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Kri­ti­ken
  • Zur Aktualität der Kritischen TheorieZur Aktua­li­tät der Kri­ti­schen Theo­rie20. Juli 2025Fla­schen­pos­ten im Schlamm Zur Aktua­li­tät der Kri­ti­schen Theo­rie von Jörg Auberg Bevor sich in den spä­ten 1950er-Jah­­ren die syn­ony­men Begrif­fe der »Frank­fur­ter Schu­le« und »Kri­ti­schen Theo­rie« im öffent­li­chen Bewusst­sein durch­setz­ten, war oft die Rede von der »Hor­k­hei­­mer-Grup­­pe«. In einer Rezen­si­on der ein­fluss­rei­chen Antho­lo­gie Mass Cul­tu­re aus dem Jah­re 1957 schrieb der ehe­ma­li­ge Trotz­kist Dwight Mac­do­nald: »Die Hor­k­hei­­mer-Grup­­pe zeigt, dass selbst der Mar­xis­mus, in rich­ti­gen Hän­den, noch immer fähig ist, Ein­sich­ten über die gegen­wär­ti­ge Gesell­schaft her­vor­zu­brin­gen«.1 Ein wei­te­res Syn­onym für die Grup­pe war der Begriff des »Grand Hotel Abgrund«, den der mar­xis­ti­sche Kon­kur­rent Georg Lukács präg­te: »ein schö­nes, mit allem Kom­fort aus­ge­stat­te­tes moder­nes Hotel am Ran­de des Abgrun­des, des Nichts, der Sinn­lo­sig­keit« zwi­schen Behag­lich­keit und »einem non­kon­for­mis­tisch mas­kier­ten Kon­for­mis­mus«.2 Die Zeit der Wie­der­kehr n den 1980er-Jah­­ren hat­te es den Anschein, dass die Schlach­ten der Ver­gan­gen­heit geschla­gen waren und die Frank­fur­ter Schu­le fest in der aka­de­mi­schen Welt eta­bliert zu sein schien. Gegen­wär­tig gibt es jedoch mit einer Rück­kehr zu Auto­ri­ta­ris­mus und Faschis­mus im inter­na­tio­na­len Maß­stab ein erschre­cken­des Roll­back, das alle poli­ti­schen und kul­tu­rel­len Errun­gen­schaf­ten des letz­ten hal­ben Jahr­hun­derts infra­ge stellt. Es ist ein Rück­sturz in Zei­ten, die Her­mann Broch in sei­nem Vor­trag »Geist und Zeit­geist« im Jah­re 1934 beschrieb: »Eine eigen­tüm­li­che Ver­ach­tung des Wor­tes, ja, bei­na­he ein Ekel vor dem Wort hat sich der Mensch­heit bemäch­tigt. Die schö­ne Zuver­sicht, daß Men­schen ein­an­der durch das Wort, durch Wort und Spra­che über­zeu­gen könn­ten, ist radi­kal ver­lo­ren gegan­gen …«3 Die­se Ent­wick­lung – vor allem in den USA, wo die »Hor­k­hei­­mer-Grup­­pe« (in Form des Frank­fur­ter »Insti­tuts für Sozi­al­for­schung«) an der New Yor­ker Colum­­bia-Uni­­ver­­­si­­tät Zuflucht gefun­den hat­te4– beschreibt der His­to­ri­ker Mar­tin Jay (der mit sei­nem Buch Dia­lek­ti­sche Phan­ta­sie aus dem Jah­re 1973 den Grund­stein für die his­to­ri­sche Erfor­schung der »Frank­fur­ter Schu­le« leg­te5) in sei­nen jün­ge­ren Essay­bän­den Splin­ters in Your Eye (2020) und Imma­nent Cri­ti­ques (2023). Ange­sichts der Bre­chung des Rechts durch Donald Trump und sei­ne Gefolgs­leu­te ist Hork­hei­mers Racket-Theo­rie, wie er sie in den 1940er-Jah­­ren ent­wi­ckel­te und spä­ter nur spo­ra­disch in sei­nen Noti­zen wei­ter ver­folg­te, eben­so wenig hin­fäl­lig wie Hork­hei­mers Sprach­kri­tik. In der gegen­wär­ti­gen Gegen­auf­klä­rung wird die Kri­ti­sche Theo­rie in einem reak­tio­nä­ren Kreuz­zug gegen die Uni­ver­si­tä­ten und Wis­sen­schaf­ten als »kul­tu­rel­ler Mar­xis­mus«, »kul­tu­rel­ler Bol­sche­wis­mus«, als »Ver­gnü­gungs­pa­last des Teu­fels« dämo­ni­siert, als wür­den die bösen Geis­ter der 1930er-Jah­­re fröh­li­che Auf­er­ste­hung fei­ern.6 Für Jay stellt die »Kri­ti­sche Theo­rie« in Gestalt der »Frank­fur­ter Schu­le« immer noch die rich­ti­gen Fra­gen, ohne im Vor­hin­ein die pas­sen­den Ant­wor­ten parat zu haben. Café Marx Die Geschich­te des Insti­tuts für Sozi­al­for­schung ist ele­men­tar für das Ver­ständ­nis der deut­schen, euro­päi­schen und auch ame­ri­ka­ni­schen Geis­tes­ge­schich­te des 20. Jahr­hun­derts«, kon­sta­tiert Phil­ip Len­hard in sei­ner Geschich­te der Früh­zeit der »Frank­fur­ter Schu­le«, Café Marx: Das Insti­tut für Sozi­al­for­schung von den Anfän­gen bis zur Frank­fur­ter Schu­le. »Sie umfasst sowohl die jüdi­sche als auch die poli­ti­sche Geschich­te des 20. Jahr­hun­derts, die Geis­­tes- wie die Wis­sen­schafts­ge­schich­te, die Geschich­te der Emi­gra­ti­on und der Scho­ah genau­so wie die des Wie­der­auf­baus und Neu­an­fangs.«7 In sei­nem detail­rei­chen und über­aus lesens­wer­ten Buch brei­tet Len­hard den Beginn und die Ent­wick­lung des »Insti­tuts für Sozi­al­for­schung« aus und stellt in unter­schied­li­chen Strän­gen die Protagonist*innen der Geschich­te (wie Max Hork­hei­mer, Fried­rich Pol­lock, Leo Löwen­thal, Her­bert Mar­cu­se, Erich Fromm, Hen­ryk Groß­mann, Karl August Witt­fo­gel, Juli­an Gum­perz und Richard Sor­ge) vor. Den finan­zi­el­len Grund­stock stell­te der jüdi­sche Getrei­de­händ­ler und Mäzen Her­mann Weil auf Initia­ti­ve sei­nes Soh­nes Felix Weil mit einer exzel­lent aus­ge­stat­te­ten Stif­tung zur Ver­fü­gung, die es ermög­lich­te, das Insti­tut 1923 als an die Frank­fur­ter Goe­­the-Uni­­ver­­­si­­tät ange­schlos­se­ne For­schungs­stät­te für den wis­sen­schaft­li­chen Mar­xis­mus zu eta­blie­ren.8 Bestim­mend für die Grün­dung des Insti­tuts waren die Erfah­run­gen des Ers­ten Welt­krie­ges und des Schei­terns der revo­lu­tio­nä­ren Hoff­nun­gen 1918/19 als auch die anti­se­mi­ti­schen und anti­in­tel­lek­tu­el­len Strö­mun­gen in der deut­schen Arbeiter*innen-Klasse wie auch unter den Bau­ern und Bäue­rin­nen, die spä­ter Leo Löwen­thal in sei­nen Erin­ne­run­gen schil­der­te oder die der Insti­tuts­mit­ar­bei­ter Paul W. Mas­sing wis­sen­schaft­lich ana­ly­sier­te.9 Obwohl das Insti­tut, das zunächst von dem Wie­ner His­to­ri­ker Carl Grün­berg gelei­tet wur­de, einen mar­xis­ti­schen For­schungs­an­satz ver­trat, war es in sei­ner per­so­nel­len Struk­tur divers geprägt: Neben Mit­glie­dern der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen und kom­mu­nis­ti­schen Par­tei­en wie SPD, USPD und KPD auch Institutsmitarbeiter*innen, die sich der anar­cho­syn­di­ka­lis­ti­schen FAUD (Freie Arbei­­ter-Uni­on Deutsch­lands) oder kei­ner poli­ti­schen Strö­mung zurech­ne­ten. Obwohl das Insti­tut als offe­ner Ort sowohl für »lin­ke Intel­lek­tu­el­le« als auch »lesen­de Pro­le­ta­ri­er« kon­zi­piert war, herrsch­te trotz allem eine leni­nis­ti­sche Vor­stel­lung vor, dass die Intel­lek­tu­el­len die »kul­tur­po­li­ti­sche Avant­gar­de der Arbei­ter­klas­se« sei­en, da das Pro­le­ta­ri­at aus sich selbst her­aus nicht zu revo­lu­tio­nä­rer Poli­tik fähig sei, weil ihm die tie­fen Ein­sich­ten des wis­sen­schaft­li­chen Mar­xis­mus fehl­ten.10 Von der kri­ti­schen Ana­ly­se zur kri­ti­schen Theo­rie nge­ach­tet der kapi­ta­lis­mus­kri­ti­schen theo­re­ti­schen Vor­ga­ben lag der Schwer­punkt in den Anfangs­jah­ren des Insti­tuts im Sam­meln von Mate­ria­li­en, wel­che die Arbei­ter­be­we­gung seit dem 19. Jahr­hun­dert her­vor­ge­bracht hat­te: »Bücher, Bro­schü­ren, Zeit­schrif­ten, Pla­ka­te und Flug­schrif­ten, Foto­gra­fien, Rund­schrei­ben, Demons­tra­ti­ons­auf­ru­fe, Kor­re­spon­den­zen, sta­tis­ti­sches Mate­ri­al genau­so wie Tage­bü­cher und pri­va­te Auf­zeich­nun­gen von Mit­glie­dern der Arbei­ter­be­we­gung soll­ten als zen­tra­les Archiv im Insti­tut zusam­men­ge­führt wer­den, damit sie wis­sen­schaft­lich aus­ge­wer­tet wer­den konn­ten.« 11 Sie waren das, was Leo Löwen­thal spä­ter als »Schmug­gel­wa­re der Ver­nei­nung« bezeich­ne­te.12 Auch die Arbei­ter­be­we­gung bewahr­te kei­nen Juden vor der Dis­kri­mi­nie­rung. »Wir haben das Unheil vor­aus­ge­ahnt«, sag­te Löwen­thal, »nicht weil wir mein­ten, daß das deut­sche Volk immer anti­se­mi­ti­scher wür­de. Son­dern, weil wir durch poli­ti­sche Ana­ly­sen und Ein­sicht schon früh geglaubt haben, daß die Nazis an die Macht kom­men und daß die Resis­tenz beson­ders in den libe­ral-demo­­kra­­ti­­schen und sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei­en und in den christ­li­chen und sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Gewerk­schaf­ten so gering ent­wi­ckelt war, daß sie im Fall eines sieg­rei­chen Faschis­mus kei­nen Wider­stand leis­ten wür­den.«13 Neben dem Anti­se­mi­tis­mus spiel­te auch der »For­dis­mus« – die tech­ni­sche Ratio­na­li­sie­rung des Pro­duk­ti­ons­pro­zes­ses – eine beson­de­re Rol­le in der gesell­schaft­li­chen Ana­ly­se des Insti­tuts. Ober­fläch­lich betrach­tet nahm sich die arbeits­tei­li­ge Zer­glie­de­rung der Arbeits­pro­zes­se wie eine Min­de­rung von Aus­beu­tung durch den Ein­satz von Maschi­nen aus, wäh­rend rea­li­ter führ­te sie zu einer Inten­si­vie­rung der Aus­beu­tung mensch­li­cher Arbeits­kraft. Wel­che Kon­se­quen­zen aus die­sen sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Ana­ly­sen abzu­lei­ten blieb jedoch im Insti­tut unge­klärt. »Trotz aller Frak­ti­ons­kämp­fe und Cli­quen­bil­dun­gen bil­de­te das Insti­tut den Rah­men, inner­halb des­sen die ver­schie­de­nen Grup­pen gemein­sam die­sel­ben Tex­te lasen und sich über deren Aus­le­gung strit­ten«, kon­sta­tiert Len­hard. »Dies ent­sprach auch der lang­fris­ti­gen, von Weil und Pol­lock ver­foch­te­nen Stra­te­gie des Insti­tuts, die Quel­len des Mar­xis­mus und der Geschich­te der Arbei­ter­be­we­gung zunächst zu ber­gen, dann phi­lo­lo­gisch akku­rat aus­zu­wer­ten und schließ­lich, als drit­ter Schritt, eine Kri­tik der poli­ti­schen Öko­no­mie auf der Höhe der Zeit zu for­mu­lie­ren. Aus Mar­xis­mus soll­te Kri­ti­sche Theo­rie wer­den.