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Moleskin Blues

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Kri­ti­ken
  • Georg Seeßlen — Trump und Co.Georg Seeß­len — Trump und Co.4. März 2025Der »Hor­ror-Clown« des Faschis­mus Georg Seeß­len ana­ly­siert die Ban­den­herr­schaft Donald Trumps von Jörg Auberg »Ame­ri­ka inter­es­sier­te mich, es ist das inter­es­san­tes­te Land«, sag­te der fran­zö­si­sche Film­re­gis­seur Lou­is Mal­le in einem Inter­view mit der Film­jour­na­lis­tin Chris­ta Maer­ker. »So ging es jeden­falls mir immer. Es gibt vie­le mons­trö­se Sachen hier. Scho­ckie­ren­des. Aber es gibt auch eine Vita­li­tät und Ener­gie.«1 Jedoch kann auch die Vita­li­tät scho­ckie­ren­de und mons­trö­se Momen­te zei­ti­gen, wie der hys­te­ri­sche Sturm auf Capi­tol im Janu­ar 2021 nach der Abwahl Donald Trumps demons­trier­te. In der Atta­cke arti­ku­lier­te sich nicht der Pro­test von Verlierer*innen, die vom demo­kra­ti­schen Estab­lish­ment sich genas­führt fühl­ten, son­dern die Stam­pe­de von hys­te­ri­sier­ten Trumpist*innen (wie etwa dem Ver­schwö­rungs­prak­ti­ker und »QAnon-Scha­­ma­­nen« Jacob Chans­ley), die das »Medi­en-Framing« der Spek­ta­kel­ge­sell­schaft adäquat bedien­ten. Der alte 1968er Slo­gan »The who­le world is wat­ching« wur­de poli­tisch umfunk­tio­niert und für den anti­de­mo­kra­ti­schen Auto­ri­ta­ris­mus mas­sen­me­di­al neu auf­ge­la­den.2 That was then (in Fic­tion)   This is now (in rea­li­ty) Dis­rup­ti­on als neo­li­be­ra­les Kampf­mit­tel n sei­nem Buch Trump & Co betont der Kul­tur­kri­ti­ker Georg Seeß­len, dass »Dis­rup­ti­on« ein neo­li­be­ra­les Kampf­mit­tel sei. Ursprüng­lich beruh­te es auf dem Kon­zept der »krea­ti­ven Zer­stö­rung« des öster­rei­chi­schen Öko­no­men Joseph Schum­pe­ter, der es als Trieb­kraft der Inno­va­ti­on begriff. In ers­ter Linie war es (aus öko­no­mi­scher Per­spek­ti­ve) ein stän­di­ger Umstruk­tu­rie­rungs­pro­zess, bei dem bestehen­de »Geschäfts­mo­del­le« durch neue Pro­fit­ma­xi­mie­rungs­mo­del­le abge­löst wur­den.3 »Dis­rup­ti­on ist die neo­ka­pi­ta­lis­ti­sche Form von Klas­sen­kampf«, kon­sta­tiert Seeß­len; »die Gewin­ner machen den Ver­lie­rern gan­ze Bio­gra­fien und gan­ze Kul­tu­ren kaputt, und manch­mal ist das Kaputt­ma­chen selbst das ein­zi­ge Geschäfts­mo­dell.«4 In sei­ner Ana­ly­se des »Hor­ror­clowns des ame­ri­ka­ni­schen Faschis­mus« rekur­riert Seeß­len auf die The­ma­tik der »Blöd­ma­schi­nen«, wonach der »weit­läu­figs­te Roh­stoff des Kapi­ta­lis­mus« die »mensch­li­che Dumm­heit« sei.5 Für Seeß­len ist Trump kein sin­gu­lä­res Phä­no­men, son­dern Aus­druck einer Ent­wick­lung des poli­ti­schen Auto­ri­ta­ris­mus, die als Reak­ti­on auf die Ereig­nis­se der spä­ten 1960er Jah­re begann. Bereits das Team Richard Nixon/Spiro J. Agnew trug die anti-lin­ke Agen­da in Namen einer vor­geb­lich »schwei­gen­den Mehr­heit« vor sich her. »Ame­ri­ca is tired of pro­test. Ame­ri­ca is tired of Dani­el Ells­berg«, war der media­le Slo­gan den 1970ern.6 Nach einem kur­zen libe­ra­len Inter­mez­zo in der Prä­si­dent­schaft Jim­my Car­ters tri­um­phier­te schließ­lich der Neo­kon­ser­va­tis­mus in poli­ti­scher und kul­tu­rel­ler Form, wobei nicht zufäl­lig ehe­ma­li­ge »Frei­beu­ter« der Kul­tur­in­dus­trie wie Ronald Rea­gan oder Sil­vio Ber­lus­co­ni sich zu Poten­ta­ten ihrer jewei­li­gen Staats­un­ter­neh­men auf­schwan­gen, die zu Pro­to­ty­pen der Autokrat*innen des neu­en Jahr­hun­derts wur­den.7 Wie Dou­glas Kell­ner bereits 2016 her­vor­hob, ermög­lich­ten erst die Muta­tio­nen in Gesell­schaft, Poli­tik und Kul­tur eine Figur wie Donald Trump, der sich – auch mit Unter­stüt­zung der Spek­­ta­kel-Agen­­tu­­ren im Medi­en­be­reich – als Wie­der­gän­ger Mus­so­li­nis insze­nier­te, wäh­rend die nega­ti­ven Aspek­te des Faschis­mus im dunk­len Hin­ter­grund der Kulis­sen ver­schwan­den.8 Herr­schaft der Gang bwohl Seeß­len – in Anleh­nung an Umber­to Ecos Typo­lo­gie – auch auf die Merk­ma­le des Urfa­schis­mus wie Anti­mo­der­nis­mus, Irra­tio­na­lis­mus, Eli­tis­mus, Todes­kult oder Ver­schwö­rungs­theo­rie hin­weist9, ist sein pri­mä­res Refe­renz­sys­tem die Semio­lo­gie des Kinos, des Fern­se­hens und ande­rer Mas­sen­me­di­en­strö­me. Trump nimmt er in ers­ter Linie als »Gang-Lea­­der« wahr, des­sen Zie­le sich in Berei­che­rung, Lust­be­frie­di­gung, Zer­stö­rung und Aus­wei­tung des Macht­ter­ri­to­ri­ums erschöp­fen. »Die Gang ist ein flüs­si­ge­res Modell der ter­ro­ris­ti­schen Herr­schaft«, kon­sta­tiert Seeß­len; »sie baut ihr Geflecht der Abhän­gig­kei­ten und der Erpres­sun­gen auf (ein Omer­­tá-Gebot inklu­si­ve), bil­det Unter-Gangs und Alli­an­zen, ver­folgt aber auch ein Hit-and-Run-Kon­­­zept. Wo nichts mehr zu holen ist oder der Auf­wand zu groß, nimmt man sich ein ande­res Ziel vor.«10 In die­ser Beschrei­bung erin­nert Trump – mit Max Hork­hei­mer gespro­chen – an einen bru­ta­len »Gangs­ter­häupt­ling«, der »kei­ne Kri­tik ver­trägt und die ande­ren wie Dreck behan­delt, wenn sie nicht gera­de mäch­ti­ger sind als er«11. Er ist die Reinkar­na­ti­on des Syn­­­di­­kat-Chefs Litt­le Bona­par­te aus Bil­ly Wil­ders sati­ri­scher Komö­die Some Like it Hot (1959), der (als Vor­sit­zen­der der »Freun­de der ita­lie­ni­schen Oper«) wie Beni­to Mus­so­li­ni aus­sieht und agiert, dabei aber Zita­te aus Alex­an­der Popes Essay on Cri­ti­cism (»Irren ist mensch­lich, Ver­ge­ben gött­lich«) und dem Reper­toire des Chefs von Gene­ral Motors, Charles Wil­son, (»Was gut für das Land ist, ist gut für uns«) ver­wen­det.12 Trumps MAGA-Pro­­jekt (Make Ame­ri­ca Gre­at Again) ist nicht mehr als der »Aus­wurf der bür­ger­li­chen Gesell­schaft« (wie es bei Karl Marx hieß), der Ver­such einer despe­ra­ten »Tote­n­er­we­ckung« ange­sichts glo­ba­ler Ver­wer­fun­gen und Kri­sen in öko­no­mi­scher, öko­lo­gi­scher, poli­ti­scher und gesell­schaft­li­cher Hin­sicht, die auch mit einer rück­wärts­ge­wand­ten Restau­ra­ti­on ehe­ma­li­ger Macht­ver­hält­nis­se unter dem Kom­man­do alter wei­ßer Män­ner nicht aus der Welt geschaf­fen wer­den kön­nen.13 Den­noch greift die Reduk­ti­on der »trum­pis­ti­schen Auto­kra­tie« auf das Gang-Motiv aus der popu­lä­ren Mytho­lo­gie der Kul­tur­in­dus­trie zu kurz. »Die media­le Echo­kam­mer der Gang-Her­r­­schaft ist die ›Manos­phe­re‹«, ana­ly­siert Seeß­len, »ein Netz­werk der Miso­gy­nie und der patri­ar­cha­len Reak­ti­on, um die harm­lo­se­ren Aspek­te zu erwäh­nen, das Unter­grund­rau­schen zu Ver­­­ge­­wal­­ti­­gungs- und Mord­fan­ta­sien, immer ver­bun­den mit ande­ren Aspek­ten der rech­ten Welt­er­zäh­lung, von libe­ra­len ›Eli­ten‹, ›tie­fem Staat‹ und mar­xis­ti­scher Unter­wan­de­rung.«14 Die miso­gy­ne Grund­struk­tur des reak­tio­nä­ren Sys­tems (die in Gangs­ter­fil­men wie The Public Ene­my oder The Big Heat vor­herr­schend ist) ist für Seeß­len in der rea­len Welt »ein inne­rer Kitt des all­ge­mei­nen und vul­gä­ren Trum­pis­mus«15, wobei er nicht the­ma­ti­siert, war­um diver­se Gesell­schafts­grup­pen – Frau­en, Afro-Amerikaner*innen, Lati­nos & Lati­nas – trotz aller Wider­sprü­che und wider­strei­ten­den Inter­es­sen für die auto­ri­tä­re Herr­schaft von Trump und sei­ner Gefolgs­leu­te stimm­ten oder war­um ein Poli­ti­ker aus New York City so ekla­tant gegen den his­to­ri­schen Cha­rak­ter einer Stadt agi­tie­ren kann, die von Beginn an mul­ti­eth­nisch und divers geprägt war.16 Der Krieg der Zei­chen ndem sich Seeß­len auf das »Nar­ra­tiv« aus der kul­tur­in­dus­tri­el­len Mytho­lo­gie kapri­ziert und bereits im Unter­ti­tel auf Ber­tolt Brechts Thea­ter­stück über Arturo Ui (»Es ist das Gangs­ter­stück, das jeder kennt!