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Moleskin Blues

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Kri­ti­ken
  • Frankfurter Buchmesse 2025Frank­fur­ter Buch­mes­se 202510. Novem­ber 2025Es geht (viel­leicht doch) um das Buch Nach­träg­li­che Mis­zel­len zur Frank­fur­ter Buch­mes­se 2025 In alten Über­lie­fe­run­gen erschei­nen die frü­he­ren Zei­ten der Frank­fur­ter Buch­mes­se oft gla­mou­rös, dra­ma­tisch und aben­teu­er­lich, als wäre die Jagd nach Lizen­zen und Buch­ver­trä­gen aus über­dreh­ten Screw­­ball-Komö­­di­en abge­kup­fert. In sei­nen Remi­nis­zen­zen an den legen­dä­ren Ver­le­ger Hein­rich Maria Ledig-Rowohlt berich­te­te Fritz J. Rad­datz, wie das Rin­gen um die deut­schen Rech­te am doku­men­ta­ri­schen Bericht über die Ermor­dung John F. Ken­ne­dys des US-His­­to­ri­kers Wil­liam Man­ches­ter (der zu einem Best­sel­ler wer­den soll­te) zwi­schen den Ver­la­gen Rowohlt und Fischer wegen einer »Grip­pe« Ledig-Rowohlts (der ohn­mäch­tig unter dem Tele­fon in sei­nem Zim­mer im Grand­ho­tel »Hes­si­scher Hof« lag) zuguns­ten von Fischer aus­ging. »Auf der Mes­se«, resü­mier­te Rad­datz in sei­nen Erin­ne­run­gen, »haben immer alle die Grip­pe – das ist eine Krank­heit, die aus den Fol­gen von Auf­re­gung, zu viel Ziga­ret­ten, zu viel Reden, zu viel Alko­hol und zu wenig Schlaf besteht. Sie ist anste­ckend.«1 Der Buch­han­del in der Kri­se Mitt­ler­wei­le herrscht weit­aus weni­ger Auf­re­gung. Die Buch­han­dels­kri­se zeigt ihre Aus­wir­kun­gen: Nach­dem der Suhr­­kamp-Ver­­lag die tra­di­ti­ons­um­weh­te Unseld-Vil­­la in der Frank­fur­ter Klet­ten­berg­stra­ße ver­hö­ker­te, kön­nen es sich Kritiker*innen beim Sekt­emp­fang nicht mehr auf dem Sofa bequem machen, auf dem schon Samu­el Beckett saß. »Kaum Par­tys gro­ßer Ver­la­ge, die Büfetts dürf­tig«, nör­gel­te ein Kri­ti­ker, wäh­rend es doch – wie die Kurt-Wolff-Stif­­tung als Inter­es­sen­ver­tre­tung unab­hän­gi­ger deut­scher Ver­la­ge jedes Jahr unter­streicht – »um das Buch« gehen soll­te.2 Im Edi­to­ri­al des Kata­logs der Stif­tung wird die Bedeu­tung des gedruck­ten Buches in einem Zeit­al­ter der »elek­tri­schen Implo­si­on« und »tech­no­lo­gi­schen Aus­deh­nung« (wie es Mar­shall McLuhan in 1960er-Jah­­ren aus­drück­te3) noch ein­mal her­vor­ge­ho­ben:  »In einer Welt, in der die sozia­len Medi­en und das Inter­net zuneh­mend von Algo­rith­men und KI geprägt sind, laden Bücher ein zur dif­fe­ren­zier­ten und reflek­tier­ten Aus­ein­an­der­set­zung mit The­men und kon­tro­ver­sen Mei­nun­gen. Bücher ent­füh­ren in frem­de Wel­ten, ermög­li­chen das Begrei­fen unbe­kann­ter Sach­ver­hal­te, sor­gen für Unter­hal­tung und Span­nung. Immer wie­der über­rascht die Bücher­welt in ihrer uner­schöpf­li­chen Gen­­re-Viel­­falt – von Pro­sa über Essay, Lyrik, Kri­mi, Thea­ter­stück, Gra­phic Novel bis zu Sach- und Kin­der­buch – mit krea­ti­ven Ideen, Inhal­ten und For­ma­ten.«4 Auch wenn Kri­ti­ker mit Blick »auf all­ge­gen­wär­ti­ge Ess­stän­de, Tom­bo­las und Insta­­gram-tau­g­­li­che Foto­wän­de« die »Even­ti­sie­rung« der Buch­mes­se bemän­gel­ten5, erklär­te die uner­schüt­ter­li­che Mes­se­lei­tung im Rah­men ihres abschlie­ßen­den Hee­res­be­richts, dass es im Wes­ten außer Erfol­ge nichts Neu­es zu ver­mel­den gebe. Mit den Wor­ten des Buch­mes­sen­di­rek­tors Juer­gen Boos:  »Wir schau­en zurück auf fünf erfolg­rei­che und inten­si­ve Tage. Die Frank­fur­ter Buch­mes­se bleibt auf Wachs­tums­kurs. Wir haben erneut mehr Besu­che­rin­nen und mehr Aus­stel­ler als im Vor­jahr. Unse­re Stär­ke ist, dass in Frank­furt Buch­pro­fis und Lite­ra­tur­lieb­ha­ber aus aller Welt zusam­men­kom­men. Wir ver­ei­nen Markt­platz und Fes­ti­val der Lite­ra­tur.«6 KI als Bedro­hung und Uto­pie Auf dem Jahr­markt der Eitel­kei­ten und fort­schrei­ten­den »Kapi­ta­li­sie­rung des Geis­tes«7 (um einen Begriff Georg Lukács’ zu ver­wen­den) domi­nier­te das tech­no­lo­gi­sche The­ma der »Künst­li­chen Intel­li­genz« (KI), wobei das Spek­trum von Bedro­hung und Abwehr, Skep­sis und wohl­wol­len­der Neu­gier bis zu Eupho­rie und uto­pi­scher Schwär­me­rei reich­te.  In einem Vor­trag über die Ent­wick­lung der »künst­li­chen Intel­li­genz« im Publi­s­hing-Bereich lote­te Stef­fen Mei­er, Her­aus­ge­ber des Online-Por­­tals Digi­tal Publi­shing Report, Rea­li­tä­ten und Mög­lich­kei­ten des KI-Ein­­sa­t­­zes im Ver­lags­we­sen aus, wobei die Argu­men­ta­ti­on etwas an Hans Magnus Enzens­ber­gers Medi­en­theo­rie der 1970er-Jah­­re erin­ner­te: Statt im »Schwan­ken zwi­schen Angst und Ver­fal­len­heit« schließ­lich zu erstar­ren, soll­ten Beschäf­tig­te im Ver­lags­we­sen die neue »mobi­li­sie­ren­de Kraft« der KI für sich und ihre Arbeits- und Pro­zess­ge­stal­tung nut­zen.8 Wäh­rend Mei­er den KI-Sprach­­mo­­del­­len die Fähig­keit zu »ech­ter krea­ti­ver Intel­li­genz« abspricht, ist Nadim Sadek – Grün­der des Unter­neh­mens »Shimmr AI«, das auf auto­ma­ti­sier­te Wer­bung für Buch­ver­la­ge und Musik-Labels spe­zia­li­siert ist und KI-betrie­­be­­nes Mar­ke­ting für »ver­nach­läs­sig­te« Titel betreibt – weit­aus eupho­ri­scher über den KI-Ein­­satz im Publi­s­hing-Bereich. Die Grund­the­se sei­nes Buches Qui­ver, don’t Qua­ke ist, dass »künst­li­che Intel­li­genz« ein Instru­ment zur Eman­zi­pa­ti­on mensch­li­cher Krea­ti­vi­tät sei. Es gäbe acht Mil­li­ar­den Men­schen auf der Erde, und davon habe die Mehr­heit nie­mals die Mög­lich­keit gehabt, ihre Krea­ti­vi­tät aus­zu­drü­cken, obwohl jeder ein­zel­ne Mensch eine krea­ti­ve Vor­stel­lung, eine Erkennt­nis, einen Traum besit­ze. Zu die­sem schöp­fe­ri­schen Aus­druck befä­hi­ge sie die »künst­li­che Intel­li­genz« als »Part­ner« einer »kol­la­bo­ra­ti­ven Krea­ti­vi­tät«.9 Vie­les in die­ser eupho­ri­schen, wenn nicht hys­te­ri­schen Pro­pa­gan­da für die »künst­li­che Intel­li­genz« erin­nert an die Begeis­te­rung für die Indienst­nah­me der Tech­nik für eine schein­ba­re pro­gres­si­ve Fort­ent­wick­lung der Mensch­heit, etwa die glo­ba­le Elek­tri­fi­zie­rung oder die Besei­ti­gung der Käl­te. Die Uto­pie war bei­spiels­wei­se ein »Sibi­ri­en ohne Eis«10. Als »Kon­sum­psy­cho­lo­ge« erscheint Sadek wie ein kapi­ta­lis­ti­scher Wie­der­gän­ger Leo Trotz­kis, der 1923 über die »psy­chisch-phy­­si­­sche Selbst­er­zie­hung« des Men­schen »bis zur höchs­ten Leis­tungs­fä­hig­keit« schwa­dro­nier­te. Das Ziel war: »Der durch­schnitt­li­che Mensch wird sich bis zum Niveau eines Aris­to­te­les, Goe­the oder Marx erhe­ben.«11 Bezeich­nen­der­wei­se fokus­sier­te sich die Dis­kus­si­on über die »künst­li­che Intel­li­genz« auf die Aus­wir­kun­gen in der Pro­duk­ti­on und Pro­zess­ge­stal­tung im Publi­s­hing-Bereich oder auf die Fra­ge, in wel­chem Maße KI-pro­­du­­zier­­te Tex­te die »Buch­han­dels­welt« ver­än­dern oder wor­in die Ver­än­de­rung der Pro­fi­tra­te besteht. Kaum ein Blick wur­de auf die »Para­do­xien des Fort­schritts«, die öko­lo­gi­schen, ethi­schen und mora­li­schen Kos­ten der »Tech­no­lo­gi­sie­rung des Geis­tes« ver­wen­det.12 Die »schö­ne, neue Welt« der KI – als Modell eines digi­ta­len Post-For­­dis­­mus – rekur­riert auf die »uni­ver­sa­le Welt­ener­gie«, die Andrej Pla­to­nov in 1920er-Jah­­ren beschwo­ren hat­te: »Die Elek­tri­fi­zie­rung ist der Anfang der mensch­li­chen Befrei­ung vom Joch der Mate­rie, vom Kampf gegen die Natur um die Ver­än­de­run­gen ihrer For­men: von den schäd­li­chen und unbrauch­ba­ren zu den nütz­li­chen und schö­nen.«13 Die Kos­ten der Elek­tri­fi­zie­rung, die Pla­to­nov in den 1920er-Jah­­ren für die jun­ge Sowjet­uni­on vor­schweb­ten, sind – selbst in den Fan­ta­sien für die Abschaf­fung der Käl­te in Sibi­ri­en – »Pea­nuts« im Ver­gleich zu den Sum­men, wel­che Hi-Tech-Fir­­men wie Nvi­dia, Ope­nAI, Micro­soft, Goog­le und ande­re für die Ent­wick­lung und den Betrieb von hoch­leis­tungs­fä­hi­gen Daten­zen­tren auf­wen­den. Ein ein­zel­nes Daten­zen­trum ver­wen­det so viel Strom wie eine US-ame­ri­­ka­­ni­­sche Groß­stadt wie Phil­adel­phia, und der Ver­brauch wird stei­gen, je mehr die alte Gene­ra­ti­on der Inter­­net-Wer­k­­zeu­­ge wie Goog­le und Bing ihre jün­ge­re Kund­schaft an die KI-Bro­w­­ser wie ChatGPT oder Per­ple­xi­ty/Comet ver­lie­ren wird.14 Wie bereits Mur­ray Book­chin in den 1960er-Jah­­ren unter­strich, muss in der Ver­wen­dung neu­er Tech­no­lo­gien – sol­len sie zur Eman­zi­pa­ti­on von stumpf­sin­ni­gen Pro­zes­sen in der Lebens- und Arbeits­ge­stal­tung ein­ge­setzt wer­den (die sowohl Stef­fen Mei­er als auch Nadim Sedeck pro­pa­gie­ren) – die­ser Ein­satz in einem »syn­the­ti­schen Envi­ron­ment« öko­lo­gisch aus­ba­lan­ciert sein: Allein die »Mach­bar­keit« der Pra­xis »künst­li­cher Intel­li­genz« recht­fer­tigt kei­ne »tech­no­lo­gi­sche Ratio­na­li­tät« ver­selbst­stän­dig­ter Appa­ra­te in Sys­te­men der Herr­schaft, Anpas­sung und Will­fäh­rig­keit, wie sie Her­bert Mar­cu­se zu Beginn der 1940er-Jah­­re beschrieb.15 Der biblio­phi­le Hei­li­gen­schein Sympto­ma­tisch ist die Abwe­sen­heit von Medi­en- und Tech­no­lo­gie­kom­pe­tenz vor allem in der 50+-Generation (wie noch ein­mal die »Ham­bur­ger Woche der Pres­se­frei­heit 2025« unter­strich16) prä­sent. Gegen die Her­aus­for­de­run­gen der »künst­li­chen Intel­li­genz« wer­den alte Vor­ur­tei­le gegen die Gefah­ren neu­er Ent­wick­lun­gen mobi­li­siert, die der Sozio­lo­ge Oli­ver Nachtwey vor Jah­ren unter dem Begriff »melan­cho­li­sche Retro­nor­ma­ti­vi­tät« rubri­zier­te.17 Ana­log dazu ist die Sen­ti­men­ta­li­tät über das gedruck­te Buch auf der Buch­mes­se in Form von Mer­chan­di­sing oder Ver­an­stal­tun­gen per­ma­nent prä­sent. Ähn­lich wie beim Hype um den »tech­no­lo­gi­schen Impe­ria­lis­mus« der E‑Books vor Jah­ren auf Ver­an­stal­tun­gen und Prä­sen­ta­tio­nen der Frank­fur­ter Buch­mes­se ani­miert die Omni­prä­senz der KI-Tech­­no­­lo­­gie Veranstalter*innen, Verleger*innen und Buchhändler*innen zu sakra­len Mes­sen zum »Blei­be­recht der Bücher«18 (über das Jurek Becker in einer sei­ner Frank­fur­ter Vor­le­sun­gen aus dem Jah­re 1989 mit fei­ner Iro­nie doziert hat­te). In sei­nem Vor­trag erzähl­te Becker von einem Freund, der sei­ne »Biblio­thek« in Kar­tons ver­staut und in den Kel­ler gebracht hät­te. Wäh­rend Becker sich über »die ver­schwun­de­ne Bücher­pracht« ent­täuscht zeig­te, insis­tier­te der Freund, dass es Zeit sei, »Bücher von dem Hei­li­gen­schein zu befrei­en, den sie in den Augen man­cher Leu­te hät­ten«. Der »Idio­ti­sie­rungs­pro­zess« (Lukács bezeich­ne­te es als »Zur-Ware-Wer­­den der Lite­ra­tur«19 im Zeit­al­ter von Bal­zac) habe die Lite­ra­tur und ihr Medi­um – das Buch – ent­zau­bert. »Eine zuneh­mend debi­li­sier­te Gesell­schaft erzwin­ge eine zuneh­mend debi­li­sier­te Lite­ra­tur, nicht umge­kehrt«, lau­tet das Resü­mee des Freun­des.20 Wäh­rend die Buch­mes­se weni­ger der Erkun­dungs­ort für »Lite­ra­tur­lieb­ha­ber« denn für »Buch­pro­fis« ist und zuvör­derst sich über Berei­che wie »New Adult«, Comics, Audio­books und Event-Kul­­tur mit Pro­­mi­­nen­­ten-Zir­­kus auf blau­en und roten Sofas defi­niert, bleibt für den wider­stän­di­gen Besu­cher nur das Resis­­tance-Pro­­gramm, das László Kraszn­ahor­kai (mit der Unter­stüt­zung von Her­man Mel­ville und Mal­colm Lowry) vor dem »Ein­tritt in den Wahn der ande­ren« for­mu­lier­te, u. a. »Resist wha­te­ver seems ine­vi­ta­ble«.21 Die Buch­mes­se ist ein Spek­ta­kel, das die Ware »Buch«, »auch wenn die Ein­bän­de vor Häß­lich­keit schrill­ten«22 (wie es bei Becker heißt), unter gro­ßem Brim­bo­ri­um aus­stellt, wäh­rend die meis­ten Exem­pla­re bereits weni­ge Wochen spä­ter als Remit­ten­den enden. Letzt­lich ist das Buch weni­ger – wie von Apologet*innen der Buch­in­dus­trie behaup­tet – ein »Kul­tur­gut«, son­dern vor allem ein »Spe­ku­la­ti­ons­ob­jekt des Lite­ra­tur-Kapi­ta­lis­mus«23, wie Lukács unter­strich. Das Lei­den am Buch I n sei­nen Glos­sen »Biblio­gra­phi­sche Gril­len« kon­sta­tier­te Theo­dor W. Ador­no: »Ohne die schwer­mü­ti­ge Erfah­rung der Bücher von außen wäre kei­ne Bezie­hung zu ihnen, kein Sam­meln, schon gar nicht die Anla­ge einer Biblio­thek mög­lich.«24 Die Erfah­rung, die Bücher ver­mit­teln, nivel­liert die Buch­mes­se in ihrer Zur­schau­stel­lung der Bücher, wie sie ekla­tant in der Show »Stif­tung Buch­kunst« zum Aus­druck kommt (die auch als »Her­bert­stra­ße des Buch­kunst­hand­wer­kes« in Minia­tur­form ver­kauft wer­den könn­te). Bei Kraszn­ahor­kai heißt es: »Die Rea­li­tät ist kein Hin­der­nis.«25 Das Direk­to­ri­um kennt nur die Gegen­wart des Pro­fits, muss aber einen abge­schot­te­ten Bereich bie­ten, in dem die Erin­ne­rung an bes­se­re Zei­ten auf­recht­erhal­ten wird. Dar­in soll das Unbe­schä­dig­te der Biblio­phi­len kon­ser­viert wer­den. Für Boos & Com­pa­ny ist alles nur Ver­kauf; das Wesen des Buches haben sie jedoch nie begrif­fen. »Leid ist ist die wah­re Schön­heit an den Büchern; ohne es wird sie zur blo­ßen Ver­an­stal­tung kor­rum­piert.«26 In der »ande­ren« Geschich­te des Bör­sen­ver­eins sucht man aller­dings eine kri­ti­sche Geschichts­auf­ar­bei­tung ver­ge­bens. Die Fusio­nie­rung von Lite­ra­tur­kri­tik und Mar­ke­ting wird eben­so beju­belt wie die Toli­­no-Alli­anz gegen die Ama­­zon-Kin­d­­le-Über­­­macht (wäh­rend unab­hän­gi­ge Lösun­gen wie die E‑Book-Rea­­der von InkPad und ande­ren Her­stel­lern kei­ne Erwäh­nung fin­den). Selbst eine kri­ti­sche Auf­ar­bei­tung der Öff­nung der Frank­fur­ter Buch­mes­se für rechts­extre­me Ver­la­ge im Jah­re 2017 fin­det in die­ser »ande­ren Geschich­te« nicht statt: Lin­ke und Rech­te sind in die­ser His­to­rio­gra­fie Pole des glei­chen bös­ar­ti­gen Extre­mis­mus. »Am Ende kann man sagen, dass alle gemein­sam auf Kos­ten der Mes­se ihre Publi­ci­ty bekom­men haben.«27 Unter­schla­gen wird bei die­sem »Bericht«, dass Achim Berg­mann (1943–2018), der damals 74-jäh­ri­­ge Ver­le­ger des lin­ken Tri­­kont-Ver­­lags, von einem neo­fa­schis­ti­schen Schlä­ger ver­prü­gelt wur­de, ohne dass die Mes­se­lei­tung oder die Pha­lanx patrouil­lie­ren­der Secu­ri­­ty-Kräf­­te ein­schritt.28 Das Ster­ben der Buch­händ­ler Anläss­lich des hun­dert­jäh­ri­gen Bestehens des »Bör­sen­ver­eins der Deut­schen Buch­händ­ler« hielt Tho­mas Mann am 8. Novem­ber 1925 eine Anspra­che zur Eröff­nung der Mün­che­ner Buch­wo­che, in der er sich gegen die Idee des Füh­rer­tums und für eine Euro­päi­sie­rung des »Buch­we­sens« posi­tio­nier­te. »Das Leben als Geist, als Wort und Gebil­de muß dem mate­ri­el­len, dem soge­nann­ten ›wirk­li­chen‹ Leben vor­an­ge­hen, damit es sich zum Bes­se­ren und Guten gestal­te«, insis­tier­te Mann. »Wie soll­te aus sol­cher Ein­sicht der Mitt­ler des Geis­tes, der Buch­händ­ler, nicht jenes beruf­li­che Pathos zie­hen, von dem ich sprach, und jenen Glau­ben, der sei­nen Buch­fes­ten, die­sen sei­nen wer­ben­den Ver­an­stal­tun­gen zugrun­de liegt!«29 In der Herr­schafts­zeit des Nazis­mus erwies sich der Bör­sen­ver­ein – mit einem Wort Her­mann Kurz­kes – als »hit­ler­gläu­big«, danach als »pro­fit­hö­rig«. Nahe­zu unkri­tisch fei­ert die »ande­re Geschich­te des Bör­sen­ver­eins« Groß­flä­chen­buch­hand­lun­gen wie die 1979 in Mün­chen eröff­ne­te Buch­hand­lung Hugen­du­bel mit »groß­zü­gig bemes­se­nen Prä­sen­ta­ti­ons­flä­chen« sowie »Sitz­ecken oder Lese­inseln« als »Buch­tem­pel«. Von Buchhändler*innen als »Mitt­ler des Geis­tes«, vom »beruf­li­chen Pathos« blieb in die­ser mons­trö­sen Archi­tek­tur der Zur­schau­stel­lung der Ware wenig übrig. Die Unter­neh­men waren nicht – trotz übli­cher Mar­ke­­ting-Losun­­gen – an Lese­rin­nen, son­dern an Konsument*innen und Käufer*innen inter­es­siert. »Die Kun­den soll­ten ent­spannt ver­wei­len kön­nen, sie soll­ten natür­lich aber auch kau­fen«, heißt in der »ande­ren Geschich­te des Bör­sen­ver­eins«. Schließ­lich muss­ten »die mit die­sen gro­ßen Ein­zel­han­dels­flä­chen ver­bun­de­nen hohen Kos­ten« durch »ent­spre­chend hohe Umsät­ze wie­der ein­ge­spielt wer­den«.30 Auf die­sem Bücher­um­schlags­platz sind Buchhändler*innen rea­li­ter auf den Ange­stell­ten­mo­dus ohne jeg­li­ches »beruf­li­ches Pathos« her­un­ter­ge­bro­chen, die – wie Sieg­fried Kra­cau­er bereits über die Ange­stell­ten­kul­tur der Wei­ma­rer Repu­blik schrieb – »unun­ter­bro­chen bana­le Funk­tio­nen« aus­üben und in eine »Aura des Grau­ens« gehüllt sind: »Sie strömt von den ver­wes­ten Kräf­ten aus, die inner­halb der bestehen­den Ord­nung kei­nen Aus­weg gefun­den haben.«31 Die Erin­ne­run­gen Geor­ge Orwells an sei­ne Zeit als Ange­stell­ter in einer Buch­hand­lung sind eher ernüch­ternd. Mas­sen von fünf- bis zehn­tau­send Büchern stie­ßen ihn eher ab. »Der süße Geruch von ver­rot­ten­dem Papier spricht mich nicht mehr an«, lau­te­te sein Resü­mee. »Er ist in mei­nem Geist zu eng mit para­no­iden Kun­den und toten Schmeiß­flie­gen ver­bun­den.«32 Archi­ve des Wider­spruchs Um die­se Mis­zel­len nicht dem alten Wer­­ner-Enke-Spruch »Das wird böse enden«33 zu beschlie­ßen, sei noch auf eine der weni­gen ver­blie­be­nen lin­ken Buch­hand­lun­gen in der Bun­des­re­pu­blik ver­wie­sen: Im letz­ten Jahr leg­te die Buch­hand­lung »Bücher­kis­te« in Sie­gen eine Doku­men­ta­ti­on ihrer fünf­zig­jäh­ri­gen Pra­xis in Form einer »poli­­tisch-lite­ra­ri­­schen Inven­tur« vor, wobei sie sich nicht allein auf nost­al­gi­sche Rück­bli­cke ihrer Mitarbeiter*innen beschränk­te, son­dern in der Tra­di­ti­on der längst ver­bli­che­nen Zeit­schrift Frei­beu­ter auch den »Blick zurück nach vorn« wag­te. Die Doku­men­ta­ti­on ent­hält auch einen Text zur Zukunft der »Bücher­kis­te«, der von dem KI-Tool ChatGPT erstellt wur­de. Ich habe den Anfra­ge­text vari­iert und an das KI-Tool Per­ple­xi­ty wei­ter­ge­lei­tet. Grund­la­ge war fol­gen­den­der Prompt: »Schrei­be bit­te einen län­ge­ren Blog-Text über die ›Bücher­kis­te‹ als eine Oase der lin­ken Dis­kus­si­on in einer mög­li­chen Zukunft in einem poli­tisch auf­ge­la­de­nen Deutsch­land im jour­na­lis­ti­schen Stil von Geor­ge Orwell.