schen Unauf­rich­tig­keit«, bevöl­kert mit Hei­li­gen, Revo­lu­tio­nä­ren und Ver­rä­tern in einer »Welt unge­mil­de­ter Här­te und zäher Resi­gna­ti­on« (Lothar Mül­ler).14   Silo­ne vor Silo­ne Am Ende sei­nes Lebens (im Jah­re 1978) sag­te Silo­ne – dem Schwei­zer Essay­is­ten Fran­çois Bon­dy zufol­ge – den kryp­ti­schen Satz: »Wenn der Faschis­mus ein­mal wie­der­kehrt, wird er nicht so dumm sein zu sagen: Ich bin der Faschis­mus. Er wird sagen: Ich bin der Anti­fa­schis­mus.«15 Mitt­ler­wei­le ist die­ser Satz von pseu­do­wis­sen­schaft­li­chen Leugner*innen der Kli­ma­ka­ta­stro­phe wie dem AFD-nahen »Euro­päi­schen Insti­tut für Kli­ma und Ener­gie« usur­piert wor­den, um öffent­lich­keits­wirk­sam Stim­mung gegen einen vor­geb­li­chen »grü­nen Faschis­mus« zu machen, und auch die AFD selbst funk­tio­niert den Anti­fa­schis­ten Silo­ne für ihre Zwe­cke um.16 Dabei blen­den die »Zom­bie-Faschis­ten«17 (um einen Aus­druck Robert W. McChes­neys zu ver­wen­den) sowohl die Vor­ge­schich­te als auch die sozia­len und his­to­ri­schen Pro­ble­me der mensch­li­chen Ent­wick­lung der Gegen­wart wie der Zukunft aus, um ihr reak­tio­nä­res Süpp­chen im Zeit­al­ter der fort­schrei­ten­den Regres­si­on bekömm­lich und schmack­haft über die »(anti-)sozialen« Medi­en hohn­la­chend zu ver­trei­ben.18 Ent­ge­gen die­sen Geschichts­fäl­schun­gen muss der abschlie­ßen­de Satz aus Silo­nes Faschis­­mus-Ana­­ly­­se Der Fascis­mus aus dem Jah­re 1934 (vor sei­ner Kar­rie­re als Roman­schrift­stel­ler und Sprach­rohr des Anti­kom­mu­nis­mus) in Erin­ne­rung blei­ben: »Die Zukunft gehört dem Sozia­lis­mus. Die Zukunft gehört der Frei­heit.«19 Auf der Frank­fur­ter Buch­mes­se 2024 rühm­te Fabio Stas­si, Erfin­der des Detek­tivs und Biblio­the­ra­peu­ten Vin­ce Cor­so (»Ich hei­ße Vin­ce Cor­so. Ich bin fünf­und­vier­zig, Wai­se, und ver­die­ne mei­nen Lebens­un­ter­halt, indem ich Leu­ten Bücher ver­schrei­be.«20), Silo­ne als den »berühm­tes­ten anti­fa­schis­ti­schen Dich­ter der Welt« und emp­fahl die Wie­der­lek­tü­re von Roma­nen wie Fon­ta­ma­ra (1933), der Silo­nes Kar­rie­re als Schrift­stel­ler nach sei­ner poli­ti­schen Abkehr vom Kom­mu­nis­mus ein­läu­te­te. Silo­ne sei, lob­te ihn Dwight Mac­do­nald in einer Rezen­si­on in der trotz­kis­ti­schen Zeit­schrift The New Inter­na­tio­nal im April 1939, »ein Intel­lek­tu­el­ler, ein Mann der Ideen«, der in sei­nen Ana­ly­sen des Faschis­mus und Auto­ri­ta­ris­mus ein hoch ent­wi­ckel­tes moder­nes Bewusst­sein reprä­sen­tier­te, wäh­rend die poli­ti­sche The­ma­tik in sei­ner Bel­le­tris­tik (wie in Fon­ta­ma­ra) »manie­riert« blei­be.21 In sei­nem Buch Bebel­platz erin­nert Stas­si an die Bücher­ver­bren­nung von 1933, als Student*innen in 34 Uni­ver­si­täts­städ­ten in Deutsch­land über 25.000 Bücher ver­brann­ten, wie Alber­to Man­guel in sei­nem Vor­wort schreibt: »Bücher wer­den zur Ele­gie ihrer selbst, Biblio­the­ken zu ihren Grä­bern.«22 Mit sei­nem gesell­schafts­the­ra­peu­ti­schen Ansatz der Lite­ra­tur wirkt Stas­si wie ein spä­ter »Sart­rea­ner«, der Lite­ra­tur als anti­fa­schis­ti­sches und demo­kra­ti­sches Pro­jekt, als »Nie­der­fahrt zu den Unter­ir­di­schen«23 (Man­ganel­li) begreift. »Die Kunst der Pro­sa ist mit dem ein­zi­gen Sys­tem soli­da­risch«, schrieb Jean-Paul Sart­re in sei­nem Essay Was ist Lite­ra­tur? (1947), »wo die die Pro­sa einen Sinn behält: mit der Demo­kra­tie. Wenn die eine bedroht ist, ist es auch die ande­re.«24 In sei­nen Detek­tiv­ro­ma­nen ent­wirft Stas­si mit den fik­tio­na­len Emp­feh­lun­gen sei­nes Biblio­the­ra­peu­ten Vin­ce Cor­so eine »kom­ple­xe und gran­dio­se Apo­lo­gie und Apo­theo­se der Lite­ra­tur« (Wal­ter van Ros­sum).25 Als Post­script wählt Stas­si ein Zitat Man­ganel­lis: »Die Lite­ra­tur ist Neu­ro­se, dar­um ist von so ent­schei­den­der Bedeu­tung für die Kul­tur der Moder­ne, eben weil sie ihr Traum ist, ihr Sym­ptom, ihre Krank­heit.«26 Exil als Wen­de­punkt Stas­si nimmt Silo­ne vor allem als gro­ßen Autoren mas­ku­li­ner Tra­di­ti­on wahr, als einen Schrift­stel­ler, der eine Kate­go­rie von Män­nern dar­stel­le, für die das Schrei­ben schwie­ri­ger als für ande­re sei, um ihm anschlie­ßend mit Lob­hu­de­lei­en ande­rer gro­ßer Schrift­stel­ler wie Gra­ham Gree­ne, Geor­ge Orwell und Albert Camus den Ehren­kranz zu flech­ten und – mit dem Urteil Wil­liam Faul­k­ners – zu dem sei­ner­zeit »größ­ten leben­den ita­lie­ni­schen Schrift­stel­ler« zu ver­klä­ren, ohne dass Stas­si die exak­te Quel­le die­ses Faul­k­­ner-Zitats angibt.27 Wäh­rend vie­le ita­lie­ni­schen Autor*innen wie Alber­to Mora­via, Car­lo Emi­lia Gad­da, Lui­gi Piran­del­lo oder Pier Pao­lo Paso­li­ni sich mit dem faschis­ti­schen Regime in Ita­li­en arran­gier­ten oder der faschis­ti­schen »Bewe­gung« anschlos­sen, ging Silo­ne Ende der 1920-er Jah­re ins Schwei­zer Exil. Auf­grund einer schwe­ren Atem­in­suf­fi­zi­enz ver­brach­te er meh­re­re Mona­te in Sana­to­ri­en in Asco­na und Davos und stand als Exi­lant unter stän­di­ger Beob­ach­tung der Schwei­zer Behör­den, wäh­rend er sich in sei­ner pre­kä­ren Situa­ti­on mit schlecht bezahl­ten Tätig­kei­ten als Schreib­kraft, Ita­lie­nisch­leh­rer, Kor­re­spon­dent und Über­set­zer durch­schlug. Neben sei­ner Lun­gen­krank­heit mach­te ihm auch die Poli­tik der »Sta­li­ni­sie­rung« und sei­ne »Exkom­mu­ni­ka­ti­on« durch die Kom­mu­nis­ti­sche Par­tei Ita­li­ens (PCI) im Juli 1931 stark zu schaf­fen.28 Etwas pathe­tisch schreibt sein Bio­graf Sta­nis­lao G. Puglie­se, dass sich Silo­ne im nüch­ter­nen Zürich »die Repu­ta­ti­on eines ein­zel­gän­ge­ri­schen und sor­gen­vol­len Man­nes erwarb, gebro­chen an Gesund­heit und Geist«, wobei jedoch die Exil­er­fah­rung ihm gehol­fen habe, sich neu zu erfin­den und aus einem Mit­glied der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei in das zu ver­wan­deln, was Anto­nio Gramsci in ihm stets gese­hen hat­te: in ers­ter Linie einen Schrift­stel­ler.29 Mit dem Roman Fon­ta­ma­ra über die Poli­ti­sie­rung einer Grup­pe von Bau­ern in einem fik­ti­ven Dorf in den Abruz­zen schuf er den Grund­stein sei­ner lite­ra­ri­schen Kar­rie­re, die ihren vor­läu­fi­gen Höhe­punkt in dem Roman Brot und Wein drei Jah­re spä­ter gewin­nen soll­te. Ein­ge­bet­tet zwi­schen die­sen bei­den Exil­ro­ma­nen war die Ana­ly­se des ita­lie­ni­schen Faschis­mus mit dem Titel Der Fascis­mus, die zwi­schen den Jah­ren 1931 und 1934 ent­stand und von Puglie­se als »bru­tal kar­ges Werk« cha­rak­te­ri­siert wird.30 Das Buch erschien 1934 auf Deutsch im Euro­­pa-Ver­­lag, womit der enga­gier­te Ver­le­ger Emil Oprecht das Schwei­zer Bür­ger­tum vom tota­li­tä­ren Wesen des ita­lie­ni­schen Regimes zu über­zeu­gen ver­such­te. »Die auf­wän­di­ge Halb­le­der­aus­ga­be gab der Zuver­sicht von Autor und Ver­le­ger Aus­druck«, schreibt Chris­toph Ema­nu­el Dejung in sei­ner Oprecht-Bio­­­gra­­fie, »gebil­de­te Krei­se auf­zu­rüt­teln: Zu Recht waren bei­de über­zeugt, mit ihrer wis­sen­schaft­lich fun­dier­ten Arbeit den wah­ren Cha­rak­ter des von kon­ser­va­ti­ven und katho­li­schen Krei­sen ver­harm­los­ten Macht­sys­tems Mus­so­li­nis auf­zu­de­cken.«31 Im Pro­zess des Zer­falls Den Auf­stieg des ita­lie­ni­schen Faschis­mus lei­te­te Silo­ne aus dem miss­lun­ge­nen Auf­bau eines ita­lie­ni­schen Staa­tes und dem Ver­fall der bür­ger­li­chen Gesell­schaft. In Anleh­nung an Gramsci beschrieb er den Faschis­mus als Bewe­gung einer bewaff­ne­ten Reak­ti­on, die aus der struk­tu­rel­len Schwä­che Ita­li­ens im Zuge der Ereig­nis­se wäh­rend des Ers­ten Welt­krie­ges und der Ver­wer­fun­gen danach her­vor­ging. Das Schei­tern des revo­lu­tio­nä­ren Pro­le­ta­ri­ats führ­te Gramsci auf poli­ti­sche, orga­ni­sa­to­ri­sche, tak­ti­sche und stra­te­gi­sche Män­gel der Arbei­ter­par­tei zurück. Der Sieg des Faschis­mus 1922 müs­se, führ­te Gramsci 1926 aus, »nicht als Sieg gese­hen wer­den, der über die Revo­lu­ti­on errun­gen wur­de, son­dern als eine Kon­se­quenz der Nie­der­la­ge, wel­che die revo­lu­tio­nä­ren Kräf­te auf­grund ihrer inne­ren Schwä­che erlit­ten«.32 Immer wie­der insis­tier­te Silo­ne, dass der Faschis­mus weder »vom Him­mel gefal­len« noch ein Ver­häng­nis, son­dern »ein Pro­dukt der Klas­sen­be­zie­hun­gen« sei.33 Ähn­lich wie in den Ana­ly­sen der »Frank­fur­ter Schu­le« ist der Begriff »Staats­ka­pi­ta­lis­mus« eine zen­tra­le Kate­go­rie in der Beschrei­bung des tota­li­tä­ren Sys­tems (Fried­rich Pol­lock bezeich­ne­te bei­spiels­wei­se die­se Form der Öko­no­mie als »eine töd­li­che Dro­hung für alle Wer­te der west­li­chen Zivi­li­sa­ti­on«34 »Der faschis­ti­sche Staats­ka­pi­ta­lis­mus hat auf die Mobi­li­sa­ti­on der wirt­schaft­li­chen Hilfs­quel­len hin­ge­ar­bei­tet, um das Regime zu hal­ten (ein Pro­blem, das die macht­ha­ben­de Klas­se beschäf­tigt und ver­folgt). Durch ihn hat das Regime eine Atem­pau­se gewon­nen, er hat in gewis­sem Maße den Pro­zeß des Zer­falls der ita­lie­ni­schen Wirt­schaft und die Panik der Bour­geoi­sie vor den immer wach­sen­den Schwie­rig­kei­ten auf die­sem Gebiet hin­aus­ge­scho­ben.