«17) rekur­riert, ver­nach­läs­sigt er poli­ti­sche, sozia­le und öko­no­mi­sche Dimen­sio­nen der auto­ri­tä­ren Herr­schaft. Zwar rückt er – mit Theo­dor W. Ador­no gespro­chen – »das sub­jek­tiv Nich­ti­ge und Schein­haf­te« des Auto­kra­ten in den Fokus, eska­mo­tiert aber zugleich das wirk­li­che Aus­maß der auto­ri­tä­ren Macht­über­nah­me.18 Im gefäl­li­gen Gere­de über Dis­ney­world, Star Wars, Super­he­­ro-Comics, die Simpsons und James Bond ver­liert sich die kon­kre­te Ana­ly­se der rea­len Ver­hält­nis­se und lässt immer wie­der Trump als »Hor­ror-Clown« aus dem Sumpf der schwar­zen Lagu­ne blub­bernd auf­tau­chen. Beglei­tet wer­den die Beschrei­bun­gen der Tri­um­phe der »rech­ten Schar­la­ta­ne« von wabern­den Aus­sa­gen wie »Der liber­tä­re Auto­ri­ta­ris­mus ver­ab­schie­det sich bis zu einem gewis­sen Grad von den kon­ser­va­ti­ven Wer­ten« oder »Das Volk ist eine hys­te­ri­sier­te Mas­se, die sich unbe­dingt ver­ste­ti­gen will«. 19 Poli­tisch bleibt Seeß­len nebu­lös. In sei­nem Nar­ra­tiv per­so­na­li­siert er zuvör­derst den his­to­ri­schen Ver­lauf. Sili­­con-Mil­­li­ar­­dä­­re wie Elon Musk, Mark Zucker­berg, Peter Thiel, Jeff Bezos und ande­re füh­ren den »Hor­ror-Clown« Trump wie eine Mario­net­te, sug­ge­riert Seeß­len, doch inwie­fern die tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lung auf die gesell­schaft­li­che Sphä­ren und ihr admi­nis­tra­ti­ves Per­so­nal ein­wirkt, fin­det in sei­ner Argu­men­ta­ti­on kei­ne Berück­sich­ti­gung.20 In sei­ner Erzäh­lung agie­ren stets nur kon­spi­ra­ti­ve Ein­zel­tä­ter, wäh­rend die Kon­zen­tra­ti­on gesell­schaft­li­cher Macht eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le spielt.21 Bereits in Trumps ers­ter Run­de für den US-Prä­­si­­den­t­­schafts­­­wahl­­kampf 2016 posi­tio­nier­te sich der rechts­li­ber­tä­re Pay­­Pal-Begrün­­der Thiel für die Nomi­nie­rung Trumps (»Trump war eine der bes­ten Inves­ti­tio­nen Thiels«22), bemerkt der Jour­na­list Mal­colm Har­ris in Palo Alto, sei­nem Buch über die kali­for­ni­sche IT-Indus­­trie. Im zwei­ten Durch­gang schlos­sen sich sei­ne ehe­mals (mehr oder min­der) libe­ra­len Sili­­con-Unter­­neh­­mer­freun­­de – ohne wei­te­re Scham – dem Trump-Zug an. Bei Seeß­len fin­det die gesell­schaft­li­che Ent­wick­lung in den USA wie folgt ihren Nie­der­schlag: »Der Krieg der Zei­chen und der Bezeich­nun­gen hat sich von geschlos­se­nen Sys­te­men zu dyna­mi­schen Span­nun­gen ent­wi­ckelt; es geht nicht mehr um tra­di­tio­nel­le Bedeu­tung (eine direk­te Bezie­hung von Zei­chen und Bezeich­ne­ten), son­dern um affek­ti­ve Zustän­de, die sich gleich­sam ihren Zusam­men­hang selbst suchen.«23 Letz­te Aus­fahrt Poi­son­ville ber die tie­fer gehen­den sozia­len und poli­ti­schen Grün­de des momen­ta­nen Tri­um­phes reak­tio­nä­rer und neo­fa­schis­ti­scher Kräf­te  schweigt sich Seeß­len aus. Statt­des­sen repro­du­ziert er gän­gi­ge Kli­schees aus dem Reper­­toire-Bau­­kas­­ten des hoch­mü­ti­gen Res­sen­ti­ments gegen das pro­vin­zi­el­le Ame­ri­ka. »Das hin­ter­wäl­der­lische, bigot­te und reak­tio­nä­re Ame­ri­ka schien Relikt und teils lie­bens­wer­te, teils gru­se­li­ge Enkla­ve für den back­wood Hor­ror oder Schau­platz von Klein­­stadt-Idyl­­len mit kau­zi­gem Typen-Reser­­voir«, führt Seeß­len schon zu Beginn an, um den Mythos Ame­ri­kas als uni­ver­sa­les »Kraft­zen­trum von Demo­kra­tie und Libe­ra­lis­mus« zu »dekon­stru­ie­ren«. 24 Wie­der­um argu­men­tiert er aus der ein­ge­schränk­ten Per­spek­ti­ve des Pop­­kul­­tur-Kri­­ti­kers, wäh­rend der Blick für die gesell­schaft­li­chen Rea­li­tä­ten eher bei­läu­fig ist. Seeß­lens Wahr­neh­mung der »Ver­ges­se­nen« oder des »white trash« wird über den Topos der »for­got­ten men« (ein gän­gi­ges Mus­ter aus den 1930er-Jah­­ren) gesteu­ert, der vor allem im Best­sel­ler Hill­bil­ly Elegy des eins­ti­gen Trump-Kri­­ti­kers und spä­te­ren Vize­prä­si­den­ten im Trump-II-Team, J. D. Van­ce, repe­tiert wur­de. Das Opus des ver­lo­ge­nen und oppor­tu­nis­ti­schen Schrei­ber­lings der »Red­necks« war auch für vor­geb­li­che Lin­ke wie den Ver­le­ger und Viel­schrei­ber Klaus Bit­ter­mann ein Modell, um gegen die Zei­t­­geist-Lin­ke zu agi­tie­ren. Für ihn war der Reak­tio­när Van­ce ein »groß­ar­ti­ger Autor, der ein­dring­lich und über­zeu­gend zu beschrei­ben ver­steht, wie ver­lo­ren und depres­siv der deklas­sier­te wei­ße Arbei­ter ist, aber auch wie wenig er sich unter­krie­gen lässt«, wobei er unum­wun­den zur eige­nen Recht­fer­ti­gung der Lob­hu­de­lei zugibt, dass das Buch »kei­ne sozio­lo­gi­sche Ana­ly­se« prä­sen­tier­te, da offen­bar zu vie­le sozia­le Fak­ten Van­ces sub­jek­ti­ve Beob­ach­tun­gen und Erin­ne­run­gen und das Lese­ver­gnü­gen von will­fäh­ri­gen Rezen­sen­ten (die sich an der ver­meint­li­chen Wirk­lich­keit der Ver­lie­rer delek­tie­ren woll­ten, ohne vom Degout des Ver­lie­rers umweht zu sein) nur stö­ren könn­ten.25 Wäh­rend Seeß­lens Ana­ly­se über die Ursa­chen der Anfäl­lig­keit der länd­li­chen Bevöl­ke­rung für auto­ri­tä­re Poli­tik­mus­ter in einem wabern­den semio­ti­schen Nebel ver­harrt (»Der poli­ti­sche Kampf wird vom Schlacht­feld der Inter­es­sen zum Schau­platz der Effek­te«26), wirft die Sozio­lo­gin Arlie Rus­sell Hoch­schild in ihrem Buch Sto­len Pri­de (2024) einen kon­kre­ten Blick auf die Beweg­grün­de der Trump-Gefolgs­­­leu­­te in länd­li­chen Gebie­ten wie Ken­tu­cky. Ähn­lich wie in Dashiell Ham­metts Roman Red Har­ve­st, in dem poli­ti­sche Kor­rup­ti­on und loka­le Gangs­ter­herr­schaft in der Pro­vinz­stadt Per­son­ville ali­as Poi­son­ville ein­an­der bedin­gen, ist in Pik­e­ville in Ken­tu­cky der Zug in Rich­tung Trump-Sta­­te längst abge­fah­ren. In Pik­e­ville resul­tiert der Tri­umph von Trumps MAGA-Bewe­­gung weni­ger aus dem öko­no­mi­schen Pro­gramm Trumps, denn aus sei­ner Fähig­keit, ein »emo­tio­na­les Vaku­um« zu fül­len. In Pike Coun­ty konn­te Trump mit sei­ner reak­tio­nä­ren Agen­da tri­um­phie­ren (acht­zig Pro­zent der Bevöl­ke­rung stimm­ten für sein Pro­gramm, weil in der Gleich­zei­tig­keit des Ver­lusts von Arbeits­plät­zen im Berg­bau und dem Ein­strö­men von Opio­iden der Phar­ma­in­dus­trie die phy­si­sche und psy­chi­sche Balan­ce außer Kon­trol­le geriet), da Trump den Bedeu­tungs­ver­lust im sozia­len Gefü­ge mit mar­ki­gen Sprü­chen des star­ken Man­nes zu kom­pen­sie­ren ver­stand (obgleich er in der Ver­gan­gen­heit tat­säch­lich diver­se Unter­neh­men mit eige­ner Inkom­pe­tenz in die Insol­venz getrie­ben hat­te).27 Auch in Lou­is Mal­les US-ame­ri­­ka­­ni­­schen Doku­men­tar­fil­men wie God’s Coun­try (1986), in denen sich der kon­ser­va­ti­ve Auf­bruch von Far­mern im Mit­tel­wes­ten von Min­ne­so­ta Ende der 1970er in der Des­il­lu­si­on mit der neo­li­be­ra­len Poli­tik der »Rea­gano­mics« aus­drück­te, exem­pli­fi­ziert sich das »echt ame­ri­ka­ni­sche Wider­spruchs­rät­sel«28 (wie es Fried­rich Engels Ende des 19. Jahr­hun­derts bezeich­ne­te): Homo­ge­ni­tät und Diver­si­tät, Kon­ser­va­tis­mus und rebel­li­scher Geist.29 Obgleich die »Mid­wes­ter­ners« von den »rech­ten Schar­la­ta­nen« und ihren Hilfs­trup­pen (wie sie bei Seeß­len titu­liert wer­den) als eine Mas­se von Sub­al­ter­nen vor­ge­führt wer­den, wird der New Yor­ker Trump von media­len Vasal­len als »Gats­by für unse­re Zeit« gefei­ert, wobei sei­ne auf­ge­bla­se­ne Vul­ga­ri­tät als Inbe­griff des Erfolgs ver­kauft wird. Wie schon bei Scott Fitz­ge­rald