«14 Nach­dem Carl Grün­berg im Janu­ar 1928 einen Schlag­an­fall erlit­ten und Fried­rich Pol­lock kom­mis­sa­risch die Insti­tuts­lei­tung über­nom­men hat­te, deu­te­te sich eine Neu­ori­en­tie­rung an.15 Gegen­über Weil posi­tio­nier­te sich Hork­hei­mer als die ein­zi­ge Füh­rungs­kraft im Umfeld des Insti­tuts, um es sowohl vor dem Zugriff von Par­tei­kom­mu­nis­ten als auch von bür­ger­li­chen Fakul­täts­mit­glie­dern der Goe­­the-Uni­­ver­­­si­­tät zu schüt­zen. »Im klan­des­ti­nen Inté­ri­eur ihrer Kron­ber­ger Lebens­ge­mein­schaft hat­ten Hork­hei­mer und Pol­lock lan­ge über die Zukunft des Insti­tuts und ihre jewei­li­ge Rol­le dar­in dis­ku­tiert«, schreibt Len­hard. »Auch Pol­lock war über­zeugt davon, dass Hork­hei­mer der fähi­ge­re Kopf von bei­den war, und füg­te sich erstaun­lich wider­stands­los in sei­ne Rol­le als Mann in der zwei­ten Rei­he, der Hork­hei­mer den Rücken frei­hielt. Die äuße­ren Umstän­de kamen die­sen Pla­nun­gen ent­ge­gen. Zwar sprach gegen Hork­hei­mer, dass er weder Pro­fes­sor noch Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler war, son­dern Pri­vat­do­zent für Phi­lo­so­phie, aber dafür war er poli­tisch voll­kom­men inte­ger.«16 Theo­dor W. Ador­no blieb in den Anfangs­jah­ren des Insti­tuts bis zur Emi­gra­ti­ons­zeit an den Rän­dern der Ent­wick­lung. Zwar schätz­te der neue Insti­tuts­lei­ter Ador­nos Krea­ti­vi­tät und schnel­le Auf­fas­sungs­ga­be, doch nahm er von Anstel­lung im Insti­tut Abstand, da Ador­no mit sei­ner eit­len Selbst­ge­wiss­heit ande­re oft vor den Kopf stieß. »Unge­ach­tet sei­ner Bril­lanz galt er als schwie­ri­ger Cha­rak­ter, der das Arbeits­kli­ma am Insti­tut schnell rui­nie­ren konn­te. Hork­hei­mer such­te zwar sei­ne Nähe, hielt ihn aber auch auf Abstand.«17 Das »Insti­tut für Sozi­al­for­schung« agier­te – sowohl vor der Macht­über­nah­me der Nationalsozialist*innen als auch nach der Emi­gra­ti­on zunächst in die Schweiz und spä­ter in die USA – weni­ger als Orga­ni­sa­ti­on eini­ger weni­ger wis­sen­schaft­li­cher Genies, son­dern als »kol­lek­ti­ver Kri­ti­ker«18, vor allem in Form der Zeit­schrift für Sozi­al­for­schung, die in den Jah­ren zwi­schen 1932 und 1941 erschien als auch in der gro­ßen Stu­die Auto­ri­tät und Fami­lie, die 1936 im Pari­ser Exil ver­öf­fent­licht wur­de. Die äso­pi­sche Sprach­ent­wick­lung chon von Beginn an soll­te die mar­xis­ti­sche Aus­rich­tung des Insti­tuts durch eine schwer durch­dring­li­che Ter­mi­no­lo­gie geschützt wer­den. »Ins Äso­pi­sche umwan­deln – so nann­te Felix Weil die begriff­li­che Ver­schleie­rung mar­xis­ti­scher Seman­tik.«19 im Exil wur­de die ter­mi­no­lo­gi­sche Berei­ni­gung der Tex­te des Insti­tuts aus Grün­den des Selbst­schut­zes wei­ter for­ciert, was vor allem für die Text­va­ri­an­ten des Haupt­werks Dia­lek­tik der Auf­klä­rung (1944/1947) gilt.20 »Hork­hei­mer setz­te von Anfang an«, schreibt Len­hard über die Exil­zeit des Insti­tuts an der Colum­­bia-Uni­­ver­­­si­­tät in New York, »einen streng ›äso­pi­schen‹ Kurs durch und führ­te damit die Stra­te­gie aus Frank­furt fort, bei der For­mu­lie­rung lin­ker Gesell­schafts­theo­rie auf mar­xis­ti­sche Signal­wör­ter wie ›Revo­lu­ti­on‹, ›Klas­sen­kampf‹, ›Pro­le­ta­ri­at‹ usw. zu ver­zich­ten.« 21 Aus den Erfah­run­gen des Exils einer­seits und den Ent­wick­lun­gen im Natio­nal­so­zia­lis­mus und Sta­li­nis­mus ande­rer­seits waren die poli­ti­schen Gren­zen zwi­schen den lin­ken Strö­mun­gen inner­halb des Insti­tuts durch­läs­si­ger und die Alli­an­zen flie­ßen­der gewor­den. Wäh­rend die »Hor­k­hei­­mer-Grup­­pe« (zu der Hork­hei­mer und Pol­lock als auch Felix Weil, Her­bert Mar­cu­se, Leo Löwen­thal und ande­re zähl­ten) von den nach­re­vo­lu­tio­nä­ren Ent­wick­lun­gen der Jah­re 1918/19 geprägt war, beweg­ten sich Poli­tik­wis­sen­schaft­ler und Staats­recht­ler wie Franz Neu­mann und Otto Kirch­hei­mer (die spä­ter im US-ame­ri­­ka­­ni­­schen Staats­dienst wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges für die kri­ti­sche Ana­ly­se des faschis­ti­schen Staats­ap­pa­ra­tes in Deutsch­land ver­ant­wort­lich waren und Impul­se für den Neu­auf­bau demo­kra­ti­scher Struk­tu­ren lie­fern soll­ten) im Umfeld der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Tra­di­ti­on. Bei­de Grup­pen ein­te die Erfah­rung, als Lin­ke und Jüd*innen ver­folgt sein. »Und auch wenn die Dif­fe­ren­zen sich situa­tiv immer wie­der bemerk­bar mach­ten« schreibt Len­hard, »erwies sich das gemein­sa­me Fun­da­ment als soli­de genug, um zumin­dest für eini­ge Jah­re eine ver­schwo­re­ne Gemein­schaft zu bil­den.«22 Wäh­rend His­to­ri­ker wie Rolf Wig­gers­haus Hork­hei­mer Macht­miss­brauch in der Lei­tung des Insti­tuts vor­wer­fen (Ador­no habe, schreibt Wig­gers­haus in einer frag­wür­di­gen Ter­mi­no­lo­gie, »den vor­be­halt­lo­sen Anschluß an Hork­hei­mer« voll­zo­gen23, sieht Len­hard die Macht­ver­hält­nis­se inner­halb des exi­lier­ten Insti­tuts kom­ple­xer: Zwar ver­füg­te Hork­hei­mer über die Macht­mit­tel, um Pro­jek­te vor­an­zu­trei­ben oder ver­en­den zu las­sen, doch war er kei­nes­wegs ein pro­­fit- und macht­ori­en­tier­ter »Unter­neh­mer in Sachen ›Kri­ti­sche Theo­rie‹« (wie Wig­gers­haus Hork­hei­mer als »Unter­neh­mer­sohn aus Stut­t­­gart-Zuffen­hau­­sen« cha­rak­te­ri­siert24. Der Fokus­sie­rung auf Hork­hei­mer wohn­te auch eine intel­lek­tu­el­le Kom­po­nen­te inne, insis­tiert Len­hard, denn das Pro­jekt einer »Kri­ti­schen Theo­rie« (wie es Hork­hei­mer in sei­nem grund­le­gen­den Auf­satz »Tra­di­tio­nel­le und kri­ti­sche Theo­rie« for­mu­lier­te, war es, »eine Ent­wick­lung zu beschleu­ni­gen, die zur Gesell­schaft ohne Unrecht füh­ren soll«25. Für die Institutsmitarbeiter*innen hat­te, schreibt Len­hard, »eine gera­de­zu magi­sche Anzie­hungs­kraft auf die vom Mar­xis­mus ent­täusch­ten, mit ihrer Lage als jüdi­sche Emi­gran­ten hadern­den Intel­lek­tu­el­len«.26 Auto­ri­ta­ris­mus und Anti­se­mi­tis­mus ar das Pro­jekt der »Kri­ti­schen Theo­rie« zu Beginn der Emi­gra­ti­on zunächst ein Unter­neh­men, die Marx’sche Kri­tik der poli­ti­schen Öko­no­mie zu aktua­li­sie­ren, ver­schob sich mit der zuneh­men­den Gefähr­dung der Demo­kra­tie durch tota­li­tä­re und auto­ri­tä­re Staats­for­men der Fokus. Schon in der ab 1941 auf Eng­lisch erschei­nen­den Zeit­schrift für Sozi­al­for­schung (die nun unter dem Titel Stu­dies in Phi­lo­so­phy and Social Sci­ence publi­ziert wur­de) ana­ly­sier­ten Fried­rich Pol­lock, A. R. L. Gur­land, Her­bert Mar­cu­se und Otto Kirch­hei­mer sowie Hork­hei­mer und Ador­no die gesell­schaft­li­chen, tech­no­lo­gi­schen und öko­no­mi­schen Ver­än­de­run­gen durch die poli­ti­schen Ent­wick­lun­gen in Deutsch­land und der Sowjet­uni­on, wobei sich die­se Ana­ly­sen mit den Dis­kus­sio­nen über das Ende des Sozia­lis­mus und den Beginn eines »büro­kra­ti­schen Kol­lek­ti­vis­mus« in lin­ken, zumeist trotz­kis­tisch ori­en­tier­ten Zir­kel in Euro­pa und den USA über­schnit­ten.27 Neben For­men des Auto­ri­ta­ris­mus bestimm­ten auch Anti­se­mi­tis­mus und die Ver­nich­tung der euro­päi­schen Jüd*innen die Arbeit und die intel­lek­tu­el­le Pra­xis des Insti­tuts. Im Den­ken der Ent­ron­ne­nen war immer eine Spur von der Schuld des pri­vi­le­gier­ten Ent­kom­men­seins vor­han­den oder wie es Ador­no spä­ter aus­drück­te, »ob nach Ausch­witz noch sich leben las­se, ob voll­ends es dür­fe, wer zufäl­lig ent­rann und rech­tens hät­te umbe­bracht wer­den müs­sen«.28 Der Essay­ist Jean Amé­ry – der die Ver­nich­tungs­la­ger Ausch­witz, Mit­­tel­­bau-Dora und Ber­­gen-Bel­­sen über­leb­te – fass­te 1970 die »Grund­fra­ge unse­res Daseins« mit dem Titel »Wei­ter­le­ben – aber wie« zusam­men und stand der »Jar­go­ni­sie­rung« durch die »Dia­lek­tik« der »Frank­fur­ter Schu­le« kri­tisch gegen­über.29 In den 1940er-Jah­­ren rück­te der »eli­mi­na­to­ri­sche« Anti­se­mi­tis­mus oder der »Krieg gegen die Juden« (wie spä­te­re Historiker*innen die ver­such­te Aus­rot­tung der Jüd*innen in Euro­pa zu beschrei­ben ver­such­ten30 In der Anti­­se­­mi­­tis­­mus-Theo­rie des Insti­tuts war der »Juden­hass« nicht nur »Aus­druck des gesell­schaft­li­chen Unwe­sens« und der »Kul­mi­na­ti­ons­punkt einer tief in den Grund­struk­tu­ren der kapi­ta­lis­ti­schen Gesell­schaft ver­an­ker­ten Feind­schaft gegen das Kon­kre­te, Beson­de­re, Indi­vi­du­el­le«. Lang­fris­tig sei der Anti­se­mi­tis­mus nur zu besie­gen, resü­miert Len­hard das Pro­jekt der »Kri­ti­schen Theo­rie«, »wenn die Grund­la­gen der anti­se­mi­ti­schen Gesell­schaft bewusst und wil­lent­lich ver­än­dert wür­den – eine Umschrei­bung für die kom­mu­nis­ti­sche Ein­rich­tung der Gesell­schaft«. Alle bis­he­ri­ge Theo­rie sei nicht kri­tisch genug gewe­sen. »Es bedurf­te des­halb einer neu­en, radi­ka­len kri­ti­schen Theo­rie der Gesell­schaft – und Hork­hei­mer glaub­te sich dazu beru­fen, sie zu for­mu­lie­ren«, schluss­fol­gert Len­hard.31 Das Zeit­al­ter der Rackets eben den Ana­ly­sen der Auf­klä­rung und der Kul­tur­in­dus­trie waren die »Ele­men­te des Anti­se­mi­tis­mus« ein maß­ge­ben­der Teil des Haupt­werks des Insti­tuts, der Dia­lek­tik der Auf­klä­rung, die 1947 im Ams­ter­da­mer Exil-Ver­­lag Quer­ido erschien. Obwohl Hork­hei­mer und Ador­no als Autoren genannt wur­den, waren auch ande­re Insti­tuts­mit­glie­der wie Pol­lock, Mar­cu­se und Löwen­thal an der Ent­ste­hung betei­ligt (von unge­nann­ten Zuarbeiter*innen wie Gre­tel Ador­no ganz zu schwei­gen). In der Dis­kus­si­on um die Auf­lö­sung der Klas­sen der kapi­ta­lis­ti­schen Gesell­schaft in Struk­tu­ren von »Rackets« (die Hork­hei­mer teil­wei­se aus den Arbei­ten von US-Sozi­al­­wis­­sen­­schaf­t­­lern wie Robert S. Lynd oder der US-ame­ri­­ka­­ni­­schen Popu­lär­kul­tur als auch von Ana­ly­sen von Fried­rich Pol­lock und Franz Neu­mann über­nahm) soll­te – mit den Wor­ten Len­hards – die Mög­lich­keit geschaf­fen wer­den, »eine den Kapi­ta­lis­mus tran­szen­die­ren­de Herr­schafts­ge­schich­te zu schrei­ben.