«35 Für Puglie­se ist Silo­nes Faschis­­mus-Ana­­ly­­se das letz­te Über­bleib­sel aus sei­ner »Par­tei­m­en­ta­li­tät«, in Anwen­dung einer strik­ten mar­xis­ti­schen Metho­do­lo­gie und in einem pole­mi­schen Ton.36 Dabei ver­kennt er jedoch Silo­nes ana­ly­ti­sche Leis­tung in der »Ent­lar­vung« des faschis­ti­schen Sys­tems, das vor­geb­lich eine »neue Welt« schaf­fen woll­te, dabei jedoch ledig­lich die Rui­nen des bür­ger­li­chen Sys­tems neu ord­ne­te, wäh­rend die Arbei­ter­be­we­gung im Wider­stand gegen das tota­li­tä­re Sys­tem weit­ge­hend ver­sag­te. »Die poli­ti­sche Unrei­fe der Arbei­ter­be­we­gung«, urteil­te Silo­ne scharf, »hat in der Nach­kriegs­zeit das Klein­bür­ger­tum auf den Kapi­ta­lis­mus gesto­ßen und dem Sieg des Fascis­mus gehol­fen.«37 Der poli­ti­sche Gebrauchs­wert von Silo­nes Ana­ly­se war in der aku­ten Lage der tota­li­tä­ren Bedro­hung offen­sicht­li­cher als in spä­te­ren Jah­ren der poli­ti­schen »Ent­span­nung«. Vor allem Dani­el Guérins Mark­stein in der anti­fa­schis­ti­schen Dis­kus­si­on der 1930er-Jah­­re – Fascis­me et grand capi­tal (1936) – griff in der Dis­kus­si­on des ita­lie­ni­schen Faschis­mus immer wie­der auf Silo­nes Werk zurück, etwa in der Beschrei­bung der faschis­ti­schen Agrar­po­li­tik, die ent­ge­gen der Ankün­di­gun­gen Mus­so­li­nis und sei­ner Satra­pen den Kapi­ta­lis­mus in den agra­ri­schen Regio­nen Ita­li­ens zuguns­ten der Groß­grund­be­sit­zer rekon­sti­tu­ier­te.38 Guérins Ana­ly­se gehör­te neben Silo­nes poli­ti­scher Sati­re Die Schu­le der Dit­akt­oren (1938) zu den Stan­dard­tex­ten der Dis­kus­si­on um Staats­ka­pi­ta­lis­mus und büro­kra­ti­schen Kol­lek­ti­vis­mus im Faschis­mus und Sta­li­nis­mus in den frü­hen 1940er-Jah­ren.39 Silo­nes enga­gier­ter Ver­le­ger Oprecht sah sich vor allem durch das sechs­te Kapi­tel, in dem Silo­ne die faschis­ti­sche »Erobe­rung des fla­chen Lan­des« beschrieb, in sei­ner Hoff­nung auf eine anti­fa­schis­ti­sche Zukunft bestärkt. »Silo­ne gelingt es«, schreibt der Oprecht-Bio­­­graf Dejung, »das Gesche­hen der Macht­er­grei­fung als his­to­ri­sches Ereig­nis detail­ge­treu und mit ein­drück­li­cher Sach­lich­keit zu schil­dern, ohne ideo­lo­gi­sche Kli­schees zu bemü­hen.«40. Ame­ri­ka in den Abruz­zen Selb­st vier­zig Jah­re spä­ter wird Silo­nes Ana­ly­se noch eine authen­ti­sche Serio­si­tät zuge­stan­den. Im Nach­wort zum Reprint von Silo­nes Faschis­­mus-Ana­­ly­­se aus dem Jah­re 1978 im Ver­lag Neue Kri­tik emp­fahl der Her­aus­ge­ber, der Sozi­al­wis­sen­schaft­ler Chris­ti­an Rie­chers (1936–1993), neben der Lek­tü­re von Silo­nes Werk auch des­sen Roman Fon­ta­ma­ra zur Kennt­nis zu neh­men, in dem sich der »Wider­stand der armen Bau­ern gegen den ›moder­nen‹ Kapi­ta­lis­mus« arti­ku­lier­te, der »unter dem Faschis­mus sei­nen Ein­zug in Gebie­te hält, die bis data von gemü­t­­lich-bes­­tia­­lisch patri­ar­cha­li­schen Aus­beu­tungs­ver­hält­nis­sen bestimm­ten waren«.41 In der fik­ti­ven Roman­welt Fon­ta­ma­ras herrscht eine extre­me Hier­ar­chie: An der Spit­ze ste­hen Gott und der Fürst Tor­lo­n­ia, und bis nach unten ist es ein lan­ger Weg. Nach den Hun­den der Auf­se­her des Fürs­ten kommt nichts, »immer noch nichts«, »immer noch nichts« , bis schließ­lich am Ende die »Cafo­ni«, mit­tel­lo­se Klein­bau­ern, erschei­nen, wäh­rend in den Zwi­schen­stu­fen »die Behör­den« ange­sie­delt sind, die vor den »Cafo­ni« war­nen: »Laßt sie nicht her­ein. Nach­her haben wir das gan­ze Rat­haus vol­ler Läu­se.«42 Die Gegen­kraft zu den mit­tel­lo­sen Bau­ern ist »der Unter­neh­mer«, der in den Abruz­zen mit Tech­ni­ken des Groß­ka­pi­tals und der faschis­ti­schen Büro­kra­tie­agen­tu­ren »Ame­ri­ka« für sich und sei­ne Inter­es­sen ent­de­cken kann. »Die Cafo­ni müs­sen über den Oze­an«, sagt eine Stim­me im Roman, »um nach Ame­ri­ka zu gelan­gen … aber die­ser Räu­ber hat es wirk­lich hier ent­deckt.«43 In der Ima­gi­na­ti­on war »Ame­ri­ka« – mit den Wor­ten Italo Cal­vi­nos – wie ein mythi­sches Gegen­bild, eine »Uto­pie, eine gesell­schaft­li­che Alle­go­rie, die mit dem in Wirk­lich­keit exis­tie­ren­den Gebil­de glei­chen Namens kaum etwas gemein­sam hat«. Für die eine wie die ande­re Sei­te war »Ame­ri­ka« der »Inbe­griff für alle Mög­lich­kei­ten und Wirk­lich­kei­ten der zeit­ge­nös­si­schen Welt«, eine »ver­wor­re­ne Syn­the­se alles des­sen, das der Faschis­mus negie­ren und aus­schal­ten woll­te«.44 Dazu gehört auch die »Demo­kra­tie« in Fon­ta­ma­ra, die durch Mani­pu­la­ti­on und Kor­rup­ti­on auf­recht­erhal­ten wird. Als vie­le »Cafo­ni« gegen den amtie­ren­den Bür­ger­meis­ter stim­men, da er all­zu offen die Unter­neh­mer unter­stützt, wird die domi­nie­ren­de Posi­ti­on der herr­schen­den Funk­tio­nä­re durch die Stim­men von »Leben­­dig-Toten« in einer demo­kra­ti­schen Far­ce gesi­chert. Am Ende erhe­ben und orga­ni­sie­ren sich die »Cafo­ni«: »Nach soviel Lei­den und soviel Kämp­fen, nach soviel Unge­rech­tig­kei­ten, soviel Trä­nen und soviel Ver­zweif­lung, was tun?«45 Wie Eliza­beth Lea­ke schreibt, ist Fon­ta­ma­ra die Fik­tio­na­li­sie­rung des Gramscia­ni­schen Pro­jekts der »orga­ni­sa­to­ri­schen Funk­ti­on der Hege­mo­nie über die Gesell­schaft«, in dem sich eine Grup­pe der »Nie­de­ren« aus der Sta­sis mobi­li­sie­ren, um grund­le­gen­de Ver­än­de­run­gen in der Poli­tik ihrer Gedan­ken und Aktio­nen her­bei­zu­füh­ren.46 Furcht und Elend im Faschis­mus Silo­nes Repu­ta­ti­on als Anti­fa­schist wur­de stark beschä­digt, als im Jah­re 2000 zwei jün­ge­re His­to­ri­ker – Dario Bioc­ca and Mau­ro Cana­li – anhand von Doku­men­ten im Archiv der ita­lie­ni­schen Geheim­po­li­zei OVRA (Orga­niz­za­zio­ne di Vigi­lan­za e Repres­sio­ne dell’Antifascismo) den anti­fa­schis­ti­schen Autoren als mut­maß­li­chen Poli­zei­in­for­man­ten in den Jah­ren zwi­schen 1919 und 1931 ent­tarn­ten.47 Die Beweis­la­ge war jedoch kei­nes­wegs ein­deu­tig, da Infor­man­ten stets von ihren Auf­trag­ge­bern unter Deck­na­men geführt wer­den und Silo­ne sei­ne vor­geb­li­chen Berich­te kei­nes­wegs unter sei­nem Klar­na­men an die faschis­ti­sche Dienst­stel­le über­mit­tel­te. Für den Silo­­ne-Ver­­­tei­­di­­ger Fabio Stas­si ist die Lage ein­deu­tig: In sei­nen Augen ist der Ver­such, Silo­ne als faschis­ti­schen Spi­on zu gei­ßeln, nicht allein fak­tisch unbe­grün­det, son­dern auch ein nie­der­träch­ti­ges Unter­fan­gen, einen auf­rech­ten Mann, der Zeit sei­nes Lebens wegen sei­nes Non­kon­for­mis­mus ver­folgt wur­de, auch post­hum zu beschä­di­gen.48 Aller­dings ist die Sach­la­ge nicht so ein­fach, wie Stas­si sie dar­stellt. His­to­ri­ker wie John Foot oder der renom­mier­te Über­set­zer Wil­liam Wea­ver sehen den Ver­dacht, Silo­ne habe als Infor­mant für die ita­lie­ni­sche Geheim­po­li­zei aus unter­schied­li­chen Moti­ven gear­bei­tet, als durch­aus begrün­det an.49 Dage­gen hin­ter­fragt Silo­nes Bio­graf Puglie­se die Glaub­wür­dig­keit der Beschul­di­gun­gen: War­um soll­te das faschis­ti­sche Regime mit Infor­ma­tio­nen über sei­nen Infor­man­ten Silo­ne, als er zu einem pro­mi­nen­ten Akteur in den anti­fa­schis­ti­schen Bewe­gun­gen in Euro­pa und in den USA auf­stieg, hin­ter dem Berg hal­ten?50 Zugleich the­ma­ti­sier­te Silo­ne in sei­nen anti­fa­schis­ti­schen Roma­nen auch immer die Exis­tenz von Spit­zeln, die Furcht vor der Ent­de­ckung, dem Ver­fal­len der Schan­de des Ver­rats. In Brot und Wein (1936) kehrt bei­spiels­wei­se der Sozia­list Pie­tro Spi­na aus sei­nem Exil unter dem Deck­man­tel eines Pries­ters in die Abruz­zen zurück, um dort revo­lu­tio­nä­re Zel­len zu orga­ni­sie­ren. Die Klan­des­t­in­i­tät ist der Humus, auf dem der Ver­rat gedeiht. »Das Leben einer gehei­men Orga­ni­sa­ti­on in einem der Dik­ta­tur unter­stel­len Land«, heißt es an einer Stel­le im Roman, »ist fort­wäh­rend beherrscht von einem blin­den Kampf gegen die Poli­zei­spit­zel.«51 Zu den Spit­zeln gehört der mit­tel­lo­se Stu­dent Lui­gi Murica, der wegen sei­ner Mit­glied­schaft in einer revo­lu­tio­nä­ren Grup­pe ver­haf­tet wird und sich als Spit­zel ver­dingt. Anfangs lie­fert er ledig­lich schein­bar unbe­denk­li­che Infor­ma­ti­on, ver­strickt sich jedoch immer tie­fer in die Infor­man­ten­tä­tig­keit, bis er von der Furcht vor Ent­de­ckung und der zer­mür­ben­den Reue über sei­nen Ver­rat zer­rie­ben wird und nach einer neu­er­li­chen Ver­haf­tung an den Miss­hand­lun­gen im Gefäng­nis stirbt. Wäh­rend die Dik­ta­tur den Pro­zess der Ent­mensch­li­chung und das Elend der Angst per­p­etu­iert, bleibt die Eman­zi­pa­ti­on von Angst auch das Ziel des Spit­zels. »Die Revo­lu­ti­on ist ein Bedürf­nis«, erklärt Murica, »nicht mehr allein zu sein, einer gegen den ande­ren. Sie ist ein Ver­such, gemein­sam zu leben und nicht mehr Angst zu haben. Ein Bedürf­nis nach Brü­der­lich­keit.«52 Für vie­le Kri­ti­ker Silo­nes, die von sei­ner »Schan­de«, Infor­mant der ita­lie­ni­schen Geheim­po­li­zei zu sein, über­zeugt waren oder sind, offen­bar­te der vor­geb­li­che heroi­sche Kämp­fer gegen den Faschis­mus sei­ne Spit­zel­exis­tenz in der Figur von Murica.53 Zugleich könn­te sich der rea­le Autor in der gebro­che­nen Figur des Pie­tro Spi­na reflek­tie­ren, der in der Tar­nung die Herr­schaft über die eige­ne rea­le Exis­tenz ver­liert. »Die Angst, irr­sin­nig zu wer­den, bemäch­tigt sich sei­ner«, schreibt Silo­ne in Brot und Wein. »Er muß sich sei­nen Namen, sei­nen rich­ti­gen, wie­der­ho­len, muss alles ver­ste­cken, was zu sei­ner Ver­klei­dung als Pries­ter gehört, muß sein Knie, sei­ne Schul­tern, sein Gesicht betas­ten, sich in die eige­ne Hand bei­ßen, muß in sei­ner kör­per­li­chen Rea­li­tät einen Punkt des äußers­ten Wider­stan­des gegen sei­ne geis­ti­ge Ver­wir­rung suchen.