«34 Das Ergeb­nis war die­ser Text: Die Bücher­kis­te – Archiv des Wider­spruchs Das Land nennt sich sta­bil, modern, digi­tal fort­schritt­lich. Die Regie­rung spricht von Ein­heit, Sicher­heit, Effi­zi­enz. Doch die poli­ti­sche Ruhe, die dar­aus ent­steht, ist trü­ge­risch. Medi­en und Insti­tu­tio­nen wie­der­ho­len ihre Bot­schaf­ten in end­lo­sen Vari­an­ten, bis Wider­spruch nur noch als Lärm wahr­ge­nom­men wird. Kri­tik exis­tiert, aber sie zir­ku­liert fol­gen­los. Die Gesell­schaft ist nicht ein­ge­schüch­tert, son­dern erschöpft – und Erschöp­fung ist der ver­läss­lichs­te Garant für Kon­for­mi­tät. In die­sem Kli­ma ist die Bücher­kis­te kei­ne Bewe­gung, son­dern eine Reak­ti­on. Ihre Besu­cher – Leh­rer, Ärz­tin­nen, Lager­ar­bei­ter, pen­sio­nier­te Jour­na­lis­ten – fin­den sich hier ein, weil sie nir­gend­wo sonst mehr ernst­haft dis­ku­tie­ren kön­nen. Sie kom­men ohne Paro­len, ohne Fah­nen, ohne Erwar­tung. Sie lesen, ver­glei­chen, for­mu­lie­ren. Sie suchen nach begründ­ba­ren Wahr­hei­ten in einer Umwelt, die nur noch Nar­ra­ti­ve pro­du­ziert. Was hier ent­steht, hat etwas von unter­ir­di­scher Prä­zi­si­on. Die Gesprä­che ver­lau­fen dis­zi­pli­niert, bei­na­he kühl. The­men wie Woh­nungs­not, Arbeits­recht, Mili­ta­ri­sie­rung wer­den sach­lich seziert, als müs­se man ein beschä­dig­tes Organ dia­gnos­ti­zie­ren. Nie­mand erhebt die Stim­me. Die Selbst­be­herr­schung ist Teil des Über­le­bens. Denn die Gren­ze zwi­schen frei­em Den­ken und regis­trier­tem Ver­dacht ist dünn gewor­den. Die Bücher­kis­te ist kein kon­spi­ra­ti­ver Ort, aber sie ist auch kein lega­lis­ti­scher. Sie bewegt sich in dem schma­len Raum, der bleibt, wenn eine Demo­kra­tie ihren inne­ren Wider­spruch nicht mehr aus­hält. Die Behör­den wis­sen, dass sie exis­tiert, und dul­den sie – vor­läu­fig. Die Tole­ranz ist stra­te­gisch: Solan­ge der Wider­spruch klein bleibt, bestä­tigt er nur das Sys­tem. Doch gera­de in die­ser Beschrän­kung liegt ihre Bedeu­tung. Die Bücher­kis­te erin­nert dar­an, dass poli­ti­sche Frei­heit nicht im Hero­is­mus, son­dern im Behar­ren beginnt – im Fort­füh­ren des Gesprächs, auch wenn nie­mand zuhört. Ihre Stär­ke liegt nicht in der Wir­kung, son­dern in der Exis­tenz. Solan­ge Men­schen sich tref­fen, um über Wahr­heit nach­zu­den­ken, ist das Ende der Öffent­lich­keit noch nicht voll­stän­dig. Viel­leicht führt kein direk­ter Weg von hier zur Ver­än­de­rung. Aber ohne Orte wie die­sen bleibt nur Stil­le – und Stil­le ist der Vor­raum der Zustim­mung. Der Begriff »Archiv des Wider­spruchs« hät­te mög­li­cher­wei­se dem Buch­la­­den-Ver­­äch­­ter Geor­ge Orwell gefal­len. © Jörg Auberg ( 10. Novem­ber 2025 ) Biblio­gra­phi­sche Anga­ben: Chris­ti­ne Haug und Ste­pha­nie Jacobs (Hgg.).Zwi­schen Zei­len und Zei­ten: Buch­han­del und Ver­la­ge 1825–2025.Eine ande­re Geschich­te des Bör­sen­ver­eins.Göt­tin­gen: Wall­stein, ²2025.568 Sei­ten, 36 Euro.ISBN: 978–3‑8353–5847‑8. Ben­ja­min Bäu­mer et al.Bücher­kis­te: Eine poli­­tisch-lite­ra­ri­­sche Inven­tur, 1974–2024.Sie­gen: o. V., 2024.224 Sei­ten, 25 Euro.ISBN: 978–3‑00–079906‑8. Nadim Sedek.Qui­ver, don’t Qua­ke: How Crea­ti­vi­ty Can Embrace AI.Lon­don: Mensch Publi­shing, 2025.197 Sei­ten, 20 £.ISBN: 978–1‑912914–89‑0. Bil­der-Copy­rights © Die Bild­rech­te lie­gen bei: Kurt-Wolff-Stif­­tung (Leip­zig), S. Fischer (Frankfurt/Main), Wall­stein (Göt­tin­gen), Mensch Publi­shing (Lon­don), Bücher­kis­te (Sie­gen) sowie Jörg Auberg. Nach­wei­se­Fritz J. Rad­datz, Jah­re mit Ledig: Eine Erin­ne­rung (Rein­bek: Rowohlt, 2015), ePub-Ver­­­si­on, S. 30 ↩Dirk Knipp­hals, »Suhr­­kamp-Emp­­fang auf der Buch­mes­se: Das Unglück zurück­schla­gen«, taz, 19.10.2025, https://taz.de/Suhrkamp-Empfang-auf-der-Buchmesse/!6120181/ ↩Mar­shall McLuhan, Under­stan­ding Media: The Exten­si­ons of Man (Ber­ke­ley: Gink­go Press, 2013), ePub-Ver­­­si­on, S. 8 ↩Kurt-Wolff-Stif­­tung, Edi­to­ri­al zu: Es geht um das Buch: Kata­log der unab­hän­gi­gen Ver­la­ge 2025/26 (Leip­zig: o. V., 2025), ohne Pagi­nie­rung ↩»Zwi­schen Jahr­markt und Bücher­schau: Die Frank­fur­ter Buch­mes­se 2025«, SWR, 19.10.2025, https://www.swr.de/kultur/literatur/frankfurter-buchmesse-2025-kein-groesseres-messe-podium-ohne-ki-debatte-100.html ↩Pres­se­mit­tei­lung der FBM, 19.10.2025, »Frank­fur­ter Buch­mes­se wächst – und ver­bin­det die Welt der Lite­ra­tur«, https://www.buchmesse.de/presse/pressemitteilungen/2025–10–19-frankfurter-buchmesse-waechst-und-verbindet-die-welt-der ↩Georg Lukács, Der his­to­ri­sche Roman (Neu­wied: Luch­ter­hand, 1965), S. 474 ↩Cf. Hans Magnus Enzens­ber­ger, Pala­ver: Poli­ti­sche Über­le­gun­gen (1967–1973) (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1974), S. 92 ↩Nadim Sadek, Qui­ver, don’t Qua­ke: How Crea­ti­vi­ty Can Embrace AI (Lon­don: Mensch Publi­shing, 2025), S. vii, 210 ↩Andrej Pla­to­nov, Frü­he Schrif­ten zur Pro­le­ta­ri­sie­rung 1919–1927, hg. Kon­stan­tin Kamin­ski und Roman Wid­der, übers. Maria Rajer (Wien: Turia + Kant, 2019), S. 176 ↩Leo Trotz­ki, »Lite­ra­tur und Revo­lu­ti­on«, in: Trotz­ki, Denk­zet­tel: Poli­ti­sche Erfah­run­gen im Zeit­al­ter der per­ma­nen­ten Revo­lu­ti­on, hg. Iss­ac Deut­scher et al., übers. Har­ry Maòr (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1981), S. 372–373 ↩Cf. Mur­ray Book­chin, The Phi­lo­so­phy of Social Eco­lo­gy: Essays on Dialec­tal Natu­ra­lism (Chi­co, CA: AK Press, 2022), S. 69; und Isa­bel Far­go Cole, Das Zen­on­zän: Para­do­xien des Fort­schritts (Ham­burg: Edi­ti­on Nau­ti­lus, 2025), S. 141–159 ↩Andrej Pla­to­nov, Dshan oder Die ers­te sozia­lis­ti­sche Tra­gö­die, hg. und übers. Micha­el Leetz (Ber­lin: Quin­tus, 2019), S. 174; Pla­to­nov, Frü­he Schrif­ten zur Pro­le­ta­ri­sie­rung 1919–1927, S. 138) ↩Ste­phen Witt, »Insi­de the Data Cen­ters That Train A.I. and Drain the Elec­tri­cal Grid«, New Yor­ker, 27. Okto­ber 2025, https://www.newyorker.com/magazine/2025/11/03/inside-the-data-centers-that-train-ai-and-drain-the-electrical-grid ↩Mur­ray Book­chin (als »Lewis Her­ber«), Our Syn­the­tic Envi­ron­ment (1962; rpt. East­ford, CT: Mar­ti­no Fine Books, 2018); Book­chin, »Towards a Libera­to­ry Tech­no­lo­gy« (1965), in: Book­chin, Post-Scar­ci­­ty Anar­chism (Oak­land, CA: AK Press, 2004), S. 63–64; Her­bert Mar­cu­se, »Eini­ge gesell­schaft­li­chen Fol­gen moder­ner Tech­no­lo­gie« (1941), in: Mar­cu­se, Schrif­ten, Bd. 3 (Sprin­ge: zu Klam­pen, 2004), S. 290–293 ↩https://www.ndr.de/hamburger-woche-der-pressefreiheit-gemeinsam-gegen-gezielte-desinformation,pressefreiheit-206.html ↩Oli­ver Nachtwey, Die Abstiegs­ge­sell­schaft: Über das Auf­be­geh­ren in der regres­si­ven Moder­ne (Ber­lin: Suhr­kamp, 2016), S. 17 ↩Jurek Becker, Ende des Grö­ßen­wahns (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1996), S. 85–107 ↩Lukács, Der his­to­ri­sche Roman, S. 474 ↩Becker, Ende des Grö­ßen­wahns, S. 100 ↩László Kraszn­ahor­kai, Im Wahn der Ande­ren, übers. Hei­ke Flem­ming (Frankfurt/Main: Fischer, ²2025), S. 139 ↩Becker, Ende des Grö­ßen­wahns, S. 87 ↩Lukács, Der his­to­ri­sche Roman, S. 474 ↩Theo­dor W. Ador­no, Noten zur Lite­ra­tur, hg. Rolf Tie­de­mann (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1981), S. 355 ↩Kraszn­ahor­kai, Im Wahn der Ande­ren, S. 53 ↩Ador­no, Noten zur Lite­ra­tur, S. 356 ↩Mat­thi­as Ulmer, »Kra­wal­le auf der Mes­se«, in: Zwi­schen Zei­len und Zei­ten: Buch­han­del und Ver­la­ge 1825–2025: Eine ande­re Geschich­te des Bör­sen­ver­eins, hg. Chris­ti­ne Haug und Ste­pha­nie Jacobs (Göt­tin­gen: Wall­stein, ²2025), S. 523 ↩Cf. https://moleskinblues.net/2017/10/23/frankfurter-buchmesse-2017/ ↩Tho­mas Mann, »Das deut­sche Buch«, in: Mann, Essays II: 1914–1926, hg. Her­mann Kurz­ke, GFKA, Bd. 15.1 (Frankfurt/Main: Fischer, 2002), S. 1051; und Kom­men­tar, GFKA, Bd. 15.2, S. 733; sie­he auch Cor­ne­li­us Poll­mer, »Toter Mann über Bord«, in: Zwi­schen Zei­len und Zei­ten, S. 219–220 ↩Ernst-Peter Bie­sal­ski, »Der Buch­tem­pel«, in: Zwi­schen Zei­len und Zei­ten, S. 450–451 ↩Sieg­fried Kra­cau­er, Die Ange­stell­ten (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1971), S. 68 ↩Geor­ge Orwell, Essays (Lon­don: Pen­gu­in, 1994), S. 29 ↩Der deut­sche Film, Bd. 7, 1960–1969, hg. Rai­ner Rother et al. (Ber­lin: Hat­je Cantz Ver­lag, 2024), S. 68 ↩Kon­stan­tin Aal, »Die ›Bücher­kis­te‹ Oase des lin­ken Dis­kur­ses im poli­tisch auf­ge­la­de­nen Deutsch­land von 2073«, in: Bücher­kis­te: Eine poli­­tisch-lite­ra­ri­­sche Inven­tur, 1974–2024, hg. Ben­ja­min Bäu­mer et al. (Sie­gen: o. V., 2024), S. 210 ↩ […]
  • Das Elend der FernsehkritikDas Elend der Fern­seh­kri­tik1. Sep­tem­ber 2025Das Elend der Fern­seh­kri­tik Über das Stamp­fen der Fern­seh­ma­schi­ne von Jörg Auberg In einem pro­gram­ma­ti­schen Arti­kel über die destruk­­tiv-vam­pi­ri­­schen Mög­lich­kei­ten des Fern­se­hens aus dem Jah­re 1970 kon­sta­tier­ten die Film­kri­ti­ke­rin­nen Frie­da Gra­fe und Enno Pata­l­as: »Wir haben bekannt­lich das bes­te Fern­se­hen der Welt – und des­halb auch das schlech­tes­te Kino.«1 Ziel der Kri­tik war ein öffen­t­­lich-rech­t­­li­ches Fern­se­hen, das sich sei­ne Exis­tenz mit dem »Raub­bau am Kino« erkauf­te, um ein attrak­ti­ves Pro­gramm Tag um Tag zu gestal­ten, wäh­rend das Kino zuneh­mend in einer »Vam­pir-Öko­­­no­­mie« öko­no­misch und geis­tig aus­ge­zehrt wur­de.2 Das vam­pi­ris­ti­sche Medi­um  Begeg­nun­gen mit dem Inten­dan­ten: Max Schreck in F. W. Murnaus Nos­fe­ra­tu »Das Fern­se­hen beu­tet blind­lings aus, was das Kino, Thea­ter, Poli­tik und ande­re Medi­en her­vor­brin­gen«, dozier­ten Gra­fe & Pata­l­as. »Was Fern­se­hen sein könn­te? Die­ser Fra­ge ver­sagt sich nie­mand mehr als das Fern­se­hen. Selbst unpro­duk­tiv, bemäch­tigt es sich der Film­ge­schich­te nur, um sie zu ver­wer­ten und zu ver­wurs­ten.« In Para­phra­se der Dia­lek­tik der Auf­klä­rung hät­ten Gra­fe & Pata­l­as auch schrei­ben kön­nen: »Ewig stampft die Fern­seh­ma­schi­ne«3. Den Pro­gramm­ma­che­rin­nen attes­tier­ten sie nur ein gering ent­wi­ckel­tes Bewusst­sein des Medi­ums jen­seits sei­nes vam­pi­ris­ti­schen und destruk­ti­ven Cha­rak­ters, der sich in der Immer­gleich­heit der Wie­der­ho­lun­gen und im Blick in den »Rück­spie­gel« (rear-view mir­ro­rism) der Medi­en­ge­schich­te (wie Mar­shall McLuhan die­ses rück­wärts­ge­wand­te Ver­hal­ten nann­te4) erschöpf­te. In einer frü­hen Stu­die des kom­mer­zi­el­len US-Fern­­se­hens aus dem Jah­re 1953 kam Theo­dor W. Ador­no zu dem Schluss, dass Fern­se­hen sein Ver­spre­chen oder sei­ne Uto­pie auf­grund der bestehen­den öko­no­mi­schen Macht­ver­hält­nis­se bis­lang nicht rea­li­sie­ren konn­te. »Was aus dem Fern­se­hen wer­den mag, läßt sich nicht pro­phe­zei­en«, kon­sta­tier­te er; »was es heu­te ist, hängt nicht an der Erfin­dung, nicht ein­mal an den beson­de­ren For­men ihrer kom­mer­zi­el­len Ver­wer­tung son­dern am Gan­zen, in wel­ches das Mira­kel ein­ge­spannt ist.«5 In den spä­ten 1960er und den 1970er-Jah­­ren über­nah­men die öffen­t­­lich-rech­t­­li­chen Fern­seh­an­stal­ten auch die Funk­ti­on von Film­pro­duk­ti­ons­un­ter­neh­men, wel­che die sie­chen­de bun­des­re­pu­bli­ka­ni­sche Film­wirt­schaft auf die Rol­le des Bitt­stel­lers in den büro­kra­ti­schen Appa­ra­ten redu­zier­ten. Ziel war es, wie Tors­ten Musi­al in sei­ner Geschich­te der WDR-Fern­­seh­­spiel­a­b­­tei­­lung die­ser Jah­re (unter Beru­fung auf den WDR-Medi­en­un­­ter­­neh­­mer Gün­ter Rohr­bach) schreibt, den deut­schen »Fern­seh­film von sei­ner muf­fi­gen Pro­vin­zia­li­tät« zu befrei­en und eine »Fil­mi­sie­rung des Fern­seh­spiels« zu betrei­ben, wobei sich der Appa­rat die krea­ti­ven Pro­duk­tiv­kräf­te von ambi­tio­nier­ten, auf­stre­ben­den Film­ta­len­ten wie Rai­ner Wer­ner Fass­bin­der, Edgar Reitz, Rudolf Thome, Klaus Lem­ke, Hans W. Gei­ßen­dör­fer oder Wim Wen­ders zunut­ze mach­te.6 »Die spä­ten 1960er und die 1970er Jah­re waren eine Blü­te­zeit des bun­des­deut­schen Fern­seh­spiels«7, lau­tet die Arbeits­prä­mis­se des Ban­des Die Fern­seh­spiel­re­dak­ti­on des WDR 1965–1979: Ein­sich­ten in die Wirk­lich­keit, der die Geschich­te der WDR-Fern­­seh­­spiel­­pro­­duk­­ti­on jener Jah­re vor allem aus Unter­neh­mer­sicht wie Rohr­bach oder Peter Mär­the­s­hei­mer auf­be­rei­tet, die mit ihrer »jour­na­lis­ti­schen« oder »all­tags­rea­lis­ti­schen« Ori­en­tie­rung die TV-Pro­­duk­­ti­on in eine gesell­schaft­lich aner­kann­te Strö­mung drück­ten, ohne gro­ße Expe­ri­men­te in poli­ti­scher wie tech­ni­scher Hin­sicht zu ermög­li­chen. Dar­in drück­te sich – mit Orson Wel­les gespro­chen – die »Spar­sam­keit des Fern­se­hens« aus, das »Feind der klas­si­schen fil­mi­schen Wer­te« war, »nicht aber des Films sel­ber«.8 Obgleich beim WDR vor­geb­lich ein »gro­ßes Inter­es­se an den jun­gen Regis­seu­ren wegen deren neu­er Sicht auf das Fil­me­ma­chen, wegen der gemein­sa­men Ori­en­tie­rung an der Nou­vel­le Vague« herrsch­te, fan­den for­ma­le Expe­ri­men­te nicht statt. Bei­spie­le für den inno­va­ti­ven Film-Essay in der (selbst-) kri­ti­schen Form (wie ihn Jean-Luc Godard in den spä­ten 1960er und in den 1970er-Jah­­ren ent­wi­ckelt hat­te) fand in der Bun­des­re­pu­blik eher im (inter­na­tio­nal aus­ge­rich­te­ten) Kon­kur­renz­for­mat Das klei­ne Fern­seh­spiel des ZDF statt, wo Godards Weg­ge­fähr­te Jean-Pierre Gorin in sei­nem Film Rou­ti­ne Plea­su­res (1986) die Film­kri­tik Man­ny Farb­ers mit der Welt US-ame­ri­­ka­­ni­­scher Model­l­ei­­sen­­bahn-Ama­­teu­­re ver­knüpf­te.9 Die »Legen­di­sie­rung« der Fern­seh­ar­bei­ter Eine der prä­gen­den Figu­ren des bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Fern­seh­spiels war Wolf­gang Men­ge, der nach dem Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges zunächst als Jour­na­list für die neu­en Medi­en­kon­zer­ne Sprin­ger und Gru­ner & Jahr arbei­te­te, ehe er in den Bereich der Film- und Fern­seh­ar­beit wech­sel­te. In sei­ner Men­­ge-Bio­­­gra­­fie Wer war WM? (die ein Auf­guss der »Medi­en­bio­gra­phie« Men­ges aus der For­schungs­kon­fe­renz »Der Tele­vi­sio­när: Wolf­gang Men­ges trans­me­dia­les Werk« aus dem Jahr 2016 dar­stellt10 prä­sen­tiert sich der Autor Gun­dolf S. Frey­er­muth – ein Gon­­zo-Vete­ran des Zei­t­­geist-Jour­na­­lis­­mus der 1980er-Jah­­re – als inni­ger Freund sei­nes Bio­­­gra­­fen-Sub­­­jekts, der über die Tech­nik­be­geis­te­rung sei­nes Freun­des Men­ge von Auto­mo­bi­len (Fiat Bal­il­la und MG TD Mid­get über Jagu­ar bis zur Audi-Limou­­si­­ne) bis zu Schreib­au­to­ma­ten von der Kugel­­kopf-Schrei­b­­ma­­schi­­ne oder zu frü­hen Com­pu­tern wie DOS-Win­­dows oder Mac­in­tosh sich aus­lässt und immer wie­der in den Fokus der eige­nen Erzäh­lung rückt. Gun­dolf S. Frey­er­muth: Wer war WM? (Kul­tur­ver­lag Kad­mos, 2025) Für Frey­er­muth – den neo­li­be­ra­len Zeit­geist­jour­na­lis­ten aus der post­mo­der­nen Pha­lanx von Trans­at­lan­tik, Tem­po und Stern – ist Men­ge eine ideo­lo­gi­sche Pro­jek­ti­ons­flä­che des sys­tem­kon­for­men Jour­na­lis­ten, des Kar­rie­re­men­schen mit beson­de­rem Inter­es­se für Tech­nik & Kapi­tal und des Par­ve­nüs im bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Jus­­te-Milieu, der in Ham­burg, Ber­lin und auf Sylt mit männ­li­cher Deu­tungs­ho­heit sich durch­setzt, wäh­rend ande­re Tei­le der Fami­lie ledig­lich als Anhäng­sel mit­ge­schleppt wer­den.11 Die Geschich­te von Men­ge im Umfeld von Sprin­ger, Gru­ner & Jahr, Kracht & Boe­nisch hät­te das Poten­zi­al für eine pyn­cho­nes­ke Medi­en­er­zäh­lung mit jenem Geist gehabt, »des­sen Vor­na­me eben­so­gut Zeit wie Pol­ter lau­ten konn­te«12, doch Frey­er­muth ist zu sehr in die herr­schaft­li­chen Gesetz­mä­ßig­kei­ten der Medi­en­in­dus­trie invol­viert, als dass er einen kri­ti­schen Blick auf die Mecha­nis­men der kapi­ta­lis­ti­schen Öko­no­mie rich­ten könn­te. Denis Scheck emp­fiehlt Wer war WM? | WDR 3 Mosa­ik (30.06.2025) Sym­pto­ma­tisch ist die Lob­hu­de­lei des ehe­ma­li­gen Tem­­po-Autors und Lite­ra­tur­ver­käu­fers Denis Scheck, der Men­ge markt­schreie­risch als »Jahr­hun­dert­ge­stalt« und »Tau­send­sas­sa« cha­rak­te­ri­siert13, wäh­rend Men­ges rea­le Film- und Fern­seh­pro­duk­tio­nen bei der zeit­ge­nös­si­schen Kri­tik ein eher ver­hal­te­nes Echo fan­den. Das Jür­­gen-Roland-Vehi­kel Unser Wun­der­land bei Nacht (1959), zu dem (neben ande­ren Autoren) Men­ge das Dreh­buch bei­steu­er­te, kom­men­tier­te der Film­kri­ti­ker Diet­rich Kuhl­brodt mit den Wor­ten: »In grau­em Dilet­tan­tis­mus zer­flat­tert das Debü­tan­ten­werk.«14 Auto­ri­tät und Fern­se­hen In jenen Jah­ren resüs­sier­ten Roland und Men­ge vor allem mit der Adap­ti­on der US-ame­ri­­ka­­ni­­schen Fern­seh­se­rie Drag­net, die zwi­schen 1951 und 1970 eine der erfolg­reichs­ten TV-Shows in den USA war und in der Bun­des­re­pu­blik unter dem Titel Stahl­netz zwi­schen 1958 und 1968 lief. Das US-ame­ri­­ka­­ni­­sche Kon­zept wur­de blank auf das bun­des­re­pu­bli­ka­ni­sche Milieu unter Aus­blen­dung der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­gan­gen­heit über­tra­gen. Nie­mals kommt das poli­zei­li­che »Vor­le­ben« der Kom­mis­sa­re (wie etwa der von Rudolf Plat­te – der im Natio­nal­so­zia­lis­mus auch in NS-Pro­­pa­­gan­­da­­fil­­men wie Hit­ler­jun­ge Quex oder Bluts­brü­der­schaft mit­ge­wirkt hat­te – dar­ge­stell­te Kri­mi­nal­ober­kom­mis­sar Fried­rich Rog­gen­burg) in der Zeit von 1933 bis 1945 zum Vor­schein. Stets ist der Kom­mis­sar Auto­ri­täts­fi­gur, die dem Bösen nach­spürt, ohne (mit Erich Fromm gespro­chen) die »gesell­schaft­li­che Auto­ri­täts­struk­tur« (der er selbst ent­stammt) in den kri­ti­schen Blick zu neh­men.15 Roland & Men­ge betrie­ben im Restau­ra­ti­ons­mi­lieu der Ade­n­au­er-Repu­­b­lik Fern­seh­un­ter­hal­tung mit Mit­teln des Poli­zei­staats. Im Zen­trum der Unter­hal­tungs­se­rie Stahl­netz ste­he – zitiert Frey­er­muth den Regis­seur Roland ohne jeg­li­che kri­ti­sche Hin­ter­fra­gung – die »Kri­mi­nal­po­li­zei und ihr Kampf gegen das Ver­bre­chen«.16 Stahl­netz prä­sen­tier­te sich immer wie­der mit der Behaup­tung der Authen­ti­zi­tät, und Frey­er­muth kocht die pseu­do­rea­lis­ti­sche Sup­pe mit einer »Stil­mi­schung aus Neo­rea­lis­mus und Film Noir«17 hoch, um das vor­geb­li­che Stil­ele­ment des »Voice­­o­ver-Kom­­men­­tars« des Film Noir der doku­men­ta­ri­schen Authen­ti­zi­tät der Stahl­­netz-Rei­he unter­zu­ju­beln. »Bei­de Ele­men­te des Erzäh­lens aus dem Off, die Wir­kung des Authen­ti­schen und Objek­ti­ven wie des Fata­len und Sub­jek­ti­ven«, lob­hu­delt Frey­er­muth, »ver­schmilzt WM in sei­nen Stahl­­netz-Dreh­­bü­chern meis­ter­lich.