«32 In den Auf­zeich­nun­gen zur Dia­lek­tik der Auf­klä­rung pos­tu­lier­te Hork­hei­mer den eman­zi­pa­to­ri­schen Cha­rak­ter einer radi­kal­de­mo­kra­ti­schen Poli­tik: »In der wah­ren Idee der Demo­kra­tie, die in den Mas­sen ein ver­dräng­tes, unter­ir­di­sches Dasein führt«, heißt es dort, »ist die Ahnung einer einer vom Racket frei­en Gesell­schaft nie ganz erlo­schen. Die Idee zu ent­fal­ten, bedeu­tet frei­lich die Durch­brech­nung einer dicken Sug­ges­ti­on, die noch die wah­re Kri­tik am Racket in sei­nen Dienst stellt.«33 Die Dia­lek­tik der Auf­klä­rung sei, kon­sta­tiert Len­hard, »eine Syn­the­se der theo­re­ti­schen und empi­ri­schen Arbei­ten, die bis Kriegs­en­de am Insti­tut ent­stan­den« sei­en, tran­szen­dier­te sie jedoch, indem sie »bis in die äuße­re Form und Spra­che hin­ein das Frag­men­ta­ri­sche des Den­kens« fest­hal­te, das den Ver­hee­run­gen des Krie­ges und der Ver­nich­tung ent­spre­che.34 Auch nach der Rück­kehr nach Deutsch­land, als das Insti­tut sowohl Anfein­dun­gen durch eine deutsch­durch­tränk­te Sozi­al­wis­sen­schaft erfuhr als auch eine frag­wür­di­ge Anpas­sung an die restau­ra­ti­ven Ten­den­zen der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Ver­drän­gungs­re­pu­blik voll­zog, blie­ben Max Hork­hei­mer, Gre­tel und Theo­dor W. Ador­no sowie Fried­rich Pol­lock »ein ver­schwo­re­nes Quar­tett, das durch Jah­re in der Emi­gra­ti­on und das Schick­sal der Ver­fol­gung zusam­men­ge­wach­sen war«.35 Zudem war dem »Insti­tut für Sozi­al­for­schung« und sei­nem Pro­dukt »Kri­ti­sche Theo­rie« der Mar­ken­na­me »Hork­hei­mer« ein­ge­brannt. Den­noch galt das »Enga­ge­ment« des »Insti­tuts für Sozi­al­for­schung« beim Auf­bau der Bun­des­wehr unter der Ägi­de Hork­hei­mers auch bei »Schüler*innen« der »Kri­ti­schen Theo­rie« als »ärger­li­ches Poli­ti­kum«.36 Am Ende sei­nes Buches resü­miert Len­hard, dass das »Insti­tut für Sozi­al­for­schung von Anfang an zwar hier­ar­chisch und gera­de­zu patri­ar­chal orga­ni­siert, zugleich aber für eine Viel­zahl an Grup­pen, Milieus und Ein­zel­per­so­nen offen« gewe­sen sei, »die aus aller Welt nach Frank­furt, Genf oder New York kamen, um an einer ein­zig­ar­ti­gen Insti­tu­ti­on zu stu­die­ren, zu leh­ren und zu for­schen; sie fan­den hier Freun­de, Genos­sen und Lieb­ha­ber, bis­wei­len auch Kon­kur­ren­ten und Fein­de«.37 Nach der Rück­kehr vie­ler Grün­dungs­mit­glie­der in die Bun­des­re­pu­blik und der Neu­eröff­nung des Insti­tuts 1950 wur­de Max Hork­hei­mer zwar wie­der als Direk­tor ein­ge­setzt, doch obwohl er in den ers­ten Jah­ren maß­geb­li­chen Anteil am Gedei­hen der »geför­der­ten Wis­sen­schaft« hat­te, blieb er gegen­über den »Ver­wal­tern« und »Agen­ten« der Wis­sen­schaft unter dem Büt­tel der »Foun­da­ti­ons« skep­tisch (was teil­wei­se auf sei­ne immer noch aktu­el­le Racket-Theo­rie zurück­zu­füh­ren war).38 Wäh­rend sich Hork­hei­mer in den 1950er-Jah­­ren zusam­men mit sei­nem Freund Pol­lock in den Schwei­zer Tes­sin zurück­zog, wur­de Ador­no – trotz aller radi­ka­len Kri­tik der Kul­tur­in­dus­trie – zu einem prä­gen­den »Medi­en­in­tel­lek­tu­el­len«, der das Kon­strukt »Kri­ti­sche Theo­rie« in Wis­sen­schaft und öffent­li­chem Dis­kurs als »öffent­li­cher Intel­lek­tu­el­ler« in der Dis­kus­si­on hielt und dar­über hin­aus half, dem stu­den­ti­schen Nach­wuchs in Wis­sen­schaft, Kunst und Medi­en Fuß zu fas­sen.39 Défor­ma­ti­on pro­fes­si­on­nel­le n sei­nem glän­zend geschrie­be­nen Buch Ador­nos Erben knüpft der His­to­ri­ker Jörg Spä­ter an die von Len­hard beschrie­be­ne »Früh­ge­schich­te« an und lässt die »Nach­ge­schich­te« des Insti­tuts als »Geschich­te aus der Bun­des­re­pu­blik« Revue pas­sie­ren, wobei es ihm gelingt – trotz aller Ernst­haf­tig­keit des Sujets – eine selbst­iro­ni­sche, teil­wei­se spöt­ti­sche, zuwei­len auch flap­si­ge Distanz zum aka­de­mi­schen Betrieb, der (mit den Wor­ten Hork­hei­mers) das »Aben­teu­er­li­che« hasst »wie die Pest«, auf­recht­zu­er­hal­ten, wenn er von »Ador­nos Sound«, Hans Magnus Enzens­ber­ger als »Fahr­dienst­leis­ter lin­ker Denk­rei­sen« oder Alex­an­der Klu­ge als »Zwölf­ton­ci­ne­as­ten« spricht.40 In den 1950er-Jah­­ren wur­de die »Kri­ti­sche Theo­rie« in ers­ter Linie von Hork­hei­mer und Ador­no in der Bun­des­re­pu­blik, loya­len Vertreter*innen in den USA wie Leo Löwen­thal oder kri­ti­schen »Deviationist*innen« wie Erich Fromm, Her­bert Mar­cu­se oder Sieg­fried Kra­cau­er reprä­sen­tiert. Bis zu dem Zeit­punkt, als Jür­gen Haber­mas zur domi­nan­ten Stim­me der »zwei­ten Gene­ra­ti­on« der »Kri­ti­schen Theo­rie« wur­de, bestimm­ten »ecker­män­ni­sche« Gehilf*innen und media­len »Multiplikator*innen« wie Her­mann Schwep­pen­häu­ser, Rolf Tie­de­mann oder Alfred Schmidt das aka­de­mi­sche Gesicht der »Frank­fur­ter Schu­le« in der Öffent­lich­keit. Ähn­lich wie in den 1920er-Jah­­ren stand es um die Auf­ar­bei­tung von den patri­ar­cha­len und hier­ar­chi­schen Zustän­den im Insti­tut nicht zum Bes­ten.41 Das Insti­tut in Frank­furt war nicht, wie Spä­ter in sei­ner Beschrei­bung der aka­de­mi­schen Zustän­de kon­sta­tiert, ein para­die­si­scher Ort: Das Betriebs­kli­ma sei »durch eine miss­li­che Mischung von Bru­ta­li­tät und Kom­pli­zen­tum« gekenn­zeich­net. »An der Spit­ze, eher sche­men­haft, die abso­lu­te Auto­ri­tät des unsicht­ba­ren Got­tes Hork­hei­mer, reprä­sen­tiert in der Pra­xis weni­ger durch Ador­no, der der­lei welt­li­che Auf­ga­ben eher wider­wil­lig ver­sah, als durch sei­ne Frau Gre­tel. Am Fuss der Pyra­mi­de zwei Kate­go­rien von Bediens­te­ten, die einen, die Pas­san­ten blie­ben (…), und die ande­ren, die aus wel­chen Grün­den auch immer dem Insti­tut ver­fal­len waren, und daher benutzt wer­den konn­ten und auch wur­den.«42 in Frank­furt am Main war es offen­bar nicht schö­ner als anders­wo: »Hin­sicht­lich der mensch­li­chen Schwä­chen und aka­de­mi­schen Defor­ma­tio­nen war die Frank­fur­ter Schu­le offen­kun­dig ein Ort wie jeder ande­re auch.«43 In sei­ner Geschich­te der »Frank­fur­ter Schu­le« prä­sen­tiert Spä­ter nicht nur Gewin­ner der »geför­der­ten Wis­sen­schaft« wie Jür­gen Haber­mas oder Her­bert Schnä­del­bach, die sich ohne grö­ße­re Schwie­rig­kei­ten dem strom­li­ni­en­för­mi­gen Wis­sen­schafts­be­trieb anpas­sen konn­ten, son­dern auch Ein­zel­gän­ger wie der Phi­lo­soph Karl Heinz Haag, der nach dem Tod Ador­nos im Jah­re 1969 von Hork­hei­mer zum Nach­fol­ger als Insti­tuts­di­rek­tor aus­er­ko­ren wur­de, es jedoch vor­zog, dem aka­de­mi­schen Betrieb den Rücken zu keh­ren und auf sei­ne Pen­si­ons­an­sprü­che zu ver­zich­ten, um vier­zig Jah­re lang bis zu sei­nem Tod 2011 in sei­ner Woh­nung in Fran­k­­furt-Höchst als wis­sen­schaft­li­cher Ere­mit zu leben, wo er mit einer außer­or­dent­li­chen Radi­ka­li­tät gegen den Kon­for­mis­mus der »herr­schen­den Maß­stä­be« oppo­nier­te und sich dem »Risi­ko äußers­ter Ein­sam­keit« aus­setz­te.44 Der reni­ten­te Geist aus der Fla­sche ie Kehr­sei­te der Medail­le der Erret­tung der »Kri­ti­schen Theo­rie« in der Bun­des­re­pu­blik, als die ver­bor­ge­nen Schrif­ten der Theo­rie-Begrün­­der in Form von Fla­schen­pos­ten aus dem Schlick der Bar­ba­rei gebor­gen wur­den, war die tech­no­kra­ti­sche Ver­wand­lung der Kri­tik in aka­de­mi­sche Pro­zess­be­schrei­bun­gen.45 Die genann­ten Autoren der Dia­lek­tik der Auf­klä­rung (Ador­no und vor allem Hork­hei­mer) wider­setz­ten sich lan­ge der Neu­pu­bli­ka­ti­on ihrer Schrif­ten aus dem Exil. Als der Geist schließ­lich wie­der aus der Fla­sche gelas­sen wor­den war, hader­ten sie mit den Resul­ta­ten. In den »Fla­schen­pos­ten« waren kei­ne Anlei­tun­gen für die Ein­rich­tung einer bes­se­ren Welt ent­hal­ten, und die Kos­tü­mie­rung von Karl Marx als mili­tan­ten Kri­ti­ker der »kri­ti­schen Kri­tik« war für Ador­no ledig­lich ein »Blind­gän­ger« der hyper­re­vo­lu­tio­nä­ren Student*innen-Bewegung, die sich in gro­tes­ken Ver­klei­dun­gen und Toten­be­schwö­run­gen selbst ins ideo­lo­gi­sche Nir­wa­na kata­pul­tier­te.46 »Wäh­rend der sech­zi­ger Jah­re, zur Zeit der Stu­den­ten­pro­tes­te«, heißt es in einer Jubi­lä­ums­schrift zum vier­zig­jäh­ri­gen Geburts­tag des Buches Dia­lek­tik der Auf­klä­rung, »wur­de es unver­se­hens zunächst zu einem Geheim­tip, dann wur­de es als einer der ers­ten Foto­­­ko­pi­en-Rau­b­­dru­­cke gehan­delt. Biblio­phi­le zahl­ten bald dar­auf für ein Ori­gi­nal­ex­em­plar des Drucks bis zu 600 DM, für ein Exem­plar des bereits 1944 hek­to­gra­phier­ten Typo­skripts mehr als das Vier­fa­che – iro­nisch genug für ein Buch, das eine Kri­tik der Tausch­ge­sell­schaft ent­hält.«47 Im Lau­fe der Jah­re geriet die von Hork­hei­mer und Ador­no Sprach­kri­tik im stu­den­ti­schen Milieu nicht nur in Frank­furt zum »denk­frei­en« Jar­gon, der vor allem die Auf­ga­be hat­te, die »Sprecher*innen« als Zuge­hö­ri­ge zum Klub aus­zu­wei­sen. Mit Recht kri­ti­sier­te Jean Amé­ry die­se »Jar­go­ni­sie­rung« des kri­ti­schen Dis­kur­ses als »Tief­schwät­ze­rei« (ein Begriff, den er Hein­rich Manns Zola-Essay ent­lehn­te). »Die­ser Jar­gon«, womit sich Amé­ry auf Ador­nos Essay Jar­gon der Eigent­lich­keit bezog, »hat sich par­odiert in der von Ador­no ange­führ­tern pseu­do­dich­te­ri­schen Blut-und Boden-Betu­lich­keit«.48 Am Ende schau­der­te Ador­no selbst vor sei­nen Nachfolger*innen, die im Namen der Anti-Auto­ri­­tä­­ren neue Auto­ri­ta­ris­men auf­bau­ten und sich als »Vir­tuo­sen der Geschäfts­ord­nun­gen und for­ma­len Pro­ze­du­ren« auf­spiel­ten. »Die eige­ne Rele­vanz über­schät­zen sie nar­ziß­tisch«, heißt es in einem letz­ten Text vor sei­nem Tod im August 1969, »ohne zurei­chen­den Sinn für Pro­por­tio­nen.