«54 Dass Silo­ne unter einer Per­sön­lich­keits­stö­rung in den frü­hen 1930er-Jah­­ren litt, behaup­ten Bioc­ca und Cana­li ihrer Stu­die und geben als Fak­tum an, Silo­ne habe sich in der Schweiz einer Psy­cho­ana­ly­se bei C. G. Jung unter­zo­gen, obwohl es dafür kei­nen kon­kre­ten Beweis gibt.55 Die Ver­ur­tei­lung Silo­nes basiert nicht auf Bewei­sen, son­dern ledig­lich auf Indi­zi­en. Ähn­lich wie zuletzt bei Sieg­fried Unsel­ds Ent­tar­nung als NSDAP-Mit­­glied wird »das Archiv« (das von staat­li­chen Büro­kra­tien betrie­ben und auf­recht erhal­ten wird) zum allei­ni­gen Bewah­rer der his­to­ri­schen Wahr­heit. Im Fal­le von Silo­ne ist die Quel­le der Ermitt­lung das Über­bleib­sel von geheim­po­li­zei­li­chen Akti­vi­tä­ten, die in ein Archiv über­führt wur­den, ohne den Pro­zess der Ent­ste­hung ein­zu­be­zie­hen. Wie Puglia­re (mit einem Hin­weis auf Jac­ques Der­ri­das Schrift Dem Archiv ver­schrie­ben aus dem Jah­re 1995) in sei­ner Ver­tei­di­gung Silo­nes aus­führ­te, ist das Archiv ein Ort, wo Erin­ne­rung, Geschich­te, Fik­ti­on, Tech­no­lo­gie, Macht und Auto­ri­tät inein­an­der wir­ken.56 »Die Archi­vie­rung bringt das Ereig­nis in glei­chem Maße her­vor, wie sie es auf­zeich­net«, schrieb Der­ri­da. »Das ist auch une­re poli­ti­sche Erfah­rung mit den soge­nann­ten Infor­ma­ti­ons­me­di­en.«57 So ist das »Archiv« kei­nes­wegs der Hort einer unum­stöß­li­chen Wahr­heit, son­dern eine »inter­es­sen­ge­steu­er­te« Rekon­struk­ti­on der Ver­gan­gen­heit. © Jörg Auberg 2025 Für Über­set­zun­gen aus dem Ita­lie­ni­schen wur­de die Soft­ware Fle­xiPDF NX/DeepL ver­wen­det. Biblio­gra­fi­sche Anga­ben: Fabio Stas­si. Bebel­platz: La not­te dei libri bru­cia­ti. Mit einem Vor­wort von Alber­to Man­guel. Paler­mo: Sel­le­rio Edi­to­re, 2024. 312 Sei­ten, 16 Euro. ISBN: 978–8‑838947–21‑6. Fabio Stas­si. Die See­le aller Zufäl­le. Aus dem Ita­lie­ni­schen von Annet­te Kopetz­ki. Karls­ru­he: Edi­ti­on Con­ver­so, 2024. 288 Sei­ten, 24 Euro. ISBN: 978–3‑949558–30‑6. Klaus Wagen­bach. Mein Ita­li­en, kreuz und quer. Aktua­li­sier­te und erwei­ter­te Aus­ga­be letz­ter Hand. Ber­lin: Wagen­bach, 2024. WAT . 400 Sei­ten. 18 Euro. ISBN: 978–3‑8031–2827‑0. Bild­quel­len (Copy­rights) Bei­trags­bild (Silo­­ne-Col­la­­ge) © Jörg Auberg Cover Decli­ne of the New © Vic­tor Gol­lan­cz Cover Mein Ita­li­en, kreuz und quer © Ver­lag Klaus Wagen­bach Cover Der Fuchs und die Kame­lie © Ver­lag Klaus Wagen­bach Cover Nazi-Ger­­man in 22 Les­sons © Favo­ri­ten­pres­se Video Fabio Stas­si auf der Frank­fur­ter Buch­mes­se 2024 (Aus­schnitt) © Edi­ti­on Con­ver­so Cover Bebel­platz © Sel­le­rio Edi­to­re Cover Die See­le aller Zufäl­le © Edi­ti­on Con­ver­so Cover Der Fascis­mus © Ver­lag Neue Kri­tik Cover Sur le fascis­me © La Décou­ver­te Cover Fon­ta­ma­ra © Bücher­gil­de Guten­berg Cover Brot und Wein © Bücher­gil­de Guten­berg Nach­wei­se Eliza­beth Lea­ke, The Reinven­ti­on of Igna­zio Silo­ne (Toron­to: Uni­ver­si­ty of Toron­to Press, 2003), S. 3–4 ↩ Jür­gen Rüh­le, Lite­ra­tur und Revo­lu­ti­on: Die Schrift­stel­ler und der Kom­mu­nis­mus in der Epo­che Lenins und Sta­lins (Frankfurt/Main: Bücher­gil­de Guten­berg, 1987), S. 402 ↩ Igna­zio Silo­ne, in: The God That Fai­led, hg. Richard Cross­man (1950; erw. New York: Colum­bia Uni­ver­si­ty Press, 2001), S. 114 ↩ Irving Howe, Poli­tics and the Novel (1957; rpt. Chi­ca­go: Ivan R. Dee, 2002), S. 226; Irving Howe, Decli­ne of the New (Lon­don: Vic­tor Gol­lan­cz, 1971), S. 280; Mau­rice Isser­mann, If I Had a Ham­mer …: The Death of the Old Left and the Birth of the New Left (New York: Basic Books, 1987), S. 80 ↩ Howe, Poli­tics and the Novel, S. 219, 223, 226; Howe, »Mass Socie­ty and Post­mo­dern Fic­tion«, Par­ti­san Review, 26, Nr. 3 (Som­mer 1959):420–436, rpt. in: Decli­ne of the New, S. 190–207 ↩ Howe, Decli­ne of the New, S. 292 ↩ Klaus Wagen­bach, Nach­wort zu: Mein Ita­li­en, kreuz und quer (Ber­lin: Wagen­bach, 2024), S. 370 ↩ Buch­stäb­lich Wagen­bach – 50 Jah­re: Der unab­hän­gi­ge Ver­lag für wil­de Leser (Ber­lin: Wagen­bach, 2014), S. 26 ↩ Klaus Wagen­bach, Nach­wort zu: Gior­gio Man­ganel­li, Lügen­buch (Ber­lin: Wagen­bach, 2000), S. 152 ↩ Man­ganel­li, Lügen­buch, S. 135–137 ↩ Lothar Mül­ler, »Das Schla­gen der Peda­le des Web­stuhls – Christ ohne Kir­che, Sozia­list ohne Par­tei: Zum hun­derts­ten Geburts­tag von Igna­zio Silo­ne«, Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung, 29. April 2000, Lite­ra­tur­bei­la­ge, S. iv ↩ Alber­to Mora­via und Alain Elkann, Vita di Mora­via: Ein Leben im Gespräch, übers. Ulrich Hart­mann (Frei­burg: Beck & Glück­ler, 1991), S. 360 ↩ Howe, Decli­ne of the New, S. 292–293; Igna­zio Silo­ne, Der Fuchs und die Kame­lie, übers. Han­na Dehio, rev. Mari­an­ne Schnei­der (Ber­lin: Wagen­bach, 1998), S. 140 ↩ Man­ganel­li, Lügen­buch, S. 142; Mül­ler, »Das Schla­gen der Peda­le des Web­stuhls«, S. iv ↩ Silo­ne, zit. in: Rüh­le, Lite­ra­tur und Revo­lu­ti­on, S. 404 ↩ Fred F. Frey, »Der grü­ne Faschis­mus hin­ter dem ›Weltrettungs‹-Getue«, https://eike-klima-energie.eu/2022/12/09/der-gruene-faschismus-hinter-dem-weltrettungs-getue/; sie­he auch https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4isches_Institut_f%C3%BCr_Klima_und_Energie; Chris­ti­an R. Schmidt, »Silo­nes War­nung«, jungle.world, Nr. 5 (2020), https://jungle.world/artikel/2020/05/silones-warnung; Mari­am Lau, »Die AfD regiert indi­rekt längst mit«, Die Zeit, 30. Juni 2024, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024–06/afd-parteitag-essen-parteivorsitz-demonstrationen/komplettansicht ↩ Robert W. McChes­ney, Vor­wort zu: John Bel­la­my Fos­ter, Trump in the White House: Tra­ge­dy and Far­ce (New York: Month­ly Review Press, 2017), S. 8 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Mini­ma Mora­lia: Refle­xio­nen aus dem beschä­dig­ten Leben (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1987), S. 268; Siva Vaid­hya­nathan, Anti-Social Media: How Face­book Dis­con­nects Us and Under­mi­nes Demo­cra­cy (New York: Oxford Uni­ver­si­ty Press, 2018); Andrew Marantz, Anti­so­cial: How Online Extre­mist Bro­ke Ame­ri­ca (Lon­don: Pica­dor, 2020) ↩ Igna­zio Silo­ne, Der Fascis­mus (Zürich: Euro­­pa-Ver­­lag, 1934; rpt. Frankfurt/Main: Ver­lag Neue Kri­tik, 1978), S. 285 ↩ Fabio Stas­si, Die See­le der Zufäl­le, übers. Annet­te Kopetz­ki (Karls­ru­he: Edi­ti­on Con­ver­so, 2024), S. 9 ↩ Dwight Mac­do­nald, »School for Dic­ta­tors«, The New Inter­na­tio­nal, 5, Nr. 4 (April 1939), S. 126–127 ↩ Alber­to Man­guel, Vor­wort zu: Fabio Stas­si, Bebel­platz: La not­te dei libri bru­cia­ti (Paler­mo: Sel­le­rio Edi­to­re, 2024, ePub-Ver­­­si­on), S. 9 ↩ Gior­gio Man­ganel­li, Man­ganel­li furio­so: Hand­buch für unnüt­ze Lei­den­schaf­ten, übers. Mari­an­ne Schnei­der (Ber­lin: Wagen­bach, 1985), S. 127 ↩ Jean Paul Sart­re, Was ist Lite­ra­tur?, Schrif­ten zur Lite­ra­tur, Bd. 2, hg. und übers. Trau­gott König (Rein­bek: Rowohlt, 1987), S. 54; ori­gi­nal: Sart­re, Situa­tions III, erw. Neu­aus­ga­be, hg. Arlet­te Elkaïm-Sar­t­­re (Paris: Gal­li­mard, 2013), S. 64 ↩ Wal­ter van Ros­sum, Sich ver­schrei­ben: Jean-Paul Sart­re, 1939–1953 (Frankfurt/Main: Fischer, 1990), S. 170; sie­he auch Lothar Bai­er, Was wird Lite­ra­tur? (Mün­chen: Kunst­mann, 2001), S. 54 ↩ Stas­si, Die See­le der Zufäl­le, S. 271 ↩ Stas­si, Bebel­platz, S. 122 ↩ Detail­lier­te Infor­ma­tio­nen zu Silo­nes Erfah­run­gen im Schwei­zer Exil fin­den sich in: Debo­rah Hol­mes, Igna­zio Silo­ne in Exi­le: Wri­ting and Anti­fa­scism in Switz­er­land, 1929–44 (New York: Rout­ledge, 2016, ePub-Ver­­­si­on); und Sta­nis­lao G. Puglie­se, Bit­ter Spring: A Life of Igna­zio Silo­ne (New York: Farr­ar, Straus and Giroux, 2009, ePub-Ver­­­si­on), S. 110–160. Zur Attrak­ti­on des Faschis­mus für Autoren wie Paso­li­ni cf. Simo­na Bon­da­vel­li, Fic­tions of Youth: Pier Pao­lo Paso­li­ni, Ado­le­s­cence, Fascisms (Toron­to: Uni­ver­si­ty of Toron­to Press, 2015) ↩ Puglie­se, Bit­ter Spring, S. 114; Lea­ke, The Reinven­ti­on of Igna­zio Silo­ne, S. 3–4 ↩ Puglie­se, Bit­ter Spring, S. 126 ↩ Chris­toph Ema­nu­el Dejung, Emil Oprecht: Ver­le­ger der Exil­au­to­ren (Mün­chen: Euro­pa Ver­lag, 2023, ePub-Ver­­­si­on), S. 133 ↩ Anto­nio Gramsci, »The Ita­li­an Situa­ti­on and the Tasks of the PCdI« (Lyon-The­­sen), in: The Anto­nio Gramsci Rea­der: Sel­ec­ted Wri­tin­gs 1916–1935, hg. David For­gacs (Lon­don: Law­rence and Wis­hart, 1999), S. 147 ↩ Silo­ne, Der Fascis­mus, S. 273 ↩ Fried­rich Pol­lock, Sta­di­en des Kapi­ta­lis­mus, hg. Hel­mut Dubiel (Mün­chen: C. H. Beck, 1975), S. 72 ↩ Silo­ne, Der Fascis­mus, S. 209 ↩ Puglie­se, Bit­ter Spring, S. 126 ↩ Silo­ne, Der Fascis­mus, S. 285 ↩ Dani­el Gué­rin, Sur le fascis­me: La peste bru­ne – Fascis­me et grand capi­tal (Paris: La Décou­ver­te, 2001), S. 408–409 ↩ Cf. Micha­el Wres­zin, A Rebel in Defen­se of Tra­di­ti­on: The Life and Poli­tics of Dwight Mac­do­nald (New