«18 Unter­schla­gen wird frei­lich, dass im Voice­­o­ver-Kom­­men­­tar des Film Noir kei­nes­wegs ledig­lich die Hand­lung vor­an­ge­trie­ben wer­den soll­te, son­dern – wie Karen Hol­lin­ger kon­sta­tier­te – eine kom­ple­xe Refle­xi­vi­tät in der Rea­li­täts­wahr­neh­mung ver­ba­li­siert wur­de.19 Zudem war die ober­fläch­li­che kul­tu­rel­le Aneig­nung (oder Indienst­nah­me) des Film Noir-Stils für deut­sche Kri­mi­nal­fil­me eine noch­ma­li­ge spä­te Rache an den jüdi­schen Emi­gran­tin­nen (die den »Jewish Emi­g­ré Noir« nach ihrer erzwun­ge­nen Emi­gra­ti­on nach Hol­ly­wood begrün­det hat­ten), ohne ein Wort über die Sho­ah und die Ver­strickt­heit vie­ler Deut­scher in die Ver­bre­chen des Natio­nal­so­zia­lis­mus zu ver­lie­ren.20 Auch der spek­ta­ku­lä­re Fern­seh­film Das Mil­lio­nen­spiel (1971), der auf der Kurz­ge­schich­te »The Pri­ze of Peril« (1959) des US-ame­ri­­ka­­ni­­schen Sci­ence-Fic­­ti­on-Autors Robert Sheck­ley beruht und spä­ter von Yves Bois­set unter dem Titel Le prix du dan­ger (1983) ver­filmt wur­de, trans­po­nier­te Men­ge die klas­si­sche US-ame­ri­­ka­­ni­­sche Geschich­te eines ein­sa­men Hel­den, der für den Erfolg auch den Tod in Kauf nimmt, auf die deut­schen Ver­hält­nis­se: Aus Sheck­leys Prot­ago­nis­ten Jim Rae­der wird bei Men­ge der Lever­ku­se­ner Bern­hard Lotz (dar­ge­stellt als typi­scher gesell­schaft­li­cher Under­dog von Jörg Ple­va), der von gedun­ge­nen Kil­lern (der »Köh­­ler-Ban­­de«) bis ins Fern­seh­stu­dio zum »fina­len Ret­tungs­schuss« gejagt wird. Sheck­ley ver­ar­bei­te­te in sei­ner Kurz­ge­schich­te die Mecha­nis­men der Kul­tur­in­dus­trie, wie sie bereits Elia Kazan und Budd Schul­berg in ihrem Dra­ma A Face in the Crowd (1957) the­ma­ti­siert hat­ten.  In Sheck­leys Kurz­ge­schich­te ist das Cha­rak­te­ris­ti­kum des Gejag­ten sei­ne Durch­schnitt­lich­keit, die im Fern­seh­fo­kus heroi­siert wird und im glei­ßen­den Schein­wer­fer­licht zum »Kul­tus des Bil­li­gen« zer­fällt (wie es in der Dia­lek­tik der Auf­klä­rung heißt).21 Die Aura des Bil­li­gen umgibt auch den Chef der »Köh­­ler-Ban­­de«, der wie ein schmie­ri­ger Kri­mi­nel­ler aus fran­zö­si­schen B‑Film-Kri­­mis der spä­ten 1960er-Jah­­re wirkt. Für Rae­der ist das Fern­se­hen (das der Medi­en­so­zio­lo­ge Todd Git­lin spä­ter – in Anklang an den im Kal­ten Krieg popu­lä­ren Begriff des »mili­­tä­risch-indus­­tri­el­­len Kom­ple­xes« – als »Fern­seh-Indus­trie-Kom­plex«22 bezeich­ne­te), eine Stra­ße zu Ruhm & Reich­tum für einen Men­schen ohne beson­de­re Talen­te oder Bil­dung.23 Wäh­rend schon bei Sheck­ley das Fern­seh­sys­tem in Gestalt des JBC Net­work eine bestim­men­de Rol­le in der Erzäh­lung ein­nimmt, schreibt Frey­er­muth dem Dreh­buch­au­tor Men­ge ein beson­de­res Inge­ni­um in der Zeich­nung der »futu­ris­ti­schen tech­ni­schen Basis« des Fern­seh­films zu, die rea­li­ter durch die Musik der Musik­grup­pe Can oder die zei­t­­geis­­tig-psy­che­­de­­li­­schen Show­ein­la­gen von abs­trak­ten bun­ten Mas­sen­or­na­men­ten einer »ratio­na­len Leer­form des Kul­tes« (die bereits Sieg­fried Kra­cau­er in sei­ner Ana­ly­se der Mas­sen­kul­tur in den 1920er-Jah­­ren ana­ly­sier­te) zustan­de kamen.24 Men­ges Fern­seh­spiel, behaup­tet Frey­er­muth, »über­zeich­net den zeit­ge­nös­sisch ein­set­zen Pro­zess der Media­li­sie­rung, der Zurich­tung des All­tags durch und für die Mas­sen­me­di­en, und macht mit die­ser Über­trei­bung die unschein­ba­ren Anfän­ge der ent­ste­hen­den Zukunft aller­erst sicht­bar«.25 Mit aka­de­mi­schem Halb­wis­sen über­höht der »Pro­fes­sor für Game Stu­dies und (Ko-) Grün­dungs­di­rek­tor des Colo­gne Game Lab der TH Köln« (wie ihn sein Ver­lag vor­stellt) Men­ge zum »Tele­vi­sio­när« und das tum­be, unmün­di­ge Fern­seh­pu­bli­kum, das im simu­lier­ten Mör­der­spiel nicht die Fein­hei­ten des sen­sa­tio­na­lis­ti­schen Simu­lak­rum ver­stand. Frey­er­muth argu­men­tiert aus der Per­spek­ti­ve eines feti­schi­sier­ten Tech­ni­k­ap­pa­ra­tes und bür­det den »Mas­sen« die Schuld dafür auf, dass die media­le Pra­xis sie erst zu »Mas­sen« macht. Als Pri­vi­le­gier­ter des Sys­tems wäre es sei­ne intel­lek­tu­el­le Auf­ga­be, an der Bil­dung eines kri­ti­schen Bewusst­seins über die herr­schen­den Ver­hält­nis­se mit­zu­wir­ken, wor­an ihn aller­dings sei­ne medi­al-tech­­ni­­zis­­ti­­sche Tun­­nel-Visi­on hin­dert. »Dies Bewußt­sein wäre zu erwe­cken«, for­der­te Theo­dor W. Ador­no 1963, »und dadurch die­sel­ben mensch­li­chen Kräf­te gegen das herr­schen­de Unwe­sen, die heu­te noch fehl­ge­lei­tet und ans Unwe­sen gebun­den sind«.26 Die vor­geb­li­che Gesell­schafts­kri­tik der aktu­el­len Medi­en­pra­xis zer­fällt in ein zetern­des, auf­ge­motz­tes Wabern des Spek­ta­ku­lä­ren im Sin­ne des »herr­schen­den Unwe­sens«, wobei die »per­fek­tio­nier­te Tech­nik« in der Medi­en­in­sze­nie­rung – wie es bereits in der Dia­lek­tik der Auf­klä­rung hieß – »die Span­nung zwi­schen dem Gebil­de und dem all­täg­lich Dasein her­ab­setzt«27 Damit schlägt die behaup­te­te Medi­en- und Gesell­schafts­kri­tik ins Nich­ti­ge um und per­p­etu­iert die herr­schen­den Ver­hält­nis­se in den Appa­ra­ten. Die Ver­elen­dung im öffent­lich-recht­li­chen Pre­ka­ri­at  »Leben und arbei­ten in den Fern­seh­an­stal­ten«, Film­kri­tik, August 1975 Tat­säch­lich för­der­te das öffen­t­­lich-rech­t­­li­che Fern­se­hen (in ers­ter Linie WDR und NDR) trotz der spä­te­ren Heroi­sie­rung und Legen­den­bil­dung kein kri­ti­sches Bewusst­sein, son­dern repro­du­zier­te »die Klas­­sen- und Schich­ten­struk­tur der Gesell­schaft«28, wie Franz Drö­ge in einer Ana­ly­se der Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen des öffen­t­­lich-rech­t­­li­chen Fern­se­hens 1973 schrieb. Wäh­rend sich Wolf­gang Men­ge immer wie­der über die schlech­te Bezah­lung durch öffen­t­­lich-rech­t­­li­che Sen­de­an­stal­ten beklag­te und trotz allem sich Sport­wa­gen und Resi­den­zen in Ber­lin oder auf Sylt leis­ten konn­te29, waren »freie« Mit­ar­bei­te­rin­nen in die­sem Sys­tem von pre­kä­ren Arbeits­be­din­gun­gen gebeu­telt, wo die Opti­on nur zwi­schen »Anpas­sung an den Appa­rat oder Wider­stand aus Koket­te­rie« bestand, wie Harun Faro­cki – ein Mit­glied der Fil­m­­kri­­tik-Redak­­ti­on und ein »frei­er« WDR-Mit­ar­­bei­­ter – schrieb. »Rund die Hälf­te des Gel­des gibt es bei Ablie­fe­rung, den Rest bei Sen­dung und auch dann noch min­des­tens 14 Tage spä­ter. Ohne die Zin­sen für zu spät aus­ge­zahl­te Hono­ra­re hät­ten alle Sen­der ein Stock­werk weni­ger.«30 Nora M. Alter: Harun Faro­cki: Forms of Intel­li­gence (Colum­bia Uni­ver­si­ty Press, 2024) Der WDR war nicht allein eine »Fern­seh­fa­brik« zwi­schen Kom­pli­zen­schaft und Mit­schuld, die Faro­cki in sei­nen Fern­seh­fea­tures und kri­ti­schen Arti­keln reflek­tier­te, son­dern auch ein Expe­ri­men­tier­feld für fil­mi­sche Essays in der Tra­di­ti­on von Godard und Ador­no.31 Wie Nora M. Alter in ihrer Ana­ly­se des Film­werks Faro­ckis in den 1970er- und 1980er-Jah­­ren kon­sta­tier­te, ver­fiel Faro­cki nie auf auto­ri­tä­re Voice-Over-Kom­­men­­ta­­re oder sons­ti­ge Inter­ven­tio­nen von außen, son­dern ließ die Erzäh­lung aus dem Mate­ri­al ent­ste­hen.32 Faro­ckis Essay­fil­me waren – mit Ador­no gespro­chen – »ein ein­zi­ger Pro­test gegen die töd­li­che Ver­su­chung, es sich leicht zu machen, indem man dem gan­zen Glück und der gan­zen Wahr­heit ent­sagt. Lie­ber am Unmög­li­chen zugrun­de gehen.«33 Faro­cki pro­jek­tier­te ein »ande­res Fern­se­hen«, schei­ter­te am Ende jedoch an den har­ten Rea­li­tä­ten des Appa­rat-Fern­­se­hens. Bei­spiel­haft ist die WDR-Ver­­pflich­­tung des Nou­­vel­­le-Vague-Hel­­den Samu­el Ful­ler für die Tat­ort-Rei­he (Tote Tau­be in der Beet­ho­ven­stra­ße, 1973): »der WDR steht in Köln ange­füllt mit der Tris­tesse gesamt­ka­pi­ta­lis­ti­scher Infor­ma­ti­ons­pro­duk­ti­on«, kom­men­tier­te Faro­cki. »Die Leu­te vom WDR sind die Film­be­am­ten, Ful­ler setzt immer alles auf eine Kar­te.«34 Am Ende setz­te sich die Lust­lo­sig­keit der Film­be­am­ten durch, die bis heu­te ihr Heil im Immer­glei­chen zu fin­den hof­fen. © Jörg Auberg 2025 Biblio­gra­phi­sche Anga­ben: Tors­ten Musi­al / Mar­tin Wie­bel (Hg.).Die Fern­seh­spiel­re­dak­ti­on des WDR 1965–1979:Ein­sich­ten in die Wirk­lich­keit.Rei­he »Fernsehen.Geschichte.Ästhetik«, Bd. 7.Mün­chen: edi­ti­on text + kri­tik, 2025.239 Sei­ten, 29 Euro.ISBN: 978–3‑96707–942‑5. Gun­dolf S. Frey­er­muth.Wer war WM?Auf den Spu­ren eines Tele­vi­sio­närs:Wolf­gang Men­ges Leben und Werk.Ber­lin: Kul­tur­ver­lag Kad­mos, 2025.496 Sei­ten, 29,80 Euro.ISBN: 978–3‑86599–577‑3. Nora M. Alter.Harun Faro­cki: Forms of Intel­li­gence.New York: Colum­bia Uni­ver­si­ty Press, 2024.272 Sei­ten, 35 US-$.ISBN: 978–0‑23121–550‑3. Bild­quel­len (Copy­rights) Bei­trags­bild  © edi­ti­on text + kri­tik Sze­nen­bild Nos­fe­ra­tu Wiki­me­dia Com­mons Intro Das klei­ne Fern­seh­spiel © ZDF Cover Wer war WM? © Kul­tur­ver­lag Kad­mos Audio »Denis Scheck emp­fiehlt Wer war WM?« © WDR  Trai­ler Stahl­netz © NDR Trai­ler Das Mil­lio­nen­spiel © WDR Cover Film­kri­tik Archiv des Autors Cover Harun Faro­cki © Colum­bia Uni­ver­si­ty Press NachweiseFrie­da Gra­fe und Enno Pata­l­as, »War­um wir das bes­te Fern­se­hen und des­halb das schlech­tes­te Kino haben«, Film­kri­tik, Nr. 9 (Sep­tem­ber 1970), S. 474 ↩Der Begriff »Vam­pir-Öko­­­no­­mie« geht zurück auf Gün­ter Rei­mann, The Vam­pi­re Eco­no­my: Doing Busi­ness Under Fascism (1939; rpt. Aub­urn, AL: Mises Insti­tu­te, 2014) ↩Max Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 5, hg. Gun­ze­lin Schmid Noerr (Frankfurt/Main: Fischer, 1987), S. 175 ↩Cf. Ele­na Lam­ber­ty, »Not just a Book on Media: Exten­ding The Guten­berg Gala­xy«, in: Mar­shall McLuhan, The Guten­berg Gala­xy: The Making of Typo­gra­phic Man (Toron­to: Uni­ver­si­ty of Toron­to Press, 2011), S. 44 ↩Theo­dor W. Ador­no, Kul­tur­kri­tik und Gesell­schaft (Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 10), hg. Rolf Tie­de­mann (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 2003), S. 516 ↩Tors­ten Musi­al, »Wirk­li­ches durch­schau­bar machen: Zur Geschich­te der Fern­seh­spiel­ab­tei­lung des WDR 1965–1979«, in: Die Fern­seh­spiel­re­dak­ti­on des WDR 1965–1979: Ein­sich­ten in die Wirk­lich­keit, hg. Tors­ten Musi­al und Mar­tin Wie­bel (Mün­chen: edi­ti­on text + kri­tik, 2025), S. 149 ↩Tors­ten Musi­al und Mar­tin Wie­bel, Vor­wort zu: Die Fern­seh­spiel­re­dak­ti­on des WDR 1965–1979, S. 9 ↩André Bazin, Orson Wel­les, übers. Robert Fischer (Wetz­lar: Büch­se der Pan­do­ra, 1980), S. 190 ↩Man­ny Farb­er, »The Hid­den and the Plain«, in: Farb­er on Film: The Com­ple­te Film Wri­tin­gs of Man­ny Farb­er, hg. Robert Poli­to (New York: Libra­ry of Ame­ri­ca, 2016), S. 775 ↩Gun­dolf S. Frey­er­muth, »Wolf­gang Men­ge: Authen­zi­tät und Autor­schaft, Frag­men­te einer bun­des­deut­schen Medi­en­bio­gra­phie«, in: Der Tele­vi­sio­när: Wolf­gang Men­ges trans­me­dia­les Werk, hg. Gun­dolf S. Frey­er­muth und Lisa Got­to (Bie­le­feld: Tran­­script-Ver­­lag, 2016), S. 19–214 ↩Kris­tin Steen­bock, Zeit­geist­jour­na­lis­mus: Zur Vor­ge­schich­te deutsch­spra­chi­ger Pop­li­te­ra­tur: Das Maga­zin »Tem­po« (Bie­le­feld: Tran­­script-Ver­­lag, 2020), S. 96 ↩Tho­mas Pyn­chon, Vine­land, übers. Dirk van Guns­te­ren (Rein­bek: Rowohlt, 1993), S. 261 ↩Steen­bock, Zeit­geist­jour­na­lis­mus, S. 111–112; »Denis Scheck emp­fiehlt ›Wer war WM?‹«, WDR 3, 30. Juni 2025, https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr3/wdr3-mosaik/audio-denis-scheck-empfiehlt-wer-war-wm-100.html ↩Film­kri­tik, 3, Nr. 9 (Sep­tem­ber 1959), S. 235, Fil­m­­kri­­tik-Reprint, Bd. 1 (Frankfurt/Main: Zwei­tau­send­eins, 1976 ↩Erich Fromm et al., Stu­di­en über Auto­ri­tät und Fami­lie: For­schungs­be­richt aus dem Insti­tut für Sozi­al­for­schung (Paris: Librai­rie Félix Alcan, 1936), S. 145, Reprint »Juni­us-Dru­­cke« ↩Gun­dolf S. Frey­er­muth, Wer war WM? Auf den Spu­ren eines Tele­vi­sio­närs: Wolf­gang Men­ges Leben und Werk (Ber­lin: Kad­mos Kul­tur­ver­lag, 2025), S. 187 ↩Frey­er­muth, Wer war WM?, S. 185 ↩Frey­er­muth, Wer war WM?, S. 182 ↩Karen Hol­lin­ger, »Film Noir, Voice-Over, and the Femme Fata­le«, in: Film Noir Rea­der, hg. Alain Sil­ver und James Ursi­ni (New York: Lime­light, 2003), S. 244; zur Ver­wen­dung des Voice­­o­ver-Kom­­men­­tars in Doku­men­tar­fil­men cf. Bill Nichols, »The Voice of Docu­men­ta­ry«, Film Quar­ter­ly, 36, Nr. 3 (Früh­jahr 1983), S. 17–30; und Bill Nichols, Repre­sen­ting Rea­li­ty: Issues and Con­cepts in Docu­men­ta­ry (Bloo­ming­ton: India­na Uni­ver­si­ty Press, 1991), S. 32–75 ↩Cf. Vin­cent Brook, Dri­ven to Dark­ness: Jewish Émi­g­ré Direc­tors and the Rise of Film Noir (New Bruns­wick, NJ: Rut­gers Uni­ver­si­ty Press, 2009), S. 1–21; und Max Hork­hei­mer, »Alle sind kri­mi­nell«, in: Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 6, hg. Alfred Schmidt (Frankfurt/Main: Fischer, 1991), S. 359 ↩Robert Sheck­ley, Store of Infi­ni­ty (New York: Open Road Inte­gra­ted Media, 2014), S. 12; Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 5, S. 183 ↩Todd Git­lin, Insi­de Prime Time (Ber­ke­ley: Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia Press, 2000), S. 114–200 ↩Sheck­ley, Store of Infi­ni­ty, S. 12 ↩Sieg­fried Kra­cau­er, Das Orna­ment der Mas­se (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1977), S. 61 ↩Frey­er­muth, Wer war WM?, S. 305 ↩Theo­dor W. Ador­no, »Kann das Publi­kum wol­len?« (1963), in: Ador­no, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 20, hg. Rolf Tie­de­mann (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 2003), S. 347 ↩Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 5, S. 153 ↩Franz Drö­ge, »Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen des Fern­se­hens in der Bun­des­re­pu­blik und ihre Kon­se­quen­zen für die Pro­gramm­ge­stal­tung«, Film­kri­tik, 17, Nr. 9 (Sep­tem­ber 1973), S. 400 ↩Cf. »Gün­ter Gaus im Gespräch mit Wolf­gang Men­ge«, RBB, 14.01.2004, https://www.rbb-online.de/zurperson/interview_archiv/menge_wolfgang.html ↩Harun Faro­cki, »Not­wen­di­ge Abwechs­lung und Viel­falt«, Film­kri­tik, 19, Nr. 8 (August 1975), S. 369 ↩Harun Faro­cki, »Drü­cke­ber­ge­rei vor der Wirk­lich­keit: Das Fern­seh­fea­ture – Der Ärger mit den Bil­dern«, in: Faro­cki, Mei­ne Näch­te mit den Lin­ken: Tex­te 1964–1975, hg. Vol­ker Pan­ten­burg (Ber­lin: Neu­er Ber­li­ner Kunst­ver­ein, , 2018), S. 132–139 ↩Nora M. Alter, Harun Faro­cki: Forms of Intel­li­gence (New York: Colum­bia Uni­ver­si­ty Press, 2024), S. 7–8 ↩Ador­no, Noten zur Lite­ra­tur, hg, Rolf Tie­de­mann (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1981), S. 125 ↩Faro­cki, Mei­ne Näch­te mit den Lin­ken, S. 128 ↩ […]
  • Zur Aktualität der Kritischen TheorieZur Aktua­li­tät der Kri­ti­schen Theo­rie20. Juli 2025Fla­schen­pos­ten im Schlamm Zur Aktua­li­tät der Kri­ti­schen Theo­rie von Jörg Auberg Bevor sich in den spä­ten 1950er-Jah­­ren die syn­ony­men Begrif­fe der »Frank­fur­ter Schu­le« und »Kri­ti­schen Theo­rie« im öffent­li­chen Bewusst­sein durch­setz­ten, war oft die Rede von der »Hor­k­hei­­mer-Grup­­pe«. In einer Rezen­si­on der ein­fluss­rei­chen Antho­lo­gie Mass Cul­tu­re aus dem Jah­re 1957 schrieb der ehe­ma­li­ge Trotz­kist Dwight Mac­do­nald: »Die Hor­k­hei­­mer-Grup­­pe zeigt, dass selbst der Mar­xis­mus, in rich­ti­gen Hän­den, noch immer fähig ist, Ein­sich­ten über die gegen­wär­ti­ge Gesell­schaft her­vor­zu­brin­gen«.1 Ein wei­te­res Syn­onym für die Grup­pe war der Begriff des »Grand Hotel Abgrund«, den der mar­xis­ti­sche Kon­kur­rent Georg Lukács präg­te: »ein schö­nes, mit allem Kom­fort aus­ge­stat­te­tes moder­nes Hotel am Ran­de des Abgrun­des, des Nichts, der Sinn­lo­sig­keit« zwi­schen Behag­lich­keit und »einem non­kon­for­mis­tisch mas­kier­ten Kon­for­mis­mus«.2 Die Zeit der Wie­der­kehr n den 1980er-Jah­­ren hat­te es den Anschein, dass die Schlach­ten der Ver­gan­gen­heit geschla­gen waren und die Frank­fur­ter Schu­le fest in der aka­de­mi­schen Welt eta­bliert zu sein schien. Gegen­wär­tig gibt es jedoch mit einer Rück­kehr zu Auto­ri­ta­ris­mus und Faschis­mus im inter­na­tio­na­len Maß­stab ein erschre­cken­des Roll­back, das alle poli­ti­schen und kul­tu­rel­len Errun­gen­schaf­ten des letz­ten hal­ben Jahr­hun­derts infra­ge stellt. Es ist ein Rück­sturz in Zei­ten, die Her­mann Broch in sei­nem Vor­trag »Geist und Zeit­geist« im Jah­re 1934 beschrieb: »Eine eigen­tüm­li­che Ver­ach­tung des Wor­tes, ja, bei­na­he ein Ekel vor dem Wort hat sich der Mensch­heit bemäch­tigt. Die schö­ne Zuver­sicht, daß Men­schen ein­an­der durch das Wort, durch Wort und Spra­che über­zeu­gen könn­ten, ist radi­kal ver­lo­ren gegan­gen …«3 Die­se Ent­wick­lung – vor allem in den USA, wo die »Hor­k­hei­­mer-Grup­­pe« (in Form des Frank­fur­ter »Insti­tuts für Sozi­al­for­schung«) an der New Yor­ker Colum­­bia-Uni­­ver­­­si­­tät Zuflucht gefun­den hat­te4– beschreibt der His­to­ri­ker Mar­tin Jay (der mit sei­nem Buch Dia­lek­ti­sche Phan­ta­sie aus dem Jah­re 1973 den Grund­stein für die his­to­ri­sche Erfor­schung der »Frank­fur­ter Schu­le« leg­te5) in sei­nen jün­ge­ren Essay­bän­den Splin­ters in Your Eye (2020) und Imma­nent Cri­ti­ques (2023). Ange­sichts der Bre­chung des Rechts durch Donald Trump und sei­ne Gefolgs­leu­te ist Hork­hei­mers Racket-Theo­rie, wie er sie in den 1940er-Jah­­ren ent­wi­ckel­te und spä­ter nur spo­ra­disch in sei­nen Noti­zen wei­ter ver­folg­te, eben­so wenig hin­fäl­lig wie Hork­hei­mers Sprach­kri­tik. In der gegen­wär­ti­gen Gegen­auf­klä­rung wird die Kri­ti­sche Theo­rie in einem reak­tio­nä­ren Kreuz­zug gegen die Uni­ver­si­tä­ten und Wis­sen­schaf­ten als »kul­tu­rel­ler Mar­xis­mus«, »kul­tu­rel­ler Bol­sche­wis­mus«, als »Ver­gnü­gungs­pa­last des Teu­fels« dämo­ni­siert, als wür­den die bösen Geis­ter der 1930er-Jah­­re fröh­li­che Auf­er­ste­hung fei­ern.6 Für Jay stellt die »Kri­ti­sche Theo­rie« in Gestalt der »Frank­fur­ter Schu­le« immer noch die rich­ti­gen Fra­gen, ohne im Vor­hin­ein die pas­sen­den Ant­wor­ten parat zu haben. Café Marx Die Geschich­te des Insti­tuts für Sozi­al­for­schung ist ele­men­tar für das Ver­ständ­nis der deut­schen, euro­päi­schen und auch ame­ri­ka­ni­schen Geis­tes­ge­schich­te des 20. Jahr­hun­derts«, kon­sta­tiert Phil­ip Len­hard in sei­ner Geschich­te der Früh­zeit der »Frank­fur­ter Schu­le«, Café Marx: Das Insti­tut für Sozi­al­for­schung von den Anfän­gen bis zur Frank­fur­ter Schu­le. »Sie umfasst sowohl die jüdi­sche als auch die poli­ti­sche Geschich­te des 20. Jahr­hun­derts, die Geis­­tes- wie die Wis­sen­schafts­ge­schich­te, die Geschich­te der Emi­gra­ti­on und der Scho­ah genau­so wie die des Wie­der­auf­baus und Neu­an­fangs.