bli­cken nur gigan­ti­sche blaue Augen über das Aschen­tal eines aus­ge­zehr­ten Kapi­ta­lis­mus.30 The End is Near bgleich Seeß­len mit sei­nem pop­kul­tu­rel­len Ansatz eini­ge Aspek­te des auto­ri­tä­ren Popu­lis­mus, wie er von Trump und ande­ren »Volks­tri­bu­nen« der Gegen­wart reprä­sen­tiert wird, mar­kant auf­leuch­ten lässt, bleibt er doch hin­ter der kri­ti­schen Ana­ly­se, wie sie John Bel­la­my Fos­ter, der Her­aus­ge­ber der lin­ken Zeit­schrift Month­ly Review, in sei­nem Buch Trump in the White House aus dem Jah­re 2017 vor­leg­te, weit zurück. »Das neo­fa­schis­ti­sche Mons­ter, ein­mal auf die Welt los­ge­las­sen, wird nicht ein­fach ver­schwin­den«31, schrieb Fos­ter damals. Die Ana­ly­se der ers­ten Trump-Run­­de – mit han­dels­üb­li­chen Faschis­ten wie Ste­ve Ban­non oder Sebas­ti­an Gor­ka – hat sich aktu­ell über­lebt, da in Trumps Zir­kel momen­tan ultra­rech­te »Influencer*innen« wie Lau­ra Loo­mer oder »Büro­­­kra­­tie-Kil­­ler« wie Elon Musk (der nicht ein­mal die dunk­le Ele­ganz des Auf­trags­kil­lers Nel­se Macleod in Howard Hawks’ Abge­sang auf den alten Wes­ten, El Dora­do, auf­zu­wei­sen ver­mag) als Vertreter*innen eines neu­en »Tech­­no-Faschis­­mus« sich aus­to­ben kön­nen.32 Daher ist es ver­ständ­lich, dass Fos­ter sein Buch nicht ledig­lich über­ar­bei­ten und den neu­en Gege­ben­hei­ten anpas­sen möch­te, son­dern ein neu­es Buch über das Trump-Regime schrei­ben möch­te, das (laut Pla­nung) ent­we­der Ende 2025 oder Anfang 2026 erschei­nen wird. Aller­dings bleibt die Fra­ge, ob dies ange­sichts der hys­te­ri­sier­ten Ereig­nis­se in den USA nicht bereits zu spät sein wird. © Jörg Auberg 2025 Biblio­gra­fi­sche Anga­ben: Georg Seeß­len. Trump & Co.: Der un/aufhaltsame Weg des Wes­tens in die Anti-Demo­kra­tie. Ber­lin: Bertz + Fischer, 2025. 240 Sei­ten, 18 Euro. ISBN: 978–3‑86505–779‑2. Bild­quel­len (Copy­rights) Trai­ler Seven Days in May (1964) Archiv des Autors Video­zu­sam­men­fas­sung Donald Trump vor dem U.S. Con­gress, 4. März 2025 © The Guar­di­an Cover Trump & Co. © Bertz + Fischer Film­aus­schnitt Some Like it Hot (1959) Archiv des Autors Sze­nen­fo­to The Public Ene­my Archiv des Autors Cover Ame­ri­can Fascism (2024) © New Repu­blic Cover Sto­len Pri­de © New Press Cover Trump in the White House © Month­ly Review Press   Nach­wei­se Chris­ta Maer­ker, Inter­view mit Lou­is Mal­le, 25. Okto­ber 1984, Los Ange­les, in: Lou­is Mal­le (Rei­he Film 34), hg. Peter W. Jan­sen und Wolf­ram Schüt­te (Mün­chen: Han­ser, 1985), S. 44–45 ↩ Cf. Todd Git­lin, The Who­le World is Wat­ching: Mass Media in the Making & Unma­king of the New Left (Ber­ke­ley: Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia Press, 1980) ↩ Cf. çapul­cu Redak­ti­ons­kol­lek­tiv, Dis­rupt! Wider­stand gegen den tech­no­lo­gi­schen Angriff (Müns­ter: Unrast-Ver­­lag, 2017), S. 11 ↩ Georg Seeß­len, Trump & Co.: Der un/aufhaltsame Weg des Wes­tens in die Anti-Demo­­kra­­tie (Ber­lin: Bertz + Fischer, 2025), S. 14 ↩ Cf. Jörg Auberg, »Roh­stoff Dumm­heit«, satt.org (5. Janu­ar 2013), https://www.satt.org/gesellschaft/13_01_kapital.html ↩ Git­lin, The Who­le World is Wat­ching, S.5 ↩ Cf. John Ganz, When the Clock Bro­ke: Con Men, Con­spi­ra­cists, and How Ame­ri­ca Cra­cked Up in the Ear­ly 1990s (New York: Farr­ar, Straus and Giroux, 2024) ↩ Dou­glas Kell­ner, Ame­ri­can Night­ma­re: Donald Trump, Media Spec­ta­cle and Aut­ho­ri­ta­ri­an Popu­lism (Rot­ter­dam: Sen­se Publishers, 2016), S. 11 ↩ Umber­to Eco, Der ewi­ge Faschis­mus, übers. Burk­hart Kroeber (Mün­chen: Han­ser, ³2020), S. 30–39 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 54 ↩ Max Hork­hei­mer, »Noti­zen 1949–1969«, in: Schrif­ten, Bd. 6, hg. Alfred Schmidt (Frankfurt/Main: Fischer, 1991), S. 217 ↩ Jef­frey Mey­ers, The Geni­us and the God­dess: Arthur Mil­ler and Mari­lyn Mon­roe (Lon­don: Arrow Books, 2010, ePub-Ver­­­si­on), S. 216, 341–342Fn ↩ Karl Marx, »Der acht­zehn­te Bru­mai­re des Lou­is Bona­par­te«, MEW, Bd. 8 (Ber­lin: Dietz, 2009), S. 116, 123; Robert Misik, »Donald Bona­par­te«, taz, 19. Febru­ar 2025, S. 12. Zur Popu­la­ri­tät Mus­so­li­nis in den USA cf. John P. Dig­gins, Mus­so­li­ni and Fascism: The View from Ame­ri­ca (Prince­ton, NJ: Prince­ton Uni­ver­si­ty Press, 1972), und Katy Hull, The Machi­ne Has a Soul: Ame­ri­can Sym­pa­thy with Ita­li­an Fascism (Prince­ton, NJ: Prince­ton Uni­ver­si­ty Press, 2021) ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 58 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 59 ↩ Fre­de­rick M. Bin­der und David M. Rei­mers, All the Nati­ons Under Hea­ven: An Eth­nic and Racial Histo­ry of New York City (New York: Colum­bia Uni­ver­si­ty Press, 1995) ↩ Ber­tolt Brecht, Der auf­halt­sa­me Auf­stieg des Arturo Ui (Ber­lin: Suhr­kamp, 1965), S. 9 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Noten zur Lite­ra­tur, hg. Rolf Tie­de­mann (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1981), S. 417 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 118, 123, 130 ↩ Zum Ein­fluss von »sozia­len Medi­en« auf die poli­ti­sche Dis­kurs­fä­hig­keit cf. Siva Vaid­hya­nathan, Anti­so­cial Media: How Face­book Dis­con­nects Us and Under­mi­nes Demo­cra­cy (New York: Oxford Uni­ver­si­ty Press, 2018); Andrew Marantz, Anti­so­cial: How Online Extre­mist Bro­ke Ame­ri­ca (Lon­don: Pica­dor, 2019) ↩ Cf. Georg Seeß­len, »Mum­pizm rel­oa­ded, oder die Welt sucht den Super-Influen­­cer«, kon­kret, 2/2025 (Febru­ar 2025), S. 28–29 ↩ Mal­colm Har­ris, Palo Alto: A Histo­ry of Cali­for­nia, Capi­ta­lism, and the World (Lon­don: River­run, 2022), S. 604 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 161–162 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 11 ↩ Klaus Bit­ter­mann, »Die letz­te Zuflucht der Ver­lie­rer«, taz, 24. Juni 2017, S. 12; zur kri­ti­schen Ein­ord­nung sie­he Nan­cy Isen­berg, »Left Behind«, New York Review of Books, 65:11 (28. Juni 2018), https://www.nybooks.com/articles/2018/06/28/left-behind-hillbilly-elegy-appalachia/ ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 95 ↩ Arlie Rus­sell Hoch­schild, Sto­len Pri­de: Loss, Shame, and the Rise of the Right (New York: New Press, 2024); Sarah Jones, »Pri­de and Pre­ju­di­ce«, Dis­sent, 72:1 (Win­ter 2025):127–130; Roger Bybee, »Rural Shame Helps Fuel Trump Back­ing by Poor«, New Poli­tics, 20:2 (Win­ter 2025):152–154; Dashiell Ham­mett, The Mal­te­se Fal­con – The Thin Man – Red Har­ve­st (New York: Everyman’s Libra­ry, 2000), S. 437 ↩ Fried­rich Engels, »Die Arbei­ter­be­we­gung in Ame­ri­ka«, MEW, Bd. 21 (Ber­lin: Dietz, 2023), S. 340; http://www.mlwerke.de/me/me21/me21_335.htm ↩ Peter Hou­ri­gan, »The Docu­men­ta­ries of Lou­is Mal­le«, Sen­ses of Cine­ma, Nr. 45 (Novem­ber 2007), https://www.sensesofcinema.com/2007/dvd/louis-malle-documentaries/; Pau­li­ne Guedj, Lou­is Mal­le: Regards sur l’Amérique (Niz­za: Les Edi­ti­ons Ova­dia, 2020), S. 192 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 118; Greil Mar­cus, Under the Red White and Blue: Patrio­tism, Disen­chant­ment and the Stub­born Myth of the Gre­at Gats­by (New Haven: Yale Uni­ver­si­ty Press, 2020), S. 82; F. Scott Fitz­ge­rald, The Gre­at Gast­by (New York: Everyman’s Libra­ry, 2021), S. 20 ↩ John Bel­la­my Fos­ter, Trump in the White House: Tra­ge­dy and Far­ce (New York: Month­ly Review Press, 2017), S. 115 ↩ Robin Wood, Howard Hawks (Lon­don: BFI, 1983), S. 158–159; Kyle Chay­ka, »Tech­­no-Fascism Comes to Ame­ri­ca«, New Yor­ker, 26. Febru­ar 2025, https://www.newyorker.com/culture/infinite-scroll/techno-fascism-comes-to-america-elon-musk ↩ […]