«49 Phan­to­me der anti­qua­ri­schen Gelehr­sam­keit elb­st sein vor­geb­li­cher »Lieb­lings­schü­ler« Hans Jür­gen Krahl – ein viel­fach ver­klär­ter James Dean des SDS-Auf­­­be­­geh­­rens in den spä­ten 1960er-Jah­­ren – war in ers­ter Linie ein sich selbst über­schät­zen­der Meta­po­li­ti­ker, des­sen Ori­gi­na­li­tät sich dar­in erschöpf­te, die Schatz­tru­he der »Kri­ti­schen Theo­rie« zu plün­dern und in einem mög­lichst unver­ständ­li­chen mar­xi­ko­lo­gi­schen Argot unter das phan­tom­haft blei­ben­de revo­lu­tio­nä­re Sub­jekt zu brin­gen. Krahl und sei­ne Nachfolger*innen begrif­fen die Intel­lek­tu­el­len in ers­ter Linie als Erfüllungsgehilf*innen in einem ima­gi­nä­ren, leni­nis­tisch gepräg­ten revo­lu­tio­nä­ren Pro­jekt von Akti­on und Orga­ni­sa­ti­on, in dem (wie Krahl in sei­ner gro­tes­ken Hor­k­hei­­mer-als-Leni­­nist-Ver­­­kör­­pe­rung aus­rief) »bür­ger­li­che Kri­tik am pro­le­ta­ri­schen Kampf eine logi­sche Unmög­lich­keit« sei.50 Das Ver­ständ­nis der neu her­auf­zie­hen­den Gesell­schaft war sowohl dem Erfin­der der »Kri­ti­schen Theo­rie« als auch sei­nem selbst ernann­ten Nach­fol­ger fremd. Für Hork­hei­mer redu­zier­ten sich – in Anleh­nung an die Dys­to­pien von Aldous Hux­ley und Geor­ge Orwell in den 1930er- und 1940er-Jah­­ren – die Indi­vi­du­en in einer »auto­ma­ti­sier­ten Gesell­schaft« auf eine Spe­zi­es von »belie­big aus­wech­sel­ba­ren Auto­ma­ten«, deren intel­lek­tu­el­le Fähig­keit sich auf die Ord­nung von Daten und Infor­ma­tio­nen redu­zie­re. »Die Mensch­heit wird zur Gat­tung wie die Amei­sen und Bie­nen«, lau­te­te das Resü­mee Hork­hei­mers im Jah­re 1970.51 Im glei­chen Jahr (in sei­nem Todes­jahr) schwa­dro­nier­te Krahl über eine »basis­ver­an­ker­te Demo­kra­tie« auf Basis einer »elek­­tro­­nisch-kyber­­ne­­tisch und infor­ma­ti­ons­theo­re­tisch bestimm­ten Tech­no­lo­gie«, die von einer »poli­ti­schen Par­tei« den Weg in einen nicht-auto­ri­­tä­­ren Sozia­lis­mus gewie­sen bekom­men soll. Die­ses Phan­tom habe »die Wider­sprü­che klar auf­zu­zei­gen und Lösungs­vor­schlä­ge offen und öffent­lich zu dis­ku­tie­ren.«52 In den 1970er-Jah­­ren arbei­te­te – berich­tet Spä­ter – das Insti­tut im Auf­trag der von der SPD geführ­ten Bun­des­re­gie­rung an einer Stu­die über den Com­­pu­­ter-Ein­­satz in der Stahl- und Finanz­in­dus­trie, wobei es – im Jar­gon der Zeit – um die »For­men der Tausch- und Arbeits­abs­trak­ti­on« ging, nicht aber um die Gefah­ren und Mög­lich­kei­ten der Digi­ta­li­sie­rung der Arbeits­welt, die – wie Spä­ter es nennt – »mit mar­xis­ti­schem Besteck« seziert wur­de.53 Es war jedoch auch – sowohl intel­lek­tu­ell als auch sprach­lich – der Rück­sturz in die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Ära, wo mit »ver­al­te­tem Phra­sen­kram«54 (wie Marx in der »Kri­tik des Gotha­er Pro­gramms« schrieb) die herr­schen­den Zustän­de dra­piert wur­den, jedoch nie­mals der Ver­such unter­nom­men wur­de, die »Kri­ti­sche Theo­rie« auf Medi­en- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men des aus­ge­hen­den 20. Jahr­hun­derts jen­seits von Ber­tolt Brecht und Wal­ter Ben­ja­min anzu­wen­den. Statt­des­sen erstarr­ten die spä­ten Adep­ten der »Frank­fur­ter Schu­le« im Immer­glei­chen der ideo­lo­gi­schen Tra­di­ti­on.55 Spä­ter bezeich­net die urban-intel­­lek­­tu­el­­len Ter­ri­to­ri­en Frank­furts in jener Deka­de als »ver­blü­hen­de Land­schaf­ten«. Ador­no sei zu einem Frank­fur­ter Mar­ken­ar­ti­kel gewor­den, zu einem jener Kin­der der Stadt in Nach­fol­ge Goe­thes, Aus­stel­lungs­ob­jek­te des kul­tu­rel­len Kapi­tals einer rea­li­ter aus­ge­zehr­ten Stadt­ge­sell­schaft. »Am Ende des Jahr­zehnts wur­de Ador­no mehr zitiert als stu­diert«56, kon­sta­tiert der His­to­ri­ker. In einem Cha­os aus Pas­sa­gen und Arka­den ereits in den 1960er-Jah­­ren ent­flamm­te unter den Adept*innen und Kritiker*innen der »Frank­fur­ter Schu­le« ein mit har­ten Ban­da­gen geführ­ter Kampf um die Schrif­ten und den Nach­lass Wal­ter Ben­ja­mins, der für die intel­lek­tu­el­le Gene­ra­ti­on der 1968er eine Art spi­ri­tu­el­ler Che Gue­va­ra der Vor­zeit war. Bereits in der Zeit des Exils war ein Streit unter Emigrant*innen aus­ge­bro­chen, wobei dem »Insti­tut für Sozi­al­for­schung« (vor allem Hork­hei­mer und Ador­no) vor­ge­wor­fen wur­de, sie hät­ten den asso­zi­ier­ten Mit­glie­dern Wal­ter Ben­ja­min und Sieg­fried Kra­cau­er (die in Süd­frank­reich auf eine Flucht in die USA war­te­ten) nicht aus­rei­chen­de Unter­stüt­zung zukom­men las­sen und ihre Tex­te für die Zeit­schrift für Sozi­al­for­schung zen­siert.57 Vor allem Han­nah Are­ndt sah sich als Räche­rin Ben­ja­mins, des­sen Selbst­mord in den Pyre­nä­en sie Ador­no anlas­te­te, der im April 1939 mit der Ableh­nung der ers­ten Fas­sung des Bau­­de­­lai­­re-Auf­­­sa­t­­zes Ben­ja­min einen »Stoß« ver­setzt habe, sodass er den Ein­druck gehabt habe, sei­ne Über­sied­lung nach den USA sei unmög­lich gewor­den.58 Die Kon­kur­renz und Feind­schaft unter den Emigrant*innen setz­te sich in der Nach­kriegs­zeit fort, als Ador­no und sein Edi­ti­ons­exper­te Rolf Tie­de­mann unter per­ma­nen­ten Beschuss von den »wah­ren« und »lin­ken« Benjamin-Jünger*innen (die sich zum einen unter dem Ban­ner der aka­­de­­misch-mar­xis­­ti­­schen Zeit­schrift alter­na­ti­ve ver­sam­mel­ten und zum ande­ren von der »sub­si­dier­ten Wis­sen­schaft« der »Foun­da­ti­ons« ali­men­tiert wur­den). Nach dem Tod Ador­nos kapri­zier­ten sich die aka­de­mi­schen Ben­­ja­­min-Rackets in ihren oft maß­lo­sen, hin­ter­häl­ti­gen Angrif­fen auf die Herausgeber*innen Rolf Tie­de­mann, Her­mann Schwep­pen­häu­ser und Hel­la Tie­­de­­mann-Bartels. »Für all die Kri­ti­ker aus der Neu­en Lin­ken, die Ador­no nicht als Ret­ter, Samm­ler und Archi­var, son­dern als Mani­pu­la­tor, Mono­po­lis­ten und Fäl­scher des Erbes wahr­nah­men«, schreibt Spä­ter, »galt Tie­de­mann natür­lich längst als des­sen Kom­pli­ze.«59 Die Edi­ti­on von Ben­ja­mins Gesam­mel­ten Schrif­ten erschien zwi­schen den Jah­ren 1974 und 1989 unter einem – auch mensch­lich – hohen Preis, mit vie­len Ver­let­zun­gen und Zer­mür­bun­gen. Detail­reich zeich­net der His­to­ri­ker Robert Pur­sche in sei­nem Buch Umkämpf­tes Nach­le­ben (2024) die mili­tan­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen den geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen und ideo­lo­gi­schen Frak­tio­nen nach, wobei er Tie­de­mann in einer Rol­le eines Gene­rals sieht, der »den phi­lo­lo­gi­schen Bar­ri­ka­den­kampf an vor­ders­ter Front« füh­ren soll­te.60 Es ist tra­gisch, dass nach dem Ende der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ter­ror­herr­schaft und der Restau­ra­ti­on alter aka­de­mi­scher Seil­schaf­ten des Nazi-Regimes über die Publi­ka­ti­on des Nach­las­ses von Ador­no und Ben­ja­min (wie Juan Goy­tiso­lo in einem ande­ren Kon­text schrieb) eine »auf­ge­setz­te Erre­gung und Unru­he« her­ein­brach, »ein Kli­ma dump­fer undeut­li­cher Angst, zivi­le Zwie­tracht, heim­lich ver­teil­te Pro­pa­gan­da, ritu­el­le Erwäh­nung von Gemet­zeln«.61 Ohne Tie­de­manns auf­op­fe­rungs­vol­les Enga­ge­ment (auch wenn dies pathe­tisch klin­gen mag) hät­te es die gro­ßen Edi­tio­nen von Ador­no und Ben­ja­min nicht gege­ben, und die­se Leis­tung wird auch zuneh­mend aner­kannt: Tie­de­mann war nicht allein »Die­ner« von Ador­no und Ben­ja­min, son­dern – wie Dirk Braun­stein in einer Remi­nis­zenz unter Beru­fung auf den Ador­­no-For­­scher Robert Hul­­lot-Ken­­tor schreibt – ein begna­de­ter Edi­tor, der das »Frag­ment« der Ästhe­ti­schen Theo­rie Ador­nos der Nach­welt in les­ba­rer Form hin­ter­ließ.62 In Spä­ters Ver­si­on erscheint Tie­de­mann jedoch wie ein phi­lo­lo­gi­scher Ber­ser­ker, der nicht allein gegen sei­ne Widersacher*innen und Kontrahent*innen im aka­de­mi­schen und ver­le­ge­ri­schen Betrieb ankämpf­te, son­dern auch die eige­ne Ehe und Fami­lie rui­nier­te. Der »schein­selb­stän­di­ge Tie­de­mann ver­schanz­te sich mehr und mehr in der Ador­­no-Ben­­ja­­min-Burg und beäug­te von ihren Zin­nen das Heer der Fein­de und Stüm­per vor ihren Toren«, heißt es bei Spä­ter. »Ab und zu schleu­der­te er eine Tira­de in geschlif­fe­ner For­mu­lie­rung hin­un­ter, dann ver­grub er sich wie­der und leck­te sei­ne Wun­den.«63 Dabei unter­schlägt Spä­ter die neo­li­be­ra­len Ent­wick­lun­gen des wis­sen­schaft­li­chen Betrie­bes in den 1980er- und 1990er-Jah­­ren, in deren Ver­lauf Ein­rich­tun­gen geschlos­sen oder zusam­men­ge­legt wur­den, zumut­ba­re Stu­di­en­be­din­gun­gen nicht vor­han­den waren und im Win­ter­se­mes­ter 1988/89 im Rah­men des »UniMUT«-Streiks der Ver­such einer stu­den­ti­schen Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on unter­nom­men wur­de. Wäh­rend ein Groß­teil der Leh­ren­den und Professor*innen sich zwi­schen Resi­gna­ti­on und Kon­for­mis­mus im uni­ver­si­tä­ren Betrieb ein­rich­te­te und die eige­ne aka­de­mi­sche Kar­rie­re ver­folg­te, beglei­te­te die Ador­­no-Schü­­le­rin Hel­la Tie­de­mann ihre Student*innen mit Empa­thie und Auf­mun­te­rung in wenig hoff­nungs­vol­len Zei­ten. Sie trug nicht nur die Fackel der »Kri­ti­schen Theo­rie« wei­ter, son­dern auch das Inter­es­se der Leh­ren­den für ihre Schüler*innen – wie es bei­spiels­wei­se in den Brie­fen Theo­dor W. Ador­nos an Eli­sa­beth Lenk zum Aus­druck kam (»Aller­herz­lichst wie stets Ihr Ted­die Ador­no«).64 »Im Zen­trum ihrer Leh­re stand nicht das Dozie­ren« schrieb der Autor Lothar Mül­ler in sei­nem Nach­ruf, »son­dern das fra­gen­de Auf­schlie­ßen von Tex­ten, bei dem ihre Freund­lich­keit und ihr cha­rak­te­ris­ti­sches Lachen kei­ner­lei Abzug an gedank­li­cher Stren­ge ent­hielt. Damit hat sie als eine jener Figu­ren, deren Bedeu­tung sich an ihrem insti­tu­tio­nel­len Gewicht nicht ermes­sen lässt, Gene­ra­tio­nen von Stu­die­ren­den geprägt.