«7 In sei­nem detail­rei­chen und über­aus lesens­wer­ten Buch brei­tet Len­hard den Beginn und die Ent­wick­lung des »Insti­tuts für Sozi­al­for­schung« aus und stellt in unter­schied­li­chen Strän­gen die Protagonist*innen der Geschich­te (wie Max Hork­hei­mer, Fried­rich Pol­lock, Leo Löwen­thal, Her­bert Mar­cu­se, Erich Fromm, Hen­ryk Groß­mann, Karl August Witt­fo­gel, Juli­an Gum­perz und Richard Sor­ge) vor. Den finan­zi­el­len Grund­stock stell­te der jüdi­sche Getrei­de­händ­ler und Mäzen Her­mann Weil auf Initia­ti­ve sei­nes Soh­nes Felix Weil mit einer exzel­lent aus­ge­stat­te­ten Stif­tung zur Ver­fü­gung, die es ermög­lich­te, das Insti­tut 1923 als an die Frank­fur­ter Goe­­the-Uni­­ver­­­si­­tät ange­schlos­se­ne For­schungs­stät­te für den wis­sen­schaft­li­chen Mar­xis­mus zu eta­blie­ren.8 Bestim­mend für die Grün­dung des Insti­tuts waren die Erfah­run­gen des Ers­ten Welt­krie­ges und des Schei­terns der revo­lu­tio­nä­ren Hoff­nun­gen 1918/19 als auch die anti­se­mi­ti­schen und anti­in­tel­lek­tu­el­len Strö­mun­gen in der deut­schen Arbeiter*innen-Klasse wie auch unter den Bau­ern und Bäue­rin­nen, die spä­ter Leo Löwen­thal in sei­nen Erin­ne­run­gen schil­der­te oder die der Insti­tuts­mit­ar­bei­ter Paul W. Mas­sing wis­sen­schaft­lich ana­ly­sier­te.9 Obwohl das Insti­tut, das zunächst von dem Wie­ner His­to­ri­ker Carl Grün­berg gelei­tet wur­de, einen mar­xis­ti­schen For­schungs­an­satz ver­trat, war es in sei­ner per­so­nel­len Struk­tur divers geprägt: Neben Mit­glie­dern der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen und kom­mu­nis­ti­schen Par­tei­en wie SPD, USPD und KPD auch Institutsmitarbeiter*innen, die sich der anar­cho­syn­di­ka­lis­ti­schen FAUD (Freie Arbei­­ter-Uni­on Deutsch­lands) oder kei­ner poli­ti­schen Strö­mung zurech­ne­ten. Obwohl das Insti­tut als offe­ner Ort sowohl für »lin­ke Intel­lek­tu­el­le« als auch »lesen­de Pro­le­ta­ri­er« kon­zi­piert war, herrsch­te trotz allem eine leni­nis­ti­sche Vor­stel­lung vor, dass die Intel­lek­tu­el­len die »kul­tur­po­li­ti­sche Avant­gar­de der Arbei­ter­klas­se« sei­en, da das Pro­le­ta­ri­at aus sich selbst her­aus nicht zu revo­lu­tio­nä­rer Poli­tik fähig sei, weil ihm die tie­fen Ein­sich­ten des wis­sen­schaft­li­chen Mar­xis­mus fehl­ten.10 Von der kri­ti­schen Ana­ly­se zur kri­ti­schen Theo­rie nge­ach­tet der kapi­ta­lis­mus­kri­ti­schen theo­re­ti­schen Vor­ga­ben lag der Schwer­punkt in den Anfangs­jah­ren des Insti­tuts im Sam­meln von Mate­ria­li­en, wel­che die Arbei­ter­be­we­gung seit dem 19. Jahr­hun­dert her­vor­ge­bracht hat­te: »Bücher, Bro­schü­ren, Zeit­schrif­ten, Pla­ka­te und Flug­schrif­ten, Foto­gra­fien, Rund­schrei­ben, Demons­tra­ti­ons­auf­ru­fe, Kor­re­spon­den­zen, sta­tis­ti­sches Mate­ri­al genau­so wie Tage­bü­cher und pri­va­te Auf­zeich­nun­gen von Mit­glie­dern der Arbei­ter­be­we­gung soll­ten als zen­tra­les Archiv im Insti­tut zusam­men­ge­führt wer­den, damit sie wis­sen­schaft­lich aus­ge­wer­tet wer­den konn­ten.« 11 Sie waren das, was Leo Löwen­thal spä­ter als »Schmug­gel­wa­re der Ver­nei­nung« bezeich­ne­te.12 Auch die Arbei­ter­be­we­gung bewahr­te kei­nen Juden vor der Dis­kri­mi­nie­rung. »Wir haben das Unheil vor­aus­ge­ahnt«, sag­te Löwen­thal, »nicht weil wir mein­ten, daß das deut­sche Volk immer anti­se­mi­ti­scher wür­de. Son­dern, weil wir durch poli­ti­sche Ana­ly­sen und Ein­sicht schon früh geglaubt haben, daß die Nazis an die Macht kom­men und daß die Resis­tenz beson­ders in den libe­ral-demo­­kra­­ti­­schen und sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei­en und in den christ­li­chen und sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Gewerk­schaf­ten so gering ent­wi­ckelt war, daß sie im Fall eines sieg­rei­chen Faschis­mus kei­nen Wider­stand leis­ten wür­den.«13 Neben dem Anti­se­mi­tis­mus spiel­te auch der »For­dis­mus« – die tech­ni­sche Ratio­na­li­sie­rung des Pro­duk­ti­ons­pro­zes­ses – eine beson­de­re Rol­le in der gesell­schaft­li­chen Ana­ly­se des Insti­tuts. Ober­fläch­lich betrach­tet nahm sich die arbeits­tei­li­ge Zer­glie­de­rung der Arbeits­pro­zes­se wie eine Min­de­rung von Aus­beu­tung durch den Ein­satz von Maschi­nen aus, wäh­rend rea­li­ter führ­te sie zu einer Inten­si­vie­rung der Aus­beu­tung mensch­li­cher Arbeits­kraft. Wel­che Kon­se­quen­zen aus die­sen sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Ana­ly­sen abzu­lei­ten blieb jedoch im Insti­tut unge­klärt. »Trotz aller Frak­ti­ons­kämp­fe und Cli­quen­bil­dun­gen bil­de­te das Insti­tut den Rah­men, inner­halb des­sen die ver­schie­de­nen Grup­pen gemein­sam die­sel­ben Tex­te lasen und sich über deren Aus­le­gung strit­ten«, kon­sta­tiert Len­hard. »Dies ent­sprach auch der lang­fris­ti­gen, von Weil und Pol­lock ver­foch­te­nen Stra­te­gie des Insti­tuts, die Quel­len des Mar­xis­mus und der Geschich­te der Arbei­ter­be­we­gung zunächst zu ber­gen, dann phi­lo­lo­gisch akku­rat aus­zu­wer­ten und schließ­lich, als drit­ter Schritt, eine Kri­tik der poli­ti­schen Öko­no­mie auf der Höhe der Zeit zu for­mu­lie­ren. Aus Mar­xis­mus soll­te Kri­ti­sche Theo­rie wer­den.«14 Nach­dem Carl Grün­berg im Janu­ar 1928 einen Schlag­an­fall erlit­ten und Fried­rich Pol­lock kom­mis­sa­risch die Insti­tuts­lei­tung über­nom­men hat­te, deu­te­te sich eine Neu­ori­en­tie­rung an.15 Gegen­über Weil posi­tio­nier­te sich Hork­hei­mer als die ein­zi­ge Füh­rungs­kraft im Umfeld des Insti­tuts, um es sowohl vor dem Zugriff von Par­tei­kom­mu­nis­ten als auch von bür­ger­li­chen Fakul­täts­mit­glie­dern der Goe­­the-Uni­­ver­­­si­­tät zu schüt­zen. »Im klan­des­ti­nen Inté­ri­eur ihrer Kron­ber­ger Lebens­ge­mein­schaft hat­ten Hork­hei­mer und Pol­lock lan­ge über die Zukunft des Insti­tuts und ihre jewei­li­ge Rol­le dar­in dis­ku­tiert«, schreibt Len­hard. »Auch Pol­lock war über­zeugt davon, dass Hork­hei­mer der fähi­ge­re Kopf von bei­den war, und füg­te sich erstaun­lich wider­stands­los in sei­ne Rol­le als Mann in der zwei­ten Rei­he, der Hork­hei­mer den Rücken frei­hielt. Die äuße­ren Umstän­de kamen die­sen Pla­nun­gen ent­ge­gen. Zwar sprach gegen Hork­hei­mer, dass er weder Pro­fes­sor noch Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler war, son­dern Pri­vat­do­zent für Phi­lo­so­phie, aber dafür war er poli­tisch voll­kom­men inte­ger.«16 Theo­dor W. Ador­no blieb in den Anfangs­jah­ren des Insti­tuts bis zur Emi­gra­ti­ons­zeit an den Rän­dern der Ent­wick­lung. Zwar schätz­te der neue Insti­tuts­lei­ter Ador­nos Krea­ti­vi­tät und schnel­le Auf­fas­sungs­ga­be, doch nahm er von Anstel­lung im Insti­tut Abstand, da Ador­no mit sei­ner eit­len Selbst­ge­wiss­heit ande­re oft vor den Kopf stieß. »Unge­ach­tet sei­ner Bril­lanz galt er als schwie­ri­ger Cha­rak­ter, der das Arbeits­kli­ma am Insti­tut schnell rui­nie­ren konn­te. Hork­hei­mer such­te zwar sei­ne Nähe, hielt ihn aber auch auf Abstand.«17 Das »Insti­tut für Sozi­al­for­schung« agier­te – sowohl vor der Macht­über­nah­me der Nationalsozialist*innen als auch nach der Emi­gra­ti­on zunächst in die Schweiz und spä­ter in die USA – weni­ger als Orga­ni­sa­ti­on eini­ger weni­ger wis­sen­schaft­li­cher Genies, son­dern als »kol­lek­ti­ver Kri­ti­ker«18, vor allem in Form der Zeit­schrift für Sozi­al­for­schung, die in den Jah­ren zwi­schen 1932 und 1941 erschien als auch in der gro­ßen Stu­die Auto­ri­tät und Fami­lie, die 1936 im Pari­ser Exil ver­öf­fent­licht wur­de. Die äso­pi­sche Sprach­ent­wick­lung chon von Beginn an soll­te die mar­xis­ti­sche Aus­rich­tung des Insti­tuts durch eine schwer durch­dring­li­che Ter­mi­no­lo­gie geschützt wer­den. »Ins Äso­pi­sche umwan­deln – so nann­te Felix Weil die begriff­li­che Ver­schleie­rung mar­xis­ti­scher Seman­tik.«19 im Exil wur­de die ter­mi­no­lo­gi­sche Berei­ni­gung der Tex­te des Insti­tuts aus Grün­den des Selbst­schut­zes wei­ter for­ciert, was vor allem für die Text­va­ri­an­ten des Haupt­werks Dia­lek­tik der Auf­klä­rung (1944/1947) gilt.20 »Hork­hei­mer setz­te von Anfang an«, schreibt Len­hard über die Exil­zeit des Insti­tuts an der Colum­­bia-Uni­­ver­­­si­­tät in New York, »einen streng ›äso­pi­schen‹ Kurs durch und führ­te damit die Stra­te­gie aus Frank­furt fort, bei der For­mu­lie­rung lin­ker Gesell­schafts­theo­rie auf mar­xis­ti­sche Signal­wör­ter wie ›Revo­lu­ti­on‹, ›Klas­sen­kampf‹, ›Pro­le­ta­ri­at‹ usw. zu ver­zich­ten.« 21 Aus den Erfah­run­gen des Exils einer­seits und den Ent­wick­lun­gen im Natio­nal­so­zia­lis­mus und Sta­li­nis­mus ande­rer­seits waren die poli­ti­schen Gren­zen zwi­schen den lin­ken Strö­mun­gen inner­halb des Insti­tuts durch­läs­si­ger und die Alli­an­zen flie­ßen­der gewor­den. Wäh­rend die »Hor­k­hei­­mer-Grup­­pe« (zu der Hork­hei­mer und Pol­lock als auch Felix Weil, Her­bert Mar­cu­se, Leo Löwen­thal und ande­re zähl­ten) von den nach­re­vo­lu­tio­nä­ren Ent­wick­lun­gen der Jah­re 1918/19 geprägt war, beweg­ten sich Poli­tik­wis­sen­schaft­ler und Staats­recht­ler wie Franz Neu­mann und Otto Kirch­hei­mer (die spä­ter im US-ame­ri­­ka­­ni­­schen Staats­dienst wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges für die kri­ti­sche Ana­ly­se des faschis­ti­schen Staats­ap­pa­ra­tes in Deutsch­land ver­ant­wort­lich waren und Impul­se für den Neu­auf­bau demo­kra­ti­scher Struk­tu­ren lie­fern soll­ten) im Umfeld der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Tra­di­ti­on. Bei­de Grup­pen ein­te die Erfah­rung, als Lin­ke und Jüd*innen ver­folgt sein. »Und auch wenn die Dif­fe­ren­zen sich situa­tiv immer wie­der bemerk­bar mach­ten« schreibt Len­hard, »erwies sich das gemein­sa­me Fun­da­ment als soli­de genug, um zumin­dest für eini­ge Jah­re eine ver­schwo­re­ne Gemein­schaft zu bil­den.«22 Wäh­rend His­to­ri­ker wie Rolf Wig­gers­haus Hork­hei­mer Macht­miss­brauch in der Lei­tung des Insti­tuts vor­wer­fen (Ador­no habe, schreibt Wig­gers­haus in einer frag­wür­di­gen Ter­mi­no­lo­gie, »den vor­be­halt­lo­sen Anschluß an Hork­hei­mer« voll­zo­gen)23, sieht Len­hard die Macht­ver­hält­nis­se inner­halb des exi­lier­ten Insti­tuts kom­ple­xer: Zwar ver­füg­te Hork­hei­mer über die Macht­mit­tel, um Pro­jek­te vor­an­zu­trei­ben oder ver­en­den zu las­sen, doch war er kei­nes­wegs ein pro­­fit- und macht­ori­en­tier­ter »Unter­neh­mer in Sachen ›Kri­ti­sche Theo­rie‹« (Wig­gers­haus klas­si­fi­ziert Hork­hei­mer als »Unter­neh­mer­sohn aus Stutt­gart-Zuffen­hau­sen«)24. Der Fokus­sie­rung auf Hork­hei­mer wohn­te auch eine intel­lek­tu­el­le Kom­po­nen­te inne, insis­tiert Len­hard, denn das Pro­jekt einer »Kri­ti­schen Theo­rie« (wie es Hork­hei­mer in sei­nem grund­le­gen­den Auf­satz »Tra­di­tio­nel­le und kri­ti­sche Theo­rie« for­mu­lier­te, war es, »eine Ent­wick­lung zu beschleu­ni­gen, die zur Gesell­schaft ohne Unrecht füh­ren soll«25. Für die Institutsmitarbeiter*innen hat­te, schreibt Len­hard, »eine gera­de­zu magi­sche Anzie­hungs­kraft auf die vom Mar­xis­mus ent­täusch­ten, mit ihrer Lage als jüdi­sche Emi­gran­ten hadern­den Intel­lek­tu­el­len«.26 Auto­ri­ta­ris­mus und Anti­se­mi­tis­mus ar das Pro­jekt der »Kri­ti­schen Theo­rie« zu Beginn der Emi­gra­ti­on zunächst ein Unter­neh­men, die Marx’sche Kri­tik der poli­ti­schen Öko­no­mie zu aktua­li­sie­ren, ver­schob sich mit der zuneh­men­den Gefähr­dung der Demo­kra­tie durch tota­li­tä­re und auto­ri­tä­re Staats­for­men der Fokus. Schon in der ab 1941 auf Eng­lisch erschei­nen­den Zeit­schrift für Sozi­al­for­schung (die nun unter dem Titel Stu­dies in Phi­lo­so­phy and Social Sci­ence publi­ziert wur­de) ana­ly­sier­ten Fried­rich Pol­lock, A. R. L. Gur­land, Her­bert Mar­cu­se und Otto Kirch­hei­mer sowie Hork­hei­mer und Ador­no die gesell­schaft­li­chen, tech­no­lo­gi­schen und öko­no­mi­schen Ver­än­de­run­gen durch die poli­ti­schen Ent­wick­lun­gen in Deutsch­land und der Sowjet­uni­on, wobei sich die­se Ana­ly­sen mit den Dis­kus­sio­nen über das Ende des Sozia­lis­mus und den Beginn eines »büro­kra­ti­schen Kol­lek­ti­vis­mus« in lin­ken, zumeist trotz­kis­tisch ori­en­tier­ten Zir­kel in Euro­pa und den USA über­schnit­ten.27 Neben For­men des Auto­ri­ta­ris­mus bestimm­ten auch Anti­se­mi­tis­mus und die Ver­nich­tung der euro­päi­schen Jüd*innen die Arbeit und die intel­lek­tu­el­le Pra­xis des Insti­tuts. Im Den­ken der Ent­ron­ne­nen war immer eine Spur von der Schuld des pri­vi­le­gier­ten Ent­kom­men­seins vor­han­den oder wie es Ador­no spä­ter aus­drück­te, »ob nach Ausch­witz noch sich leben las­se, ob voll­ends es dür­fe, wer zufäl­lig ent­rann und rech­tens hät­te umbe­bracht wer­den müs­sen«.28 Der Essay­ist Jean Amé­ry – der die Ver­nich­tungs­la­ger Ausch­witz, Mit­­tel­­bau-Dora und Ber­­gen-Bel­­sen über­leb­te – fass­te 1970 die »Grund­fra­ge unse­res Daseins« mit dem Titel »Wei­ter­le­ben – aber wie« zusam­men und stand der »Jar­go­ni­sie­rung« durch die »Dia­lek­tik« der »Frank­fur­ter Schu­le« kri­tisch gegen­über.29 In den 1940er-Jah­­ren rück­te der »eli­mi­na­to­ri­sche« Anti­se­mi­tis­mus oder der »Krieg gegen die Juden« (wie spä­te­re Historiker*innen die ver­such­te Aus­rot­tung der Jüd*innen in Euro­pa zu beschrei­ben ver­such­ten30 In der Anti­­se­­mi­­tis­­mus-Theo­rie des Insti­tuts war der »Juden­hass« nicht nur »Aus­druck des gesell­schaft­li­chen Unwe­sens« und der »Kul­mi­na­ti­ons­punkt einer tief in den Grund­struk­tu­ren der kapi­ta­lis­ti­schen Gesell­schaft ver­an­ker­ten Feind­schaft gegen das Kon­kre­te, Beson­de­re, Indi­vi­du­el­le«. Lang­fris­tig sei der Anti­se­mi­tis­mus nur zu besie­gen, resü­miert Len­hard das Pro­jekt der »Kri­ti­schen Theo­rie«, »wenn die Grund­la­gen der anti­se­mi­ti­schen Gesell­schaft bewusst und wil­lent­lich ver­än­dert wür­den – eine Umschrei­bung für die kom­mu­nis­ti­sche Ein­rich­tung der Gesell­schaft«. Alle bis­he­ri­ge Theo­rie sei nicht kri­tisch genug gewe­sen. »Es bedurf­te des­halb einer neu­en, radi­ka­len kri­ti­schen Theo­rie der Gesell­schaft – und Hork­hei­mer glaub­te sich dazu beru­fen, sie zu for­mu­lie­ren«, schluss­fol­gert Len­hard.31 Das Zeit­al­ter der Rackets eben den Ana­ly­sen der Auf­klä­rung und der Kul­tur­in­dus­trie waren die »Ele­men­te des Anti­se­mi­tis­mus« ein maß­ge­ben­der Teil des Haupt­werks des Insti­tuts, der Dia­lek­tik der Auf­klä­rung, die 1947 im Ams­ter­da­mer Exil-Ver­­lag Quer­ido erschien. Obwohl Hork­hei­mer und Ador­no als Autoren genannt wur­den, waren auch ande­re Insti­tuts­mit­glie­der wie Pol­lock, Mar­cu­se und Löwen­thal an der Ent­ste­hung betei­ligt (von unge­nann­ten Zuarbeiter*innen wie Gre­tel Ador­no ganz zu schwei­gen). In der Dis­kus­si­on um die Auf­lö­sung der Klas­sen der kapi­ta­lis­ti­schen Gesell­schaft in Struk­tu­ren von »Rackets« (die Hork­hei­mer teil­wei­se aus den Arbei­ten von US-Sozi­al­­wis­­sen­­schaf­t­­lern wie Robert S. Lynd oder der US-ame­ri­­ka­­ni­­schen Popu­lär­kul­tur als auch von Ana­ly­sen von Fried­rich Pol­lock und Franz Neu­mann über­nahm) soll­te – mit den Wor­ten Len­hards – die Mög­lich­keit geschaf­fen wer­den, »eine den Kapi­ta­lis­mus tran­szen­die­ren­de Herr­schafts­ge­schich­te zu schrei­ben.«32 In den Auf­zeich­nun­gen zur Dia­lek­tik der Auf­klä­rung pos­tu­lier­te Hork­hei­mer den eman­zi­pa­to­ri­schen Cha­rak­ter einer radi­kal­de­mo­kra­ti­schen Poli­tik: »In der wah­ren Idee der Demo­kra­tie, die in den Mas­sen ein ver­dräng­tes, unter­ir­di­sches Dasein führt«, heißt es dort, »ist die Ahnung einer einer vom Racket frei­en Gesell­schaft nie ganz erlo­schen. Die Idee zu ent­fal­ten, bedeu­tet frei­lich die Durch­brech­nung einer dicken Sug­ges­ti­on, die noch die wah­re Kri­tik am Racket in sei­nen Dienst stellt.«33 Die Dia­lek­tik der Auf­klä­rung sei, kon­sta­tiert Len­hard, »eine Syn­the­se der theo­re­ti­schen und empi­ri­schen Arbei­ten, die bis Kriegs­en­de am Insti­tut ent­stan­den« sei­en, tran­szen­dier­te sie jedoch, indem sie »bis in die äuße­re Form und Spra­che hin­ein das Frag­men­ta­ri­sche des Den­kens« fest­hal­te, das den Ver­hee­run­gen des Krie­ges und der Ver­nich­tung ent­spre­che.34 Auch nach der Rück­kehr nach Deutsch­land, als das Insti­tut sowohl Anfein­dun­gen durch eine deutsch­durch­tränk­te Sozi­al­wis­sen­schaft erfuhr als auch eine frag­wür­di­ge Anpas­sung an die restau­ra­ti­ven Ten­den­zen der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Ver­drän­gungs­re­pu­blik voll­zog, blie­ben Max Hork­hei­mer, Gre­tel und Theo­dor W. Ador­no sowie Fried­rich Pol­lock »ein ver­schwo­re­nes Quar­tett, das durch Jah­re in der Emi­gra­ti­on und das Schick­sal der Ver­fol­gung zusam­men­ge­wach­sen war«.35 Zudem war dem »Insti­tut für Sozi­al­for­schung« und sei­nem Pro­dukt »Kri­ti­sche Theo­rie« der Mar­ken­na­me »Hork­hei­mer« ein­ge­brannt. Den­noch galt das »Enga­ge­ment« des »Insti­tuts für Sozi­al­for­schung« beim Auf­bau der Bun­des­wehr unter der Ägi­de Hork­hei­mers auch bei »Schüler*innen« der »Kri­ti­schen Theo­rie« als »ärger­li­ches Poli­ti­kum«.36 Am Ende sei­nes Buches resü­miert Len­hard, dass das »Insti­tut für Sozi­al­for­schung von Anfang an zwar hier­ar­chisch und gera­de­zu patri­ar­chal orga­ni­siert, zugleich aber für eine Viel­zahl an Grup­pen, Milieus und Ein­zel­per­so­nen offen« gewe­sen sei, »die aus aller Welt nach Frank­furt, Genf oder New York kamen, um an einer ein­zig­ar­ti­gen Insti­tu­ti­on zu stu­die­ren, zu leh­ren und zu for­schen; sie fan­den hier Freun­de, Genos­sen und Lieb­ha­ber, bis­wei­len auch Kon­kur­ren­ten und Fein­de«.37 Nach der Rück­kehr vie­ler Grün­dungs­mit­glie­der in die Bun­des­re­pu­blik und der Neu­eröff­nung des Insti­tuts 1950 wur­de Max Hork­hei­mer zwar wie­der als Direk­tor ein­ge­setzt, doch obwohl er in den ers­ten Jah­ren maß­geb­li­chen Anteil am Gedei­hen der »geför­der­ten Wis­sen­schaft« hat­te, blieb er gegen­über den »Ver­wal­tern« und »Agen­ten« der Wis­sen­schaft unter dem Büt­tel der »Foun­da­ti­ons« skep­tisch (was teil­wei­se auf sei­ne immer noch aktu­el­le Racket-Theo­rie zurück­zu­füh­ren war).38 Wäh­rend sich Hork­hei­mer in den 1950er-Jah­­ren zusam­men mit sei­nem Freund Pol­lock in den Schwei­zer Tes­sin zurück­zog, wur­de Ador­no – trotz aller radi­ka­len Kri­tik der Kul­tur­in­dus­trie – zu einem prä­gen­den »Medi­en­in­tel­lek­tu­el­len«, der das Kon­strukt »Kri­ti­sche Theo­rie« in Wis­sen­schaft und öffent­li­chem Dis­kurs als »öffent­li­cher Intel­lek­tu­el­ler« in der Dis­kus­si­on hielt und dar­über hin­aus half, dem stu­den­ti­schen Nach­wuchs in Wis­sen­schaft, Kunst und Medi­en Fuß zu fas­sen.39 Défor­ma­ti­on pro­fes­si­on­nel­le n sei­nem glän­zend geschrie­be­nen Buch Ador­nos Erben knüpft der His­to­ri­ker Jörg Spä­ter an die von Len­hard beschrie­be­ne »Früh­ge­schich­te« an und lässt die »Nach­ge­schich­te« des Insti­tuts als »Geschich­te aus der Bun­des­re­pu­blik« Revue pas­sie­ren, wobei es ihm gelingt – trotz aller Ernst­haf­tig­keit des Sujets – eine selbst­iro­ni­sche, teil­wei­se spöt­ti­sche, zuwei­len auch flap­si­ge Distanz zum aka­de­mi­schen Betrieb, der (mit den Wor­ten Hork­hei­mers) das »Aben­teu­er­li­che« hasst »wie die Pest«, auf­recht­zu­er­hal­ten, wenn er von »Ador­nos Sound«, Hans Magnus Enzens­ber­ger als »Fahr­dienst­leis­ter lin­ker Denk­rei­sen« oder Alex­an­der Klu­ge als »Zwölf­ton­ci­ne­as­ten« spricht.40 In den 1950er-Jah­­ren wur­de die »Kri­ti­sche Theo­rie« in ers­ter Linie von Hork­hei­mer und Ador­no in der Bun­des­re­pu­blik, loya­len Vertreter*innen in den USA wie Leo Löwen­thal oder kri­ti­schen »Deviationist*innen« wie Erich Fromm, Her­bert Mar­cu­se oder Sieg­fried Kra­cau­er reprä­sen­tiert. Bis zu dem Zeit­punkt, als Jür­gen Haber­mas zur domi­nan­ten Stim­me der »zwei­ten Gene­ra­ti­on« der »Kri­ti­schen Theo­rie« wur­de, bestimm­ten »ecker­män­ni­sche« Gehilf*innen und media­len »Multiplikator*innen« wie Her­mann Schwep­pen­häu­ser, Rolf Tie­de­mann oder Alfred Schmidt das aka­de­mi­sche Gesicht der »Frank­fur­ter Schu­le« in der Öffent­lich­keit. Ähn­lich wie in den 1920er-Jah­­ren stand es um die Auf­ar­bei­tung von den patri­ar­cha­len und hier­ar­chi­schen Zustän­den im Insti­tut nicht zum Bes­ten.41 Das Insti­tut in Frank­furt war nicht, wie Spä­ter in sei­ner Beschrei­bung der aka­de­mi­schen Zustän­de kon­sta­tiert, ein para­die­si­scher Ort: Das Betriebs­kli­ma sei »durch eine miss­li­che Mischung von Bru­ta­li­tät und Kom­pli­zen­tum« gekenn­zeich­net. »An der Spit­ze, eher sche­men­haft, die abso­lu­te Auto­ri­tät des unsicht­ba­ren Got­tes Hork­hei­mer, reprä­sen­tiert in der Pra­xis weni­ger durch Ador­no, der der­lei welt­li­che Auf­ga­ben eher wider­wil­lig ver­sah, als durch sei­ne Frau Gre­tel. Am Fuss der Pyra­mi­de zwei Kate­go­rien von Bediens­te­ten, die einen, die Pas­san­ten blie­ben (…), und die ande­ren, die aus wel­chen Grün­den auch immer dem Insti­tut ver­fal­len waren, und daher benutzt wer­den konn­ten und auch wur­den.