  • Ronnie A. Grinberg: Write Like a ManRon­nie A. Grin­berg: Wri­te Like a Man6. Dezem­ber 2024Män­ner­welt des Geis­tes Ron­nie Grin­berg unter­sucht die Mas­ku­li­ni­tät der Intel­lek­tu­el­len von Jörg Auberg Im zwei­ten Teil von Her­mann Brochs Roman­tri­lo­gie Die Schlaf­wand­ler träu­men die deut­schen Arbei­ter und Ange­stell­ten von »Ame­ri­ka« als einem uto­pi­schen Ort, wo man »hoch­kom­men« kön­ne, ohne sich »wie hier umsonst zu schin­den«, und zitier­ten Goe­the: »Ame­ri­ka, du hast es bes­ser«.1 Der deut­sche Dich­ter­fürst hat­te die USA gerühmt, »kei­ne ver­fal­le­nen Schlös­ser« zu besit­zen und ohne unnüt­zes Erin­nern aus­zu­kom­men: »Dem Teu­fel gehör­te der gan­ze Plun­der.«2 White Noi­se Auf dem ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nent wur­de die­ses Feh­len von Tra­di­tio­nen und his­to­ri­scher Erin­ne­rung jedoch nicht über­all gefei­ert. In sei­nem defi­ni­ti­ven Essay »The New York Intellec­tu­als« aus dem Jah­re 1968 lamen­tier­te der New Yor­ker Lite­ra­tur­kri­ti­ker Irving Howe über eine feh­len­de »Intel­li­gen­zi­ja« in der kul­tu­rel­len und poli­ti­schen Geschich­te der USA: US-ame­ri­­ka­­ni­­sche Intel­lek­tu­el­le – ob als Indi­vi­du­en oder Grup­pen – hät­ten stets in Iso­la­ti­on agiert. Ein­zig die »New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len«, die sich in den 1930er Jah­ren um die Zeit­schrift Par­ti­san Review und spä­ter um Publi­ka­ti­ons­or­ga­ne wie Poli­tics, Com­men­ta­ry, Dis­sent, New York Review of Books oder Public Inte­rest grup­pier­ten, kamen laut Howe der Vor­stel­lung einer »Intel­li­gen­zi­ja« am nächs­ten, da sie mit ihren poli­ti­schen und kul­tu­rel­len Vor­stel­lun­gen vor allem in der Zeit nach dem Zwei­ten Welt­krieg, als der Anti­kom­mu­nis­mus inter­na­tio­nal als essen­zi­el­les Instru­ment insti­tu­tio­na­li­siert und mit Regie­rungs­gel­dern aus diver­sen Quel­len finan­ziert wur­de, das »Bewusst­sein der Nati­on« präg­te.3 In Howes Defi­ni­ti­on, die für die His­to­rio­gra­fie das bestim­men­de Nar­ra­tiv wur­de, waren die New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len eine Grup­pe von »frei­schwe­ben­den« Geis­tern, die ihren Ursprung im lin­ken oder links­ra­di­ka­len Milieu hat­ten, Lite­ra­tur­kri­tik mit sozi­al­kri­ti­schem Schwer­punkt betrie­ben, in den kul­tu­rel­len Krei­sen New Yorks nach Bril­lanz und Aner­ken­nung streb­ten und zumeist jüdi­scher Her­kunft waren. In einer Fuß­no­te schwäch­te Howe die »Beto­nung der jüdi­schen Ursprün­ge« als eine »Ver­dich­tung der Rea­li­tä­ten« und »Bezeich­nung der Ein­fach­heit hal­ber« ab: Im Klar­text soll­te der Begriff die »Intel­lek­tu­el­len New Yorks« bezeich­nen, die »in den Drei­ßi­gern auf­tauch­ten, von denen die meis­ten jüdisch« waren.4 Street Fight­ing Men In ihrer Stu­die Wri­te Like a Man: Jewish Mas­cu­li­ni­ty and the New York Intellec­tu­als rekur­riert Ron­nie Grin­berg auf Howes Defi­ni­ti­on, um ihre The­se vom Zusam­men­spiel von Mas­ku­li­ni­tät und Domi­nanz im New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len­mi­lieu zu bele­gen. In ihrem preis­ge­krön­ten Essay »Neither ›Sis­sy‹ Boy Nor Patri­ci­an Man: New York Intellec­tu­als and the Con­s­truc­tion of Ame­ri­can Jewish Mas­cu­li­ni­ty«5 skiz­zier­te sie, wie vie­le der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len auf­grund ihrer Her­kunft als jüdi­sche Immi­gran­ten der zwei­ten Gene­ra­ti­on ihr mas­ku­li­nes Selbst­bild in ihrem intel­lek­tu­el­len Her­an­wach­sen ent­war­fen und die ideo­lo­gi­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit Kon­tra­hen­ten und Kon­kur­ren­ten als eine fort­ge­setz­te Form des street­fightin­gs begrif­fen.6 In ihrem Buch ver­engt Grin­berg die Grup­pe der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len (noch stär­ker und aus­ge­präg­ter als Howe) auf ihren jüdi­schen Cha­rak­ter (wobei zen­tra­le nicht-jüdi­­sche Mit­glie­der wie Dwight Mac­do­nald, Fre­de­rick W. Dupee oder Edmund Wil­son weit­ge­hend aus­ge­blen­det wer­den) und fixiert Mas­ku­li­ni­tät auf die jüdisch-tal­­mu­­di­­sche Tra­di­ti­on, aus der der aggres­si­ve säku­la­re Intel­lek­tu­el­le her­vor­geht. In ihrer Argu­men­ta­ti­on beruft sich Grin­berg auf das auto­bio­gra­fi­sche Nar­ra­tiv von Autoren wie Alfred Kazin und Irving Howe7, in dem die geschei­ter­ten Ver­su­che der Assi­mi­la­ti­on der ers­ten Gene­ra­ti­on der Immi­gran­ten und der Ver­lust des domi­nan­ten Sta­tus der Väter in den Fami­li­en geschil­dert wer­den. Der Vater erschien häu­fig als »Ver­sa­ger«, der nicht für den Lebens­un­ter­halt der Fami­lie sor­gen konn­te, wäh­rend Müt­ter als star­ke Frau­en auf­tra­ten. Mas­ku­li­ni­tät für die Her­an­wach­sen­den war ein Medi­um zur Selbst­be­haup­tung auf den Stra­ßen und in den Alko­ven des New Yor­ker City Col­lege, wobei Domi­nanz und Unter­wer­fung die Grund­stra­te­gien der Aus­ein­an­der­set­zung waren. Wie in einer Street­gang oder in einem Racket wur­de Schwä­che nicht gedul­det: In Semi­na­ren des von sei­nen Schü­lern ver­ehr­ten Phi­lo­so­phie­leh­rers Mor­ris Rapha­el Cohen herrsch­ten Aggres­si­vi­tät, Streit, Pole­mik und zur Schau gestell­te Männ­lich­keit vor. In Grin­bergs Per­spek­ti­ve war »Intel­lek­tua­lis­mus, nicht Radi­ka­lis­mus« stets zen­tra­ler für die Kon­zep­ti­on von Mas­ku­li­ni­tät in den Krei­sen der New Yor­ker, wobei sie kei­ne neu­en Erkennt­nis­se ver­mit­telt, son­dern ledig­lich die Ernst­haf­tig­keit des radi­ka­len Bewusst­seins und Enga­ge­ments der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len in den 1930er Jah­ren in Abre­de stellt, wie es vor ihr schon Autoren wie Ter­ry Coo­ney und Neil Jumon­ville taten.8   Kom­pli­zen­schaft und Hier­ar­chie Die trü­be Iro­nie der Geschich­te war, dass auch Frau­en – sofern es ihnen gelang, in die­ses Milieu vor­zu­drin­gen – »wie Män­ner schrie­ben«. Sie unter­war­fen sich der Öko­no­mie und Macht­me­cha­nis­men oder Gewalt der »männ­li­chen Herr­schaft« (wie Pierre Bour­dieu die­sen Pro­zess beschrieb): »Die Grund­la­ge der Macht der Wor­te wird durch die Kom­pli­zen­schaft gebil­det, die sich mit­tels der Wor­te zwi­schen einem in einem bio­lo­gi­schen Kör­per fleisch­ge­wor­de­nen sozia­len Kör­per, dem des Wort­füh­rers, und den bio­lo­gi­schen Kör­pern her­stellt, die sozi­al zuge­rich­tet, sei­ne Anwei­sun­gen anzu­er­ken­nen, aber auch sei­ne Ermah­nun­gen, sei­ne Anspie­lun­gen oder sei­ne Befeh­le .