York: Basic Books, 1994), S. 72–73; Jörg Auberg, New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le: Eine poli­­tisch-kul­­tu­­rel­­le Geschich­te von Auf­stieg und Nie­der­gang, 1930–2020 (Bie­le­feld: tran­script, 2022), S. 135–139 ↩ Dejung, Emil Oprecht: Ver­le­ger der Exil­au­to­ren, S. 133 ↩ Chris­ti­an Rie­chers, Die Nie­der­la­ge in der Nie­der­la­ge: Tex­te zu Arbei­ter­be­we­gung, Klas­sen­kampf, Faschis­mus, hg. Felix Klo­po­tek (Müns­ter: Unrast Ver­lag, 2009), S. 295 ↩ Igna­zio Silo­ne, Fon­ta­ma­ra, übers. Han­na Dehio (Frankfurt/Main: Bücher­gil­de Guten­berg, 1963), S. 32, 40 ↩ Silo­ne, Fon­ta­ma­ra, S. 53 ↩ Italo Cal­vi­no, Vor­wort zu: Cesa­re Pave­se, Schrif­ten zur Lite­ra­tur, übers. Erna und Erwin Kop­pen (Ham­burg: Cla­as­sen, 1967), S. 9–10 ↩ Silo­ne, Fon­ta­ma­ra, S. 215 ↩ Anto­nio Gramsci, Mar­xis­mus und Kul­tur: Ideo­lo­gie, All­tag, Lite­ra­tur, hg. und übers. Sabi­ne Kebir (Ham­burg: VSA-Ver­­lag, 1983), S. 62; Lea­ke, The Reinven­ti­on of Igna­zio Silo­ne, S. 92 ↩ Dario Bioc­ca und Mau­ro Cana­li, L’informatore: Silo­ne, i comu­nis­ti e la Poli­zia (Mai­land: Luni Editri­ce, 2000); zum Hin­ter­grund sie­he Puglie­se, Bit­ter Spring, S. 279–308 ↩ Stas­si, Bebel­platz, S. 122 ↩ John Foot, Blood and Power: The Rise and Fall of Ita­li­an Fascism (Lon­don: Bloomsbu­ry, 2022, ePub-Ver­­­si­on), S. 194–196; Wil­liam Wea­ver, »The Mys­tery of Igna­zio Silo­ne«, New York Review of Books, 49, Nr. 4 (14. März 2002), https://www.nybooks.com/articles/2002/03/14/the-mystery-of-ignazio-silone/ ↩ Puglie­se, Bit­ter Spring, S. 290 ↩ Igna­zio Silo­ne, Brot und Wein, übers. Adolf Saa­ger (Zürich: Bücher­gil­de Guten­berg, 1936), S. 280 ↩ Silo­ne, Brot und Wein, S. 307 ↩ Puglie­se, Bit­ter Spring, S. 287 ↩ Silo­ne, Brot und Wein, S. 95 ↩ Hol­mes, Igna­zio Silo­ne in Exi­le, S. 38 ↩ Puglie­se, Bit­ter Spring, S. 281–282 ↩ Jac­ques Der­ri­da, Dem Archiv ver­schrie­ben, übers. Hans D. Gon­dek und Hans Nau­mann (Ber­lin: Brink­mann und Bose, 1997), S. 35 ↩ […]
  • Georg Seeßlen — Trump und Co.Georg Seeß­len — Trump und Co.4. März 2025Der »Hor­ror-Clown« des Faschis­mus Georg Seeß­len ana­ly­siert die Ban­den­herr­schaft Donald Trumps von Jörg Auberg »Ame­ri­ka inter­es­sier­te mich, es ist das inter­es­san­tes­te Land«, sag­te der fran­zö­si­sche Film­re­gis­seur Lou­is Mal­le in einem Inter­view mit der Film­jour­na­lis­tin Chris­ta Maer­ker. »So ging es jeden­falls mir immer. Es gibt vie­le mons­trö­se Sachen hier. Scho­ckie­ren­des. Aber es gibt auch eine Vita­li­tät und Ener­gie.«1 Jedoch kann auch die Vita­li­tät scho­ckie­ren­de und mons­trö­se Momen­te zei­ti­gen, wie der hys­te­ri­sche Sturm auf Capi­tol im Janu­ar 2021 nach der Abwahl Donald Trumps demons­trier­te. In der Atta­cke arti­ku­lier­te sich nicht der Pro­test von Verlierer*innen, die vom demo­kra­ti­schen Estab­lish­ment sich genas­führt fühl­ten, son­dern die Stam­pe­de von hys­te­ri­sier­ten Trumpist*innen (wie etwa dem Ver­schwö­rungs­prak­ti­ker und »QAnon-Scha­­ma­­nen« Jacob Chans­ley), die das »Medi­en-Framing« der Spek­ta­kel­ge­sell­schaft adäquat bedien­ten. Der alte 1968er Slo­gan »The who­le world is wat­ching« wur­de poli­tisch umfunk­tio­niert und für den anti­de­mo­kra­ti­schen Auto­ri­ta­ris­mus mas­sen­me­di­al neu auf­ge­la­den.2 That was then (in Fic­tion)   This is now (in rea­li­ty) Dis­rup­ti­on als neo­li­be­ra­les Kampf­mit­tel n sei­nem Buch Trump & Co betont der Kul­tur­kri­ti­ker Georg Seeß­len, dass »Dis­rup­ti­on« ein neo­li­be­ra­les Kampf­mit­tel sei. Ursprüng­lich beruh­te es auf dem Kon­zept der »krea­ti­ven Zer­stö­rung« des öster­rei­chi­schen Öko­no­men Joseph Schum­pe­ter, der es als Trieb­kraft der Inno­va­ti­on begriff. In ers­ter Linie war es (aus öko­no­mi­scher Per­spek­ti­ve) ein stän­di­ger Umstruk­tu­rie­rungs­pro­zess, bei dem bestehen­de »Geschäfts­mo­del­le« durch neue Pro­fit­ma­xi­mie­rungs­mo­del­le abge­löst wur­den.3 »Dis­rup­ti­on ist die neo­ka­pi­ta­lis­ti­sche Form von Klas­sen­kampf«, kon­sta­tiert Seeß­len; »die Gewin­ner machen den Ver­lie­rern gan­ze Bio­gra­fien und gan­ze Kul­tu­ren kaputt, und manch­mal ist das Kaputt­ma­chen selbst das ein­zi­ge Geschäfts­mo­dell.«4 In sei­ner Ana­ly­se des »Hor­ror­clowns des ame­ri­ka­ni­schen Faschis­mus« rekur­riert Seeß­len auf die The­ma­tik der »Blöd­ma­schi­nen«, wonach der »weit­läu­figs­te Roh­stoff des Kapi­ta­lis­mus« die »mensch­li­che Dumm­heit« sei.5 Für Seeß­len ist Trump kein sin­gu­lä­res Phä­no­men, son­dern Aus­druck einer Ent­wick­lung des poli­ti­schen Auto­ri­ta­ris­mus, die als Reak­ti­on auf die Ereig­nis­se der spä­ten 1960er Jah­re begann. Bereits das Team Richard Nixon/Spiro J. Agnew trug die anti-lin­ke Agen­da in Namen einer vor­geb­lich »schwei­gen­den Mehr­heit« vor sich her. »Ame­ri­ca is tired of pro­test. Ame­ri­ca is tired of Dani­el Ells­berg«, war der media­le Slo­gan den 1970ern.6 Nach einem kur­zen libe­ra­len Inter­mez­zo in der Prä­si­dent­schaft Jim­my Car­ters tri­um­phier­te schließ­lich der Neo­kon­ser­va­tis­mus in poli­ti­scher und kul­tu­rel­ler Form, wobei nicht zufäl­lig ehe­ma­li­ge »Frei­beu­ter« der Kul­tur­in­dus­trie wie Ronald Rea­gan oder Sil­vio Ber­lus­co­ni sich zu Poten­ta­ten ihrer jewei­li­gen Staats­un­ter­neh­men auf­schwan­gen, die zu Pro­to­ty­pen der Autokrat*innen des neu­en Jahr­hun­derts wur­den.7 Wie Dou­glas Kell­ner bereits 2016 her­vor­hob, ermög­lich­ten erst die Muta­tio­nen in Gesell­schaft, Poli­tik und Kul­tur eine Figur wie Donald Trump, der sich – auch mit Unter­stüt­zung der Spek­­ta­kel-Agen­­tu­­ren im Medi­en­be­reich – als Wie­der­gän­ger Mus­so­li­nis insze­nier­te, wäh­rend die nega­ti­ven Aspek­te des Faschis­mus im dunk­len Hin­ter­grund der Kulis­sen ver­schwan­den.8 Herr­schaft der Gang bwohl Seeß­len – in Anleh­nung an Umber­to Ecos Typo­lo­gie – auch auf die Merk­ma­le des Urfa­schis­mus wie Anti­mo­der­nis­mus, Irra­tio­na­lis­mus, Eli­tis­mus, Todes­kult oder Ver­schwö­rungs­theo­rie hin­weist9, ist sein pri­mä­res Refe­renz­sys­tem die Semio­lo­gie des Kinos, des Fern­se­hens und ande­rer Mas­sen­me­di­en­strö­me. Trump nimmt er in ers­ter Linie als »Gang-Lea­­der« wahr, des­sen Zie­le sich in Berei­che­rung, Lust­be­frie­di­gung, Zer­stö­rung und Aus­wei­tung des Macht­ter­ri­to­ri­ums erschöp­fen. »Die Gang ist ein flüs­si­ge­res Modell der ter­ro­ris­ti­schen Herr­schaft«, kon­sta­tiert Seeß­len; »sie baut ihr Geflecht der Abhän­gig­kei­ten und der Erpres­sun­gen auf (ein Omer­­tá-Gebot inklu­si­ve), bil­det Unter-Gangs und Alli­an­zen, ver­folgt aber auch ein Hit-and-Run-Kon­­­zept. Wo nichts mehr zu holen ist oder der Auf­wand zu groß, nimmt man sich ein ande­res Ziel vor.«10 In die­ser Beschrei­bung erin­nert Trump – mit Max Hork­hei­mer gespro­chen – an einen bru­ta­len »Gangs­ter­häupt­ling«, der »kei­ne Kri­tik ver­trägt und die ande­ren wie Dreck behan­delt, wenn sie nicht gera­de mäch­ti­ger sind als er«11. Er ist die Reinkar­na­ti­on des Syn­­­di­­kat-Chefs Litt­le Bona­par­te aus Bil­ly Wil­ders sati­ri­scher Komö­die Some Like it Hot (1959), der (als Vor­sit­zen­der der »Freun­de der ita­lie­ni­schen Oper«) wie Beni­to Mus­so­li­ni aus­sieht und agiert, dabei aber Zita­te aus Alex­an­der Popes Essay on Cri­ti­cism (»Irren ist mensch­lich, Ver­ge­ben gött­lich«) und dem Reper­toire des Chefs von Gene­ral Motors, Charles Wil­son, (»Was gut für das Land ist, ist gut für uns«) ver­wen­det.12 Trumps MAGA-Pro­­jekt (Make Ame­ri­ca Gre­at Again) ist nicht mehr als der »Aus­wurf der bür­ger­li­chen Gesell­schaft« (wie es bei Karl Marx hieß), der Ver­such einer despe­ra­ten »Tote­n­er­we­ckung« ange­sichts glo­ba­ler Ver­wer­fun­gen und Kri­sen in öko­no­mi­scher, öko­lo­gi­scher, poli­ti­scher und gesell­schaft­li­cher Hin­sicht, die auch mit einer rück­wärts­ge­wand­ten Restau­ra­ti­on ehe­ma­li­ger Macht­ver­hält­nis­se unter dem Kom­man­do alter wei­ßer Män­ner nicht aus der Welt geschaf­fen wer­den kön­nen.13 Den­noch greift die Reduk­ti­on der »trum­pis­ti­schen Auto­kra­tie« auf das Gang-Motiv aus der popu­lä­ren Mytho­lo­gie der Kul­tur­in­dus­trie zu kurz. »Die media­le Echo­kam­mer der Gang-Her­r­­schaft ist die ›Manos­phe­re‹«, ana­ly­siert Seeß­len, »ein Netz­werk der Miso­gy­nie und der patri­ar­cha­len Reak­ti­on, um die harm­lo­se­ren Aspek­te zu erwäh­nen, das Unter­grund­rau­schen zu Ver­­­ge­­wal­­ti­­gungs- und Mord­fan­ta­sien, immer ver­bun­den mit ande­ren Aspek­ten der rech­ten Welt­er­zäh­lung, von libe­ra­len ›Eli­ten‹, ›tie­fem Staat‹ und mar­xis­ti­scher Unter­wan­de­rung.«14 Die miso­gy­ne Grund­struk­tur des reak­tio­nä­ren Sys­tems (die in Gangs­ter­fil­men wie The Public Ene­my oder The Big Heat vor­herr­schend ist) ist für Seeß­len in der rea­len Welt »ein inne­rer Kitt des all­ge­mei­nen und vul­gä­ren Trum­pis­mus«15, wobei er nicht the­ma­ti­siert, war­um diver­se Gesell­schafts­grup­pen – Frau­en, Afro-Amerikaner*innen, Lati­nos & Lati­nas – trotz aller Wider­sprü­che und wider­strei­ten­den Inter­es­sen für die auto­ri­tä­re Herr­schaft von Trump und sei­ner Gefolgs­leu­te stimm­ten oder war­um ein Poli­ti­ker aus New York City so ekla­tant gegen den his­to­ri­schen Cha­rak­ter einer Stadt agi­tie­ren kann, die von Beginn an mul­ti­eth­nisch und divers geprägt war.16 Der Krieg der Zei­chen ndem sich Seeß­len auf das »Nar­ra­tiv« aus der kul­tur­in­dus­tri­el­len Mytho­lo­gie kapri­ziert und bereits im Unter­ti­tel auf Ber­tolt Brechts Thea­ter­stück über Arturo Ui (»Es ist das Gangs­ter­stück, das jeder kennt!