«42 in Frank­furt am Main war es offen­bar nicht schö­ner als anders­wo: »Hin­sicht­lich der mensch­li­chen Schwä­chen und aka­de­mi­schen Defor­ma­tio­nen war die Frank­fur­ter Schu­le offen­kun­dig ein Ort wie jeder ande­re auch.«43 In sei­ner Geschich­te der »Frank­fur­ter Schu­le« prä­sen­tiert Spä­ter nicht nur Gewin­ner der »geför­der­ten Wis­sen­schaft« wie Jür­gen Haber­mas oder Her­bert Schnä­del­bach, die sich ohne grö­ße­re Schwie­rig­kei­ten dem strom­li­ni­en­för­mi­gen Wis­sen­schafts­be­trieb anpas­sen konn­ten, son­dern auch Ein­zel­gän­ger wie der Phi­lo­soph Karl Heinz Haag, der nach dem Tod Ador­nos im Jah­re 1969 von Hork­hei­mer zum Nach­fol­ger als Insti­tuts­di­rek­tor aus­er­ko­ren wur­de, es jedoch vor­zog, dem aka­de­mi­schen Betrieb den Rücken zu keh­ren und auf sei­ne Pen­si­ons­an­sprü­che zu ver­zich­ten, um vier­zig Jah­re lang bis zu sei­nem Tod 2011 in sei­ner Woh­nung in Fran­k­­furt-Höchst als wis­sen­schaft­li­cher Ere­mit zu leben, wo er mit einer außer­or­dent­li­chen Radi­ka­li­tät gegen den Kon­for­mis­mus der »herr­schen­den Maß­stä­be« oppo­nier­te und sich dem »Risi­ko äußers­ter Ein­sam­keit« aus­setz­te.44 Der reni­ten­te Geist aus der Fla­sche ie Kehr­sei­te der Medail­le der Erret­tung der »Kri­ti­schen Theo­rie« in der Bun­des­re­pu­blik, als die ver­bor­ge­nen Schrif­ten der Theo­rie-Begrün­­der in Form von Fla­schen­pos­ten aus dem Schlick der Bar­ba­rei gebor­gen wur­den, war die tech­no­kra­ti­sche Ver­wand­lung der Kri­tik in aka­de­mi­sche Pro­zess­be­schrei­bun­gen.45 Die genann­ten Autoren der Dia­lek­tik der Auf­klä­rung (Ador­no und vor allem Hork­hei­mer) wider­setz­ten sich lan­ge der Neu­pu­bli­ka­ti­on ihrer Schrif­ten aus dem Exil. Als der Geist schließ­lich wie­der aus der Fla­sche gelas­sen wor­den war, hader­ten sie mit den Resul­ta­ten. In den »Fla­schen­pos­ten« waren kei­ne Anlei­tun­gen für die Ein­rich­tung einer bes­se­ren Welt ent­hal­ten, und die Kos­tü­mie­rung von Karl Marx als mili­tan­ten Kri­ti­ker der »kri­ti­schen Kri­tik« war für Ador­no ledig­lich ein »Blind­gän­ger« der hyper­re­vo­lu­tio­nä­ren Student*innen-Bewegung, die sich in gro­tes­ken Ver­klei­dun­gen und Toten­be­schwö­run­gen selbst ins ideo­lo­gi­sche Nir­wa­na kata­pul­tier­te.46 »Wäh­rend der sech­zi­ger Jah­re, zur Zeit der Stu­den­ten­pro­tes­te«, heißt es in einer Jubi­lä­ums­schrift zum vier­zig­jäh­ri­gen Geburts­tag des Buches Dia­lek­tik der Auf­klä­rung, »wur­de es unver­se­hens zunächst zu einem Geheim­tip, dann wur­de es als einer der ers­ten Foto­­­ko­pi­en-Rau­b­­dru­­cke gehan­delt. Biblio­phi­le zahl­ten bald dar­auf für ein Ori­gi­nal­ex­em­plar des Drucks bis zu 600 DM, für ein Exem­plar des bereits 1944 hek­to­gra­phier­ten Typo­skripts mehr als das Vier­fa­che – iro­nisch genug für ein Buch, das eine Kri­tik der Tausch­ge­sell­schaft ent­hält.«47 Im Lau­fe der Jah­re geriet die von Hork­hei­mer und Ador­no Sprach­kri­tik im stu­den­ti­schen Milieu nicht nur in Frank­furt zum »denk­frei­en« Jar­gon, der vor allem die Auf­ga­be hat­te, die »Sprecher*innen« als Zuge­hö­ri­ge zum Klub aus­zu­wei­sen. Mit Recht kri­ti­sier­te Jean Amé­ry die­se »Jar­go­ni­sie­rung« des kri­ti­schen Dis­kur­ses als »Tief­schwät­ze­rei« (ein Begriff, den er Hein­rich Manns Zola-Essay ent­lehn­te). »Die­ser Jar­gon«, womit sich Amé­ry auf Ador­nos Essay Jar­gon der Eigent­lich­keit bezog, »hat sich par­odiert in der von Ador­no ange­führ­tern pseu­do­dich­te­ri­schen Blut-und Boden-Betu­lich­keit«.48 Am Ende schau­der­te Ador­no selbst vor sei­nen Nachfolger*innen, die im Namen der Anti-Auto­ri­­tä­­ren neue Auto­ri­ta­ris­men auf­bau­ten und sich als »Vir­tuo­sen der Geschäfts­ord­nun­gen und for­ma­len Pro­ze­du­ren« auf­spiel­ten. »Die eige­ne Rele­vanz über­schät­zen sie nar­ziß­tisch«, heißt es in einem letz­ten Text vor sei­nem Tod im August 1969, »ohne zurei­chen­den Sinn für Pro­por­tio­nen.«49 Phan­to­me der anti­qua­ri­schen Gelehr­sam­keit elb­st sein vor­geb­li­cher »Lieb­lings­schü­ler« Hans Jür­gen Krahl – ein viel­fach ver­klär­ter James Dean des SDS-Auf­­­be­­geh­­rens in den spä­ten 1960er-Jah­­ren – war in ers­ter Linie ein sich selbst über­schät­zen­der Meta­po­li­ti­ker, des­sen Ori­gi­na­li­tät sich dar­in erschöpf­te, die Schatz­tru­he der »Kri­ti­schen Theo­rie« zu plün­dern und in einem mög­lichst unver­ständ­li­chen mar­xi­ko­lo­gi­schen Argot unter das phan­tom­haft blei­ben­de revo­lu­tio­nä­re Sub­jekt zu brin­gen. Krahl und sei­ne Nachfolger*innen begrif­fen die Intel­lek­tu­el­len in ers­ter Linie als Erfüllungsgehilf*innen in einem ima­gi­nä­ren, leni­nis­tisch gepräg­ten revo­lu­tio­nä­ren Pro­jekt von Akti­on und Orga­ni­sa­ti­on, in dem (wie Krahl in sei­ner gro­tes­ken Hor­k­hei­­mer-als-Leni­­nist-Ver­­­kör­­pe­rung aus­rief) »bür­ger­li­che Kri­tik am pro­le­ta­ri­schen Kampf eine logi­sche Unmög­lich­keit« sei.50 Das Ver­ständ­nis der neu her­auf­zie­hen­den Gesell­schaft war sowohl dem Erfin­der der »Kri­ti­schen Theo­rie« als auch sei­nem selbst ernann­ten Nach­fol­ger fremd. Für Hork­hei­mer redu­zier­ten sich – in Anleh­nung an die Dys­to­pien von Aldous Hux­ley und Geor­ge Orwell in den 1930er- und 1940er-Jah­­ren – die Indi­vi­du­en in einer »auto­ma­ti­sier­ten Gesell­schaft« auf eine Spe­zi­es von »belie­big aus­wech­sel­ba­ren Auto­ma­ten«, deren intel­lek­tu­el­le Fähig­keit sich auf die Ord­nung von Daten und Infor­ma­tio­nen redu­zie­re. »Die Mensch­heit wird zur Gat­tung wie die Amei­sen und Bie­nen«, lau­te­te das Resü­mee Hork­hei­mers im Jah­re 1970.51 Im glei­chen Jahr (in sei­nem Todes­jahr) schwa­dro­nier­te Krahl über eine »basis­ver­an­ker­te Demo­kra­tie« auf Basis einer »elek­­tro­­nisch-kyber­­ne­­tisch und infor­ma­ti­ons­theo­re­tisch bestimm­ten Tech­no­lo­gie«, die von einer »poli­ti­schen Par­tei« den Weg in einen nicht-auto­ri­­tä­­ren Sozia­lis­mus gewie­sen bekom­men soll. Die­ses Phan­tom habe »die Wider­sprü­che klar auf­zu­zei­gen und Lösungs­vor­schlä­ge offen und öffent­lich zu dis­ku­tie­ren.«52 In den 1970er-Jah­­ren arbei­te­te – berich­tet Spä­ter – das Insti­tut im Auf­trag der von der SPD geführ­ten Bun­des­re­gie­rung an einer Stu­die über den Com­­pu­­ter-Ein­­satz in der Stahl- und Finanz­in­dus­trie, wobei es – im Jar­gon der Zeit – um die »For­men der Tausch- und Arbeits­abs­trak­ti­on« ging, nicht aber um die Gefah­ren und Mög­lich­kei­ten der Digi­ta­li­sie­rung der Arbeits­welt, die – wie Spä­ter es nennt – »mit mar­xis­ti­schem Besteck« seziert wur­de.53 Es war jedoch auch – sowohl intel­lek­tu­ell als auch sprach­lich – der Rück­sturz in die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Ära, wo mit »ver­al­te­tem Phra­sen­kram«54 (wie Marx in der »Kri­tik des Gotha­er Pro­gramms« schrieb) die herr­schen­den Zustän­de dra­piert wur­den, jedoch nie­mals der Ver­such unter­nom­men wur­de, die »Kri­ti­sche Theo­rie« auf Medi­en- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men des aus­ge­hen­den 20. Jahr­hun­derts jen­seits von Ber­tolt Brecht und Wal­ter Ben­ja­min anzu­wen­den. Statt­des­sen erstarr­ten die spä­ten Adep­ten der »Frank­fur­ter Schu­le« im Immer­glei­chen der ideo­lo­gi­schen Tra­di­ti­on.55 Spä­ter bezeich­net die urban-intel­­lek­­tu­el­­len Ter­ri­to­ri­en Frank­furts in jener Deka­de als »ver­blü­hen­de Land­schaf­ten«. Ador­no sei zu einem Frank­fur­ter Mar­ken­ar­ti­kel gewor­den, zu einem jener Kin­der der Stadt in Nach­fol­ge Goe­thes, Aus­stel­lungs­ob­jek­te des kul­tu­rel­len Kapi­tals einer rea­li­ter aus­ge­zehr­ten Stadt­ge­sell­schaft. »Am Ende des Jahr­zehnts wur­de Ador­no mehr zitiert als stu­diert«56, kon­sta­tiert der His­to­ri­ker. In einem Cha­os aus Pas­sa­gen und Arka­den ereits in den 1960er-Jah­­ren ent­flamm­te unter den Adept*innen und Kritiker*innen der »Frank­fur­ter Schu­le« ein mit har­ten Ban­da­gen geführ­ter Kampf um die Schrif­ten und den Nach­lass Wal­ter Ben­ja­mins, der für die intel­lek­tu­el­le Gene­ra­ti­on der 1968er eine Art spi­ri­tu­el­ler Che Gue­va­ra der Vor­zeit war. Bereits in der Zeit des Exils war ein Streit unter Emigrant*innen aus­ge­bro­chen, wobei dem »Insti­tut für Sozi­al­for­schung« (vor allem Hork­hei­mer und Ador­no) vor­ge­wor­fen wur­de, sie hät­ten den asso­zi­ier­ten Mit­glie­dern Wal­ter Ben­ja­min und Sieg­fried Kra­cau­er (die in Süd­frank­reich auf eine Flucht in die USA war­te­ten) nicht aus­rei­chen­de Unter­stüt­zung zukom­men las­sen und ihre Tex­te für die Zeit­schrift für Sozi­al­for­schung zen­siert.57 Vor allem Han­nah Are­ndt sah sich als Räche­rin Ben­ja­mins, des­sen Selbst­mord in den Pyre­nä­en sie Ador­no anlas­te­te, der im April 1939 mit der Ableh­nung der ers­ten Fas­sung des Bau­­de­­lai­­re-Auf­­­sa­t­­zes Ben­ja­min einen »Stoß« ver­setzt habe, sodass er den Ein­druck gehabt habe, sei­ne Über­sied­lung nach den USA sei unmög­lich gewor­den.58 Die Kon­kur­renz und Feind­schaft unter den Emigrant*innen setz­te sich in der Nach­kriegs­zeit fort, als Ador­no und sein Edi­ti­ons­exper­te Rolf Tie­de­mann unter per­ma­nen­ten Beschuss von den »wah­ren« und »lin­ken« Benjamin-Jünger*innen (die sich zum einen unter dem Ban­ner der aka­­de­­misch-mar­xis­­ti­­schen Zeit­schrift alter­na­ti­ve ver­sam­mel­ten und zum ande­ren von der »sub­si­dier­ten Wis­sen­schaft« der »Foun­da­ti­ons« ali­men­tiert wur­den). Nach dem Tod Ador­nos kapri­zier­ten sich die aka­de­mi­schen Ben­­ja­­min-Rackets in ihren oft maß­lo­sen, hin­ter­häl­ti­gen Angrif­fen auf die Herausgeber*innen Rolf Tie­de­mann, Her­mann Schwep­pen­häu­ser und Hel­la Tie­­de­­mann-Bartels. »Für all die Kri­ti­ker aus der Neu­en Lin­ken, die Ador­no nicht als Ret­ter, Samm­ler und Archi­var, son­dern als Mani­pu­la­tor, Mono­po­lis­ten und Fäl­scher des Erbes wahr­nah­men«, schreibt Spä­ter, »galt Tie­de­mann natür­lich längst als des­sen Kom­pli­ze.«59 Die Edi­ti­on von Ben­ja­mins Gesam­mel­ten Schrif­ten erschien zwi­schen den Jah­ren 1974 und 1989 unter einem – auch mensch­lich – hohen Preis, mit vie­len Ver­let­zun­gen und Zer­mür­bun­gen. Detail­reich zeich­net der His­to­ri­ker Robert Pur­sche in sei­nem Buch Umkämpf­tes Nach­le­ben (2024) die mili­tan­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen den geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen und ideo­lo­gi­schen Frak­tio­nen nach, wobei er Tie­de­mann in einer Rol­le eines Gene­rals sieht, der »den phi­lo­lo­gi­schen Bar­ri­ka­den­kampf an vor­ders­ter Front« füh­ren soll­te.60 Es ist tra­gisch, dass nach dem Ende der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ter­ror­herr­schaft und der Restau­ra­ti­on alter aka­de­mi­scher Seil­schaf­ten des Nazi-Regimes über die Publi­ka­ti­on des Nach­las­ses von Ador­no und Ben­ja­min (wie Juan Goy­tiso­lo in einem ande­ren Kon­text schrieb) eine »auf­ge­setz­te Erre­gung und Unru­he« her­ein­brach, »ein Kli­ma dump­fer undeut­li­cher Angst, zivi­le Zwie­tracht, heim­lich ver­teil­te Pro­pa­gan­da, ritu­el­le Erwäh­nung von Gemet­zeln«.61 Ohne Tie­de­manns auf­op­fe­rungs­vol­les Enga­ge­ment (auch wenn dies pathe­tisch klin­gen mag) hät­te es die gro­ßen Edi­tio­nen von Ador­no und Ben­ja­min nicht gege­ben, und die­se Leis­tung wird auch zuneh­mend aner­kannt: Tie­de­mann war nicht allein »Die­ner« von Ador­no und Ben­ja­min, son­dern – wie Dirk Braun­stein in einer Remi­nis­zenz unter Beru­fung auf den Ador­­no-For­­scher Robert Hul­­lot-Ken­­tor schreibt – ein begna­de­ter Edi­tor, der das »Frag­ment« der Ästhe­ti­schen Theo­rie Ador­nos der Nach­welt in les­ba­rer Form hin­ter­ließ.62 In Spä­ters Ver­si­on erscheint Tie­de­mann jedoch wie ein phi­lo­lo­gi­scher Ber­ser­ker, der nicht allein gegen sei­ne Widersacher*innen und Kontrahent*innen im aka­de­mi­schen und ver­le­ge­ri­schen Betrieb ankämpf­te, son­dern auch die eige­ne Ehe und Fami­lie rui­nier­te. Der »schein­selb­stän­di­ge Tie­de­mann ver­schanz­te sich mehr und mehr in der Ador­­no-Ben­­ja­­min-Burg und beäug­te von ihren Zin­nen das Heer der Fein­de und Stüm­per vor ihren Toren«, heißt es bei Spä­ter. »Ab und zu schleu­der­te er eine Tira­de in geschlif­fe­ner For­mu­lie­rung hin­un­ter, dann ver­grub er sich wie­der und leck­te sei­ne Wun­den.«63 Dabei unter­schlägt Spä­ter die neo­li­be­ra­len Ent­wick­lun­gen des wis­sen­schaft­li­chen Betrie­bes in den 1980er- und 1990er-Jah­­ren, in deren Ver­lauf Ein­rich­tun­gen geschlos­sen oder zusam­men­ge­legt wur­den, zumut­ba­re Stu­di­en­be­din­gun­gen nicht vor­han­den waren und im Win­ter­se­mes­ter 1988/89 im Rah­men des »UniMUT«-Streiks der Ver­such einer stu­den­ti­schen Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on unter­nom­men wur­de. Wäh­rend ein Groß­teil der Leh­ren­den und Professor*innen sich zwi­schen Resi­gna­ti­on und Kon­for­mis­mus im uni­ver­si­tä­ren Betrieb ein­rich­te­te und die eige­ne aka­de­mi­sche Kar­rie­re ver­folg­te, beglei­te­te die Ador­­no-Schü­­le­rin Hel­la Tie­de­mann ihre Student*innen mit Empa­thie und Auf­mun­te­rung in wenig hoff­nungs­vol­len Zei­ten. Sie trug nicht nur die Fackel der »Kri­ti­schen Theo­rie« wei­ter, son­dern auch das Inter­es­se der Leh­ren­den für ihre Schüler*innen – wie es bei­spiels­wei­se in den Brie­fen Theo­dor W. Ador­nos an Eli­sa­beth Lenk zum Aus­druck kam (»Aller­herz­lichst wie stets Ihr Ted­die Ador­no«).64 »Im Zen­trum ihrer Leh­re stand nicht das Dozie­ren« schrieb der Autor Lothar Mül­ler in sei­nem Nach­ruf, »son­dern das fra­gen­de Auf­schlie­ßen von Tex­ten, bei dem ihre Freund­lich­keit und ihr cha­rak­te­ris­ti­sches Lachen kei­ner­lei Abzug an gedank­li­cher Stren­ge ent­hielt. Damit hat sie als eine jener Figu­ren, deren Bedeu­tung sich an ihrem insti­tu­tio­nel­len Gewicht nicht ermes­sen lässt, Gene­ra­tio­nen von Stu­die­ren­den geprägt.«65 Ver­lo­ren auf der Schol­le ährend die »Kri­ti­sche Theo­rie« in Frank­furt zuneh­mend ver­dorr­te, such­ten pro­mi­nen­te, aber vom Frank­fur­ter Betrieb aus­ge­schlos­se­ne Schüler*innen von Ador­no und Hork­hei­mer wie Oskar Negt, Her­mann Schwep­pen­häu­ser, Det­lev Claus­sen, Eli­sa­beth Lenk und ande­re im Zuge der Bil­dungs­re­form in den 1970er-Jah­­ren aus­ge­bau­ten Hoch­schu­len und Uni­ver­si­tä­ten in Nie­der­sach­sen (Han­no­ver und Lüne­burg) aka­de­mi­schen Unter­schlupf. Es war eine »umge­kehr­te Wüs­ten­wan­de­rung«, wie sie Hans Jür­gen Krahl in sei­nen »Anga­ben zur Per­son« 1969 in einer Pro­zesserklä­rung zu Pro­to­koll gege­ben hat­te – aus dem ver­gleichs­wei­se libe­ra­len Frank­furt in Land­schaf­ten der »fins­te­ren Pro­vinz«, in denen vor nicht lan­ger Zeit KZ-Häf­t­­lin­­ge auf Todes­mär­schen aus dem Harz in die Hei­de getrie­ben wur­den und wo immer noch Insi­gni­en der »völ­ki­schen Land­nah­me« in Form der »Wolfs­an­gel« der »Hei­mat­treu­en« zu fin­den sind.66 Viel­leicht war die Flucht zurück in die Wüs­te ein auf­klä­re­ri­sches Pro­jekt, wie es Les­sing im Nathan arti­ku­lier­te: »Ich fürch­te, grad unter Men­schen möch­test du ein Mensch zu sein ver­ler­nen.«67 Ob es aller­dings aus­ge­rech­net in der nie­der­säch­si­schen Step­pe gelin­gen konn­te, muss­te offen­blei­ben. In Han­no­ver woll­te Oskar Negt, schrieb Spä­ter in einem Nach­ruf, »vor den Werks­to­ren von VW, Han­o­mag und Con­ti­nen­tal ein gal­li­sches Dorf errich­ten, das mit dem Zau­ber­trank der kri­ti­schen Theo­rie dem Groß­in­dus­trie­ka­pi­tal Paro­li bie­ten wür­de. Der Ver­such, Marx wis­sen­schaft­lich in die Bun­des­re­pu­blik ein­zu­bür­gern, gelang zwar durch­sus, doch der Anspruch der Kri­ti­schen Theo­rie, mehr als eine aka­de­mi­sche Ange­le­gen­heit zu sein, konn­te ›Han­no­ver‹ nicht erfül­len.