«9 Obwohl das vor­herr­schen­de Nar­ra­tiv sowohl in den Auto­bio­gra­fien von »Par­ti­zi­pan­ten« als auch in wis­sen­schaft­li­chen His­to­rio­gra­fien die Chi­mä­re der »frei­schwe­ben­den Intel­li­genz« New Yorks, herrsch­te in den öko­no­mi­schen, kul­tu­rel­len und poli­ti­schen Nie­de­run­gen des intel­lek­tu­el­len Appa­rats ein »Korps­geist« vor, der (mit den Wor­ten Bour­dieus) die »Getreu­en« und »Gläu­bi­gen« mit den Ren­di­ten aus dem ange­häuf­ten kul­tu­rel­len Kapi­tal ver­sorgt wur­den.10 Auch im Milieu der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len herrsch­te von Anbe­ginn eine »Hier­ar­chie der Geschlech­ter« vor11 (wie Simo­ne de Beau­voir den Herr­schafts­raum beschrieb). Obwohl der Betrieb ohne die Zuar­beit von Frau­en als Typis­tin­nen, Redak­ti­ons­se­kre­tä­rin­nen, Lek­to­rin­nen, Ehe­frau­en und Müt­ter nicht lauf­fä­hig war und der Mann ohne sein »Vas­al­lin«12 nicht aus­kam, blieb sie in den Män­ner­bio­gra­fien der zurück­lie­gen­den Jahr­zehn­te weit­ge­hend unsicht­bar. Dwight Mac­do­nalds »Ein-Mann-Zei­t­­schrift« Poli­tics (wie Han­nah Are­ndt sie im Rück­blick cha­rak­te­ri­sier­te) wäre ohne die Unter­stüt­zung sei­ner dama­li­gen Ehe­frau Nan­cy Mac­do­nald (geb. Rod­man) – sowohl in finan­zi­el­ler als auch in arbeits­tech­ni­scher Hin­sicht – nicht denk­bar gewe­sen: Rea­li­ter war sie – wie es der ita­lie­ni­sche Emi­grant und New Yor­ker Autor Nic­coló Tuc­ci aus­drück­te – »die See­le von Poli­tics«.13 Auch Dis­sent, von Irving Howe und ande­ren ehe­ma­li­gen trotz­kis­ti­schen Akti­vis­ten 1954 gegrün­det, war äußer­lich ein aus­schließ­lich »männ­li­ches« Unter­neh­men (bis in die 1980er Jah­re gab es kaum weib­li­che Mit­glie­der in der Redak­ti­on), obwohl Redak­teur­se­he­frau­en wie Simo­ne Plas­trik oder Rose Coser die »Geschäfts­lei­tung« über­nah­men. Auf der ande­ren Sei­te des poli­ti­schen Spek­trums agier­ten Ehe­frau­en männ­li­cher »Stars« im New Yor­ker Kul­tur­mi­lieu wie Lio­nel Tril­ling oder Nor­man Podho­retz als »Vas­al­lin­nen« ihrer Ehe­män­ner, fühl­ten sich jedoch in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung zurück­ge­setzt und rekla­mier­ten einen Teil des Erfol­ges für sich. Dia­na Tril­ling, die sich über klei­ne Rezen­si­ons­auf­trä­ge an die »Meis­ter­klas­se« der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len her­an­tas­te­te, ver­ach­te­te die »weib­li­che Sen­si­bi­li­tät« einer Vir­gi­nia Woolf und sah ihre Bestim­mung dar­in, »wie in Mann zu schrei­ben«.14 The Who­le Sick Crew »Die New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len waren eine streit­süch­ti­ge und unsym­pa­thi­sche (jüdi­sche?) Fami­lie«, merk­te der New Yor­ker Lite­ra­tur­his­to­ri­ker Euge­ne Good­he­art an, »vol­ler begab­ter, nei­di­scher, vom Kon­kur­renz­den­ken gepräg­ter Geschwis­ter, die meis­tens schlecht über­ein­an­der dach­ten.«15 Dies schlug sich auch im Pri­vat­le­ben nie­der: Als Mary McCar­thy mit Phil­ip Rahv, dem pro­le­ta­ri­schen Grün­der und »Befehls­ha­ber« der Par­ti­san Review liiert war, schlief sie mit Edmund Wil­son, einem der füh­ren­den Lite­ra­tur­kri­ti­ker der Zeit, weil er über »einen bes­se­ren Pro­sa­stil« ver­füg­te und der »Ober­klas­se« in gesell­schaft­li­cher Hin­sicht ange­hör­te. Sex war für sie Mit­tel zum sozia­len Auf­stieg; gleich­zei­tig bedau­er­te sie, dass sie – »ver­führt« vom Alko­hol – mit die­sem »fet­ten, auf­ge­bla­se­nen Mann aus kei­nem Grund« geschla­fen habe. Grin­berg kom­men­tiert die Epi­so­de mit dem Satz: »Jeder schlief mit jeder in jenen Tagen.«.16 Ande­rer­seits fühl­ten sich männ­li­che Intel­lek­tu­el­le von den »dunk­len Damen« des New Yor­ker Estab­lish­ments ero­tisch und sexu­ell erregt oder auch abge­schreckt. Irving Howe stell­te in sei­nen Memoi­ren die weib­li­che Attrak­ti­vi­tät Han­nah Are­ndts in Abre­de, um ihre Anzie­hungs­kraft über »mes­ser­schar­fe Ges­ten«, »impe­ria­len Blick« und »hän­gen­den Ziga­ret­te« her­vor­zu­he­ben.17 Der Lite­ra­tur­kri­ti­ker Alfred Kazin hob die »dunk­le, schat­ten­haf­ti­ge« Sei­te ihres Erschei­nens her­vor, wäh­rend Phil­ip Rahv sie als »gut­aus­se­hen­den Mann« beschrieb.18 »Mas­ku­li­ni­tät« im her­kömm­li­chen Sin­ne – ein Begriff, den Grin­berg mehr als drei­hun­dert Mal in ihrem Buch benutzt – ist ein stän­dig wie­der­keh­ren­des Motiv: Wäh­rend »Radi­ka­lis­mus« (ob in Form des Kom­mu­nis­mus, Anar­chis­mus oder Mar­xis­mus in den 1930er Jah­ren) als Aus­druck der Unrei­fe gilt, preist Grin­berg – dem Nar­ra­tiv der domi­nan­ten Post-1989-His­­to­rio­­gra­­fie fol­gend – den Libe­ra­lis­mus des Kal­ten Krie­ges als »rei­fe Ideo­lo­gie«, als »Gegen­gift« zur »Krank­heit des Kom­mu­nis­mus der 1930er Jah­re« , wobei »Rei­fe« ein Syn­onym für »Ver­nunft« ist.19   Für Grin­berg ist Mas­ku­li­ni­tät ein mono­kau­sa­les Kon­zept, dem alle Ent­wick­lun­gen in poli­ti­scher, kul­tu­rel­ler und öko­no­mi­scher Hin­sicht unter­ge­ord­net wer­den, wäh­rend die Mecha­nis­men der Macht und die poli­ti­sche Öko­no­mie in der Zir­ku­la­ti­on von Ware, Pro­duk­ti­on und Akku­mu­la­ti­on (auch in der New Yor­ker Medi­en­in­dus­trie) kei­ne Rol­le spie­len. Kri­tik­los über­nimmt Grin­berg das Nar­ra­tiv, das angeb­lich »tie­fe Wis­sen über den Mar­xis­mus« habe die New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len befä­higt, die poli­ti­sche Öffent­lich­keit in Zei­ten des Kal­ten Krie­ges zu steu­ern, ohne in Betracht zu zie­hen, dass ihr poli­ti­sches Kon­ver­ti­ten­tum vor allem ein Instru­ment des Selbst­mar­ke­tings und der »kul­tu­rel­len Ein­däm­mung« war, die sich gegen Vor­stel­lun­gen rich­te­te, wel­che der domi­nan­ten gesell­schaft­li­chen Hege­mo­nie wider­spra­chen.20 Die »weib­li­che Frak­ti­on« der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len – bestehend aus Eliza­beth Hard­wick, Dia­na Tril­ling, Sus­an Son­tag sowie Mary McCar­thy und Han­nah Are­ndt – war bes­ten­falls ambi­va­lent gegen­über den femi­nis­ti­schen Strö­mun­gen der Zeit (wie sie bei­spiels­wei­se in Kate Mil­letts bahn­bre­chen­dem Buch Sexu­al Poli­tics aus dem Jah­re 1970 zum Aus­druck kam) , wäh­rend der kon­ser­va­tiv gepräg­te Teil die­ser Frak­ti­on (Tril­ling und Midge Dec­ter) die »Ver­weich­li­chung« der Mas­ku­li­ni­tät im Zuge der »Gegen­kul­tur« der Beats und spä­ter der »Hip­pies« als sys­te­mi­sche Kri­se beschrie­ben. Homo­se­xu­el­le waren laut Dec­ter »kei­ne wirk­li­chen Män­ner«, wäh­rend sie in der Wahr­neh­mung des »rich­ti­gen Kerls« Nor­man Mailer nur als »kul­tu­rel­le Out­laws«, »Per­ver­se« und »Psy­cho­pa­then« der Gegen­kul­tur fir­mier­ten.21 Phal­lus und Wahn Das »Männ­lich­keits­di­lem­ma«, das Grin­berg als »Ideo­lo­gie der jüdi­schen Mas­ku­li­ni­tät« beschreibt, eska­mo­tiert den »phal­li­schen Nar­ziss­mus«, mit dem Grin­berg ihr Buch eröff­net und repe­tie­rend den »Tes­­te­r­on-getrie­­be­­nen lite­ra­ri­schen Zir­kel« der New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len beschreibt.22 Als »Män­ner­bund« ver­tra­ten die New Yor­ker Intel­lek­tu­el­len – trotz des Ein­tre­tens für indi­vi­du­el­le und künst­le­ri­sche Frei­heit – in klas­si­scher Racket-Manier stets nur die eige­nen Inter­es­sen, die sie in der Hier­ar­chie vor­an­brin­gen soll­ten. »Das Inter­es­se hat kein Gedächt­nis«, schrieb Marx 1842, »denn es denkt nur an sich. Das eine, wor­auf es ihm ankommt, sich selbst, ver­gißt es nicht. Auf Wider­sprü­che aber kommt es ihm nicht an, denn mit sich selbst gerät es nicht in Wider­spruch.«23 Im Gegen­satz zu ande­ren US-ame­ri­­ka­­ni­­schen Intel­lek­tu­el­len wie bei­spiels­wei­se Mur­ray Book­chin (der in 1930er Jah­ren in einem ähn­li­chen Umfeld auf­wuchs wie Irving Howe, Alfred Kazin oder Dani­el Bell) ver­such­ten sie nie, die Ent­wick­lung einer öko­lo­gi­schen Gesell­schaft jen­seits von Hier­ar­chie und Herr­schaft anzu­sto­ßen, son­dern ver­harr­ten stets im Racket-Mus­­ter der eige­nen Inter­es­sen­exis­tenz, um schließ­lich auf die Frei­heit in kul­tu­rel­ler und sozia­ler Hin­sicht zu ver­zich­ten und demo­kra­ti­sche Prin­zi­pi­en der Macht der neu­en Rech­ten und ihrer Vasal­len (für die neo­kon­ser­va­ti­ve New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le wie Nor­man Podho­retz, Midge Dec­ter, Irving Kris­tol oder Saul Bel­low ein­tra­ten) unter­zu­ord­nen.24 Podho­retz, der sich über die »dunk­len Damen der ame­ri­ka­ni­schen Lite­ra­tur« wie Han­nah Are­ndt oder Mary McCar­thy mokier­te und gegen »unmänn­li­che« Beat­niks Stim­mung mach­te, hat­te kein Pro­blem damit, sich hin­ter den »Mas­ku­li­nis­ten« Donald Trump als Unter­stüt­zer ein­zu­rei­hen, der noch im Wahl­kampf 2016 aus­rief: »Grab them by the pus­sy. You can do any­thing.