«17) rekur­riert, ver­nach­läs­sigt er poli­ti­sche, sozia­le und öko­no­mi­sche Dimen­sio­nen der auto­ri­tä­ren Herr­schaft. Zwar rückt er – mit Theo­dor W. Ador­no gespro­chen – »das sub­jek­tiv Nich­ti­ge und Schein­haf­te« des Auto­kra­ten in den Fokus, eska­mo­tiert aber zugleich das wirk­li­che Aus­maß der auto­ri­tä­ren Macht­über­nah­me.18 Im gefäl­li­gen Gere­de über Dis­ney­world, Star Wars, Super­he­­ro-Comics, die Simpsons und James Bond ver­liert sich die kon­kre­te Ana­ly­se der rea­len Ver­hält­nis­se und lässt immer wie­der Trump als »Hor­ror-Clown« aus dem Sumpf der schwar­zen Lagu­ne blub­bernd auf­tau­chen. Beglei­tet wer­den die Beschrei­bun­gen der Tri­um­phe der »rech­ten Schar­la­ta­ne« von wabern­den Aus­sa­gen wie »Der liber­tä­re Auto­ri­ta­ris­mus ver­ab­schie­det sich bis zu einem gewis­sen Grad von den kon­ser­va­ti­ven Wer­ten« oder »Das Volk ist eine hys­te­ri­sier­te Mas­se, die sich unbe­dingt ver­ste­ti­gen will«. 19 Poli­tisch bleibt Seeß­len nebu­lös. In sei­nem Nar­ra­tiv per­so­na­li­siert er zuvör­derst den his­to­ri­schen Ver­lauf. Sili­­con-Mil­­li­ar­­dä­­re wie Elon Musk, Mark Zucker­berg, Peter Thiel, Jeff Bezos und ande­re füh­ren den »Hor­ror-Clown« Trump wie eine Mario­net­te, sug­ge­riert Seeß­len, doch inwie­fern die tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lung auf die gesell­schaft­li­che Sphä­ren und ihr admi­nis­tra­ti­ves Per­so­nal ein­wirkt, fin­det in sei­ner Argu­men­ta­ti­on kei­ne Berück­sich­ti­gung.20 In sei­ner Erzäh­lung agie­ren stets nur kon­spi­ra­ti­ve Ein­zel­tä­ter, wäh­rend die Kon­zen­tra­ti­on gesell­schaft­li­cher Macht eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le spielt.21 Bereits in Trumps ers­ter Run­de für den US-Prä­­si­­den­t­­schafts­­­wahl­­kampf 2016 posi­tio­nier­te sich der rechts­li­ber­tä­re Pay­­Pal-Begrün­­der Thiel für die Nomi­nie­rung Trumps (»Trump war eine der bes­ten Inves­ti­tio­nen Thiels«22), bemerkt der Jour­na­list Mal­colm Har­ris in Palo Alto, sei­nem Buch über die kali­for­ni­sche IT-Indus­­trie. Im zwei­ten Durch­gang schlos­sen sich sei­ne ehe­mals (mehr oder min­der) libe­ra­len Sili­­con-Unter­­neh­­mer­freun­­de – ohne wei­te­re Scham – dem Trump-Zug an. Bei Seeß­len fin­det die gesell­schaft­li­che Ent­wick­lung in den USA wie folgt ihren Nie­der­schlag: »Der Krieg der Zei­chen und der Bezeich­nun­gen hat sich von geschlos­se­nen Sys­te­men zu dyna­mi­schen Span­nun­gen ent­wi­ckelt; es geht nicht mehr um tra­di­tio­nel­le Bedeu­tung (eine direk­te Bezie­hung von Zei­chen und Bezeich­ne­ten), son­dern um affek­ti­ve Zustän­de, die sich gleich­sam ihren Zusam­men­hang selbst suchen.«23 Letz­te Aus­fahrt Poi­son­ville ber die tie­fer gehen­den sozia­len und poli­ti­schen Grün­de des momen­ta­nen Tri­um­phes reak­tio­nä­rer und neo­fa­schis­ti­scher Kräf­te  schweigt sich Seeß­len aus. Statt­des­sen repro­du­ziert er gän­gi­ge Kli­schees aus dem Reper­­toire-Bau­­kas­­ten des hoch­mü­ti­gen Res­sen­ti­ments gegen das pro­vin­zi­el­le Ame­ri­ka. »Das hin­ter­wäl­der­lische, bigot­te und reak­tio­nä­re Ame­ri­ka schien Relikt und teils lie­bens­wer­te, teils gru­se­li­ge Enkla­ve für den back­wood Hor­ror oder Schau­platz von Klein­­stadt-Idyl­­len mit kau­zi­gem Typen-Reser­­voir«, führt Seeß­len schon zu Beginn an, um den Mythos Ame­ri­kas als uni­ver­sa­les »Kraft­zen­trum von Demo­kra­tie und Libe­ra­lis­mus« zu »dekon­stru­ie­ren«. 24 Wie­der­um argu­men­tiert er aus der ein­ge­schränk­ten Per­spek­ti­ve des Pop­­kul­­tur-Kri­­ti­kers, wäh­rend der Blick für die gesell­schaft­li­chen Rea­li­tä­ten eher bei­läu­fig ist. Seeß­lens Wahr­neh­mung der »Ver­ges­se­nen« oder des »white trash« wird über den Topos der »for­got­ten men« (ein gän­gi­ges Mus­ter aus den 1930er-Jah­­ren) gesteu­ert, der vor allem im Best­sel­ler Hill­bil­ly Elegy des eins­ti­gen Trump-Kri­­ti­kers und spä­te­ren Vize­prä­si­den­ten im Trump-II-Team, J. D. Van­ce, repe­tiert wur­de. Das Opus des ver­lo­ge­nen und oppor­tu­nis­ti­schen Schrei­ber­lings der »Red­necks« war auch für vor­geb­li­che Lin­ke wie den Ver­le­ger und Viel­schrei­ber Klaus Bit­ter­mann ein Modell, um gegen die Zei­t­­geist-Lin­ke zu agi­tie­ren. Für ihn war der Reak­tio­när Van­ce ein »groß­ar­ti­ger Autor, der ein­dring­lich und über­zeu­gend zu beschrei­ben ver­steht, wie ver­lo­ren und depres­siv der deklas­sier­te wei­ße Arbei­ter ist, aber auch wie wenig er sich unter­krie­gen lässt«, wobei er unum­wun­den zur eige­nen Recht­fer­ti­gung der Lob­hu­de­lei zugibt, dass das Buch »kei­ne sozio­lo­gi­sche Ana­ly­se« prä­sen­tier­te, da offen­bar zu vie­le sozia­le Fak­ten Van­ces sub­jek­ti­ve Beob­ach­tun­gen und Erin­ne­run­gen und das Lese­ver­gnü­gen von will­fäh­ri­gen Rezen­sen­ten (die sich an der ver­meint­li­chen Wirk­lich­keit der Ver­lie­rer delek­tie­ren woll­ten, ohne vom Degout des Ver­lie­rers umweht zu sein) nur stö­ren könn­ten.25 Wäh­rend Seeß­lens Ana­ly­se über die Ursa­chen der Anfäl­lig­keit der länd­li­chen Bevöl­ke­rung für auto­ri­tä­re Poli­tik­mus­ter in einem wabern­den semio­ti­schen Nebel ver­harrt (»Der poli­ti­sche Kampf wird vom Schlacht­feld der Inter­es­sen zum Schau­platz der Effek­te«26), wirft die Sozio­lo­gin Arlie Rus­sell Hoch­schild in ihrem Buch Sto­len Pri­de (2024) einen kon­kre­ten Blick auf die Beweg­grün­de der Trump-Gefolgs­­­leu­­te in länd­li­chen Gebie­ten wie Ken­tu­cky. Ähn­lich wie in Dashiell Ham­metts Roman Red Har­ve­st, in dem poli­ti­sche Kor­rup­ti­on und loka­le Gangs­ter­herr­schaft in der Pro­vinz­stadt Per­son­ville ali­as Poi­son­ville ein­an­der bedin­gen, ist in Pik­e­ville in Ken­tu­cky der Zug in Rich­tung Trump-Sta­­te längst abge­fah­ren. In Pik­e­ville resul­tiert der Tri­umph von Trumps MAGA-Bewe­­gung weni­ger aus dem öko­no­mi­schen Pro­gramm Trumps, denn aus sei­ner Fähig­keit, ein »emo­tio­na­les Vaku­um« zu fül­len. In Pike Coun­ty konn­te Trump mit sei­ner reak­tio­nä­ren Agen­da tri­um­phie­ren (acht­zig Pro­zent der Bevöl­ke­rung stimm­ten für sein Pro­gramm, weil in der Gleich­zei­tig­keit des Ver­lusts von Arbeits­plät­zen im Berg­bau und dem Ein­strö­men von Opio­iden der Phar­ma­in­dus­trie die phy­si­sche und psy­chi­sche Balan­ce außer Kon­trol­le geriet), da Trump den Bedeu­tungs­ver­lust im sozia­len Gefü­ge mit mar­ki­gen Sprü­chen des star­ken Man­nes zu kom­pen­sie­ren ver­stand (obgleich er in der Ver­gan­gen­heit tat­säch­lich diver­se Unter­neh­men mit eige­ner Inkom­pe­tenz in die Insol­venz getrie­ben hat­te).27 Auch in Lou­is Mal­les US-ame­ri­­ka­­ni­­schen Doku­men­tar­fil­men wie God’s Coun­try (1986), in denen sich der kon­ser­va­ti­ve Auf­bruch von Far­mern im Mit­tel­wes­ten von Min­ne­so­ta Ende der 1970er in der Des­il­lu­si­on mit der neo­li­be­ra­len Poli­tik der »Rea­gano­mics« aus­drück­te, exem­pli­fi­ziert sich das »echt ame­ri­ka­ni­sche Wider­spruchs­rät­sel«28 (wie es Fried­rich Engels Ende des 19. Jahr­hun­derts bezeich­ne­te): Homo­ge­ni­tät und Diver­si­tät, Kon­ser­va­tis­mus und rebel­li­scher Geist.29 Obgleich die »Mid­wes­ter­ners« von den »rech­ten Schar­la­ta­nen« und ihren Hilfs­trup­pen (wie sie bei Seeß­len titu­liert wer­den) als eine Mas­se von Sub­al­ter­nen vor­ge­führt wer­den, wird der New Yor­ker Trump von media­len Vasal­len als »Gats­by für unse­re Zeit« gefei­ert, wobei sei­ne auf­ge­bla­se­ne Vul­ga­ri­tät als Inbe­griff des Erfolgs ver­kauft wird. Wie schon bei Scott Fitz­ge­rald bli­cken nur gigan­ti­sche blaue Augen über das Aschen­tal eines aus­ge­zehr­ten Kapi­ta­lis­mus.30 The End is Near bgleich Seeß­len mit sei­nem pop­kul­tu­rel­len Ansatz eini­ge Aspek­te des auto­ri­tä­ren Popu­lis­mus, wie er von Trump und ande­ren »Volks­tri­bu­nen« der Gegen­wart reprä­sen­tiert wird, mar­kant auf­leuch­ten lässt, bleibt er doch hin­ter der kri­ti­schen Ana­ly­se, wie sie John Bel­la­my Fos­ter, der Her­aus­ge­ber der lin­ken Zeit­schrift Month­ly Review, in sei­nem Buch Trump in the White House aus dem Jah­re 2017 vor­leg­te, weit zurück. »Das neo­fa­schis­ti­sche Mons­ter, ein­mal auf die Welt los­ge­las­sen, wird nicht ein­fach ver­schwin­den«31, schrieb Fos­ter damals. Die Ana­ly­se der ers­ten Trump-Run­­de – mit han­dels­üb­li­chen Faschis­ten wie Ste­ve Ban­non oder Sebas­ti­an Gor­ka – hat sich aktu­ell über­lebt, da in Trumps Zir­kel momen­tan ultra­rech­te »Influencer*innen« wie Lau­ra Loo­mer oder »Büro­­­kra­­tie-Kil­­ler« wie Elon Musk (der nicht ein­mal die dunk­le Ele­ganz des Auf­trags­kil­lers Nel­se Macleod in Howard Hawks’ Abge­sang auf den alten Wes­ten, El Dora­do, auf­zu­wei­sen ver­mag) als Vertreter*innen eines neu­en »Tech­­no-Faschis­­mus« sich aus­to­ben kön­nen.32 Daher ist es ver­ständ­lich, dass Fos­ter sein Buch nicht ledig­lich über­ar­bei­ten und den neu­en Gege­ben­hei­ten anpas­sen möch­te, son­dern ein neu­es Buch über das Trump-Regime schrei­ben möch­te, das (laut Pla­nung) ent­we­der Ende 2025 oder Anfang 2026 erschei­nen wird. Aller­dings bleibt die Fra­ge, ob dies ange­sichts der hys­te­ri­sier­ten Ereig­nis­se in den USA nicht bereits zu spät sein wird. © Jörg Auberg 2025 Biblio­gra­fi­sche Anga­ben: Georg Seeß­len. Trump & Co.: Der un/aufhaltsame Weg des Wes­tens in die Anti-Demo­kra­tie. Ber­lin: Bertz + Fischer, 2025. 