«65 Ver­lo­ren auf der Schol­le ährend die »Kri­ti­sche Theo­rie« in Frank­furt zuneh­mend ver­dorr­te, such­ten pro­mi­nen­te, aber vom Frank­fur­ter Betrieb aus­ge­schlos­se­ne Schüler*innen von Ador­no und Hork­hei­mer wie Oskar Negt, Her­mann Schwep­pen­häu­ser, Det­lev Claus­sen, Eli­sa­beth Lenk und ande­re im Zuge der Bil­dungs­re­form in den 1970er-Jah­­ren aus­ge­bau­ten Hoch­schu­len und Uni­ver­si­tä­ten in Nie­der­sach­sen (Han­no­ver und Lüne­burg) aka­de­mi­schen Unter­schlupf. Es war eine »umge­kehr­te Wüs­ten­wan­de­rung«, wie sie Hans Jür­gen Krahl in sei­nen »Anga­ben zur Per­son« 1969 in einer Pro­zesserklä­rung zu Pro­to­koll gege­ben hat­te – aus dem ver­gleichs­wei­se libe­ra­len Frank­furt in Land­schaf­ten der »fins­te­ren Pro­vinz«, in denen vor nicht lan­ger Zeit KZ-Häf­t­­lin­­ge auf Todes­mär­schen aus dem Harz in die Hei­de getrie­ben wur­den und wo immer noch Insi­gni­en der »völ­ki­schen Land­nah­me« in Form der »Wolfs­an­gel« der »Hei­mat­treu­en« zu fin­den sind.66 Viel­leicht war die Flucht zurück in die Wüs­te ein auf­klä­re­ri­sches Pro­jekt, wie es Les­sing im Nathan arti­ku­lier­te: »Ich fürch­te, grad unter Men­schen möch­test du ein Mensch zu sein ver­ler­nen.«67 Ob es aller­dings aus­ge­rech­net in der nie­der­säch­si­schen Step­pe gelin­gen konn­te, muss­te offen­blei­ben. In Han­no­ver woll­te Oskar Negt, schrieb Spä­ter in einem Nach­ruf, »vor den Werks­to­ren von VW, Han­o­mag und Con­ti­nen­tal ein gal­li­sches Dorf errich­ten, das mit dem Zau­ber­trank der kri­ti­schen Theo­rie dem Groß­in­dus­trie­ka­pi­tal Paro­li bie­ten wür­de. Der Ver­such, Marx wis­sen­schaft­lich in die Bun­des­re­pu­blik ein­zu­bür­gern, gelang zwar durch­sus, doch der Anspruch der Kri­ti­schen Theo­rie, mehr als eine aka­de­mi­sche Ange­le­gen­heit zu sein, konn­te ›Han­no­ver‹ nicht erfül­len.«68 »Uner­müd­lich wie ein Maul­wurf grub sich Oskar Negt durch immer neue Erd­schich­ten, wel­che die fal­sche Gesell­schaft unter dem Zwang kapi­ta­lis­ti­scher Pro­duk­ti­ons­wei­se von der wirk­li­chen Frei­heit trenn­ten«, beschreibt Spä­ter Negts wis­sen­schaft­li­che Tätig­keit in Han­no­ver, über dem auch immer die pie­tis­ti­sche Trau­rig­keit Anton Reisers hing. »Sei­ne Schlüs­sel­be­grif­fe trans­por­tier­ten das pro­tes­tan­ti­sche Arbeits- und Gewis­sens­ethos in die links­so­zia­lis­ti­schen und gewerk­schaft­li­chen Milieus der Bun­des­re­pu­blik: sozia­les Ler­nen, Erin­ne­rungs­ar­beit, Ver­ar­bei­tung von kol­lek­ti­ven Erfah­run­gen, Schu­lung des poli­ti­schen Bewusst­seins, poli­ti­sche Gedan­ken­ar­beit, Werk­stät­ten der Ver­nunft.«69 In der Lüne­bur­ger Pro­vinz spiel­te Schwep­pen­häu­ser als letz­ter Bür­ger und letz­tes Genie die Rol­le des Ador­no, »wur­de sei­nem Idol immer ähn­li­cher und erhielt dafür war­men Bei­fall«. »Frank­fur­ter« Urba­ni­tät und Bil­dung waren für Ador­no untrenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­den. »Kei­nem Men­sche­nist es vor­zu­hal­ten, daß er vom Lan­de stammt«, führ­te er 1961 in einem Vor­trag vor Frank­fur­ter Student*innen aus, »aber auch kei­ner dürf­te dar­aus sich ein Ver­dienst machen und dabei behar­ren; wem die Eman­zi­pa­ti­on von der Pro­vinz miß­glück­te, der steht zur Bil­dung exter­ri­to­ri­al.«70 Mit dem Pro­jekt der »Ent­pro­vin­zia­li­sie­rung« (das Ador­no als Fun­da­ment der Intel­lek­tu­el­len und der Gesell­schafts­kri­tik begriff71 rekur­rier­te er auf den kos­mo­po­li­ti­schen Cha­rak­ter der »Kri­ti­schen Theo­rie« und der »Frank­fur­ter Schu­le«, als sie sich im Som­mer 1923 in der »ers­ten maxis­ti­schen Arbeits­wo­che« in Ilmen­au in Thü­rin­gen kon­sti­tu­ier­te72. Mit der Ver­streu­ung der kri­ti­schen Geis­ter in der Pro­vinz muss­te sich das »Pro­jekt« der »Kri­ti­schen Theo­rie« das Schei­tern ein­ge­ste­hen. In der media­len Wahr­neh­mung reprä­sen­tier­te das fusio­nier­te, mit »Exzel­lenz­ka­pi­tal« auf­ge­la­de­ne aka­de­mi­sche Unter­neh­men von Haber­mas & Schnä­del­bach die nicht mehr »kri­ti­sche Theo­rie«, wäh­rend in der pro­vin­zi­el­len Land­schaft der Lüne­bur­ger Hei­de selbst erklär­te Adep­ten der »Kri­ti­schen Theo­rie« wie Wolf­gang Pohrt und Eike Gei­sel zuvör­derst als post­lin­ke Abbruch­un­ter­neh­mer fun­gier­ten. Im Gegen­satz zu Alfred Schmidt, Rolf und Hel­la Tie­de­mann oder Kurt und Eli­sa­beth Lenk ver­moch­ten sie kei­nen genui­nen Bei­trag zur »Kri­ti­schen Theo­rie« zu lie­fern. Die intel­lek­tu­el­len Wüte­ri­che Pohrt & Gei­sel fan­den als publi­zis­ti­sche Gue­ril­la­krie­ger im links­ra­di­ka­len Milieu der 1980er-Jah­­re ihr Publi­kum und ihr Aus­kom­men, konn­ten mit ihren immer glei­chen Pro­vo­ka­tio­nen den media­len Markt bedie­nen und sich als »auto­ri­tä­re Cha­rak­ter­ty­pen«73 insze­nie­ren, die in öffent­li­chen Vor­trä­gen vor allem auf ihre Frei­heit des Niko­tin­kon­sums poch­ten. In stets wie­der­keh­ren­den Auf­güs­sen wird Pohrt als letz­ter authen­ti­scher Jün­ger Ador­nos prä­sen­tiert, der vor dem Publi­kum zu Pro­to­koll gab, dass Ador­no »das letz­te Wort des kri­ti­schen Den­kens sei­ner Epo­che« gespro­chen habe, das »weder erwei­te­rungs­fä­hig noch ergän­zungs­be­dürf­tig« sei.74 War­um gibt aber sein Nach­lass­ver­wal­ter Klaus Bit­ter­mann seit Jah­ren immer neue Antho­lo­gien und Bän­de sei­nes ver­stor­be­nen Autors Pohrt her­aus, der schon in den 1980er-Jah­­ren nichts Neu­es zum kri­ti­schen Den­ken bei­tra­gen konn­te? Wenn von Ador­no (den Pohrt – trotz der erzwun­ge­nen Emi­gra­ti­on und zahl­rei­chen Anfein­dun­gen im Nach­kriegs­deutsch­land – als »Glücks­pilz« cha­rak­te­ri­siert) »das letz­te Wort des kri­ti­schen Den­kens sei­ner Epo­che« stammt, könn­te man sich (gleich Karl Heinz Haag) wie ein Büche­re­re­mit mit den Gesam­mel­ten Schrif­ten aus der Pro­duk­ti­on von Suhr­kamp und S. Fischer in die Biblio­thek zurück­zie­hen und die »Kri­ti­sche Theo­rie« gedank­lich von der einen zur ande­ren Sei­te wäl­zen, ob man nun im »Hegel­schen« oder »Hes­si­schen« bewan­dert ist. Das Mias­ma des Auto­ri­tä­ren päter fei­ert Pohrt als »intel­lek­tu­ell Hoch­be­gab­ten«, als »jun­gen, zor­ni­gen Mann«, den es auf eine Assis­ten­ten­stel­le an der Päd­ago­gi­schen Hoch­schu­le Lüne­burg ver­schlug und sich stän­dig durch medi­al genau kal­ku­lier­te Pro­vo­ka­tio­nen als Außen­sei­ter im Sti­le eines intel­lek­tu­el­len, ger­ma­ni­schen Cou­sins von Mick Tra­vis aus Lind­say Ander­sons gleich­na­mi­ger Tri­lo­gie über Revol­te und Anpas­sung (1968–1982) gerier­te.75 Hämisch dozier­te Pohrt über die »inte­grier­ten Sozi­al­fäl­le« der ergrau­ten »Neu­en Lin­ken«, wäh­rend er als aso­zia­ler Despe­ra­do die RAF als ein­zig authen­ti­sche deut­sche Wider­stands­grup­pe mytho­lo­gi­sier­te, ohne sich die­sem Unter­gangs­kol­lek­tiv anzu­schlie­ßen, bis die eige­ne nar­ziss­ti­sche »Ich-AG« schließ­lich als Pfle­ge­fall ende­te.76 Pohrt ver­harr­te in dog­ma­ti­scher Recht­ha­be­rei, wüte­te als reni­ten­ter Klein­bür­ger im »Gefan­ge­nen­la­ger des Extrems« (um einen Begriff Peter Brück­ners zu ver­wen­den), umge­ben vom Ver­we­sungs­ge­ruch alter Auto­ri­tä­ten. Ana­log zur mili­ta­ris­ti­schen Gue­ril­la der RAF bil­de­ten Pohrt und ande­re selbst­er­klär­te Erben Ador­nos einen intel­lek­tu­el­len »Despe­ra­do­trupp«, der »den Men­schen nur grau­si­ge Ver­küm­me­rung und stil­les Sie­chen« gestat­te­te.77 »Die am hef­tigs­ten pro­tes­tie­ren, glei­chen den auto­ri­täts­ge­bun­den Cha­rak­te­ren in der Abwehr von Intro­spek­ti­on«, dia­gnos­ti­zier­te Ador­no kurz vor sei­nem Tod; »wo sie sich mit sich beschäf­ti­gen, geschieht es kri­tik­los, rich­tet sich unge­bro­chen, aggres­siv nach außen.