«68 »Uner­müd­lich wie ein Maul­wurf grub sich Oskar Negt durch immer neue Erd­schich­ten, wel­che die fal­sche Gesell­schaft unter dem Zwang kapi­ta­lis­ti­scher Pro­duk­ti­ons­wei­se von der wirk­li­chen Frei­heit trenn­ten«, beschreibt Spä­ter Negts wis­sen­schaft­li­che Tätig­keit in Han­no­ver, über dem auch immer die pie­tis­ti­sche Trau­rig­keit Anton Reisers hing. »Sei­ne Schlüs­sel­be­grif­fe trans­por­tier­ten das pro­tes­tan­ti­sche Arbeits- und Gewis­sens­ethos in die links­so­zia­lis­ti­schen und gewerk­schaft­li­chen Milieus der Bun­des­re­pu­blik: sozia­les Ler­nen, Erin­ne­rungs­ar­beit, Ver­ar­bei­tung von kol­lek­ti­ven Erfah­run­gen, Schu­lung des poli­ti­schen Bewusst­seins, poli­ti­sche Gedan­ken­ar­beit, Werk­stät­ten der Ver­nunft.«69 In der Lüne­bur­ger Pro­vinz spiel­te Schwep­pen­häu­ser als letz­ter Bür­ger und letz­tes Genie die Rol­le des Ador­no, »wur­de sei­nem Idol immer ähn­li­cher und erhielt dafür war­men Bei­fall«. »Frank­fur­ter« Urba­ni­tät und Bil­dung waren für Ador­no untrenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­den. »Kei­nem Men­sche­nist es vor­zu­hal­ten, daß er vom Lan­de stammt«, führ­te er 1961 in einem Vor­trag vor Frank­fur­ter Student*innen aus, »aber auch kei­ner dürf­te dar­aus sich ein Ver­dienst machen und dabei behar­ren; wem die Eman­zi­pa­ti­on von der Pro­vinz miß­glück­te, der steht zur Bil­dung exter­ri­to­ri­al.«70 Mit dem Pro­jekt der »Ent­pro­vin­zia­li­sie­rung« (das Ador­no als Fun­da­ment der Intel­lek­tu­el­len und der Gesell­schafts­kri­tik begriff71 rekur­rier­te er auf den kos­mo­po­li­ti­schen Cha­rak­ter der »Kri­ti­schen Theo­rie« und der »Frank­fur­ter Schu­le«, als sie sich im Som­mer 1923 in der »ers­ten maxis­ti­schen Arbeits­wo­che« in Ilmen­au in Thü­rin­gen kon­sti­tu­ier­te72. Mit der Ver­streu­ung der kri­ti­schen Geis­ter in der Pro­vinz muss­te sich das »Pro­jekt« der »Kri­ti­schen Theo­rie« das Schei­tern ein­ge­ste­hen. In der media­len Wahr­neh­mung reprä­sen­tier­te das fusio­nier­te, mit »Exzel­lenz­ka­pi­tal« auf­ge­la­de­ne aka­de­mi­sche Unter­neh­men von Haber­mas & Schnä­del­bach die nicht mehr »kri­ti­sche Theo­rie«, wäh­rend in der pro­vin­zi­el­len Land­schaft der Lüne­bur­ger Hei­de selbst erklär­te Adep­ten der »Kri­ti­schen Theo­rie« wie Wolf­gang Pohrt und Eike Gei­sel zuvör­derst als post­lin­ke Abbruch­un­ter­neh­mer fun­gier­ten. Im Gegen­satz zu Alfred Schmidt, Rolf und Hel­la Tie­de­mann oder Kurt und Eli­sa­beth Lenk ver­moch­ten sie kei­nen genui­nen Bei­trag zur »Kri­ti­schen Theo­rie« zu lie­fern. Die intel­lek­tu­el­len Wüte­ri­che Pohrt & Gei­sel fan­den als publi­zis­ti­sche Gue­ril­la­krie­ger im links­ra­di­ka­len Milieu der 1980er-Jah­­re ihr Publi­kum und ihr Aus­kom­men, konn­ten mit ihren immer glei­chen Pro­vo­ka­tio­nen den media­len Markt bedie­nen und sich als »auto­ri­tä­re Cha­rak­ter­ty­pen«73 insze­nie­ren, die in öffent­li­chen Vor­trä­gen vor allem auf ihre Frei­heit des Niko­tin­kon­sums poch­ten. In stets wie­der­keh­ren­den Auf­güs­sen wird Pohrt als letz­ter authen­ti­scher Jün­ger Ador­nos prä­sen­tiert, der vor dem Publi­kum zu Pro­to­koll gab, dass Ador­no »das letz­te Wort des kri­ti­schen Den­kens sei­ner Epo­che« gespro­chen habe, das »weder erwei­te­rungs­fä­hig noch ergän­zungs­be­dürf­tig« sei.74 War­um gibt aber sein Nach­lass­ver­wal­ter Klaus Bit­ter­mann seit Jah­ren immer neue Antho­lo­gien und Bän­de sei­nes ver­stor­be­nen Autors Pohrt her­aus, der schon in den 1980er-Jah­­ren nichts Neu­es zum kri­ti­schen Den­ken bei­tra­gen konn­te? Wenn von Ador­no (den Pohrt – trotz der erzwun­ge­nen Emi­gra­ti­on und zahl­rei­chen Anfein­dun­gen im Nach­kriegs­deutsch­land – als »Glücks­pilz« cha­rak­te­ri­siert) »das letz­te Wort des kri­ti­schen Den­kens sei­ner Epo­che« stammt, könn­te man sich (gleich Karl Heinz Haag) wie ein Büche­re­re­mit mit den Gesam­mel­ten Schrif­ten aus der Pro­duk­ti­on von Suhr­kamp und S. Fischer in die Biblio­thek zurück­zie­hen und die »Kri­ti­sche Theo­rie« gedank­lich von der einen zur ande­ren Sei­te wäl­zen, ob man nun im »Hegel­schen« oder »Hes­si­schen« bewan­dert ist. Das Mias­ma des Auto­ri­tä­ren päter fei­ert Pohrt als »intel­lek­tu­ell Hoch­be­gab­ten«, als »jun­gen, zor­ni­gen Mann«, den es auf eine Assis­ten­ten­stel­le an der Päd­ago­gi­schen Hoch­schu­le Lüne­burg ver­schlug und sich stän­dig durch medi­al genau kal­ku­lier­te Pro­vo­ka­tio­nen als Außen­sei­ter im Sti­le eines intel­lek­tu­el­len, ger­ma­ni­schen Cou­sins von Mick Tra­vis aus Lind­say Ander­sons gleich­na­mi­ger Tri­lo­gie über Revol­te und Anpas­sung (1968–1982) gerier­te.75 Hämisch dozier­te Pohrt über die »inte­grier­ten Sozi­al­fäl­le« der ergrau­ten »Neu­en Lin­ken«, wäh­rend er als aso­zia­ler Despe­ra­do die RAF als ein­zig authen­ti­sche deut­sche Wider­stands­grup­pe mytho­lo­gi­sier­te, ohne sich die­sem Unter­gangs­kol­lek­tiv anzu­schlie­ßen, bis die eige­ne nar­ziss­ti­sche »Ich-AG« schließ­lich als Pfle­ge­fall ende­te.76 Pohrt ver­harr­te in dog­ma­ti­scher Recht­ha­be­rei, wüte­te als reni­ten­ter Klein­bür­ger im »Gefan­ge­nen­la­ger des Extrems« (um einen Begriff Peter Brück­ners zu ver­wen­den), umge­ben vom Ver­we­sungs­ge­ruch alter Auto­ri­tä­ten. Ana­log zur mili­ta­ris­ti­schen Gue­ril­la der RAF bil­de­ten Pohrt und ande­re selbst­er­klär­te Erben Ador­nos einen intel­lek­tu­el­len »Despe­ra­do­trupp«, der »den Men­schen nur grau­si­ge Ver­küm­me­rung und stil­les Sie­chen« gestat­te­te.77 »Die am hef­tigs­ten pro­tes­tie­ren, glei­chen den auto­ri­täts­ge­bun­den Cha­rak­te­ren in der Abwehr von Intro­spek­ti­on«, dia­gnos­ti­zier­te Ador­no kurz vor sei­nem Tod; »wo sie sich mit sich beschäf­ti­gen, geschieht es kri­tik­los, rich­tet sich unge­bro­chen, aggres­siv nach außen.«78 Intel­lek­tu­el­le Abde­cke­rei usdruck der intel­lek­tu­el­len Sta­gna­ti­on der Nach­ge­bo­re­nen ist das Ein­rich­ten im Bestehen­den. Wäh­rend die gut recher­chier­ten und ele­gant geschrie­be­nen Geschich­ten der »Kri­ti­schen Theo­rie« oder »Frank­fur­ter Schu­le« von Len­hard und Spä­ter »Leucht­tür­me« in der aktu­el­len Geschichts­schrei­bung sind, bleibt die vor­geb­lich »bahn­bre­chen­de« Stu­die Der non­kon­for­mis­ti­sche Intel­lek­tu­el­le des Sozi­al­wis­sen­schaft­lers Alex Demi­ro­vić (die in einer – vom Nach­wort und eini­gen Lite­ra­tur­an­ga­ben abge­se­hen – unver­än­der­ten Neu­auf­la­ge des Buches aus dem Jah­re 1999 repu­bli­ziert wur­de) ein aka­de­mi­scher Back­stein, der auf knapp 800 Sei­ten nicht ledig­lich per­ma­nent einen »Ekel am Text« durch einen ideo­lo­gi­schen »Sprach­schaum« (um einen Aus­druck von Roland Bar­thes zu ver­wen­den) her­vor­ruft, son­dern auch – obwohl sich der Autor in die Hor­k­hei­­mer-Tra­­di­­ti­on stellt – die Spra­che auf die »For­men des aka­de­mi­schen Rackets« redu­ziert, in der Begrif­fe wie Erken­nungs­mar­ken ver­wen­det wer­den (»Intel­lek­tu­el­le und ihre Pra­xis: Theo­re­ti­sche Gesichts­punk­te für eine Ana­ly­se der Kri­ti­schen Theo­rie«, beti­telt der Racket-Sekre­­tär sei­ne Ein­lei­tung).79 Weder ver­mag Demi­ro­vić mit sei­ner sich am Ran­de der Unles­bar­keit und im aka­de­mi­schen Zeit­geist der 1990er-Jah­­re (in der Linie von Rosa Luxem­burg über Anto­nio Gramsci bis zu Fred­ric Jame­son) bewe­gen­den Stu­die neue Erkennt­nis­se zu den Arbei­ten von Mar­tin Jay oder spä­te­ren Historiker*innen der »Frank­fur­ter Schu­le« wie Miri­am Bra­tu Han­sen oder Rus­sell Jaco­by bei­zu­steu­ern noch kann er die Rol­le des »non­kon­for­mis­ti­schen Intel­lek­tu­el­len« in der von ana­lo­gen und digi­ta­len Medi­en ver­än­der­ten sozia­len Bedin­gun­gen ana­ly­sie­ren. In der Sta­sis des »unver­än­der­ten« aka­de­mi­schen Back­steins bleibt es seit mehr als einem Vier­tel­jahr­hun­dert, wie es ist.80 Demi­ro­vićs »non­kon­for­mis­ti­sche Intel­lek­tu­el­le« in der »geför­der­ten Wis­sen­schaft« sind die post­mo­der­ne Vari­an­te der »Hig­h­­brow-Intel­­lek­­tu­el­­len«, die Ador­no bereits in den spä­ten 1940er-Jah­­ren in den USA kari­kier­te. »Der Ehr­geiz geht allein dar­auf, im akzep­tier­ten Vor­rat sich aus­zu­ken­nen, die kor­rek­te Paro­le zu tref­fen«, schrieb er in den Mini­ma Mora­lia. »Das Außen­sei­ter­tum der Ein­ge­weih­ten ist Illu­si­on und blo­ße War­te­zeit.«81 Wis­sen­schaft ist blo­ße Appa­ra­tur, tech­no­lo­gi­sche Beherr­schung des Immer­glei­chen, die kri­ti­sche Intel­lek­tu­el­le wie Her­bert Mar­cu­se oder C. Wright Mills zu Beginn der 1940er-Jah­­re als Reak­ti­on auf den »büro­kra­ti­schen Kol­lek­ti­vis­mus« und die Pro­pa­gan­da der »Mana­­ger-Revo­lu­­ti­on« von ehe­mals lin­ken Intel­lek­tu­el­len wie James Burn­ham oder Max Shacht­man kri­ti­sier­ten (ana­log zur Kon­ver­si­on von »anti­deut­schen Lin­ken«, die aus der Kon­kurs­mas­se der »Neu­en Lin­ken« wie dem Kom­mu­nis­ti­schen Bund den Weg zur natio­na­lis­ti­schen Rech­ten fan­den).82 Demi­ro­vić reprä­sen­tiert jenen Typus des aka­de­mi­schen Intel­lek­tu­el­len, den Rus­sell Jaco­by bereits in den 1970er-Jah­­ren als Abhub des »kon­for­mis­ti­schen Mar­xis­mus« und spä­ter als Repräsent*innen eines aka­de­mi­schen Ennuis unter dem Signum einer will­fäh­ri­gen Post­mo­der­ne cha­rak­te­ri­sier­te (wobei sich die Zei­ten unter der Herr­schaft von Trump II ekla­tant ver­än­dert haben).83 Dia­lek­ti­sche Epi­lo­ge­me­na n einer Welt, die zuneh­mend von Auto­ri­ta­ris­mus, Anti­se­mi­tis­mus, Ras­sis­mus und Faschis­mus bis in die höchs­ten Ebe­nen der poli­ti­schen und öko­no­mi­schen Instan­zen bestimmt wird, bleibt das poli­ti­sche Poten­zi­al der selbst ernann­ten Nach­lass­ver­wal­ter der »Kri­ti­schen Theo­rie« oder »Frank­fur­ter Schu­le« vage und gestalt­los. Erst unlängst bemerk­te der Wie­ner Publi­zist Robert Misik mit Blick auf die Stu­die Pro­phe­ts of Deceit (dt. Fal­sche Pro­phe­ten) von Leo Löwen­thal und Nor­bert Guter­man aus dem Jah­re 1949, es »bis heu­te wenig an Gesell­schafts­theo­rie rech­ter Bewe­gun­gen« gebe, das die Arbei­ten der »Hor­k­hei­­mer-Grup­­pe« über­tref­fe.84 »Das Unheim­li­che am Anti­se­mi­tis­mus ist sei­ne Per­sis­tenz«, schreibt der Sozio­lo­ge Hemut Dah­mer, ein Schü­ler von Hork­hei­mer und Ador­no, im Nach­wort zu dem von Ernst Sim­mel erst­mals im Jah­re 1946 her­aus­ge­ge­be­nen Dis­kus­si­ons­band über Anti­se­mi­tis­mus und Mas­­sen-Psy­cho­­pa­­tho­­lo­­gie (er basiert auf einem Anti­­se­­mi­­tis­­mus-Sym­­­po­­si­on im Juni 1944 in San Fran­cis­co). »Er impo­niert als eine Inva­ri­an­te: Allen­falls die Erschei­nungs­form des Juden­has­ses wan­delt sich, das Unwe­sen selbst aber bleibt.«85 In sei­nem Buch Escape from Free­dom schrieb Erich Fromm (in den 1930er-Jah­­ren ein enger Mit­ar­bei­ter Hork­hei­mers am Insti­tut für Sozi­al­for­schung und spä­ter ein schar­fer Kri­ti­ker von Her­bert Mar­cu­se): »Als der Faschis­mus an die Macht kam, waren die meis­ten Men­schen unvor­be­rei­tet – sowohl theo­re­tisch als auch prak­tisch.«86 Ange­sichts der jüngs­ten anti­de­mo­kra­ti­schen Angrif­fe und Akte ras­sis­ti­schen Ter­rors blei­be es offen, schreibt Roger Frie in sei­ner Fromm-Stu­­die Edge of Cata­stro­phe, »ob demo­kra­ti­sche Insti­tu­tio­nen tat­säch­lich ein aus­rei­chen­des Boll­werk gegen die­se Arten des rechts­extre­men Auto­ri­ta­ris­mus, Anti­se­mi­tis­mus und Ras­sen­has­ses bie­ten kön­nen, die wir heu­te beob­ach­ten«.87 Die selbst ernann­ten »Erben Ador­nos« über­wa­chen »kri­tisch«, dass kein Miss­brauch mit den Hin­ter­las­sen­schaf­ten der zer­brö­ckeln­den »Frank­fur­ter Schu­le« betrie­ben wer­de. Für sie ist Ador­no »ein letz­tes Genie«, das »das letz­te Wort des kri­ti­schen Den­kens sei­ner Epo­che« sprach – und danach kann nichts mehr kom­men.88 Die »radi­ka­len« Erben echauf­fier­ten sich laut­hals über die aka­de­misch vor­an­ge­trie­be­ne »Ent­ak­tua­li­sie­rung und Ent­po­li­ti­sie­rung« und schwa­dro­nier­ten als »Prak­ti­zis­ten« in den Net­­scha­­jew-Kos­­tü­­men (die ande­re zur Mili­tanz auf­rie­fen, aber selbst davor zurück­schreck­ten) über »Nutz­lo­sig­keit und Fol­gen­lo­sig­keit«.89 Im abs­trak­ten Jar­gon, der in sei­ner Imi­ta­ti­on so gro­tesk wie eine simp­le KI-Gene­ra­­ti­on wirkt, wird die »Dia­lek­tik der Auf­klä­rung« noch ein­mal vom geleh­ri­gen Schü­ler wie von einem »Tremu­lan­ten des Jar­gons«90 auf­be­rei­tet. »Die Kul­tur­in­dus­trie, die aus der Zir­ku­la­ti­ons­sphä­re ent­stand«, schreibt der Krahl-Adla­­tus Det­lev Claus­sen in sei­nem Buch Gren­zen der Auf­klä­rung, »tota­li­siert sich und ent­eig­net das indi­vi­du­el­le Bewußt­sein. Dadurch wer­den in ihr die Cha­rak­ter­mas­ken pro­du­ziert, die sich auch von tra­di­tio­nel­ler Ideo­lo­gie im Sin­ne not­wen­dig fal­schen Bewußt­seins unter­schei­den.«91 Im wabern­den »Sprach­schaum« sug­ge­riert der »Jar­go­naut« der »Kri­ti­schen Theo­rie« geis­ti­ge und sprach­li­che Tie­fe, ohne auch nur kon­kre­te Ele­men­te der »Kul­tur­in­dus­trie« zu benen­nen, die zur Ent­eig­nung des indi­vi­du­el­len Bewusst­seins bei­tra­gen. »Die kri­ti­sche Auf­klä­rung«, schrieb Jean Amé­ry 1967, »steht, gesell­schaft­lich, an einem Punkt, wo sie sich sozi­al nur bewäh­ren kann, wenn sie sich sprach­lich radi­kal ent­schlackt.« Die Kul­tur­in­dus­trie frisst die Avant­gar­de: Samu­el Beckett in einer Quinn-Mar­tin Per­si­fla­ge Ador­no »war und woll­te kein Mes­si­as sein«92, schrieb Leo Löwen­thal den Nach­ge­bo­re­nen und selbst erklär­ten Jünger*innen der »Frank­fur­ter Schu­le« ins Stamm­buch. Auch wenn Claus­sen stets aufs Neue Ador­nos vor­geb­li­che Jazz-Ken­­ner­­schaft her­vor­hebt und auf die Ein­lei­tung in die Musik­so­zio­lo­gie ver­weist (in der Ador­no swing, be-bop, cool jazz auf »Rekla­me­slo­gans« und die kul­tur­in­dus­tri­el­len Mecha­nis­men der »musi­ka­li­schen und gesell­schaft­li­chen Kon­for­mi­tät« redu­ziert93), blei­ben die ras­sis­ti­schen Kon­no­ta­tio­nen von Ador­nos Jazz-Essays unzwei­fel­haft, wenn er über »Neger­mu­sik« oder »Neger-Jazz« schwa­dro­niert. »Der Jazz«, schrieb er 1936, »ver­hält sich zu den Negern ähn­lich wie die Salon­mu­sik der Steh­gei­ger, die er so stäh­lern meint über­wun­den zu haben, zu den Zigeu­nern.«94 Sowe­nig Ador­no die gesell­schaft­li­chen und kul­tu­rel­len Milieus außer­halb sei­nes sozia­len Fokus (»Neger« und »Zigeu­ner«) ver­stand, so begrenzt war sei­ne Wahr­neh­mung der Kri­tik jen­seits sei­ner eng umgrenz­ten Vor­stel­lung der »Moder­ne«, wie sie bei­spiels­wei­se Fumi Oki­ji in sei­ner Stu­die Jazz as Cri­tique beschreibt.95 Gegen die Wahr­neh­mung des begrenz­ten Spek­trums des mut­maß­lich »kon­for­mis­ti­schen« Jazz (wie sie bei Ador­no und sei­nen spä­te­ren Adep­ten vor­herrsch­te) arbei­te­te unter ande­rem auch Mey­er Kup­fer­man mit sei­nem Kon­zept des »ato­na­len Jazz« an.96. So ist kei­nes­wegs »das letz­te Wort des kri­ti­schen Den­kens« gespro­chen. © Jörg Auberg 2025 Biblio­gra­fi­sche Anga­ben: Phil­ip Len­hard. Café Marx: Das Insti­tut für Sozi­al­for­schung von den Anfän­gen bis zur Frank­fur­ter Schu­le. Mün­chen: C. H. Beck, 2024. 624 Sei­ten, 34 € Euro. ISBN:978–3‑406–81356‑6. Jörg Spä­ter. Ador­nos Erben: Eine Geschich­te aus der Bun­des­re­pu­blik. Ber­lin. Suhr­kamp, 2024. 760 Sei­ten, 40 € ISBN: 978–3‑518–43177‑1. Mar­tin Jay. Splin­ters in Your Eye: Frank­furt School Pro­vo­ca­ti­ons. Lon­don: Ver­so, 2020. 256 Sei­ten, 19,99 £. ISBN: 978–1‑788–73601‑5. Mar­tin Jay. Imma­nent Cri­ti­ques: The Frank­furt School Under Pres­su­re. Lon­don: Ver­so, 2023. 240 Sei­ten, 19,99 £. ISBN: 978–1‑804–29252‑5. Roger Frie. Edge of Cata­stro­phe: Erich Fromm, Fascism, and the Holo­caust. New York: Oxford Uni­ver­si­ty Press, 2024. 216 Sei­ten, 35 US-$. ISBN: 978–0‑197–74877‑0. Robert Pur­sche. Umkämpf­tes Nach­le­ben: Wal­ter Ben­ja­mins Archi­ve 1940–1990. Göt­tin­gen: Wall­stein, 2024. 427 Sei­ten, 49 €. ISBN: 978–3‑8353–5705‑1. Ernst Sim­mel (Hg.). Anti­se­mi­tis­mus Bei­trä­ge von Theo­dor W. Ador­no, Max Hork­hei­mer et al. Mit einem Nach­wort von Hel­mut Dah­mer Müns­ter: West­fä­li­sches Dampf­boot, 2024. 172 Sei­ten, 20 € ISBN: 978–3‑8969–1109‑4. Alex Demi­ro­vić. Der non­kon­for­mis­ti­sche Intel­lek­tu­el­le: Von der kri­ti­schen Theo­rie zur Frank­fur­ter Schu­le. Wien: Man­del­baum, 2023. 800 Seiten,38 € ISBN:978–3‑99136–505‑1. Wolf­gang Pohrt. Wahn, Ideo­lo­gie und Rea­li­täts­ver­lust: Meta­mor­pho­sen des deut­schen Mas­sen­be­wusst­seins. Ein Rea­der. Her­aus­ge­ge­ben von Klaus Bit­ter­mann. Ber­lin: Edi­ti­on Tiamat, 2025. 