240 Sei­ten, 18 Euro. ISBN: 978–3‑86505–779‑2. Bild­quel­len (Copy­rights) Trai­ler Seven Days in May (1964) Archiv des Autors Video­zu­sam­men­fas­sung Donald Trump vor dem U.S. Con­gress, 4. März 2025 © The Guar­di­an Cover Trump & Co. © Bertz + Fischer Film­aus­schnitt Some Like it Hot (1959) Archiv des Autors Sze­nen­fo­to The Public Ene­my Archiv des Autors Cover Ame­ri­can Fascism (2024) © New Repu­blic Cover Sto­len Pri­de © New Press Cover Trump in the White House © Month­ly Review Press   Nach­wei­se Chris­ta Maer­ker, Inter­view mit Lou­is Mal­le, 25. Okto­ber 1984, Los Ange­les, in: Lou­is Mal­le (Rei­he Film 34), hg. Peter W. Jan­sen und Wolf­ram Schüt­te (Mün­chen: Han­ser, 1985), S. 44–45 ↩ Cf. Todd Git­lin, The Who­le World is Wat­ching: Mass Media in the Making & Unma­king of the New Left (Ber­ke­ley: Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia Press, 1980) ↩ Cf. çapul­cu Redak­ti­ons­kol­lek­tiv, Dis­rupt! Wider­stand gegen den tech­no­lo­gi­schen Angriff (Müns­ter: Unrast-Ver­­lag, 2017), S. 11 ↩ Georg Seeß­len, Trump & Co.: Der un/aufhaltsame Weg des Wes­tens in die Anti-Demo­­kra­­tie (Ber­lin: Bertz + Fischer, 2025), S. 14 ↩ Cf. Jörg Auberg, »Roh­stoff Dumm­heit«, satt.org (5. Janu­ar 2013), https://www.satt.org/gesellschaft/13_01_kapital.html ↩ Git­lin, The Who­le World is Wat­ching, S.5 ↩ Cf. John Ganz, When the Clock Bro­ke: Con Men, Con­spi­ra­cists, and How Ame­ri­ca Cra­cked Up in the Ear­ly 1990s (New York: Farr­ar, Straus and Giroux, 2024) ↩ Dou­glas Kell­ner, Ame­ri­can Night­ma­re: Donald Trump, Media Spec­ta­cle and Aut­ho­ri­ta­ri­an Popu­lism (Rot­ter­dam: Sen­se Publishers, 2016), S. 11 ↩ Umber­to Eco, Der ewi­ge Faschis­mus, übers. Burk­hart Kroeber (Mün­chen: Han­ser, ³2020), S. 30–39 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 54 ↩ Max Hork­hei­mer, »Noti­zen 1949–1969«, in: Schrif­ten, Bd. 6, hg. Alfred Schmidt (Frankfurt/Main: Fischer, 1991), S. 217 ↩ Jef­frey Mey­ers, The Geni­us and the God­dess: Arthur Mil­ler and Mari­lyn Mon­roe (Lon­don: Arrow Books, 2010, ePub-Ver­­­si­on), S. 216, 341–342Fn ↩ Karl Marx, »Der acht­zehn­te Bru­mai­re des Lou­is Bona­par­te«, MEW, Bd. 8 (Ber­lin: Dietz, 2009), S. 116, 123; Robert Misik, »Donald Bona­par­te«, taz, 19. Febru­ar 2025, S. 12. Zur Popu­la­ri­tät Mus­so­li­nis in den USA cf. John P. Dig­gins, Mus­so­li­ni and Fascism: The View from Ame­ri­ca (Prince­ton, NJ: Prince­ton Uni­ver­si­ty Press, 1972), und Katy Hull, The Machi­ne Has a Soul: Ame­ri­can Sym­pa­thy with Ita­li­an Fascism (Prince­ton, NJ: Prince­ton Uni­ver­si­ty Press, 2021) ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 58 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 59 ↩ Fre­de­rick M. Bin­der und David M. Rei­mers, All the Nati­ons Under Hea­ven: An Eth­nic and Racial Histo­ry of New York City (New York: Colum­bia Uni­ver­si­ty Press, 1995) ↩ Ber­tolt Brecht, Der auf­halt­sa­me Auf­stieg des Arturo Ui (Ber­lin: Suhr­kamp, 1965), S. 9 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Noten zur Lite­ra­tur, hg. Rolf Tie­de­mann (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1981), S. 417 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 118, 123, 130 ↩ Zum Ein­fluss von »sozia­len Medi­en« auf die poli­ti­sche Dis­kurs­fä­hig­keit cf. Siva Vaid­hya­nathan, Anti­so­cial Media: How Face­book Dis­con­nects Us and Under­mi­nes Demo­cra­cy (New York: Oxford Uni­ver­si­ty Press, 2018); Andrew Marantz, Anti­so­cial: How Online Extre­mist Bro­ke Ame­ri­ca (Lon­don: Pica­dor, 2019) ↩ Cf. Georg Seeß­len, »Mum­pizm rel­oa­ded, oder die Welt sucht den Super-Influen­­cer«, kon­kret, 2/2025 (Febru­ar 2025), S. 28–29 ↩ Mal­colm Har­ris, Palo Alto: A Histo­ry of Cali­for­nia, Capi­ta­lism, and the World (Lon­don: River­run, 2022), S. 604 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 161–162 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 11 ↩ Klaus Bit­ter­mann, »Die letz­te Zuflucht der Ver­lie­rer«, taz, 24. Juni 2017, S. 12; zur kri­ti­schen Ein­ord­nung sie­he Nan­cy Isen­berg, »Left Behind«, New York Review of Books, 65:11 (28. Juni 2018), https://www.nybooks.com/articles/2018/06/28/left-behind-hillbilly-elegy-appalachia/ ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 95 ↩ Arlie Rus­sell Hoch­schild, Sto­len Pri­de: Loss, Shame, and the Rise of the Right (New York: New Press, 2024); Sarah Jones, »Pri­de and Pre­ju­di­ce«, Dis­sent, 72:1 (Win­ter 2025):127–130; Roger Bybee, »Rural Shame Helps Fuel Trump Back­ing by Poor«, New Poli­tics, 20:2 (Win­ter 2025):152–154; Dashiell Ham­mett, The Mal­te­se Fal­con – The Thin Man – Red Har­ve­st (New York: Everyman’s Libra­ry, 2000), S. 437 ↩ Fried­rich Engels, »Die Arbei­ter­be­we­gung in Ame­ri­ka«, MEW, Bd. 21 (Ber­lin: Dietz, 2023), S. 340; http://www.mlwerke.de/me/me21/me21_335.htm ↩ Peter Hou­ri­gan, »The Docu­men­ta­ries of Lou­is Mal­le«, Sen­ses of Cine­ma, Nr. 45 (Novem­ber 2007), https://www.sensesofcinema.com/2007/dvd/louis-malle-documentaries/; Pau­li­ne Guedj, Lou­is Mal­le: Regards sur l’Amérique (Niz­za: Les Edi­ti­ons Ova­dia, 2020), S. 192 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 118; Greil Mar­cus, Under the Red White and Blue: Patrio­tism, Disen­chant­ment and the Stub­born Myth of the Gre­at Gats­by (New Haven: Yale Uni­ver­si­ty Press, 2020), S. 82; F. Scott Fitz­ge­rald, The Gre­at Gast­by (New York: Everyman’s Libra­ry, 2021), S. 20 ↩ John Bel­la­my Fos­ter, Trump in the White House: Tra­ge­dy and Far­ce (New York: Month­ly Review Press, 2017), S. 115 ↩ Robin Wood, Howard Hawks (Lon­don: BFI, 1983), S. 158–159; Kyle Chay­ka, »Tech­­no-Fascism Comes to Ame­ri­ca«, New Yor­ker, 26. Febru­ar 2025, https://www.newyorker.com/culture/infinite-scroll/techno-fascism-comes-to-america-elon-musk ↩ […]
  • Ronnie A. Grinberg: Write Like a ManRon­nie A. Grin­berg: Wri­te Like a Man6. Dezem­ber 2024Män­ner­welt des Geis­tes Ron­nie Grin­berg unter­sucht die Mas­ku­li­ni­tät der Intel­lek­tu­el­len von Jörg Auberg Im zwei­ten Teil von Her­mann Brochs Roman­tri­lo­gie Die Schlaf­wand­ler träu­men die deut­schen Arbei­ter und Ange­stell­ten von »Ame­ri­ka« als einem uto­pi­schen Ort, wo man »hoch­kom­men« kön­ne, ohne sich »wie hier umsonst zu schin­den«, und zitier­ten Goe­the: »Ame­ri­ka, du hast es bes­ser«.1 Der deut­sche Dich­ter­fürst hat­te die USA gerühmt, »kei­ne ver­fal­le­nen Schlös­ser« zu besit­zen und ohne unnüt­zes Erin­nern aus­zu­kom­men: »Dem Teu­fel gehör­te der gan­ze Plun­der.«2 White Noi­se Auf dem ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nent wur­de die­ses Feh­len von Tra­di­tio­nen und his­to­ri­scher Erin­ne­rung jedoch nicht über­all gefei­ert. In sei­nem defi­ni­ti­ven Essay »The New York Intellec­tu­als« aus dem Jah­re 1968 lamen­tier­te der New Yor­ker Lite­ra­tur­kri­ti­ker Irving Howe über eine feh­len­de »Intel­li­gen­zi­ja« in der kul­tu­rel­len und poli­ti­schen Geschich­te der USA: US-ame­ri­­ka­­ni­­sche Intel­lek­tu­el­le – ob als Indi­vi­du­en oder Grup­pen – hät­ten stets in Iso­la­ti­on agiert. Ein­zig die »New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len«, die sich in den 1930er Jah­ren um die Zeit­schrift Par­ti­san Review und spä­ter um Publi­ka­ti­ons­or­ga­ne wie Poli­tics, Com­men­ta­ry, Dis­sent, New York Review of Books oder Public Inte­rest grup­pier­ten, kamen laut Howe der Vor­stel­lung einer »Intel­li­gen­zi­ja« am nächs­ten, da sie mit ihren poli­ti­schen und kul­tu­rel­len Vor­stel­lun­gen vor allem in der Zeit nach dem Zwei­ten Welt­krieg, als der Anti­kom­mu­nis­mus inter­na­tio­nal als essen­zi­el­les Instru­ment insti­tu­tio­na­li­siert und mit Regie­rungs­gel­dern aus diver­sen Quel­len finan­ziert wur­de, das »Bewusst­sein der Nati­on« präg­te.3 In Howes Defi­ni­ti­on, die für die His­to­rio­gra­fie das bestim­men­de Nar­ra­tiv wur­de, waren die New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len eine Grup­pe von »frei­schwe­ben­den« Geis­tern, die ihren Ursprung im lin­ken oder links­ra­di­ka­len Milieu hat­ten, Lite­ra­tur­kri­tik mit sozi­al­kri­ti­schem Schwer­punkt betrie­ben, in den kul­tu­rel­len Krei­sen New Yorks nach Bril­lanz und Aner­ken­nung streb­ten und zumeist jüdi­scher Her­kunft waren. In einer Fuß­no­te schwäch­te Howe die »Beto­nung der jüdi­schen Ursprün­ge« als eine »Ver­dich­tung der Rea­li­tä­ten« und »Bezeich­nung der Ein­fach­heit hal­ber« ab: Im Klar­text soll­te der Begriff die »Intel­lek­tu­el­len New Yorks« bezeich­nen, die »in den Drei­ßi­gern auf­tauch­ten, von denen die meis­ten jüdisch« waren.4 Street Fight­ing Men In ihrer Stu­die Wri­te Like a Man: Jewish Mas­cu­li­ni­ty and the New York Intellec­tu­als rekur­riert Ron­nie Grin­berg auf Howes Defi­ni­ti­on, um ihre The­se vom Zusam­men­spiel von Mas­ku­li­ni­tät und Domi­nanz im New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len­mi­lieu zu bele­gen. In ihrem preis­ge­krön­ten Essay »Neither ›Sis­sy‹ Boy Nor