«78 Intel­lek­tu­el­le Abde­cke­rei usdruck der intel­lek­tu­el­len Sta­gna­ti­on der Nach­ge­bo­re­nen ist das Ein­rich­ten im Bestehen­den. Wäh­rend die gut recher­chier­ten und ele­gant geschrie­be­nen Geschich­ten der »Kri­ti­schen Theo­rie« oder »Frank­fur­ter Schu­le« von Len­hard und Spä­ter »Leucht­tür­me« in der aktu­el­len Geschichts­schrei­bung sind, bleibt die vor­geb­lich »bahn­bre­chen­de« Stu­die Der non­kon­for­mis­ti­sche Intel­lek­tu­el­le des Sozi­al­wis­sen­schaft­lers Alex Demi­ro­vić (die in einer – vom Nach­wort und eini­gen Lite­ra­tur­an­ga­ben abge­se­hen – unver­än­der­ten Neu­auf­la­ge des Buches aus dem Jah­re 1999 repu­bli­ziert wur­de) ein aka­de­mi­scher Back­stein, der auf knapp 800 Sei­ten nicht ledig­lich per­ma­nent einen »Ekel am Text« durch einen ideo­lo­gi­schen »Sprach­schaum« (um einen Aus­druck von Roland Bar­thes zu ver­wen­den) her­vor­ruft, son­dern auch – obwohl sich der Autor in die Hor­k­hei­­mer-Tra­­di­­ti­on stellt – die Spra­che auf die »For­men des aka­de­mi­schen Rackets« redu­ziert, in der Begrif­fe wie Erken­nungs­mar­ken ver­wen­det wer­den (»Intel­lek­tu­el­le und ihre Pra­xis: Theo­re­ti­sche Gesichts­punk­te für eine Ana­ly­se der Kri­ti­schen Theo­rie«, beti­telt der Racket-Sekre­­tär sei­ne Ein­lei­tung).79 Weder ver­mag Demi­ro­vić mit sei­ner sich am Ran­de der Unles­bar­keit und im aka­de­mi­schen Zeit­geist der 1990er-Jah­­re (in der Linie von Rosa Luxem­burg über Anto­nio Gramsci bis zu Fred­ric Jame­son) bewe­gen­den Stu­die neue Erkennt­nis­se zu den Arbei­ten von Mar­tin Jay oder spä­te­ren Historiker*innen der »Frank­fur­ter Schu­le« wie Miri­am Bra­tu Han­sen oder Rus­sell Jaco­by bei­zu­steu­ern noch kann er die Rol­le des »non­kon­for­mis­ti­schen Intel­lek­tu­el­len« in der von ana­lo­gen und digi­ta­len Medi­en ver­än­der­ten sozia­len Bedin­gun­gen ana­ly­sie­ren. In der Sta­sis des »unver­än­der­ten« aka­de­mi­schen Back­steins bleibt es seit mehr als einem Vier­tel­jahr­hun­dert, wie es ist.80 Demi­ro­vićs »non­kon­for­mis­ti­sche Intel­lek­tu­el­le« in der »geför­der­ten Wis­sen­schaft« sind die post­mo­der­ne Vari­an­te der »Hig­h­­brow-Intel­­lek­­tu­el­­len«, die Ador­no bereits in den spä­ten 1940er-Jah­­ren in den USA kari­kier­te. »Der Ehr­geiz geht allein dar­auf, im akzep­tier­ten Vor­rat sich aus­zu­ken­nen, die kor­rek­te Paro­le zu tref­fen«, schrieb er in den Mini­ma Mora­lia. »Das Außen­sei­ter­tum der Ein­ge­weih­ten ist Illu­si­on und blo­ße War­te­zeit.«81 Wis­sen­schaft ist blo­ße Appa­ra­tur, tech­no­lo­gi­sche Beherr­schung des Immer­glei­chen, die kri­ti­sche Intel­lek­tu­el­le wie Her­bert Mar­cu­se oder C. Wright Mills zu Beginn der 1940er-Jah­­re als Reak­ti­on auf den »büro­kra­ti­schen Kol­lek­ti­vis­mus« und die Pro­pa­gan­da der »Mana­­ger-Revo­lu­­ti­on« von ehe­mals lin­ken Intel­lek­tu­el­len wie James Burn­ham oder Max Shacht­man kri­ti­sier­ten (ana­log zur Kon­ver­si­on von »anti­deut­schen Lin­ken«, die aus der Kon­kurs­mas­se der »Neu­en Lin­ken« wie dem Kom­mu­nis­ti­schen Bund den Weg zur natio­na­lis­ti­schen Rech­ten fan­den).82 Demi­ro­vić reprä­sen­tiert jenen Typus des aka­de­mi­schen Intel­lek­tu­el­len, den Rus­sell Jaco­by bereits in den 1970er-Jah­­ren als Abhub des »kon­for­mis­ti­schen Mar­xis­mus« und spä­ter als Repräsent*innen eines aka­de­mi­schen Ennuis unter dem Signum einer will­fäh­ri­gen Post­mo­der­ne cha­rak­te­ri­sier­te (wobei sich die Zei­ten unter der Herr­schaft von Trump II ekla­tant ver­än­dert haben).83 Dia­lek­ti­sche Epi­lo­ge­me­na n einer Welt, die zuneh­mend von Auto­ri­ta­ris­mus, Anti­se­mi­tis­mus, Ras­sis­mus und Faschis­mus bis in die höchs­ten Ebe­nen der poli­ti­schen und öko­no­mi­schen Instan­zen bestimmt wird, bleibt das poli­ti­sche Poten­zi­al der selbst ernann­ten Nach­lass­ver­wal­ter der »Kri­ti­schen Theo­rie« oder »Frank­fur­ter Schu­le« vage und gestalt­los. Erst unlängst bemerk­te der Wie­ner Publi­zist Robert Misik mit Blick auf die Stu­die Pro­phe­ts of Deceit (dt. Fal­sche Pro­phe­ten) von Leo Löwen­thal und Nor­bert Guter­man aus dem Jah­re 1949, es »bis heu­te wenig an Gesell­schafts­theo­rie rech­ter Bewe­gun­gen« gebe, das die Arbei­ten der »Hor­k­hei­­mer-Grup­­pe« über­tref­fe.84 »Das Unheim­li­che am Anti­se­mi­tis­mus ist sei­ne Per­sis­tenz«, schreibt der Sozio­lo­ge Hemut Dah­mer, ein Schü­ler von Hork­hei­mer und Ador­no, im Nach­wort zu dem von Ernst Sim­mel erst­mals im Jah­re 1946 her­aus­ge­ge­be­nen Dis­kus­si­ons­band über Anti­se­mi­tis­mus und Mas­­sen-Psy­cho­­pa­­tho­­lo­­gie (er basiert auf einem Anti­­se­­mi­­tis­­mus-Sym­­­po­­si­on im Juni 1944 in San Fran­cis­co). »Er impo­niert als eine Inva­ri­an­te: Allen­falls die Erschei­nungs­form des Juden­has­ses wan­delt sich, das Unwe­sen selbst aber bleibt.«85 In sei­nem Buch Escape from Free­dom schrieb Erich Fromm (in den 1930er-Jah­­ren ein enger Mit­ar­bei­ter Hork­hei­mers am Insti­tut für Sozi­al­for­schung und spä­ter ein schar­fer Kri­ti­ker von Her­bert Mar­cu­se): »Als der Faschis­mus an die Macht kam, waren die meis­ten Men­schen unvor­be­rei­tet – sowohl theo­re­tisch als auch prak­tisch.«86 Ange­sichts der jüngs­ten anti­de­mo­kra­ti­schen Angrif­fe und Akte ras­sis­ti­schen Ter­rors blei­be es offen, schreibt Roger Frie in sei­ner Fromm-Stu­­die Edge of Cata­stro­phe, »ob demo­kra­ti­sche Insti­tu­tio­nen tat­säch­lich ein aus­rei­chen­des Boll­werk gegen die­se Arten des rechts­extre­men Auto­ri­ta­ris­mus, Anti­se­mi­tis­mus und Ras­sen­has­ses bie­ten kön­nen, die wir heu­te beob­ach­ten«.87 Die selbst ernann­ten »Erben Ador­nos« über­wa­chen »kri­tisch«, dass kein Miss­brauch mit den Hin­ter­las­sen­schaf­ten der zer­brö­ckeln­den »Frank­fur­ter Schu­le« betrie­ben wer­de. Für sie ist Ador­no »ein letz­tes Genie«, das »das letz­te Wort des kri­ti­schen Den­kens sei­ner Epo­che« sprach – und danach kann nichts mehr kom­men.88 die »radi­ka­len« Erben echauf­fier­ten sich laut­hals über die aka­de­misch vor­an­ge­trie­be­ne »Ent­ak­tua­li­sie­rung und Ent­po­li­ti­sie­rung« und schwa­dro­nier­ten als »Prak­ti­zis­ten« in den Net­­scha­­jew-Kos­­tü­­men (die ande­re zur Mili­tanz auf­rie­fen, aber selbst davor zurück­schreck­ten) über »Nutz­lo­sig­keit und Fol­gen­lo­sig­keit«.89 Im abs­trak­ten Jar­gon, der in sei­ner Imi­ta­ti­on so gro­tesk wie eine simp­le KI-Gene­ra­­ti­on wirkt, wird die »Dia­lek­tik der Auf­klä­rung« noch ein­mal vom geleh­ri­gen Schü­ler wie von einem »Tremu­lan­ten des Jar­gons«90 auf­be­rei­tet. »Die Kul­tur­in­dus­trie, die aus der Zir­ku­la­ti­ons­sphä­re ent­stand«, schreibt der Krahl-Adla­­tus Det­lev Claus­sen in sei­nem Buch Gren­zen der Auf­klä­rung, »tota­li­siert sich und ent­eig­net das indi­vi­du­el­le Bewußt­sein. Dadurch wer­den in ihr die Cha­rak­ter­mas­ken pro­du­ziert, die sich auch von tra­di­tio­nel­ler Ideo­lo­gie im Sin­ne not­wen­dig fal­schen Bewußt­seins unter­schei­den.«91 Im wabern­den »Sprach­schaum« sug­ge­riert der »Jar­go­naut« der »Kri­ti­schen Theo­rie« geis­ti­ge und sprach­li­che Tie­fe, ohne auch nur kon­kre­te Ele­men­te der »Kul­tur­in­dus­trie« zu benen­nen, die zur Ent­eig­nung des indi­vi­du­el­len Bewusst­seins bei­tra­gen. »Die kri­ti­sche Auf­klä­rung«, schrieb Jean Amé­ry 1967, »steht, gesell­schaft­lich, an einem Punkt, wo sie sich sozi­al nur bewäh­ren kann, wenn sie sich sprach radi­kal ent­schlackt.« Ador­no »war und woll­te kein Mes­si­as sein«92, schrieb Leo Löwen­thal den Nach­ge­bo­re­nen und selbst erklär­ten Jünger*innen der »Frank­fur­ter Schu­le« ins Stamm­buch. Auch wenn Claus­sen stets aufs Neue Ador­nos vor­geb­li­che Jazz-Ken­­ner­­schaft her­vor­hebt und auf die Ein­lei­tung in die Musik­so­zio­lo­gie ver­weist (in der Ador­no swing, be-bop, cool jazz auf »Rekla­me­slo­gans« und die kul­tur­in­dus­tri­el­len Mecha­nis­men der »musi­ka­li­schen und gesell­schaft­li­chen Kon­for­mi­tät« redu­ziert93), blei­ben die ras­sis­ti­schen Kon­no­ta­tio­nen von Ador­nos Jazz-Essays unzwei­fel­haft, wenn er über »Neger­mu­sik« oder »Neger-Jazz« schwa­dro­niert. »Der Jazz«, schrieb er 1936, »ver­hält sich zu den Negern ähn­lich wie die Salon­mu­sik der Steh­gei­ger, die er so stäh­lern meint über­wun­den zu haben, zu den Zigeu­nern.«94 Sowe­nig Ador­no die gesell­schaft­li­chen und kul­tu­rel­len Milieus außer­halb sei­nes sozia­len Fokus (»Neger« und »Zigeu­ner«) ver­stand, so begrenzt war sei­ne Wahr­neh­mung der Kri­tik jen­seits sei­ner eng umgrenz­ten Vor­stel­lung der »Moder­ne«, wie sie bei­spiels­wei­se Fumi Oki­ji in sei­ner Stu­die Jazz as Cri­tique beschreibt.95 Gegen die Wahr­neh­mung des begrenz­ten Spek­trums des mut­maß­lich »kon­for­mis­ti­schen« Jazz (wie sie bei Ador­no und sei­nen spä­te­ren Adep­ten vor­herrsch­te) arbei­te­te unter ande­rem auch Mey­er Kup­fer­man mit sei­nem Kon­zept des »ato­na­len Jazz« an.96. So ist kei­nes­wegs »das letz­te Wort des kri­ti­schen Den­kens« gespro­chen. © Jörg Auberg 2025 Biblio­gra­fi­sche Anga­ben: Phil­ip Len­hard. Café Marx: Das Insti­tut für Sozi­al­for­schung von den Anfän­gen bis zur Frank­fur­ter Schu­le. Mün­chen: C. H. Beck, 2024. 624 Sei­ten, 34 € Euro. ISBN:978–3‑406–81356‑6. Jörg Spä­ter. Ador­nos Erben: Eine Geschich­te aus der Bun­des­re­pu­blik. Ber­lin. Suhr­kamp, 2024. 760 Sei­ten, 40 € ISBN: 978–3‑518–43177‑1. Mar­tin Jay. Splin­ters in Your Eye: Frank­furt School Pro­vo­ca­ti­ons. Lon­don: Ver­so, 2020. 256 Sei­ten, 19,99 £. ISBN: 978–1‑788–73601‑5. Mar­tin Jay. Imma­nent Cri­ti­ques: The Frank­furt School Under Pres­su­re. Lon­don: Ver­so, 2023. 240 Sei­ten, 19,99 £. ISBN: 978–1‑804–29252‑5. Roger Frie. Edge of Cata­stro­phe: Erich Fromm, Fascism, and the Holo­caust. New York: Oxford Uni­ver­si­ty Press, 2024. 216 Sei­ten, 35 US-$. ISBN: 978–0‑197–74877‑0. Robert Pur­sche. Umkämpf­tes Nach­le­ben: Wal­ter Ben­ja­mins Archi­ve 1940–1990. Göt­tin­gen: Wall­stein, 2024. 427 Sei­ten, 49 €. ISBN: 978–3‑8353–5705‑1. Ernst Sim­mel (Hg.). Anti­se­mi­tis­mus Bei­trä­ge von Theo­dor W. Ador­no, Max Hork­hei­mer et al. Mit einem Nach­wort von Hel­mut Dah­mer Müns­ter: West­fä­li­sches Dampf­boot, 2024. 172 Sei­ten, 20 € ISBN: 978–3‑8969–1109‑4. Alex Demi­ro­vić. Der non­kon­for­mis­ti­sche Intel­lek­tu­el­le: Von der kri­ti­schen Theo­rie zur Frank­fur­ter Schu­le. Wien: Man­del­baum, 2023. 800 Seiten,38 € ISBN:978–3‑99136–505‑1. Wolf­gang Pohrt. Wahn, Ideo­lo­gie und Rea­li­täts­ver­lust: Meta­mor­pho­sen des deut­schen Mas­sen­be­wusst­seins. Ein Rea­der. Her­aus­ge­ge­ben von Klaus Bit­ter­mann. Ber­lin: Edi­ti­on Tiamat, 2025. 