512 Sei­ten, 26 € ISBN:978–3‑89320–326‑0. Bild­quel­len (Copy­rights) Bei­trags­bild (Cri­ti­cal Theo­ry-Col­la­ge) © Jörg Auberg Cover Imma­nent Cri­ti­ques © Ver­so Books Cover Café Marx © C. H. Beck Cover Zur Idee der Kri­ti­schen Theo­rie © Rei­he Han­ser Cover Die Frank­fur­ter Schu­le und Frank­furt © Wall­stein Ver­lag Cover Ador­nos Erben © Suhr­kamp Cover Vier­zig Jah­re Fla­schen­post © Fischer Ver­lag Cover Umkämpf­tes Nach­le­ben © Wall­stein Ver­lag Cover Nie­mands­land © edi­ti­on text + kri­tik Cover Ver­such über das artis­ti­sche Gedicht © edi­ti­on text + kri­tik Cover Wahn, Ideo­lo­gie und Rea­li­täts­ver­lust © Edi­ti­on Tiamat Cover Wahn, Der non­kor­mis­ti­sche Intel­lek­tu­el­le © Man­del­baum Ver­lag Cover Anti­se­mi­tis­mus © Ver­lag West­fä­li­sches Dampf­boot Cover Edge of Cata­stro­phe © Oxford Uni­ver­si­ty Press Video Beckett — A Quinn Mar­tin Pro­duc­tion Quel­le: Open Cul­tu­re Video Det­lev Claus­sen über Theo­dor W. Ador­no © SRF/3Sat Nach­wei­se Dwight Mac­do­nald, »A Cor­rupt Bright­ness«, Encoun­ter, 8, Nr. 6 (Juni 1957):75; Über­set­zung zitiert nach: Jörg Auberg, New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le: Eine poli­­tisch-kul­­tu­­rel­­le Geschich­te von Auf­stieg und Nie­der­gang, 1930–2020 (Bie­le­feld: Tran­­script-Ver­­lag, 2022), S. 218 ↩ Georg Lukács, Die Zer­stö­rung der Ver­nunft (Bie­le­feld: Ais­the­sis Ver­lag, 2022), S. 219; und Lukács, Die Theo­rie des Romans (Darm­stadt: Luch­ter­hand, 1971), S. 16. Den Titel wähl­te auch Stuart Jef­fries für sei­ne Geschich­te der »Frank­fur­ter Schu­le«: cf. Stuart Jef­fries, Grand Hotel Abyss: The Lives of the Frank­furt School (Lon­don: Ver­so, 2016) ↩ Her­mann Broch, Geist und Zeit­geist: Essays zur Kul­tur der Moder­ne, hg. Paul Micha­el Lüt­ze­l­er (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1997), S. 43 ↩ Zur Geschich­te der »Frank­fur­ter Schu­le« in den USA sie­he Tho­mas Wheat­land, The Frank­furt School in Exi­le (Min­nea­po­lis: Uni­ver­si­ty of Min­ne­so­ta Press, 2009), und David Jen­ne­mann, Ador­no in Ame­ri­ca (Min­nea­po­lis: Uni­ver­si­ty of Min­ne­so­ta Press, 2007) ↩ Mar­tin Jay, The Dialec­ti­cal Ima­gi­na­ti­on: A Histo­ry of the Frank­furt School and the Insti­tu­te of Social Rese­arch, 1923–1950 (1973; erw. Ber­ke­ley: Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia Press, 1996) ↩ Mar­tin Jay, »Dialec­tic of Coun­­ter-Enlig­h­­ten­­ment: The Frank­furt School as Scape­goat of the Luna­tic Frin­ge«, in: Jay, Splin­ters in Your Eye: Frank­furt School Pro­vo­ca­ti­ons (Lon­don: Ver­so, 2020), S. 151–172; und Jay, »The Age of Rackets? Trump, Scor­se­se and the Frank­furt School«, in: Jay, Imma­nent Cri­ti­ques: The Frank­furt School Under Pres­su­re (Lon­don: Ver­so, 2023), S. 115–133. Sie­he auch Jef­frey Segall, »›Kul­tur­bol­sche­wis­mus Is Here‹: James Joy­ce and the Anti-Moder­­nist Cru­sa­de in Ame­ri­ca, 1928–1944«, Jour­nal of Modern Lite­ra­tu­re, 16, Nr. 4 (Früh­jahr 1990):535–562; und Auberg, New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le, S. 122–124 ↩ Phil­ip Len­hard, Café Marx: Das Insti­tut für Sozi­al­for­schung von den Anfän­gen bis zur Frank­fur­ter Schu­le (Mün­chen: C. H. Beck, 2024, ePub-Ver­­­si­on), S. 13 ↩ Zur Rol­le Felix Weils in der Begrün­dung und Ent­wick­lung des Insti­tuts sie­he Jea­nette Era­zo Heufel­der, Der argen­ti­ni­sche Krö­sus: Klei­ne Wirt­schafts­ge­schich­te der Frank­fur­ter Schu­le (Ber­lin: Beren­berg Ver­lag, 2017) ↩ Leo Löwen­thal, Mit­ma­chen woll­te ich nie: Ein auto­bio­gra­phi­sches Gespräch mit Hel­mut Dubiel (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1980), S. 27–37; Paul W. Mas­sing, Vor­ge­schich­te des poli­ti­schen Anti­se­mi­tis­mus, übers. Felix Weil (Frankfurt/Main: Euro­päi­sche Ver­lags­an­stalt, 1986) ↩ Len­hard, Café Marx, S. 97, 107 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 126 ↩ Geschich­te den­ken: Ein Notiz­buch für Leo Löwen­thal, hg. Fri­th­jof Hager (Leip­zig: Reclam, 1992), S. 13 ↩ Löwen­thal, Mit­ma­chen woll­te ich nie, S. 31–32 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 198 ↩ Zur Kri­tik am »phi­lo­so­phie­frem­den« Ansatz in Grün­bergs Mar­xis­­mus-Inter­pre­­ta­­ti­on jen­seits von Hegel und Dia­lek­tik sie­he Alfred Schmidt, »Die ›Zeit­schrift für Sozi­al­for­schung‹: Geschich­te und gegen­wär­ti­ge Bedeu­tung«, in: Schmidt, Zur Idee der Kri­ti­schen Theo­rie: Ele­men­te der Phi­lo­so­phie Max Hork­hei­mers (Mün­chen: Han­ser, 1974), S. 36–41 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 213 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 259 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 330 ↩ Jea­nette Era­zo Heufel­der, Der argen­ti­ni­sche Krö­sus, S. 46 ↩ Sie­he Wil­lem van Rei­jen und Jan Bran­sen, »Das Ver­schwin­den der Klas­sen­ge­schich­te in der ›Dia­lek­tik der Auf­klä­rung‹«, in: Max Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 5, hg. Gun­ze­lin Schmid Noerr (Frankfurt/Main: S. Fischer, 1987), S. 453–457 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 389 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 399 ↩ Rolf Wig­gers­haus, Die Frank­fur­ter Schu­le: Geschich­te, theo­re­ti­sche Ent­wick­lung, poli­ti­sche Bedeu­tung (Frankfurt/Main: S. Fischer, 2015, ePub-Ver­­­si­on), S. 204 ↩ Rolf Wig­gers­haus, Max Hork­hei­mer: Eine Ein­füh­rung (Frankfurt/Main: S. Fischer, 2013, ePub-Ver­­­si­on), S. 3–4 ↩ Max Hork­hei­mer, »Tra­di­tio­nel­le und kri­ti­sche Theo­rie«, in: Zeit­schrift für Sozi­al­for­schung, 6, Nr. 2 (1937), dtv reprint (Mün­chen: Deut­scher Taschen­buch Ver­lag, 1980), S. 245–294; rpt. in: Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 4, hg. Alfred Schmidt (Frankfurt/Main: S. Fischer, 1988), S. 162–216, Zitat: S. 195 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 403 ↩ Cf. Stu­dies in Phi­lo­so­phy and Social Sci­ence, 9, Nr. 2 und Nr. 3 (1941), in: Zeit­schrift für Sozi­al­for­schung, dtv reprint (Mün­chen: Deut­scher Taschen­buch Ver­lag, 1980), S. 194–475; Neither Capi­ta­lism Nor Socia­lism: Theo­ries of Bureau­cra­tic Coll­ec­ti­vism, hg. E. Haber­kern und Arthur Lipow (Ala­me­da, CA: Cen­ter for Socia­list Histo­ry, 2008), S. 41–120; Auberg, New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le, S. 134–140 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Nega­ti­ve Dia­lek­tik (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1973), S. 355 ↩ Jean Amé­ry, »Jar­gon der Dia­lek­tik« (1967), und »Wei­ter­le­ben – aber wie?« (1970) in: Amé­ry, Wer­ke, Bd. 6, hg. Ger­hard Scheit (Stutt­gart: Klett-Cot­­ta, 2004), S. 265–296, 511–525, Zitat: S. 511–512 ↩ Cf. Lucy Dawi­do­wicz, The War against Jews 1933–1945 (Har­monds­worth: Pen­gu­in Books, 1975); Dani­el Jonah Gold­ha­gen, Hitler’s Wil­ling Exe­cu­tio­ners: Ordi­na­ry Ger­mans and the Holo­caust (New York: Vin­ta­ge, 1997); und Chris­to­pher Brow­ning, Ordi­na­ry Men: Reser­ve Poli­ce Bat­tali­on 101 and the Final Solu­ti­on in Pol­and (Lon­don: Pen­gu­in Books, 2001) ↩ Len­hard, Café Marx, S. 444, 447, 452 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 478; sie­he auch Gun­ze­lin Schmid Noerrs Nach­wort zur Dia­lek­tik der Auf­klä­rung, in Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 5, S. 425–427; und Gert Schä­fer, »Franz Neu­manns Behe­mo­th und die heu­ti­ge Faschis­mus­dis­kus­si­on«, in: Franz Neu­mann, Behe­mo­th: Struk­tur und Pra­xis des Natio­nal­so­zia­lis­mus 1933–1944, hg. Gert Schä­fer (Frankfurt/Main: S. Fischer, 1984), S. 663–776 ↩ Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 12, hg. Gun­ze­lin Schmid Noerr (Frankfurt/Main: S. Fischer, 1985), S. 291 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 493–494 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 546 ↩ Moni­ka Boll, »Kal­te Krie­ger oder Mili­tär­re­for­mer: Das Insti­tut und die Bun­des­wehr«, in: Die Frank­fur­ter Schu­le und Frank­furt: Eine Rück­kehr nach Deutsch­land, hg. Moni­ka Boll und Rapha­el Gross (Göt­tin­gen: Wall­stein, 2009), S. 62 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 607 ↩ Cf. Max Hork­hei­mer, »Noti­zen 1949–1969«, in: Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 6, hg. Alfred Schmidt (Frankfurt/Main: S. Fischer), S. 207; und Alfred Schmidt, »Fort­schritt, Skep­sis und Hoff­nung: Kate­go­rien der Geschichts­phi­lo­so­phie Max Hork­hei­mers«, in: Die Frank­fur­ter Schu­le und Frank­furt: Eine Rück­kehr nach Deutsch­land, S. 96–107 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 573. Den Begriff »Medi­en­in­tel­lek­tu­el­le« präg­te der His­to­ri­ker Axel Schildt (1951–2019) in sei­nem Buch Medi­en­in­tel­lek­tu­el­le in der Bun­des­re­pu­blik, hg, Gabrie­le Kandz­o­ra und Det­lef Sieg­fried (Göt­tin­gen: Wall­stein, 2020) ↩ Hork­hei­mer, »Noti­zen 1949–1969«, S. 207; Jörg Spä­ter, Ador­nos Erben: Eine Geschich­te aus der Bun­des­re­pu­blik (Ber­lin: Suhr­kamp, 2024, ePub-Ver­­­si­on), S. 144, 175, 152 ↩ Regi­na Becker-Schmidt, »Nicht zu ver­ges­sen – Frau­en am Frank­fur­ter Insti­tut für Sozi­al­for­schung: Gre­tel Ador­no, Moni­ka Pless­ner und Hel­ge Pross«, in: Die Frank­fur­ter Schu­le und Frank­furt: Eine Rück­kehr nach Deutsch­land, S. 64–69 ↩ Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 120–121 ↩ Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 137 ↩ Max Hork­hei­mer, »Zur Kri­tik der instru­men­tel­len Ver­nunft«, in: Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 6, S. 122; Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 290–295 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Mini­ma Mora­lia: Refle­xio­nen aus dem beschä­dig­ten Leben (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1987), S. 279 ↩ Ador­no, Kul­tur­kri­tik und Gesell­schaft (Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 10), hg. Rolf Tie­de­mann (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 2003), S. 795 ↩ Wil­lem van Rei­jen und Gun­ze­lin Schmid Noerr, Vor­wort zu: Vier­zig Jah­re Fla­schen­post: ›Dia­lek­tik der Auf­klä­rung‹ 1947 bis 1987 (Frankfurt/Main: Fischer, 1987), S. 7 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Jar­gon der Eigent­lich­keit: Zur deut­schen Ideo­lo­gie (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1964), S. 11; Amé­ry, »Jar­gon der Dia­lek­tik«, S. 273 ↩ Ador­no, Kul­tur­kri­tik und Gesell­schaft, S. 772, 774 ↩ Hans Jür­gen Krahl, »Auto­ri­tä­ten und Revo­lu­ti­on«, in: Krahl, Kon­sti­tu­ti­on und Klas­sen­kampf: Zur his­to­ri­schen Dia­lek­tik von bür­ger­li­cher Eman­zi­pa­ti­on und pro­le­ta­ri­scher Revo­lu­ti­on, hg. Det­lev Claus­sen et al. (Frankfurt/Main: Ver­lag Neue Kri­tik, 2008), S. 269; zum »Fas­zi­no­sum« Krahl cf. Für Hans-Jür­­gen Krahl: Bei­trä­ge zu sei­nem anti­au­to­ri­tä­ren Mar­xis­mus, hg. Mei­ke Ger­ber et al. (Wien: Man­del­baum, 2022) ↩ Max Hork­hei­mer, »Nach­ge­las­se­ne Schrif­ten, 1949–1972«, in: Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 14, hg. Gun­ze­lin Schmid Noerr (Frankfurt/Main: S. Fischer, 1988), S. 465, 540 ↩ Hans Jür­gen Krahl, Vom Ende der abs­trak­ten Arbeit: Die Auf­he­bung der sinn­lo­sen Arbeit ist in der Tran­szen­den­ta­li­tät des Kapi­tals ange­legt und in der Ver­welt­li­chung der Phi­lo­so­phie begrün­det, hg. Wal­ter Neu­mann (Frankfurt/Main: Mate­ria­lis Ver­lag, 1984), S. 82 ↩ Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 279–280; zu zeit­ge­mä­ße­ren Ana­ly­sen der Digi­ta­li­sie­rung aus lin­ker Sicht cf. McKen­zie Wark, Hacker Mani­fest – A Hacker Mani­festo, übers. Diet­mar Zim­mer (Mün­chen: C. H. Beck, 2005); McKen­zie Wark, Teles­the­sia: Com­mu­ni­ca­ti­on, Cul­tu­re & Class (Lon­don: Poli­ty, 2012); und Bey­ond Digi­tal Capi­ta­lism: New Ways of Living (Socia­list Regis­ter 2021), hg. Leo Panitch und Greg Albo (Lon­don: Mer­lin Press, 2020) ↩ MEW, Bd. 19 (Berlin/DDR: Dietz, 1987), S. 22 ↩ Zur kri­ti­schen Bestands­auf­nah­me des digi­ta­len Kapi­ta­lis­mus cf. Chris­ti­an Fuchs, Der digi­ta­le Kapi­ta­lis­mus: Arbeit, Ent­frem­dung und Ideo­lo­gie im Infor­ma­ti­ons­zeit­al­ter (Wein­heim: Beltz Juven­ta, 2023) ↩ Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 314 ↩ Cf. Mar­tin Jay, Per­ma­nent Exi­les: Essays on the Intellec­tu­al Emi­gra­ti­on from Ger­ma­ny to Ame­ri­ca (New York: Colum­bia Uni­ver­si­ty Press, 1986), S. 28–61, 120–137, 152–197, 237–256; Jörg Spä­ter, Sieg­fried Kra­cau­er: Eine Bio­gra­phie (Ber­lin: Suhr­kamp, 2016), S. 333–345, 373–383 ↩ Han­nah Are­ndt, Men­schen in fins­te­ren Zei­ten, hg. Ursu­la Ludz (Mün­chen: Piper, ⁷2023), S. 219 ↩ Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 330; zur Dis­kus­si­on in der Zeit­schrift alter­na­ti­ve cf. Moritz Neuf­fer, Die jour­na­lis­ti­sche Form der Theo­rie: Die Zeit­schrift »alter­na­ti­ve« 1958–1982 (Göt­tin­gen: Wall­stein, 2021), S. 134–146 ↩ Robert Pur­sche, Umkämpf­tes Nach­le­ben: Wal­ter Ben­ja­mins Archi­ve 1940–1990 (Göt­tin­gen: Wall­stein, 2024), S. 269; zur Dar­stel­lung der Aus­ein­an­der­set­zun­gen aus Sicht Tie­de­manns cf. Rolf Tie­de­mann, Ador­no und Ben­ja­min noch ein­mal: Erin­ne­run­gen, Begleit­wor­te, Pole­mi­ken (Mün­chen: Edi­ti­on text + kri­tik, 2011), S. 277–371 ↩ Juan Goy­tiso­lo, Land­schaf­ten nach der Schlacht, übers. Gis­bert Haefs (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1990), S. 67 ↩ Dirk Braun­stein, Ador­nos Kri­tik der poli­ti­schen Öko­no­mie (Frei­burg: ça ira, ³2025), S. 287–290; Robert Hul­­lot-Ken­­tor, Things Bey­ond Resem­blan­ce: Coll­ec­ted Essays on Theo­dor W. Ador­no (New York: Colum­bia Uni­ver­si­ty Press, 2006), S. 154–155 ↩ Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 350 ↩ Theo­dor W. Ador­no und Eli­sa­beth Lenk, Brief­wech­sel 1962–1969, hg. Eli­sa­beth Lenk (Mün­chen: edi­ti­on Text + kri­tik, 2001), S. 163 ↩ Lothar Mül­ler, »Kunst der Leh­re«, Süd­deut­sche Zei­tung, 11. Okto­ber 2016, https://www.sueddeutsche.de/kultur/nachruf-kunst-der-lehre‑1.3199952; zur Selbst­cha­rak­te­ri­sie­rung ihrer kri­ti­schen Metho­de, »durch tech­no­lo­gi­sche Ana­ly­sen zum Gehalt der Kunst­wer­ke vor­zu­drin­gen«, cf. Hel­la Tie­­de­­mann-Bartels, Ver­such über das artis­ti­sche Gedicht: Bau­de­lai­re, Mall­ar­mé, Geor­ge (1971; rpt. Mün­chen: edi­ti­on text + kri­tik, 1990), S. 10 ↩ Krahl, Kon­sti­tu­ti­on und Klas­sen­kampf, S. 19–20; Zwi­schen Harz und Hei­de: Todes­mär­sche und Räu­mungs­trans­por­te im April 1945, hg. Jens Chris­ti­an Wag­ner et al. (Göt­tin­gen: Wall­stein, 2015); Andrea Röp­ke und Andre­as Speit, Völ­ki­sche Land­nah­me: Alte Sip­pen, jun­ge Sied­ler, rech­te Ökos (Ber­lin: Chris­toph Links Ver­lag, 2019), S. 150–180) ↩ Les­sing, zit. nach: Eli­sa­beth Lenk, »Les­sings Flucht aus Deutsch­land«, in: Geschich­te den­ken: Ein Notiz­buch für Leo Löwen­thal, S. 99 ↩ Jörg Spä­ter, »Der sozia­lis­ti­sche Prak­ti­ker der kri­ti­schen Theo­rie: Nach­ruf auf Oskar Negt«, in: Doku­men­ta­ti­on Oskar Negt: Nach­ru­fe, Reden und Bei­trä­ge, hg. Insti­tut für Sozi­al­for­schung, zusam­men­ge­stellt von Gün­ter Pabst, Okto­ber 2024, S. 52 ↩ Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 578; Chris­tof Win­gerts­zahn, Anton Reisers Welt: Eine Jugend in Nie­der­sach­sen, 1756–1776 (Han­no­ver: Wehr­hahn, 2006), S. 158 ↩ Ador­no, Kul­tur­kri­tik und Gesell­schaft, S. 488 ↩ Ador­no, Kul­tur­kri­tik und Gesell­schaft, S. 734 ↩ Jay, The Dialec­ti­cal Ima­gi­na­ti­on, S. 5 ↩ Kurt Lenk, Von Marx zur Kri­ti­schen Theo­rie: Drei­ßig Inter­ven­tio­nen (Müns­ter: Unrast-Ver­­lag, 2009), S. 166–167 ↩ Wolf­gang Pohrt, Wahn, Ideo­lo­gie und Rea­li­täts­ver­lust: Meta­mor­pho­sen des deut­schen Mas­sen­be­wusst­seins, Ein Rea­der, hg. Klaus Bit­ter­mann (Ber­lin: Edi­ti­on Tiamat, 2025), S. 173 ↩ Cf. Richard Por­ton, Film and the Anar­chist Ima­gi­na­ti­on (Urba­na: Uni­ver­si­ty of Illi­nois Press, ²2020), S. 184–187; und Will Kit­chen, Film, Nega­ti­on and Free­dom: Capi­ta­lism and Roman­tic Cri­tique (New York: Bloomsbu­ry, 2025), S. 156–192, 223–257 ↩ Wolf­gang Pohrt, »die taz: Inte­gra­ti­ons­wil­li­ger Sozi­al­fall auf der Suche nach der natio­na­len Iden­ti­tät«, in Pohrt, Wer­ke, 5:1 (Ber­lin. Edi­ti­on Tiamat, 2018), S. 203. In den »Repri­sen« und »Rea­dern« der Pohrt-Tex­­­te in der Edi­ti­on sei­nes Ver­le­gers fehlt die­ser Text über »Beschäf­ti­gungs­the­ra­pie und Gna­den­brot« – wohl auch des­we­gen, weil Bit­ter­mann inzwi­schen selbst mit dem »Senio­ren­blatt für Revo­lu­tio­nä­re« über diver­se Kanä­le »asso­zi­iert« ist und dort Lob­hu­de­lei­en für reak­tio­nä­re Autoren wie J. D. Van­ce (inzwi­schen zum auto­ri­tä­ren Mund­stück Donald Trumps auf­ge­stie­gen) ver­brei­ten durf­te (cf. den Arti­kel https://taz.de/Sachbuch-Hillbilly-Elegie/!5421594/). Zum Tiamat-Milieu sie­he auch Ger­hard Han­lo­ser, Die ande­re Quer­front: Skiz­zen des ›anti­deut­schen‹ Betrugs (Müns­ter: Unrast Ver­lag, 2021, ePub-Ver­­­si­on), S. 216 ↩ Peter Brück­ner, Über die Gewalt: Sechs Auf­sät­ze zur Rol­le der Gewalt in der Ent­ste­hung und Zer­stö­rung sozia­ler Sys­te­me (Ber­lin: Wagen­bach, 1979), S. 88–89, 90) ↩ Ador­no, Kul­tur­kri­tik und Gesell­schaft, S. 774 ↩ Alex Demi­ro­vić, Der non­kon­for­mis­ti­sche Intel­lek­tu­el­le: Von der kri­ti­schen Theo­rie zur Frank­fur­ter Schu­le (Wien: Man­del­baum, 2023), S. 15; Roland Bar­thes, Die Lust am Text, übers. Trau­gott König (Frankfurt/Main: Bücher­gil­de Guten­berg, 2021), S. 30; Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 12, S. 289 ↩ Demi­ro­vić, Der non­kon­for­mis­ti­sche Intel­lek­tu­el­le, S. 782 ↩ Ador­no, Mini­ma Mora­lia, S. 277 ↩ Her­bert Mar­cu­se, Schrif­ten, Bd. 3 (Sprin­ge: zu Klam­pen, 2004), S. 286–319; C. Wright Mills, Power, Poli­tics and Peo­p­le: The Coll­ec­ted Essays of C. Wright Mills, hg. Irving Lou­is Horo­witz (New York: Oxford Uni­ver­si­ty Press, 1963), S. 53–76 ↩ Rus­sell Jaco­by, Dialec­tic of Defeat: Con­tours of Wes­tern Mar­xism (Cam­bridge: Cam­bridge Uni­ver­si­ty Press, 1981), S. 11–36; Rus­sell Jaco­by, The Last Intellec­tu­als: Ame­ri­can Cul­tu­re in the Age of Aca­de­me (New York: Basic Books, 2000), S. ix-xiii ↩ Robert Misik, »Rechts­extre­mis­mus als Mas­sen­hys­te­rie«, https://misik.at/2025/07/rechtsextremismus-als-massenhysterie/, ver­öf­fent­licht 18. Juli 2025. Dreh­li Rob­nik kri­ti­siert an deut­schen Über­set­zun­gen der Stu­die, dass sie den ursprüng­li­chen Unter­ti­tel »A Stu­dy of the Tech­ni­ques of the Ame­ri­can Agi­ta­tor« als »Stu­di­en zum Auto­ri­ta­ris­mus« oder neu­er­dings als »Stu­di­en zur faschis­ti­schen Agi­ta­ti­on« über­tru­gen. Sie­he Dreh­li Rob­nik, Fle­xi­bler Faschis­mus: Sieg­fried Kra­cau­ers Ana­ly­sen rech­ter Mobi­li­sie­rung damals und heu­te (Bie­le­feld: tran­script Ver­lag, 2024), S. 17. Zum Hin­ter­grund der Stu­die im Kon­text des Insti­tuts für Sozi­al­for­schung sie­he Alber­to Tos­ca­no, Ein­lei­tung zu: Leo Löwen­thal und Nor­bert Guter­man, Pro­phe­ts of Deceit: A Stu­dy of the Tech­ni­ques of the Ame­ri­can Agi­ta­tor (Lon­don: Ver­so, 2021), S. ix-xxxv ↩ Hel­mut Dah­mer, »Anti­se­mi­tis­mus ges­tern und heu­te«, in: Anti­se­mi­tis­mus, hg. Ernst Sim­mel (Müns­ter: West­fä­li­sches Dampf­boot, 2024), S. 159 ↩ Erich Fromm, Escape from Free­dom (1941; rpt. New York: Hen­ry Holt, 1994), S. 6 ↩ Roger Frie, Edge of Cata­stro­phe: Erich Fromm, Fascism, and the Holo­caust (New York: Oxford Uni­ver­si­ty Press, 2024), S. 104 ↩ Det­lev Claus­sen, Theo­dor W. Ador­no: Ein letz­tes Genie (Frankfurt/Main: S. Fischer, 2003); Pohrt, Wahn, Ideo­lo­gie und Rea­li­täts­ver­lust, S. 173 ↩ Pohrt, Wahn, Ideo­lo­gie und Rea­li­täts­ver­lust, S. 179 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Jar­gon der Eigent­lich­keit, S. 72 ↩ Det­lev Claus­sen, Gren­zen der Auf­klä­rung: Die gesell­schaft­li­che Gene­se des moder­nen Anti­se­mi­tis­mus (Frankfurt/Main: Fischer, 1994), S. 74 ↩ Leo Löwen­thal, »Ador­no und sei­ne Kri­ti­ker«, in: Löwen­thal, Schrif­ten, Bd. 4, hg. Hel­mut Dubiel (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1990), S. 65 ↩ Theo­dor W. Ador­no, »Ein­lei­tung in die Musik­so­zio­lo­gie«, in: Ador­no, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 14, hg. Rolf Tie­de­mann (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 2003), S. 213 ↩ Theo­dor W. Ador­no, »Über Jazz«, in Ador­no, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 17, hg. Rolf Tie­de­mann (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 2003), S. 82–83 ↩ Fumi Oki­ji, Jazz as Cri­tique: Ador­no and Black Expres­si­on Revi­si­ted (Stan­ford: Stan­ford Uni­ver­si­ty Press, 2018), S. 11–30 ↩ Mey­er Kup­fer­man, Ato­nal Jazz: A Sys­te­ma­tic Approach to Ato­nal Jazz Impro­vi­sa­ti­on (Med­field, MA: Dorn Publi­ca­ti­ons, 1992) ↩ […]