Patri­ci­an Man: New York Intellec­tu­als and the Con­s­truc­tion of Ame­ri­can Jewish Mas­cu­li­ni­ty«5 skiz­zier­te sie, wie vie­le der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len auf­grund ihrer Her­kunft als jüdi­sche Immi­gran­ten der zwei­ten Gene­ra­ti­on ihr mas­ku­li­nes Selbst­bild in ihrem intel­lek­tu­el­len Her­an­wach­sen ent­war­fen und die ideo­lo­gi­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit Kon­tra­hen­ten und Kon­kur­ren­ten als eine fort­ge­setz­te Form des street­fightin­gs begrif­fen.6 In ihrem Buch ver­engt Grin­berg die Grup­pe der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len (noch stär­ker und aus­ge­präg­ter als Howe) auf ihren jüdi­schen Cha­rak­ter (wobei zen­tra­le nicht-jüdi­­sche Mit­glie­der wie Dwight Mac­do­nald, Fre­de­rick W. Dupee oder Edmund Wil­son weit­ge­hend aus­ge­blen­det wer­den) und fixiert Mas­ku­li­ni­tät auf die jüdisch-tal­­mu­­di­­sche Tra­di­ti­on, aus der der aggres­si­ve säku­la­re Intel­lek­tu­el­le her­vor­geht. In ihrer Argu­men­ta­ti­on beruft sich Grin­berg auf das auto­bio­gra­fi­sche Nar­ra­tiv von Autoren wie Alfred Kazin und Irving Howe7, in dem die geschei­ter­ten Ver­su­che der Assi­mi­la­ti­on der ers­ten Gene­ra­ti­on der Immi­gran­ten und der Ver­lust des domi­nan­ten Sta­tus der Väter in den Fami­li­en geschil­dert wer­den. Der Vater erschien häu­fig als »Ver­sa­ger«, der nicht für den Lebens­un­ter­halt der Fami­lie sor­gen konn­te, wäh­rend Müt­ter als star­ke Frau­en auf­tra­ten. Mas­ku­li­ni­tät für die Her­an­wach­sen­den war ein Medi­um zur Selbst­be­haup­tung auf den Stra­ßen und in den Alko­ven des New Yor­ker City Col­lege, wobei Domi­nanz und Unter­wer­fung die Grund­stra­te­gien der Aus­ein­an­der­set­zung waren. Wie in einer Street­gang oder in einem Racket wur­de Schwä­che nicht gedul­det: In Semi­na­ren des von sei­nen Schü­lern ver­ehr­ten Phi­lo­so­phie­leh­rers Mor­ris Rapha­el Cohen herrsch­ten Aggres­si­vi­tät, Streit, Pole­mik und zur Schau gestell­te Männ­lich­keit vor. In Grin­bergs Per­spek­ti­ve war »Intel­lek­tua­lis­mus, nicht Radi­ka­lis­mus« stets zen­tra­ler für die Kon­zep­ti­on von Mas­ku­li­ni­tät in den Krei­sen der New Yor­ker, wobei sie kei­ne neu­en Erkennt­nis­se ver­mit­telt, son­dern ledig­lich die Ernst­haf­tig­keit des radi­ka­len Bewusst­seins und Enga­ge­ments der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len in den 1930er Jah­ren in Abre­de stellt, wie es vor ihr schon Autoren wie Ter­ry Coo­ney und Neil Jumon­ville taten.8   Kom­pli­zen­schaft und Hier­ar­chie Die trü­be Iro­nie der Geschich­te war, dass auch Frau­en – sofern es ihnen gelang, in die­ses Milieu vor­zu­drin­gen – »wie Män­ner schrie­ben«. Sie unter­war­fen sich der Öko­no­mie und Macht­me­cha­nis­men oder Gewalt der »männ­li­chen Herr­schaft« (wie Pierre Bour­dieu die­sen Pro­zess beschrieb): »Die Grund­la­ge der Macht der Wor­te wird durch die Kom­pli­zen­schaft gebil­det, die sich mit­tels der Wor­te zwi­schen einem in einem bio­lo­gi­schen Kör­per fleisch­ge­wor­de­nen sozia­len Kör­per, dem des Wort­füh­rers, und den bio­lo­gi­schen Kör­pern her­stellt, die sozi­al zuge­rich­tet, sei­ne Anwei­sun­gen anzu­er­ken­nen, aber auch sei­ne Ermah­nun­gen, sei­ne Anspie­lun­gen oder sei­ne Befeh­le .«9 Obwohl das vor­herr­schen­de Nar­ra­tiv sowohl in den Auto­bio­gra­fien von »Par­ti­zi­pan­ten« als auch in wis­sen­schaft­li­chen His­to­rio­gra­fien die Chi­mä­re der »frei­schwe­ben­den Intel­li­genz« New Yorks, herrsch­te in den öko­no­mi­schen, kul­tu­rel­len und poli­ti­schen Nie­de­run­gen des intel­lek­tu­el­len Appa­rats ein »Korps­geist« vor, der (mit den Wor­ten Bour­dieus) die »Getreu­en« und »Gläu­bi­gen« mit den Ren­di­ten aus dem ange­häuf­ten kul­tu­rel­len Kapi­tal ver­sorgt wur­den.10 Auch im Milieu der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len herrsch­te von Anbe­ginn eine »Hier­ar­chie der Geschlech­ter« vor11 (wie Simo­ne de Beau­voir den Herr­schafts­raum beschrieb). Obwohl der Betrieb ohne die Zuar­beit von Frau­en als Typis­tin­nen, Redak­ti­ons­se­kre­tä­rin­nen, Lek­to­rin­nen, Ehe­frau­en und Müt­ter nicht lauf­fä­hig war und der Mann ohne sein »Vas­al­lin«12 nicht aus­kam, blieb sie in den Män­ner­bio­gra­fien der zurück­lie­gen­den Jahr­zehn­te weit­ge­hend unsicht­bar. Dwight Mac­do­nalds »Ein-Mann-Zei­t­­schrift« Poli­tics (wie Han­nah Are­ndt sie im Rück­blick cha­rak­te­ri­sier­te) wäre ohne die Unter­stüt­zung sei­ner dama­li­gen Ehe­frau Nan­cy Mac­do­nald (geb. Rod­man) – sowohl in finan­zi­el­ler als auch in arbeits­tech­ni­scher Hin­sicht – nicht denk­bar gewe­sen: Rea­li­ter war sie – wie es der ita­lie­ni­sche Emi­grant und New Yor­ker Autor Nic­coló Tuc­ci aus­drück­te – »die See­le von Poli­tics«.13 Auch Dis­sent, von Irving Howe und ande­ren ehe­ma­li­gen trotz­kis­ti­schen Akti­vis­ten 1954 gegrün­det, war äußer­lich ein aus­schließ­lich »männ­li­ches« Unter­neh­men (bis in die 1980er Jah­re gab es kaum weib­li­che Mit­glie­der in der Redak­ti­on), obwohl Redak­teur­se­he­frau­en wie Simo­ne Plas­trik oder Rose Coser die »Geschäfts­lei­tung« über­nah­men. Auf der ande­ren Sei­te des poli­ti­schen Spek­trums agier­ten Ehe­frau­en männ­li­cher »Stars« im New Yor­ker Kul­tur­mi­lieu wie Lio­nel Tril­ling oder Nor­man Podho­retz als »Vas­al­lin­nen« ihrer Ehe­män­ner, fühl­ten sich jedoch in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung zurück­ge­setzt und rekla­mier­ten einen Teil des Erfol­ges für sich. Dia­na Tril­ling, die sich über klei­ne Rezen­si­ons­auf­trä­ge an die »Meis­ter­klas­se« der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len her­an­tas­te­te, ver­ach­te­te die »weib­li­che Sen­si­bi­li­tät« einer Vir­gi­nia Woolf und sah ihre Bestim­mung dar­in, »wie in Mann zu schrei­ben«.14 The Who­le Sick Crew »Die New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len waren eine streit­süch­ti­ge und unsym­pa­thi­sche (jüdi­sche?) Fami­lie«, merk­te der New Yor­ker Lite­ra­tur­his­to­ri­ker Euge­ne Good­he­art an, »vol­ler begab­ter, nei­di­scher, vom Kon­kur­renz­den­ken gepräg­ter Geschwis­ter, die meis­tens schlecht über­ein­an­der dach­ten.«15 Dies schlug sich auch im Pri­vat­le­ben nie­der: Als Mary McCar­thy mit Phil­ip Rahv, dem pro­le­ta­ri­schen Grün­der und »Befehls­ha­ber« der Par­ti­san Review liiert war, schlief sie mit Edmund Wil­son, einem der füh­ren­den Lite­ra­tur­kri­ti­ker der Zeit, weil er über »einen bes­se­ren Pro­sa­stil« ver­füg­te und der »Ober­klas­se« in gesell­schaft­li­cher Hin­sicht ange­hör­te. Sex war für sie Mit­tel zum sozia­len Auf­stieg; gleich­zei­tig bedau­er­te sie, dass sie – »ver­führt« vom Alko­hol – mit die­sem »fet­ten, auf­ge­bla­se­nen Mann aus kei­nem Grund« geschla­fen habe. Grin­berg kom­men­tiert die Epi­so­de mit dem Satz: »Jeder schlief mit jeder in jenen Tagen.«.16 Ande­rer­seits fühl­ten sich männ­li­che Intel­lek­tu­el­le von den »dunk­len Damen« des New Yor­ker Estab­lish­ments ero­tisch und sexu­ell erregt oder auch abge­schreckt. Irving Howe stell­te in sei­nen Memoi­ren die weib­li­che Attrak­ti­vi­tät Han­nah Are­ndts in Abre­de, um ihre Anzie­hungs­kraft über »mes­ser­schar­fe Ges­ten«, »impe­ria­len Blick« und »hän­gen­den Ziga­ret­te« her­vor­zu­he­ben.17 Der Lite­ra­tur­kri­ti­ker Alfred Kazin hob die »dunk­le, schat­ten­haf­ti­ge« Sei­te ihres Erschei­nens her­vor, wäh­rend Phil­ip Rahv sie als »gut­aus­se­hen­den Mann« beschrieb.18 »Mas­ku­li­ni­tät« im her­kömm­li­chen Sin­ne – ein Begriff, den Grin­berg mehr als drei­hun­dert Mal in ihrem Buch benutzt – ist ein stän­dig wie­der­keh­ren­des Motiv: Wäh­rend »Radi­ka­lis­mus« (ob in Form des Kom­mu­nis­mus, Anar­chis­mus oder Mar­xis­mus in den 1930er Jah­ren) als Aus­druck der Unrei­fe gilt, preist Grin­berg – dem Nar­ra­tiv der domi­nan­ten Post-1989-His­­to­rio­­gra­­fie fol­gend – den Libe­ra­lis­mus des Kal­ten Krie­ges als »rei­fe Ideo­lo­gie«, als »Gegen­gift« zur »Krank­heit des Kom­mu­nis­mus der 1930er Jah­re« , wobei »Rei­fe« ein Syn­onym für »Ver­nunft« ist.19   Für Grin­berg ist Mas­ku­li­ni­tät ein mono­kau­sa­les Kon­zept, dem alle Ent­wick­lun­gen in poli­ti­scher, kul­tu­rel­ler und öko­no­mi­scher Hin­sicht unter­ge­ord­net wer­den, wäh­rend die Mecha­nis­men der Macht und die poli­ti­sche Öko­no­mie in der Zir­ku­la­ti­on von Ware, Pro­duk­ti­on und Akku­mu­la­ti­on (auch in der New Yor­ker Medi­en­in­dus­trie) kei­ne Rol­le spie­len. Kri­tik­los über­nimmt Grin­berg das Nar­ra­tiv, das angeb­lich »tie­fe Wis­sen über den Mar­xis­mus« habe die New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len befä­higt, die poli­ti­sche Öffent­lich­keit in Zei­ten des Kal­ten Krie­ges zu steu­ern, ohne in Betracht zu zie­hen, dass ihr poli­ti­sches Kon­ver­ti­ten­tum vor allem ein Instru­ment des Selbst­mar­ke­tings und der »kul­tu­rel­len Ein­däm­mung« war, die sich gegen Vor­stel­lun­gen rich­te­te, wel­che der domi­nan­ten gesell­schaft­li­chen Hege­mo­nie wider­spra­chen.20 Die »weib­li­che Frak­ti­on« der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len – bestehend aus Eliza­beth Hard­wick, Dia­na Tril­ling, Sus­an Son­tag sowie Mary McCar­thy und Han­nah Are­ndt – war bes­ten­falls ambi­va­lent gegen­über den