« Trump war für Podho­retz »kei­ne Mem­me« (sis­sy boy im New Yor­ker Jar­gon), son­dern ein »Kerl, der zurück­schlug«.25 Lei­der hat Grin­berg den Zusam­men­hang von Männ­lich­keit und Gewalt (von dem die gesam­te Gesell­schaft betrof­fen ist) nicht kon­se­quent ver­folgt: Auch im »geis­ti­gen« oder media­len Bereich ist (wie Bour­dieu es bezeich­ne­te) »der Wil­le zur Herr­schaft, zur Aus­beu­tung oder zur Unter­drü­ckung« vor­han­den26 Die­ser äußert sich auch im »intel­lek­tu­el­len« Milieu. © Jörg Auberg 2024 Biblio­gra­fi­sche Anga­ben: Ron­nie A. Grin­berg. Wri­te like a Man: Jewish Mas­cu­li­ni­ty and the New York Intellec­tu­als. Prince­ton, NJ: Prince­ton Uni­ver­si­ty Press, 2024. 384 Sei­ten, 35 US-Dol­lar. ISBN: 9780691193090. Bild­quel­len (Copy­rights) Cover Wri­te Like a Man © Prince­ton Uni­ver­si­ty Press Trai­ler Zelig © Ori­on Pic­tures Por­trait Ron­nie A. Grin­berg © Prince­ton Uni­ver­si­ty Press Video Day at Night: Irving Howe © CUTV Video Zur Per­son: Han­nah Are­ndt © SFB TV Doku­men­ta­ti­on Sturm auf das Capi­tol, 6. Janu­ar 2021 © France24 Nach­wei­se Her­mann Broch, Die Schlaf­wand­ler: Eine Roman­tri­lo­gie (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1994), S. 211 ↩ Johann Wolf­gang Goe­the, »Zah­me Xeni­en IX«, in: Sämt­li­che Gedich­te (Frankfurt/Main: Insel, 2007), S. 1020 ↩ Zur Rol­le der west­li­chen Intel­lek­tu­el­len im Kal­ten Krieg cf. Fran­ces Stonor Saun­ders, Who Paid the Piper? The CIA and the Cul­tu­ral Cold War (Lon­don: Gran­ta, 1999), und Andrew N. Rubin, Archi­ves of Aut­ho­ri­ty: Empire, Cul­tu­re, and the Cold War (Prince­ton, NJ: Prince­ton Uni­ver­si­ty Press, 2012) ↩ Irving Howe, Decli­ne of the New (Lon­don: Vic­tor Gol­lan­cz, 1971), S.214–215Fn ↩ Ron­nie A. Grin­berg, »Neither ›Sis­sy‹ Boy Nor Patri­ci­an Man: New York Intellec­tu­als and the Con­s­truc­tion of Ame­ri­can Jewish Mas­cu­li­ni­ty«, Ame­ri­can Jewish Histo­ry, 98, Nr. 3 (Juli 2014): 127–151 ↩ Cf. Jörg Auberg, New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le: Eine poli­­tisch-kul­­tu­­rel­­le Geschich­te von Auf­stieg und Nie­der­gang, 1930–2020 (Bie­le­feld: Tran­­script-Ver­­lag, 2022), S. 43 ↩ Alfred Kazin, A Wal­ker in the City (1951), Start­ing Out in the Thir­ties (1965) und New York Jew (1978); Irving Howe (mit Ken­neth Libo), World of Our Fathers: The Jour­ney of the East Euro­pean Jews to Ame­ri­ca and the Life They Found and Made (1976), und A Mar­gin of Hope: An Intellec­tu­al Auto­bio­gra­phy (1982) ↩ Ron­nie Grin­berg, Wri­te Like a Man: Jewish Mas­cu­li­ni­ty and the New York Intellec­tu­als (Prince­ton, NJ: Prince­ton Uni­ver­si­ty Press, 2024), S. 43; sie­he auch Ter­ry A. Coo­ney, The Rise of the New York Intellec­tu­als: Par­ti­san Review and its Cir­cle, 1934–1945 (Madi­son: Uni­ver­si­ty of Wis­con­sin Press, 1986), und Neil Jumon­ville, Cri­ti­cal Crossings: The New York Intellec­tu­als in Post­war Ame­ri­ca (Ber­ke­ley: Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia Press, 1991) ↩ Pierre Bour­dieu, Die ver­bor­ge­nen Mecha­nis­men der Macht, hg. Mar­ga­re­ta Stein­rü­cke, übers. Jür­gen Bol­der (Ham­burg: VSA, 2015), S. 83; sie­he auch Bour­dieu, Die männ­li­che Herr­schaft, übers. Jür­gen Bol­der (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 2012), S. 90–100 ↩ Bour­dieu, Die ver­bor­ge­nen Mecha­nis­men der Macht, S. 84 ↩ Simo­ne de Beau­voir, Das ande­re Geschlecht: Sit­te und Sexus der Frau, übers. Uli Aumül­ler und Gre­te Oster­wald (Rein­bek: Rowohlt, 2018), S. 57 ↩ Simo­ne de Beau­voir, Das ande­re Geschlecht, S. 181 ↩ Han­nah Are­ndt, »He’s All Dwight«, in: Are­ndt, Thin­king Wit­hout a Banis­ter: Essays in Under­stan­ding, 1953–1975, hg. Jero­me Kohn (New York: Scho­cken, 2018), S. 397; Micha­el Wres­zin, A Rebel in Defen­se of Tra­di­ti­on: The Life and Poli­tics of Dwight Mac­do­nald (New York: Basic Books, 1994), S. 136 ↩ Grin­berg, Wri­te Like a Man, S. 80–81 ↩ Euge­ne Good­he­art, The Reign of Ideo­lo­gy (New York: Colum­bia Uni­ver­si­ty Press, 1997), S. 86, Über­set­zung zitiert nach Auberg, New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le, S. 24 ↩ Mary McCar­thy, Intellec­tu­al Memoirs: New York 1936–1938 (New York: Har­court Brace, 1992), S. 101–105; Grin­berg, Wri­te Like a Man, S. 55 ↩ Howe, A Mar­gin of Hope: An Intellec­tu­al Auto­bio­gra­phy (San Die­go: Har­court Brace Jova­no­vich, 1982), S. 270 ↩ Richard M. Cook, Alfred Kazin: A Bio­gra­phy (New Haven: Yale Uni­ver­si­ty Press, 2009), S. 319; Grin­berg, Wri­te Like a Man, S. 57 ↩ Grin­berg, Wri­te Like a Man, S. 93; sie­he auch Richard H. Pells, The Libe­ral Mind in a Con­ser­va­ti­ve Age: Ame­ri­can Intellec­tu­als in the 1940s and 1950s (Midd­le­town, CT: Wes­ley­an Uni­ver­si­ty Press, ²1989), S. 122; und Igna­zio Silo­ne, Der Fascis­mus: Sei­ne Ent­ste­hung und sei­ne Ent­wick­lung (1934; rpt. Frankfurt/Main: Ver­lag Neue Kri­tik, 1984), S. 46–58 ↩ Cf. Andrew Ross, No Respect: Intellec­tu­als and Popu­lar Cul­tu­re (New York: Rout­ledge, 1989), S. 42–64 ↩ Grin­berg, Wri­te Like a Man, S. 221; Nor­man Mailer, Mind of an Out­law: Sel­ec­ted Essays, hg. Phil­ip Sipio­ra (Lon­don: Pen­gu­in, 2013), Essays »The Homo­se­xu­al as Vil­lain« (1955) und »The White Negro« (1957), S. 14–20, 41–65; Kate Mil­lett, Sexu­al Poli­tics (New York: Colum­bia Press, 2016), S. 314–335 (über Nor­man Mailer) ↩ Grin­berg, Wri­te Like a Man, S. 123, 1; zum »phal­lisch« besetz­ten »Männ­lich­keits­di­lem­ma« cf. Phil­ip Zah­n­er, »Die Fühl­form des isla­mi­schen Gegen­sou­ve­räns: Über miso­gy­ne und anti­se­mi­ti­sche Gewalt am 7. Okto­ber«, sans phra­se, Nr. 24 (Som­mer 2024), S. 133 ↩ Karl Marx, »Debat­te um das Holz­dieb­stahls­ge­setz«, in MEW, Bd. 1 (Ber­lin: Dietz, 2006), S. 132; Hin­weis auf das Marx-Zitat von Phil­ip Zah­n­er, »Die Fühl­form des isla­mi­schen Gegen­sou­ve­räns«, S. 105 ↩ Mur­ray Book­chin, Rema­king Socie­ty (Mont­re­al: Black Rose Books, 1989), S. 19–73; John Ganz, When the Clock Bro­ke: Con Men, Con­spi­ra­cists, and How Ame­ri­ca Cra­cked Up in the Ear­ly 1990s (New York: Farr­ar, Straus and Giroux, 2024), S. 56–79 ↩ Auberg, New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le, S. 240, 271Fn.; Grin­berg, Wri­te like a Man, S. 273; Trump-Zitat: BBC, 9. Okto­ber 2016, https://www.bbc.com/news/election-us-2016–37595321 ↩ Bour­dieu, Die männ­li­che Herr­schaft, S. 96 ↩ […]