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Frankfurter Buchmesse 2025

Es geht (vielleicht doch) um das Buch Nachträgliche Miszellen zur Frankfurter Buchmesse 2025 In alten Über­lie­fe­run­gen erschei­nen die frü­he­ren Zei­ten der Frank­fur­ter Buch­mes­se oft gla­mou­rös, dra­ma­tisch und aben­teu­er­lich, als wäre die Jagd nach Lizen­zen und Buch­ver­trä­gen aus über­dreh­ten Screw­ball-Komö­di­en abge­kup­fert. In sei­nen Remi­nis­zen­zen an den...

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Zur Aktualität der Kritischen Theorie

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Die Maschinerie der Verblendung Aufstieg und Niedergang der Zeitschrift »Filmkritik« von Jörg Auberg In einem pro­gram­ma­ti­schen Arti­kel zur gesell­schaft­li­chen Rol­le des Film­kri­ti­kers kon­sta­tier­te Sieg­fried Kra­cau­er weni­ge Mona­te vor der Macht­über­nah­me der Natio­nal­so­zia­lis­ten, der »Film­kri­ti­ker von Rang« sei »nur als Gesell­schafts­kri­ti­ker denk­bar«. Die Mis­si­on...

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Paul Auster: Bloodbath Nation

Paul Auster, Bloodbath Nation (Rowohlt, 2024)

Paul Austers Vermächtnis Ein nahezu klassischer Essay über Waffengewalt von Jörg Auberg Im Juli 1945, als der Zwei­te Welt­krieg noch im vol­len Gan­ge war, kon­sta­tier­te der ita­lie­ni­sche Emi­grant Nic­coló Tuc­ci in der New Yor­ker pazi­fis­ti­schen Zeit­schrift Poli­tics: »Das Pro­blem ist nicht, wie man den Feind los­wird, son­dern eher, wie man den letz­ten Sie­ger los­wird. Denn was ist...

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Digitalisierung und Macht Intelligenz und Organisation in Zeiten des digitalen Kapitalismus   von Jona Lar­kin White Künst­li­che Intel­li­gen­zen, die Streiks vor­her­sa­gen (sol­len); digi­ta­le Über­wa­chung und Platt­form­ar­beit: Wie kann heut­zu­ta­ge gegen die­se Macht­in­stru­men­te vor­ge­gan­gen wer­den und wel­ches kön­nen die neu­en(?) Stra­te­gien zu einer...

Guy de Maupassant: Claire de Lune

Guy de Maupassant: Clair de Lune (Steidl, 2023)

Der Verlorene Guy de Mau­pas­sant und die Tor­tur der Seele von Jörg Auberg In Ray­mond Jeans Roman La Lec­tri­ce (1986, dt. Die Vor­le­se­rin) ver­sucht die arbeits­lo­se Ex-Stu­den­tin Marie-Con­s­tance1, mit der Grün­dung einer Ich-AG als Vor­le­se­rin in einer fran­zö­si­schen Klein­stadt sich zu eta­blie­ren. Ihr ehe­ma­li­ger Pro­fes­sor Roland emp­fiehlt ihr für ihr »Metier« die...

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Im Maul des Abgrunds Marginalien zum Erzählkonzert »Hinab in den Maelström« von Jörg Auberg Der Begriff des Fort­schritts ist in der Idee der Kata­stro­phe zu fun­die­ren. Daß es ›so wei­ter‹ geht, ist die Kata­stro­phe. Sie ist nicht das jeweils Bevor­ste­hen­de son­dern das jeweils Gegebene. Wal­ter Ben­ja­min1   In sei­nem Stan­dard­werk zur Erfah­rung der Moder­ni­tät im 19. und 20...

Richard Brautigan: Forellenfischen in Amerika

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Trouvailles (I) Vom Spiel mit dem Buch als Buch Nachbetrachtungen zu Richard Brautigans Roman »Forellenfischen in Amerika« von Jörg Auberg Kürz­lich erstand ich in dem exqui­sit bestück­ten Ver­sand­an­ti­qua­ri­at Abend­stun­de, das von Wolf­gang Schä­fer in Lud­wigs­ha­fen betrie­ben wird, ein Exem­plar von Richard Brau­tig­ans Roman Forel­len­fi­schen in Ame­ri­ka, der 1971 in der...

Ernst Schoen: Tagebuch einer Deutschlandreise 1947

Ernst Schoen: Tagebuch einer Deutschlandreise

Unversöhnliche Erinnerungen Ernst Schoens Tagebuch einer Deutschlandreise 1947 von Jörg Auberg In einer mit dem Titel »Staats-Räson« über­schrie­be­nen Notiz kurz nach sei­ner Rück­kehr nach West­deutsch­land in den spä­ten 1940er Jah­ren umriss Max Hork­hei­mer das »ver­stärk­te Lei­den« jener Men­schen, »die schon zivi­li­siert waren und nun aufs neue durch die Müh­le müs­sen«1 Die­se...

Richard Ford: Valentinstag

Endstation Realismus Richard Fords Pentalogie über die Mittelschichtsdämmerung  von Jörg Auberg In sei­nem drei Jah­re vor sei­nem selbst­ge­wähl­ten Tod erschie­nen Essay Was wird Lite­ra­tur? im Jah­re 2001 hielt der Lite­ra­tur­kri­ti­ker Lothar Bai­er der zeit­ge­nös­si­schen Lite­ra­tur einen »quie­tis­ti­schen Bie­der­sinn« vor. »Kri­tik im Sinn fun­da­men­ta­ler, von ana­ly­ti­schem...

Marseille Transfer

Jean Malaquais: Planet ohne Visum (Büchergilde Gutenberg, 2023)

Marseille Transfer Im Labyrinth von Exil und Widerstand während der 1940er Jahre von Jörg Auberg Prolog Im Okto­ber 1970 schrieb Alfred Kan­to­ro­wicz zur Vor­ge­schich­te sei­nes Erin­ne­rungs­bu­ches Exil in Frank­reich: Merk­wür­dig­kei­ten und Denkwürdigkeiten: Die wun­der­li­chen Umstän­de, die mein Ent­kom­men aus dem besieg­ten Frank­reich nach den USA ermög­lich­ten, lie­gen jetzt 30...

Blick zurück nach vorn

Blick zurück nach vorn  Eine Bücherlese des zurückliegenden Jahres 2022  von Jörg Auberg The Beat Goes On u den ver­dienst­vol­len Unter­neh­mun­gen des Rowohlt-Ver­la­ges gehört die Pfle­ge des »klas­si­schen Erbes« im sonst vor­nehm­lich auf Pro­fit und Ren­di­te aus­ge­rich­te­ten Holtz­brinck-Kon­zern. Seit Jah­ren wer­den Wer­ke von Autoren, wel­che die »Mar­ke« Rowohlt...

Die Masken des Genies

Stanley Corngold: The Mind in Exile (Princeton University Press, 2022)

Die Masken des Genies Thomas Manns Exiljahre in Princeton und Kalifornien von Jörg Auberg In sei­ner Apho­ris­men­samm­lung Mini­ma Mora­lia insis­tier­te Theo­dor W. Ador­no, dass jeder Intel­lek­tu­el­le in der Emi­gra­ti­on aus­nahms­los beschä­digt sei und sich per­ma­nent die­ser Beschä­di­gung bewusst sein müs­se. »Er lebt in einer Umwelt, die ihm unver­ständ­lich blei­ben muß, auch wenn er...

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