femi­nis­ti­schen Strö­mun­gen der Zeit (wie sie bei­spiels­wei­se in Kate Mil­letts bahn­bre­chen­dem Buch Sexu­al Poli­tics aus dem Jah­re 1970 zum Aus­druck kam) , wäh­rend der kon­ser­va­tiv gepräg­te Teil die­ser Frak­ti­on (Tril­ling und Midge Dec­ter) die »Ver­weich­li­chung« der Mas­ku­li­ni­tät im Zuge der »Gegen­kul­tur« der Beats und spä­ter der »Hip­pies« als sys­te­mi­sche Kri­se beschrie­ben. Homo­se­xu­el­le waren laut Dec­ter »kei­ne wirk­li­chen Män­ner«, wäh­rend sie in der Wahr­neh­mung des »rich­ti­gen Kerls« Nor­man Mailer nur als »kul­tu­rel­le Out­laws«, »Per­ver­se« und »Psy­cho­pa­then« der Gegen­kul­tur fir­mier­ten.21 Phal­lus und Wahn Das »Männ­lich­keits­di­lem­ma«, das Grin­berg als »Ideo­lo­gie der jüdi­schen Mas­ku­li­ni­tät« beschreibt, eska­mo­tiert den »phal­li­schen Nar­ziss­mus«, mit dem Grin­berg ihr Buch eröff­net und repe­tie­rend den »Tes­­te­r­on-getrie­­be­­nen lite­ra­ri­schen Zir­kel« der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len beschreibt.22 Als »Män­ner­bund« ver­tra­ten die New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len – trotz des Ein­tre­tens für indi­vi­du­el­le und künst­le­ri­sche Frei­heit – in klas­si­scher Racket-Manier stets nur die eige­nen Inter­es­sen, die sie in der Hier­ar­chie vor­an­brin­gen soll­ten. »Das Inter­es­se hat kein Gedächt­nis«, schrieb Marx 1842, »denn es denkt nur an sich. Das eine, wor­auf es ihm ankommt, sich selbst, ver­gißt es nicht. Auf Wider­sprü­che aber kommt es ihm nicht an, denn mit sich selbst gerät es nicht in Wider­spruch.«23 Im Gegen­satz zu ande­ren US-ame­ri­­ka­­ni­­schen Intel­lek­tu­el­len wie bei­spiels­wei­se Mur­ray Book­chin (der in 1930er Jah­ren in einem ähn­li­chen Umfeld auf­wuchs wie Irving Howe, Alfred Kazin oder Dani­el Bell) ver­such­ten sie nie, die Ent­wick­lung einer öko­lo­gi­schen Gesell­schaft jen­seits von Hier­ar­chie und Herr­schaft anzu­sto­ßen, son­dern ver­harr­ten stets im Racket-Mus­­ter der eige­nen Inter­es­sen­exis­tenz, um schließ­lich auf die Frei­heit in kul­tu­rel­ler und sozia­ler Hin­sicht zu ver­zich­ten und demo­kra­ti­sche Prin­zi­pi­en der Macht der neu­en Rech­ten und ihrer Vasal­len (für die neo­kon­ser­va­ti­ve New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le wie Nor­man Podho­retz, Midge Dec­ter, Irving Kris­tol oder Saul Bel­low ein­tra­ten) unter­zu­ord­nen.24 Podho­retz, der sich über die »dunk­len Damen der ame­ri­ka­ni­schen Lite­ra­tur« wie Han­nah Are­ndt oder Mary McCar­thy mokier­te und gegen »unmänn­li­che« Beat­niks Stim­mung mach­te, hat­te kein Pro­blem damit, sich hin­ter den »Mas­ku­li­nis­ten« Donald Trump als Unter­stüt­zer ein­zu­rei­hen, der noch im Wahl­kampf 2016 aus­rief: »Grab them by the pus­sy. You can do any­thing.« Trump war für Podho­retz »kei­ne Mem­me« (sis­sy boy im New Yor­ker Jar­gon), son­dern ein »Kerl, der zurück­schlug«.25 Lei­der hat Grin­berg den Zusam­men­hang von Männ­lich­keit und Gewalt (von dem die gesam­te Gesell­schaft betrof­fen ist) nicht kon­se­quent ver­folgt: Auch im »geis­ti­gen« oder media­len Bereich ist (wie Bour­dieu es bezeich­ne­te) »der Wil­le zur Herr­schaft, zur Aus­beu­tung oder zur Unter­drü­ckung« vor­han­den26 Die­ser äußert sich auch im »intel­lek­tu­el­len« Milieu. © Jörg Auberg 2024 Biblio­gra­fi­sche Anga­ben: Ron­nie A. Grin­berg. Wri­te like a Man: Jewish Mas­cu­li­ni­ty and the New York Intellec­tu­als. Prince­ton, NJ: Prince­ton Uni­ver­si­ty Press, 2024. 384 Sei­ten, 35 US-Dol­lar. ISBN: 9780691193090. Bild­quel­len (Copy­rights) Cover Wri­te Like a Man © Prince­ton Uni­ver­si­ty Press Trai­ler Zelig © Ori­on Pic­tures Por­trait Ron­nie A. Grin­berg © Prince­ton Uni­ver­si­ty Press Video Day at Night: Irving Howe © CUTV Video Zur Per­son: Han­nah Are­ndt © SFB TV Doku­men­ta­ti­on Sturm auf das Capi­tol, 6. Janu­ar 2021 © France24 Nach­wei­se Her­mann Broch, Die Schlaf­wand­ler: Eine Roman­tri­lo­gie (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1994), S. 211 ↩ Johann Wolf­gang Goe­the, »Zah­me Xeni­en IX«, in: Sämt­li­che Gedich­te (Frankfurt/Main: Insel, 2007), S. 1020 ↩ Zur Rol­le der west­li­chen Intel­lek­tu­el­len im Kal­ten Krieg cf. Fran­ces Stonor Saun­ders, Who Paid the Piper? The CIA and the Cul­tu­ral Cold War (Lon­don: Gran­ta, 1999), und Andrew N. Rubin, Archi­ves of Aut­ho­ri­ty: Empire, Cul­tu­re, and the Cold War (Prince­ton, NJ: Prince­ton Uni­ver­si­ty Press, 2012) ↩ Irving Howe, Decli­ne of the New (Lon­don: Vic­tor Gol­lan­cz, 1971), S.214–215Fn ↩ Ron­nie A. Grin­berg, »Neither ›Sis­sy‹ Boy Nor Patri­ci­an Man: New York Intellec­tu­als and the Con­s­truc­tion of Ame­ri­can Jewish Mas­cu­li­ni­ty«, Ame­ri­can Jewish Histo­ry, 98, Nr. 3 (Juli 2014): 127–151 ↩ Cf. Jörg Auberg, New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le: Eine poli­­tisch-kul­­tu­­rel­­le Geschich­te von Auf­stieg und Nie­der­gang, 1930–2020 (Bie­le­feld: Tran­­script-Ver­­lag, 2022), S. 43 ↩ Alfred Kazin, A Wal­ker in the City (1951), Start­ing Out in the Thir­ties (1965) und New York Jew (1978); Irving Howe (mit Ken­neth Libo), World of Our Fathers: The Jour­ney of the East Euro­pean Jews to Ame­ri­ca and the Life They Found and Made (1976), und A Mar­gin of Hope: An Intellec­tu­al Auto­bio­gra­phy (1982) ↩ Ron­nie Grin­berg, Wri­te Like a Man: Jewish Mas­cu­li­ni­ty and the New York Intellec­tu­als (Prince­ton, NJ: Prince­ton Uni­ver­si­ty Press, 2024), S. 43; sie­he auch Ter­ry A. Coo­ney, The Rise of the New York Intellec­tu­als: Par­ti­san Review and its Cir­cle, 1934–1945 (Madi­son: Uni­ver­si­ty of Wis­con­sin Press, 1986), und Neil Jumon­ville, Cri­ti­cal Crossings: The New York Intellec­tu­als in Post­war Ame­ri­ca (Ber­ke­ley: Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia Press, 1991) ↩ Pierre Bour­dieu, Die ver­bor­ge­nen Mecha­nis­men der Macht, hg. Mar­ga­re­ta Stein­rü­cke, übers. Jür­gen Bol­der (Ham­burg: VSA, 2015), S. 83; sie­he auch Bour­dieu, Die männ­li­che Herr­schaft, übers. Jür­gen Bol­der (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 2012), S. 90–100 ↩ Bour­dieu, Die ver­bor­ge­nen Mecha­nis­men der Macht, S. 84 ↩ Simo­ne de Beau­voir, Das ande­re Geschlecht: Sit­te und Sexus der Frau, übers. Uli Aumül­ler und Gre­te Oster­wald (Rein­bek: Rowohlt, 2018), S. 57 ↩ Simo­ne de Beau­voir, Das ande­re Geschlecht, S. 181 ↩ Han­nah Are­ndt, »He’s All Dwight«, in: Are­ndt, Thin­king Wit­hout a Banis­ter: Essays in Under­stan­ding, 1953–1975, hg. Jero­me Kohn (New York: Scho­cken, 2018), S. 397; Micha­el Wres­zin, A Rebel in Defen­se of Tra­di­ti­on: The Life and Poli­tics of Dwight Mac­do­nald (New York: Basic Books, 1994), S. 136 ↩ Grin­berg, Wri­te Like a Man, S. 80–81 ↩ Euge­ne Good­he­art, The Reign of Ideo­lo­gy (New York: Colum­bia Uni­ver­si­ty Press, 1997), S. 86, Über­set­zung zitiert nach Auberg, New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le, S. 24 ↩ Mary McCar­thy, Intellec­tu­al Memoirs: New York 1936–1938 (New York: Har­court Brace, 1992), S. 101–105; Grin­berg, Wri­te Like a Man, S. 55 ↩ Howe, A Mar­gin of Hope: An Intellec­tu­al Auto­bio­gra­phy (San Die­go: Har­court Brace Jova­no­vich, 1982), S. 270 ↩ Richard M. Cook, Alfred Kazin: A Bio­gra­phy (New Haven: Yale Uni­ver­si­ty Press, 2009), S. 319; Grin­berg, Wri­te Like a Man, S. 57 ↩ Grin­berg, Wri­te Like a Man, S. 93; sie­he auch Richard H. Pells, The Libe­ral Mind in a Con­ser­va­ti­ve Age: Ame­ri­can Intellec­tu­als in the 1940s and 1950s (Midd­le­town, CT: Wes­ley­an Uni­ver­si­ty Press, ²1989), S. 122; und Igna­zio Silo­ne, Der Fascis­mus: Sei­ne Ent­ste­hung und sei­ne Ent­wick­lung (1934; rpt. Frankfurt/Main: Ver­lag Neue Kri­tik, 1984), S. 46–58 ↩ Cf. Andrew Ross, No Respect: Intellec­tu­als and Popu­lar Cul­tu­re (New York: Rout­ledge, 1989), S. 42–64 ↩ Grin­berg, Wri­te Like a Man, S. 221; Nor­man Mailer, Mind of an Out­law: Sel­ec­ted Essays, hg. Phil­ip Sipio­ra (Lon­don: Pen­gu­in, 2013), Essays »The Homo­se­xu­al as Vil­lain« (1955) und »The White Negro« (1957), S. 14–20, 41–65; Kate Mil­lett, Sexu­al Poli­tics (New York: Colum­bia Press, 2016), S. 314–335 (über Nor­man Mailer) ↩ Grin­berg, Wri­te Like a Man, S. 123, 1; zum »phal­lisch« besetz­ten »Männ­lich­keits­di­lem­ma« cf. Phil­ip Zah­n­er, »Die Fühl­form des isla­mi­schen Gegen­sou­ve­räns: Über miso­gy­ne und anti­se­mi­ti­sche Gewalt am 7. Okto­ber«, sans phra­se, Nr. 24 (Som­mer 2024), S. 133 ↩ Karl Marx, »Debat­te um das Holz­dieb­stahls­ge­setz«, in MEW, Bd. 1 (Ber­lin: Dietz, 2006), S. 132; Hin­weis auf das Marx-Zitat von Phil­ip Zah­n­er, »Die Fühl­form des isla­mi­schen Gegen­sou­ve­räns«, S. 105 ↩ Mur­ray Book­chin, Rema­king Socie­ty (Mont­re­al: Black Rose Books, 1989), S. 19–73; John Ganz, When the Clock Bro­ke: Con Men, Con­spi­ra­cists, and How Ame­ri­ca Cra­cked Up in the Ear­ly 1990s (New York: Farr­ar, Straus and Giroux, 2024), S. 56–79 ↩ Auberg, New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le, S. 240, 271Fn.; Grin­berg, Wri­te like a Man, S. 273; Trump-Zitat: BBC, 9. Okto­ber 2016, https://www.bbc.com/news/election-us-2016–37595321 ↩ Bour­dieu, Die männ­li­che Herr­schaft, S. 96 ↩ […]

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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