  • Die »Filmkritik«: Eine Zeitschrift und die MedienDie »Film­kri­tik«: Eine Zeit­schrift und die Medi­en27. Okto­ber 2024Die Maschi­ne­rie der Ver­blen­dung Auf­stieg und Nie­der­gang der Zeit­schrift »Film­kri­tik« von Jörg Auberg In einem pro­gram­ma­ti­schen Arti­kel zur gesell­schaft­li­chen Rol­le des Film­kri­ti­kers kon­sta­tier­te Sieg­fried Kra­cau­er weni­ge Mona­te vor der Macht­über­nah­me der Natio­nal­so­zia­lis­ten, der »Film­kri­ti­ker von Rang« sei »nur als Gesell­schafts­kri­ti­ker denk­bar«. Die Mis­si­on die­ses Kri­ti­kers sei es, »die in den Durch­schnitts­fil­men ver­steck­ten sozia­len Vor­stel­lun­gen und Ideo­lo­gien zu ent­hül­len und durch die­se Ent­hül­lun­gen den Ein­fluß der Fil­me sel­ber über­all dort, wo es not­tut, zu bre­chen«.1 Die­se empha­ti­sche Beto­nung der kri­ti­schen Funk­ti­on des pro­fes­sio­nel­len Film­jour­na­lis­ten stand im fun­da­men­ta­len Wider­spruch zur »Depro­fes­sio­na­li­sie­rung« des Kri­ti­kers zum blo­ßen Cla­queur der Unter­hal­­tungs- und spä­te­ren Kul­tur­in­dus­trie, wie sie – mit den Wor­ten des His­to­ri­kers Richard J. Evans – Joseph Goeb­bels in sei­ner strom­li­ni­en­för­mi­gen Pro­gram­ma­tik der »Mobi­li­sie­rung des Geis­tes« in die media­le Pra­xis (die sich auf Agi­ta­ti­on und Pro­pa­gan­da beschränk­te) umsetz­te.2 Wie deutsch ist es Kri­tik sei aller Demo­kra­tie wesent­lich, insis­tier­te Theo­dor W. Ador­no 1969 in einem sei­ner »Kri­ti­schen Model­le«, das vom Alp der Ver­gan­gen­heit gezeich­net ist. »Daß Goeb­bels den Begriff des Kri­ti­kers zu dem des Kri­tik­as­ters ernied­ri­gen und mit dem des Mecke­rers hämisch zusam­men­brin­gen konn­te«, schrieb Ador­no, »und daß er die Kri­tik jeg­li­cher Kunst ver­bie­ten woll­te, soll­te nicht nur freie geis­ti­ge Regun­gen gän­geln.«3 Für Ador­no waren die »deut­sche Kri­tik­feind­schaft« und die »Ran­cu­ne gegen den Intel­lek­tu­el­len« (als Trans­por­teur der Kri­tik) Teil des auto­ri­tä­ren, obrig­keits­staat­li­chen Sys­tems, das sich in den 1930er Jah­ren durch­setz­te und in jün­ge­rer Ver­gan­gen­heit in Form neo­fa­schis­ti­scher und auto­kra­ti­scher Ten­den­zen gegen kri­ti­sches Den­ken neu­er­lich for­miert. Ador­no, der »Remi­grant« (wie die aus dem erzwun­ge­nen Exil zurück­ge­kehr­ten Emi­gran­ten nach 1945 bezeich­net wur­den), hielt den Fin­ger in die Wun­de, »das beschä­dig­te deut­sche Ver­hält­nis zur Kri­tik«, das – mit einem Wort Ulrich Son­ne­manns – im »Land der unbe­grenz­ten Zumut­bar­kei­ten« in der Fol­gen­lo­sig­keit ver­en­de­te.4 Film­kri­tik als oppo­si­tio­nel­le Pra­xis Für den eins­ti­gen Feuil­le­ton­chef der Frank­fur­ter Rund­schau, Wolf­ram Schüt­te, war die 1957 gegrün­de­te Zeit­schrift Film­kri­tik ein lin­kes Oppo­si­ti­ons­or­gan gegen das restau­ra­ti­ve Nach­kriegs­deutsch­land5. In einer Geschich­te der »Frank­fur­ter Schu­le« cha­rak­te­ri­siert der His­to­ri­ker Jörg Spä­ter die Zeit­schrift als »ein Semi­nar, das in Frank­furt hät­te ange­sie­delt sein kön­nen«.6 In dem von Rolf Aurich und Micha­el Wedel her­aus­ge­ge­be­nen Band Die »Film­kri­tik«: Eine Zeit­schrift und die Medi­en wird weni­ger die Geschich­te der Zeit­schrift (die in der »Wen­de­zeit« der Bun­des­re­pu­blik nach län­ge­rem Siech­tum 1984 ver­scharrt wur­de) auf­be­rei­tet, als die Rol­len ein­zel­ner Mit­ar­bei­ter (in der Män­ner­wirt­schaft war ein­zig die Film­pu­bli­zis­tin Frie­da Gra­fe prä­sent) in den Medi­en­ma­schi­nen der Bun­des­re­pu­blik aus­zu­leuch­ten, die damals noch aus­schließ­lich öffen­t­­lich-rech­t­­lich orga­ni­siert und struk­tu­riert waren (in ers­ter Linie WDR, NDR, SFB, SWF und ZDF). Im eröff­nen­den Essay über den Fil­m­­kri­­tik-Begrün­­der Enno Pata­l­as (1929–2018) – neben Ulrich Gre­gor (geb. 1932) einer der Doy­ens der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Film­ge­schichts­schrei­bung – rekur­riert Clau­dia Lens­sen auf die opu­len­te, aber unvoll­endet geblie­be­ne Stu­die Medi­en­in­tel­lek­tu­el­le in der Bun­des­re­pu­blik des His­to­ri­kers Axel Schildt, in der Intel­lek­tu­el­le, die sich mit Film beschäf­tig­ten, außen vor blie­ben. »Die ›Medi­en‹ wer­den aus­schließ­lich als Platt­for­men für ihre publi­zis­ti­sche Text­pro­duk­ti­on betrach­tet«, kri­ti­siert Lens­sen, »sind jedoch nicht Gegen­stand der Refle­xi­on.«7 Selbst Alex­an­der Klu­ge – der als Fil­me­ma­cher, Autor, Intel­lek­tu­el­ler und Medi­en­pro­du­zent zwi­schen den ver­schie­de­nen Berei­chen der intel­lek­tu­el­len Pro­duk­ti­on wan­del­te – wird als »Medi­en­in­tel­lek­tu­el­ler« bei Schildt nur ein­mal in einem Zitat erwähnt.8 Obwohl die Film­kri­tik sich in der Tra­di­ti­on von Theo­dor W. Ador­no, Wal­ter Ben­ja­min und Sieg­fried Kra­cau­er begriff und die Kri­tik der Kul­tur­in­dus­trie aus der Dia­lek­tik der Auf­klä­rung in ihren Sei­ten fort­führ­te, haf­te­te dem Film noch immer der Ruch des Ver­kom­me­nen und der Ver­blö­dung an. Auch wenn Ador­no spä­ter Klu­ge und ande­re »Medi­en­in­tel­lek­tu­el­le« pro­te­gier­te, blieb doch sein Urteil aus den Mini­ma Mora­lia prä­sent: »Aus jedem Besuch des Kinos kom­me ich bei aller Wach­sam­keit düm­mer und schlech­ter wie­der her­aus.«9 Poli­tik vs. Ästhe­tik Von Beginn an durch­zog die Redak­ti­on der Zeit­schrift ein Riss zwi­schen einer »ästhe­ti­schen Lin­ken« (reprä­sen­tiert von Enno Pata­l­as, Hel­mut Fär­ber u. a.) und einer »poli­ti­schen Lin­ken« resp. der »Kra­­cau­er-Frak­­ti­on« (in Per­son von Ulrich Gre­gor, Theo­dor Kotul­la u. a.), der nicht nur das anfäng­lich gemein­sam von Pata­l­as und Gre­gor betrie­be­ne Pro­jekt Geschich­te des Films (1962) zum Ein-Mann-Unter­­neh­­men mach­te10, son­dern auch nach 1969 zu einer grund­sätz­li­chen neu­en Aus­rich­tung unter der Ägi­de der »ästhe­ti­schen Lin­ken« führ­te, da die »poli­ti­sche Lin­ke« der Zeit­schrift den Rücken gekehrt hat­te.11 Zunächst aber setz­ten Autoren wie Theo­dor Kotul­la (1928–2001) und Ger­hard Schoen­ber­ner (1931–2012), die ihre publi­zis­ti­sche Arbeit als Zeit­schrif­ten­re­dak­teu­re mit einer prak­ti­schen Film- und Fern­seh­ar­beit ver­ban­den, Akzen­te im Sin­ne Kra­cau­ers und der »Kri­ti­schen Theo­rie« nach 1945, indem sie einer­seits das Ver­dräng­te in der Gegen­wart in einem kri­­tisch-rea­­lis­­ti­­schen Ansatz the­ma­ti­sier­ten und zum ande­ren die »Nach­hal­tig­keit« des Natio­nal­so­zia­lis­mus – sowohl im insti­tu­tio­na­li­sier­ten Den­ken als auch in der nahe­zu bruch­lo­sen Fort­füh­rung von NS-Kar­rie­­ren in der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Kul­tur­in­dus­trie in Per­so­nen wie Alfred Wei­den­mann, Her­bert Rein­ecker und Wolf­gang Lie­ben­ei­ner vor Augen führ­ten, wie es bei­spiels­wei­se Schoen­ber­ner in sei­ner zwölf­tei­li­gen WDR-Rei­he Film im Drit­ten Reich: Exkur­se zur pro­pa­gan­dis­ti­schen Mas­sen­füh­rung aus dem Jah­re 1969 demons­trier­te. Wie vie­le Fil­me­ma­cher aus dem Fil­m­­kri­­tik-Umfeld war auch Kotul­la (der bis 1968 für die Film­kri­tik schrieb und 1988 einen Schi­­man­­ski-Tat­ort mit Götz Geor­ge insze­nier­te) von Jean-Luc Godard und Robert Bres­son geprägt. »Theo­dor Kotul­la kam zur ›Film­kri­tik‹, weil er auf­bgehr­te gegen die Tra­di­tio­nen des zeit­ge­nös­si­schen Feuil­le­tons, und er ging zum Fern­se­hen, obwohl er die dort vor­herr­schen­den Kon­ven­tio­nen ablehn­te«, schreibt Anna Koken­ge in ihrem Kotul­­la-Essay. »Die ›Film­kri­tik‹ war sei­ne Schu­le und wenn­gleich sie kei­ne gute Ein­kom­mens­quel­le gewe­sen sein mag, so war sie für sei­ne spä­te­re Arbeit doch unbe­zahl­bar.«12 Die Stren­ge der Fil­m­­kri­­tik-Publi­­zis­­tik sah auch Ulrich Gre­gor in Kotul­las bekann­tes­tem Film – Aus einem deut­schen Leben (1977) – fort­wir­ken: In die­sem Film por­trä­tier­te Götz Geor­ge einen KZ-Kom­­man­­dan­­ten, der auf der his­to­ri­schen Per­son Rudolf Höß basier­te. »Die Film war intel­li­gent struk­tu­riert und mit bres­son­haf­ter Stren­ge gemacht«, lob­te Gre­gor. Die »manch­mal gespens­ti­sche Küh­le der Bil­der, der ruhi­ge Rhyth­mus der Dra­ma­tur­gie unter­strei­chen die didak­­tisch-auf­­klä­­re­ri­­sche Wir­kung des Films«, der eine metho­di­scher Gegen­ent­wurf zur US-ame­ri­­ka­­ni­­schen Fern­seh­se­rie Holo­caust war.13 »Dass Kotul­la sei­ne Gegen-Geschich­­te als Kri­ti­ker der ›Kul­tur­in­dus­trie‹ stets im Mas­sen­me­di­um erzähl­te«, schreibt Koken­ge, »mag wider­sin­nig erschei­nen, kann aber eben­so als die emp­fun­de­ne Ver­ant­wor­tung gedeu­tet wer­den, gera­de dort ›gesell­schaft­li­chen Sinn für Rea­li­tät‹ mit­zu­ge­stal­ten.« Die­sen »gesell­schaft­li­chen Sinn für Rea­li­tät« las­sen ande­re Bei­trä­ge des Ban­des ver­mis­sen. So ver­liert sich Gary Vani­si­an in der Ana­ly­se von Ulrich Gre­gors Bei­trä­gen unter dem Titel Film kri­tisch (die zwi­schen 1967 und 1970 unter der Regie von Micha­el Strau­ven im NDR und SFB ent­stan­den) in detail­lier­ten Ana­ly­sen über die medi­en­struk­tu­rel­le Reprä­sen­ta­ti­on des Gese­he­nen und Gehör­ten, wäh­rend die kri­ti­sche Form ver­lo­ren geht. Rau­nend wird ein Dis­put zwi­schen Gre­gor und dem Film­pu­bli­zis­ten Rein­hold E. Thiel über das Pro­jekt der »Freun­de der Deut­schen Kine­ma­thek« in West-Ber­­lin zur Spra­che gebracht, ohne dass der Autor jeg­li­che Hin­ter­grund­in­for­ma­ti­on lie­fert. Erst in einem spä­te­ren Arti­kel wird das Rät­sel auf­ge­löst.14 Nie­der­gang und Ende In den 1970er und 1980er Jah­ren ver­lor die Zeit­schrift – trotz Mit­ar­bei­ter wie Harun Faro­cki (1944–2014)15 – zuneh­mend an Bedeu­tung, da die Autoren der Zeit­schrift sich für wich­ti­ger nah­men als die kri­ti­sche Ana­ly­se. Sym­pto­ma­tisch für die­se Ten­denz war Wolf-Eck­art Büh­ler (1945–2020), der in den spä­ten 1970er-Jah­­ren Prot­ago­nis­ten des »ande­ren Ame­ri­kas« wie Leo T. Hur­witz, Abra­ham Polon­sky, Irving Ler­ner und Ster­ling Hay­den für sich ent­deck­te. Im Gegen­satz zu ande­ren inter­na­tio­na­len Zeit­schrif­ten wie Jump Cut, Film Quar­ter­ly, Sight & Sound, Cahiers du Ciné­ma oder Posi­tif (die zur glei­chen Zeit auf die lin­ke Gegen­kul­tur der 1930er und 1940er Jah­re stie­ßen16) blie­ben die Film-Essays Büh­lers zumeist in der Ver­klä­rung der »roten Hel­den« der Ver­gan­gen­heit ste­cken und betrie­ben eine »Ästhe­ti­sie­rung des Poli­ti­schen«, in der poli­ti­sche Mythen in ein his­to­ri­sches Kon­ti­nu­um ein­ge­gra­ben wur­den, wäh­rend die Kon­struk­ti­on einer kon­kre­ten poli­ti­schen Uto­pie außen vor blieb. In den spä­te­ren kri­ti­schen Abhand­lun­gen über Hay­den und Polon­sky fan­den sie kei­ne Erwäh­nung.17 Im Gegen­satz zu Kotul­la und ande­ren »Medi­en­ar­bei­tern« des Betrie­bes wird Büh­ler (WEB) von dem Kul­­tur-Feuil­­le­­to­­nis­­ten Alf May­er18 zum Maqui­sard gegen den bür­ger­li­chen Kul­tur­be­trieb sti­li­siert, ohne dass er zu einer kri­ti­schen Selbst­re­fle­xi­on inner­halb des Betrie­bes fähig wäre. »Kra­cau­ers Ideo­lo­gie­kri­tik, auf die Pata­l­as & Co sich ger­ne berie­fen«, gibt das Betriebs­sprach­rohr zum Bes­ten, »ist für WEB blo­ße Agen­tin des Zeit­geis­tes, ›nicht des Geis­tes‹, ist über­kom­me­nes Instru­ment, rein retro­spek­tiv, nicht nach vor­ne, in die neue Zeit gerich­tet …«19 Die­se intel­lek­tu­el­le Arm­se­lig­keit ließ auch die Film­kri­tik ver­dien­ter­ma­ßen auf der Müll­hal­de der Geschich­te ver­en­den. Oder mit Ador­no gespro­chen: »Der tota­le Zusam­men­hang der Kul­tur­in­dus­trie, der nichts aus­läßt, ist eins mit der tota­len gesell­schaft­li­chen Ver­blen­dung.«20 © Jörg Auberg 2024 Biblio­gra­fi­sche Anga­ben: Rolf Aurich und Micha­el Wedel (Hg.). Die »Film­kri­tik«: Eine Zeit­schrift und die Medi­en. Mün­chen: edi­ti­on text + kri­tik, 2024. 290 Sei­ten, 29 Euro. ISBN: 978–3‑96707–925‑8. Bild­quel­len (Copy­rights) Por­trät Sieg­fried Kra­cau­er Archiv des Autors Cover How Ger­man Is It © New Direc­tions Cover Die »Film­kri­tik«: Eine Zeit­schrift und die Medi­en © edi­ti­on text + kri­tik Cover Film­kri­tik Archiv des Autors Foto Wolf-Eck­art Büh­ler und Abra­ham Polon­sky © Edi­ti­on Film­mu­se­um Mün­chen       Nach­wei­se Sieg­fried Kra­cau­er, »Über die Auf­ga­be des Film­kri­ti­kers« (1932), in: Kra­cau­er, Wer­ke, Bd. 6:3: Klei­ne Schrif­ten zum Film, 1932–1961, hg. Inka Mül­­der-Bach (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 2004), S. 63 ↩ Cf. Richard J. Evans, The Third Reich in Power, 1933–1939 (Lon­don: Pen­gu­in, 2006), S. 129–133; und Evans, Hitler’s Peo­p­le: The Faces of the Third Reich (Lon­don: Allen Lane, 2024), S. 177–178 ↩ Theo­dor W. Ador­no, »Kri­tik« (1969), in: Ador­no, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 10: Kul­tur­kri­tik und Gesell­schaft, hg. Rolf Tie­de­mann (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 2003), S. 788 ↩ Ador­no, »Kri­tik«, S. 791; Ulrich Son­ne­mann, »Das Land der unbe­grenz­ten Zumut­bar­kei­ten: Deut­sche Reflexionen(1963/85)«, in: Son­ne­mann, Schrif­ten, Bd. 4, hg, Paul Fie­big (Sprin­ge: zu Klam­pen, 2014), S. 101–118 ↩ Rolf Aurich und Micha­el Wedel, Ein­lei­tung zu: Die »Film­kri­tik«: Eine Zeit­schrift und die Medi­en, hg. Aurich und Wedel (Mün­chen: edi­ti­on text + kri­tik, 2024), S. 14; hier­nach zitiert als FZM ↩ Jörg Spä­ter, Ador­nos Erben: Eine Geschich­te aus der Bun­des­re­pu­blik (Ber­lin: Suhr­kamp, 2024), S. 102 ↩ Clau­dia Lens­sen, »Lebens­the­ma Kino und Publi­zis­tik: Enno Pata­l­as und die Medi­en«, in: FZM, S. 16 ↩ Axel Schildt, Medi­en­in­tel­lek­tu­el­le in der Bun­des­re­pu­blik, hg. Gabrie­le Kandz­o­ra und Dete­lef Sieg­fried (Göt­tin­gen: Wall­stein, 2020), S. 537 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Mini­ma Mora­lia: Refle­xio­nen aus dem beschä­dig­ten Leben (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1987), S. 21; zur dif­fe­ren­zier­ten Ana­ly­se von Ador­nos Ver­hält­nis zum Kino cf. Miri­am Bra­tu Han­sen, »Intro­duc­tion to Ador­no, ›Tran­spe­ren­ci­es on Film‹ (1966)«, New Ger­man Cri­tique, Nr. 24–25 (Herbst-Win­­ter 1981–82), S. 186–198 ↩ Sie­he Ulrich Gre­gors Vor­wort zu: Geschich­te des Films ab 1960 (Rein­bek: Rowohlt, 1983), S. 9 ↩ Rolf Aurich, »Der Publi­zist: Rein­hold E. Thiel zwi­schen Film­kul­tur, Film­kri­tik und Medi­en«, FZM, S. 158 ↩ Anna Koken­ge, »Das Schrei­ben als Schu­le: Theo­dor W. Kotul­las Weg von der Film­kri­tik zum Fern­seh­film«, FZM, S. 87 ↩ Gre­gor, Geschich­te des Films ab 1960, S. 149 ↩ Gary Vanis­si­an, »Medi­um des per­sön­li­chen Aus­drucks: Die Fern­seh­bei­trä­ge von Ulrich Gre­gor«, FZM, S. 96; Aurich, »Der Publi­zist«, S. 158–159 ↩ Cf. Vol­ker Pan­ten­burg, »Film-Pra­xis und Text-Pra­xis: Harun Faro­cki und die Film­kri­tik«, in: Harun Faro­cki, Schrif­ten, Bd. 4, hg. Vol­ker Pan­ten­burg (Ber­lin: Neu­er Ber­li­ner Kunst­ver­ein, 2019), S. 449–466 ↩ Cf. Rus­sell Camp­bell, »Film and Pho­to League: Radi­cal Cine­ma in the 30s – Intro­duc­tion«, Jump Cut, Nr. 14 (1977), S. 23–25, https://ejumpcut.org/archive/onlinessays/JC14folder/FilmPhotoIntro.html; Max Pearl, »Came­ras for Class Strugg­le«, Art in Ame­ri­ca, März-April 2021, https://www.artnews.com/art-in-america/features/cameras-for-class-struggle-workers-film-and-photo-league-1234590463/) ↩ Cf. Phil­ip­pe Gar­nier, Ster­ling Hay­den – L’Irrégulier (Paris: La Rab­bia, 2019); Paul Buh­le und Dave Wag­ner, A Very Dan­ge­rous Citi­zen: Abra­ham Lin­coln Polon­sky and the Hol­ly­wood Left (Ber­ke­ley: Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia Press, 2001); Abra­ham Polon­sky: Inter­views, hg, Andrew Dic­kos (Jack­son: Uni­ver­si­ty Press of Mis­sis­sip­pi, 2013); Lar­ry Cep­lair und Ste­ven Eng­lund, The Inqui­si­ti­on in Hol­ly­wood: Poli­tics in the Film Com­mu­ni­ty, 1930–1960 (Ber­ke­ley: Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia Press, 1983); Jörg Auberg, »Auf­recht gehen: Abra­ham Polon­sky, Hol­ly­wood und die Schwar­ze Lis­te«, Thea­ter­Zeit­Schrift, Nr. 27 (Früh­jahr 1989), S. 120–133 ↩ Zur Selbst­dar­stel­lung cf. https://culturmag.de/author/alf-mayer ↩ Alf May­er, »›Dabei­sein heißt gehor­chen‹: Zum Werk von Wolf-Eck­art Büh­ler«, FZM, S. 252 ↩ Ador­no, Mini­ma Mora­lia, S. 275 ↩ […]

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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