512 Sei­ten, 26 € ISBN:978–3‑89320–326‑0. Bild­quel­len (Copy­rights) Bei­trags­bild (Cri­ti­cal Theo­ry-Col­la­ge) © Jörg Auberg Cover Imma­nent Cri­ti­ques © Ver­so Books Cover Café Marx © C. H. Beck Cover Zur Idee der Kri­ti­schen Theo­rie © Rei­he Han­ser Cover Die Frank­fur­ter Schu­le und Frank­furt © Wall­stein Ver­lag Cover Ador­nos Erben © Suhr­kamp Cover Vier­zig Jah­re Fla­schen­post © Fischer Ver­lag Cover Umkämpf­tes Nach­le­ben © Wall­stein Ver­lag Cover Nie­mands­land © edi­ti­on text + kri­tik Cover Ver­such über das artis­ti­sche Gedicht © edi­ti­on text + kri­tik Cover Wahn, Ideo­lo­gie und Rea­li­täts­ver­lust © Edi­ti­on Tiamat Cover Wahn, Der non­kor­mis­ti­sche Intel­lek­tu­el­le © Man­del­baum Ver­lag Cover Wahn, Anti­se­mi­tis­mus © Ver­lag West­fä­li­sches Dampf­boot Cover Edge of Cata­stro­phe © Oxford Uni­ver­si­ty Press Video Beckett — A Quinn Mar­tin Pro­duc­tion Archiv des Autors Video Det­lev Claus­sen über Theo­dor W. Ador­no © SRF/3Sat Nach­wei­se Dwight Mac­do­nald, »A Cor­rupt Bright­ness«, Encoun­ter, 8, Nr. 6 (Juni 1957):75; Über­set­zung zitiert nach: Jörg Auberg, New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le: Eine poli­­tisch-kul­­tu­­rel­­le Geschich­te von Auf­stieg und Nie­der­gang, 1930–2020 (Bie­le­feld: Tran­­script-Ver­­lag, 2022), S. 218 ↩ Georg Lukács, Die Zer­stö­rung der Ver­nunft (Bie­le­feld: Ais­the­sis Ver­lag, 2022), S. 219; und Lukács, Die Theo­rie des Romans (Darm­stadt: Luch­ter­hand, 1971), S. 16. Den Titel wähl­te auch Stuart Jef­fries für sei­ne Geschich­te der »Frank­fur­ter Schu­le«: cf. Stuart Jef­fries, Grand Hotel Abyss: The Lives of the Frank­furt School (Lon­don: Ver­so, 2016) ↩ Her­mann Broch, Geist und Zeit­geist: Essays zur Kul­tur der Moder­ne, hg. Paul Micha­el Lüt­ze­l­er (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1997), S. 43 ↩ Zur Geschich­te der »Frank­fur­ter Schu­le« in den USA sie­he Tho­mas Wheat­land, The Frank­furt School in Exi­le (Min­nea­po­lis: Uni­ver­si­ty of Min­ne­so­ta Press, 2009), und David Jen­ne­mann, Ador­no in Ame­ri­ca (Min­nea­po­lis: Uni­ver­si­ty of Min­ne­so­ta Press, 2007) ↩ Mar­tin Jay, The Dialec­ti­cal Ima­gi­na­ti­on: A Histo­ry of the Frank­furt School and the Insti­tu­te of Social Rese­arch, 1923–1950 (1973; erw. Ber­ke­ley: Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia Press, 1996) ↩ Mar­tin Jay, »Dialec­tic of Coun­­ter-Enlig­h­­ten­­ment: The Frank­furt School as Scape­goat of the Luna­tic Frin­ge«, in: Jay, Splin­ters in Your Eye: Frank­furt School Pro­vo­ca­ti­ons (Lon­don: Ver­so, 2020), S. 151–172; und Jay, »The Age of Rackets? Trump, Scor­se­se and the Frank­furt School«, in: Jay, Imma­nent Cri­ti­ques: The Frank­furt School Under Pres­su­re (Lon­don: Ver­so, 2023), S. 115–133. Sie­he auch Jef­frey Segall, »›Kul­tur­bol­sche­wis­mus Is Here‹: James Joy­ce and the Anti-Moder­­nist Cru­sa­de in Ame­ri­ca, 1928–1944«, Jour­nal of Modern Lite­ra­tu­re, 16, Nr. 4 (Früh­jahr 1990):535–562; und Auberg, New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le, S. 122–124 ↩ Phil­ip Len­hard, Café Marx: Das Insti­tut für Sozi­al­for­schung von den Anfän­gen bis zur Frank­fur­ter Schu­le (Mün­chen: C. H. Beck, 2024, ePub-Ver­­­si­on), S. 13 ↩ Zur Rol­le Felix Weils in der Begrün­dung und Ent­wick­lung des Insti­tuts sie­he Jea­nette Era­zo Heufel­der, Der argen­ti­ni­sche Krö­sus: Klei­ne Wirt­schafts­ge­schich­te der Frank­fur­ter Schu­le (Ber­lin: Beren­berg Ver­lag, 2017) ↩ Leo Löwen­thal, Mit­ma­chen woll­te ich nie: Ein auto­bio­gra­phi­sches Gespräch mit Hel­mut Dubiel (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1980), S. 27–37; Paul W. Mas­sing, Vor­ge­schich­te des poli­ti­schen Anti­se­mi­tis­mus, übers. Felix Weil (Frankfurt/Main: Euro­päi­sche Ver­lags­an­stalt, 1986) ↩ Len­hard, Café Marx, S. 97, 107 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 126 ↩ Geschich­te den­ken: Ein Notiz­buch für Leo Löwen­thal, hg. Fri­th­jof Hager (Leip­zig: Reclam, 1992), S. 13 ↩ Löwen­thal, Mit­ma­chen woll­te ich nie, S. 31–32 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 198 ↩ Zur Kri­tik am »phi­lo­so­phie­frem­den« Ansatz in Grün­bergs Mar­xis­­mus-Inter­pre­­ta­­ti­on jen­seits von Hegel und Dia­lek­tik sie­he Alfred Schmidt, »Die ›Zeit­schrift für Sozi­al­for­schung‹: Geschich­te und gegen­wär­ti­ge Bedeu­tung«, in: Schmidt, Zur Idee der Kri­ti­schen Theo­rie: Ele­men­te der Phi­lo­so­phie Max Hork­hei­mers (Mün­chen: Han­ser, 1974), S. 36–41 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 213 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 259 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 330 ↩ Jea­nette Era­zo Heufel­der, Der argen­ti­ni­sche Krö­sus, S. 46 ↩ Sie­he Wil­lem van Rei­jen und Jan Bran­sen, »Das Ver­schwin­den der Klas­sen­ge­schich­te in der ›Dia­lek­tik der Auf­klä­rung‹«, in: Max Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 5, hg. Gun­ze­lin Schmid Noerr (Frankfurt/Main: S. Fischer, 1987), S. 453–457 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 389 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 399 ↩ Rolf Wig­gers­haus, Die Frank­fur­ter Schu­le: Geschich­te, theo­re­ti­sche Ent­wick­lung, poli­ti­sche Bedeu­tung (Frankfurt/Main: S. Fischer, 2015, ePub-Ver­­­si­on), S. 204 ↩ Rolf Wig­gers­haus, Max Hork­hei­mer: Eine Ein­füh­rung (Frankfurt/Main: S. Fischer, 2013, ePub-Ver­­­si­on), S. 3–4 ↩ Max Hork­hei­mer, »Tra­di­tio­nel­le und kri­ti­sche Theo­rie«, in: Zeit­schrift für Sozi­al­for­schung, 6, Nr. 2 (1937), dtv reprint (Mün­chen: Deut­scher Taschen­buch Ver­lag, 1980), S. 245–294; rpt. in: Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 4, hg. Alfred Schmidt (Frankfurt/Main: S. Fischer, 1988), S. 162–216, Zitat: S. 195 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 403 ↩ Cf. Stu­dies in Phi­lo­so­phy and Social Sci­ence, 9, Nr. 2 und Nr. 3 (1941), in: Zeit­schrift für Sozi­al­for­schung, dtv reprint (Mün­chen: Deut­scher Taschen­buch Ver­lag, 1980), S. 194–475; Neither Capi­ta­lism Nor Socia­lism: Theo­ries of Bureau­cra­tic Coll­ec­ti­vism, hg. E. Haber­kern und Arthur Lipow (Ala­me­da, CA: Cen­ter for Socia­list Histo­ry, 2008), S. 41–120; Auberg, New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le, S. 134–140 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Nega­ti­ve Dia­lek­tik (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1973), S. 355 ↩ Jean Amé­ry, »Jar­gon der Dia­lek­tik« (1967), und »Wei­ter­le­ben – aber wie?« (1970) in: Amé­ry, Wer­ke, Bd. 6, hg. Ger­hard Scheit (Stutt­gart: Klett-Cot­­ta, 2004), S. 265–296, 511–525, Zitat: S. 511–512 ↩ Cf. Lucy Dawi­do­wicz, The War against Jews 1933–1945 (Har­monds­worth: Pen­gu­in Books, 1975); Dani­el Jonah Gold­ha­gen, Hitler’s Wil­ling Exe­cu­tio­ners: Ordi­na­ry Ger­mans and the Holo­caust (New York: Vin­ta­ge, 1997); und Chris­to­pher Brow­ning, Ordi­na­ry Men: Reser­ve Poli­ce Bat­tali­on 101 and the Final Solu­ti­on in Pol­and (Lon­don: Pen­gu­in Books, 2001) ↩ Len­hard, Café Marx, S. 444, 447, 452 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 478; sie­he auch Gun­ze­lin Schmid Noerrs Nach­wort zur Dia­lek­tik der Auf­klä­rung, in Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 5, S. 425–427; und Gert Schä­fer, »Franz Neu­manns Behe­mo­th und die heu­ti­ge Faschis­mus­dis­kus­si­on«, in: Franz Neu­mann, Behe­mo­th: Struk­tur und Pra­xis des Natio­nal­so­zia­lis­mus 1933–1944, hg. Gert Schä­fer (Frankfurt/Main: S. Fischer, 1984), S. 663–776 ↩ Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 12, hg. Gun­ze­lin Schmid Noerr (Frankfurt/Main: S. Fischer, 1985), S. 291 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 493–494 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 546 ↩ Moni­ka Boll, »Kal­te Krie­ger oder Mili­tär­re­for­mer: Das Insti­tut und die Bun­des­wehr«, in: Die Frank­fur­ter Schu­le und Frank­furt: Eine Rück­kehr nach Deutsch­land, hg. Moni­ka Boll und Rapha­el Gross (Göt­tin­gen: Wall­stein, 2009), S. 62 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 607 ↩ Cf. Max Hork­hei­mer, »Noti­zen 1949–1969«, in: Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 6, hg. Alfred Schmidt (Frankfurt/Main: S. Fischer), S. 207; und Alfred Schmidt, »Fort­schritt, Skep­sis und Hoff­nung: Kate­go­rien der Geschichts­phi­lo­so­phie Max Hork­hei­mers«, in: Die Frank­fur­ter Schu­le und Frank­furt: Eine Rück­kehr nach Deutsch­land, S. 96–107 ↩ Len­hard, Café Marx, S. 573. Den Begriff »Medi­en­in­tel­lek­tu­el­le« präg­te der His­to­ri­ker Axel Schildt (1951–2019) in sei­nem Buch Medi­en­in­tel­lek­tu­el­le in der Bun­des­re­pu­blik, hg, Gabrie­le Kandz­o­ra und Det­lef Sieg­fried (Göt­tin­gen: Wall­stein, 2020) ↩ Hork­hei­mer, »Noti­zen 1949–1969«, S. 207; Jörg Spä­ter, Ador­nos Erben: Eine Geschich­te aus der Bun­des­re­pu­blik (Ber­lin: Suhr­kamp, 2024, ePub-Ver­­­si­on), S. 144, 175, 152 ↩ Regi­na Becker-Schmidt, »Nicht zu ver­ges­sen – Frau­en am Frank­fur­ter Insti­tut für Sozi­al­for­schung: Gre­tel Ador­no, Moni­ka Pless­ner und Hel­ge Pross«, in: Die Frank­fur­ter Schu­le und Frank­furt: Eine Rück­kehr nach Deutsch­land, S. 64–69 ↩ Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 120–121 ↩ Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 137 ↩ Max Hork­hei­mer, »Zur Kri­tik der instru­men­tel­len Ver­nunft«, in: Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 6, S. 122; Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 290–295 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Mini­ma Mora­lia: Refle­xio­nen aus dem beschä­dig­ten Leben (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1987), S. 279 ↩ Ador­no, Kul­tur­kri­tik und Gesell­schaft (Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 10), hg. Rolf Tie­de­mann (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 2003), S. 795 ↩ Wil­lem van Rei­jen und Gun­ze­lin Schmid Noerr, Vor­wort zu: Vier­zig Jah­re Fla­schen­post: ›Dia­lek­tik der Auf­klä­rung‹ 1947 bis 1987 (Frankfurt/Main: Fischer, 1987), S. 7 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Jar­gon der Eigent­lich­keit: Zur deut­schen Ideo­lo­gie (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1964), S. 11; Amé­ry, »Jar­gon der Dia­lek­tik«, S. 273 ↩ Ador­no, Kul­tur­kri­tik und Gesell­schaft, S. 772, 774 ↩ Hans Jür­gen Krahl, »Auto­ri­tä­ten und Revo­lu­ti­on«, in: Krahl, Kon­sti­tu­ti­on und Klas­sen­kampf: Zur his­to­ri­schen Dia­lek­tik von bür­ger­li­cher Eman­zi­pa­ti­on und pro­le­ta­ri­scher Revo­lu­ti­on, hg. Det­lev Claus­sen et al. (Frankfurt/Main: Ver­lag Neue Kri­tik, 2008), S. 269; zum »Fas­zi­no­sum« Krahl cf. Für Hans-Jür­­gen Krahl: Bei­trä­ge zu sei­nem anti­au­to­ri­tä­ren Mar­xis­mus, hg. Mei­ke Ger­ber et al. (Wien: Man­del­baum, 2022) ↩ Max Hork­hei­mer, »Nach­ge­las­se­ne Schrif­ten, 1949–1972«, in: Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 14, hg. Gun­ze­lin Schmid Noerr (Frankfurt/Main: S. Fischer, 1988), S. 465, 540 ↩ Hans Jür­gen Krahl, Vom Ende der abs­trak­ten Arbeit: Die Auf­he­bung der sinn­lo­sen Arbeit ist in der Tran­szen­den­ta­li­tät des Kapi­tals ange­legt und in der Ver­welt­li­chung der Phi­lo­so­phie begrün­det, hg. Wal­ter Neu­mann (Frankfurt/Main: Mate­ria­lis Ver­lag, 1984), S. 82 ↩ Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 279–280; zu zeit­ge­mä­ße­ren Ana­ly­sen der Digi­ta­li­sie­rung aus lin­ker Sicht cf. McKen­zie Wark, Hacker Mani­fest – A Hacker Mani­festo, übers. Diet­mar Zim­mer (Mün­chen: C. H. Beck, 2005); McKen­zie Wark, Teles­the­sia: Com­mu­ni­ca­ti­on, Cul­tu­re & Class (Lon­don: Poli­ty, 2012); und Bey­ond Digi­tal Capi­ta­lism: New Ways of Living (Socia­list Regis­ter 2021), hg. Leo Panitch und Greg Albo (Lon­don: Mer­lin Press, 2020) ↩ MEW, Bd. 19 (Berlin/DDR: Dietz, 1987), S. 22 ↩ Zur kri­ti­schen Bestands­auf­nah­me des digi­ta­len Kapi­ta­lis­mus cf. Chris­ti­an Fuchs, Der digi­ta­le Kapi­ta­lis­mus: Arbeit, Ent­frem­dung und Ideo­lo­gie im Infor­ma­ti­ons­zeit­al­ter (Wein­heim: Beltz Juven­ta, 2023) ↩ Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 314 ↩ Cf. Mar­tin Jay, Per­ma­nent Exi­les: Essays on the Intellec­tu­al Emi­gra­ti­on from Ger­ma­ny to Ame­ri­ca (New York: Colum­bia Uni­ver­si­ty Press, 1986), S. 28–61, 120–137, 152–197, 237–256; Jörg Spä­ter, Sieg­fried Kra­cau­er: Eine Bio­gra­phie (Ber­lin: Suhr­kamp, 2016), S. 333–345, 373–383 ↩ Han­nah Are­ndt, Men­schen in fins­te­ren Zei­ten, hg. Ursu­la Ludz (Mün­chen: Piper, ⁷2023), S. 219 ↩ Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 330; zur Dis­kus­si­on in der Zeit­schrift alter­na­ti­ve cf. Moritz Neuf­fer, Die jour­na­lis­ti­sche Form der Theo­rie: Die Zeit­schrift »alter­na­ti­ve« 1958–1982 (Göt­tin­gen: Wall­stein, 2021), S. 134–146 ↩ Robert Pur­sche, Umkämpf­tes Nach­le­ben: Wal­ter Ben­ja­mins Archi­ve 1940–1990 (Göt­tin­gen: Wall­stein, 2024), S. 269; zur Dar­stel­lung der Aus­ein­an­der­set­zun­gen aus Sicht Tie­de­manns cf. Rolf Tie­de­mann, Ador­no und Ben­ja­min noch ein­mal: Erin­ne­run­gen, Begleit­wor­te, Pole­mi­ken (Mün­chen: Edi­ti­on text + kri­tik, 2011), S. 277–371 ↩ Juan Goy­tiso­lo, Land­schaf­ten nach der Schlacht, übers. Gis­bert Haefs (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1990), S. 67 ↩ Dirk Braun­stein, Ador­nos Kri­tik der poli­ti­schen Öko­no­mie (Frei­burg: ça ira, ³2025), S. 287–290; Robert Hul­­lot-Ken­­tor, Things Bey­ond Resem­blan­ce: Coll­ec­ted Essays on Theo­dor W. Ador­no (New York: Colum­bia Uni­ver­si­ty Press, 2006), S. 154–155 ↩ Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 350 ↩ Theo­dor W. Ador­no und Eli­sa­beth Lenk, Brief­wech­sel 1962–1969, hg. Eli­sa­beth Lenk (Mün­chen: edi­ti­on Text + kri­tik, 2001), S. 163 ↩ Lothar Mül­ler, »Kunst der Leh­re«, Süd­deut­sche Zei­tung, 11. Okto­ber 2016, https://www.sueddeutsche.de/kultur/nachruf-kunst-der-lehre‑1.3199952; zur Selbst­cha­rak­te­ri­sie­rung ihrer kri­ti­schen Metho­de, »durch tech­no­lo­gi­sche Ana­ly­sen zum Gehalt der Kunst­wer­ke vor­zu­drin­gen«, cf. Hel­la Tie­­de­­mann-Bartels, Ver­such über das artis­ti­sche Gedicht: Bau­de­lai­re, Mall­ar­mé, Geor­ge (1971; rpt. Mün­chen: edi­ti­on text + kri­tik, 1990), S. 10 ↩ Krahl, Kon­sti­tu­ti­on und Klas­sen­kampf, S. 19–20; Zwi­schen Harz und Hei­de: Todes­mär­sche und Räu­mungs­trans­por­te im April 1945, hg. Jens Chris­ti­an Wag­ner et al. (Göt­tin­gen: Wall­stein, 2015); Andrea Röp­ke und Andre­as Speit, Völ­ki­sche Land­nah­me: Alte Sip­pen, jun­ge Sied­ler, rech­te Ökos (Ber­lin: Chris­toph Links Ver­lag, 2019), S. 150–180) ↩ Les­sing, zit. nach: Eli­sa­beth Lenk, »Les­sings Flucht aus Deutsch­land«, in: Geschich­te den­ken: Ein Notiz­buch für Leo Löwen­thal, S. 99 ↩ Jörg Spä­ter, »Der sozia­lis­ti­sche Prak­ti­ker der kri­ti­schen Theo­rie: Nach­ruf auf Oskar Negt«, in: Doku­men­ta­ti­on Oskar Negt: Nach­ru­fe, Reden und Bei­trä­ge, hg. Insti­tut für Sozi­al­for­schung, zusam­men­ge­stellt von Gün­ter Pabst, Okto­ber 2024, S. 52 ↩ Spä­ter, Ador­nos Erben, S. 578; Chris­tof Win­gerts­zahn, Anton Reisers Welt: Eine Jugend in Nie­der­sach­sen, 1756–1776 (Han­no­ver: Wehr­hahn, 2006), S. 158 ↩ Ador­no, Kul­tur­kri­tik und Gesell­schaft, S. 488 ↩ Ador­no, Kul­tur­kri­tik und Gesell­schaft, S. 734 ↩ Jay, The Dialec­ti­cal Ima­gi­na­ti­on, S. 5 ↩ Kurt Lenk, Von Marx zur Kri­ti­schen Theo­rie: Drei­ßig Inter­ven­tio­nen (Müns­ter: Unrast-Ver­­lag, 2009), S. 166–167 ↩ Wolf­gang Pohrt, Wahn, Ideo­lo­gie und Rea­li­täts­ver­lust: Meta­mor­pho­sen des deut­schen Mas­sen­be­wusst­seins, Ein Rea­der, hg. Klaus Bit­ter­mann (Ber­lin: Edi­ti­on Tiamat, 2025), S. 173 ↩ Cf. Richard Por­ton, Film and the Anar­chist Ima­gi­na­ti­on (Urba­na: Uni­ver­si­ty of Illi­nois Press, ²2020), S. 184–187; und Will Kit­chen, Film, Nega­ti­on and Free­dom: Capi­ta­lism and Roman­tic Cri­tique (New York: Bloomsbu­ry, 2025), S. 156–192, 223–257 ↩ Wolf­gang Pohrt, »die taz: Inte­gra­ti­ons­wil­li­ger Sozi­al­fall auf der Suche nach der natio­na­len Iden­ti­tät«, in Pohrt, Wer­ke, 5:1 (Ber­lin. Edi­ti­on Tiamat, 2018), S. 203. In den »Repri­sen« und »Rea­dern« der Pohrt-Tex­­­te in der Edi­ti­on sei­nes Ver­le­gers fehlt die­ser Text über »Beschäf­ti­gungs­the­ra­pie und Gna­den­brot« – wohl auch des­we­gen, weil Bit­ter­mann inzwi­schen selbst mit dem »Senio­ren­blatt für Revo­lu­tio­nä­re« über diver­se Kanä­le »asso­zi­iert« ist und dort Lob­hu­de­lei­en für reak­tio­nä­re Autoren wie J. D. Van­ce (inzwi­schen zum auto­ri­tä­ren Mund­stück Donald Trumps auf­ge­stie­gen) ver­brei­ten durf­te (cf. den Arti­kel https://taz.de/Sachbuch-Hillbilly-Elegie/!5421594/). Zum Tiamat-Milieu sie­he auch Ger­hard Han­lo­ser, Die ande­re Quer­front: Skiz­zen des ›anti­deut­schen‹ Betrugs (Müns­ter: Unrast Ver­lag, 2021, ePub-Ver­­­si­on), S. 216 ↩ Peter Brück­ner, Über die Gewalt: Sechs Auf­sät­ze zur Rol­le der Gewalt in der Ent­ste­hung und Zer­stö­rung sozia­ler Sys­te­me (Ber­lin: Wagen­bach, 1979), S. 88–89, 90) ↩ Ador­no, Kul­tur­kri­tik und Gesell­schaft, S. 774 ↩ Alex Demi­ro­vić, Der non­kon­for­mis­ti­sche Intel­lek­tu­el­le: Von der kri­ti­schen Theo­rie zur Frank­fur­ter Schu­le (Wien: Man­del­baum, 2023), S. 15; Roland Bar­thes, Die Lust am Text, übers. Trau­gott König (Frankfurt/Main: Bücher­gil­de Guten­berg, 2021), S. 30; Hork­hei­mer, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 12, S. 289 ↩ Demi­ro­vić, Der non­kon­for­mis­ti­sche Intel­lek­tu­el­le, S. 782 ↩ Ador­no, Mini­ma Mora­lia, S. 277 ↩ Her­bert Mar­cu­se, Schrif­ten, Bd. 3 (Sprin­ge: zu Klam­pen, 2004), S. 286–319; C. Wright Mills, Power, Poli­tics and Peo­p­le: The Coll­ec­ted Essays of C. Wright Mills, hg. Irving Lou­is Horo­witz (New York: Oxford Uni­ver­si­ty Press, 1963), S. 53–76 ↩ Rus­sell Jaco­by, Dialec­tic of Defeat: Con­tours of Wes­tern Mar­xism (Cam­bridge: Cam­bridge Uni­ver­si­ty Press, 1981), S. 11–36; Rus­sell Jaco­by, The Last Intellec­tu­als: Ame­ri­can Cul­tu­re in the Age of Aca­de­me (New York: Basic Books, 2000), S. ix-xiii ↩ Robert Misik, »Rechts­extre­mis­mus als Mas­sen­hys­te­rie«, https://misik.at/2025/07/rechtsextremismus-als-massenhysterie/, ver­öf­fent­licht 18. Juli 2025. Dreh­li Rob­nik kri­ti­siert an deut­schen Über­set­zun­gen der Stu­die, dass sie den ursprüng­li­chen Unter­ti­tel »A Stu­dy of the Tech­ni­ques of the Ame­ri­can Agi­ta­tor« als »Stu­di­en zum Auto­ri­ta­ris­mus« oder neu­er­dings als »Stu­di­en zur faschis­ti­schen Agi­ta­ti­on« über­tru­gen. Sie­he Dreh­li Rob­nik, Fle­xi­bler Faschis­mus: Sieg­fried Kra­cau­ers Ana­ly­sen rech­ter Mobi­li­sie­rung damals und heu­te (Bie­le­feld: tran­script Ver­lag, 2024), S. 17. Zum Hin­ter­grund der Stu­die im Kon­text des Insti­tuts für Sozi­al­for­schung sie­he Alber­to Tos­ca­no, Ein­lei­tung zu: Leo Löwen­thal und Nor­bert Guter­man, Pro­phe­ts of Deceit: A Stu­dy of the Tech­ni­ques of the Ame­ri­can Agi­ta­tor (Lon­don: Ver­so, 2021), S. ix-xxxv ↩ Hel­mut Dah­mer, »Anti­se­mi­tis­mus ges­tern und heu­te«, in: Anti­se­mi­tis­mus, hg. Ernst Sim­mel (Müns­ter: West­fä­li­sches Dampf­boot, 2024), S. 159 ↩ Erich Fromm, Escape from Free­dom (1941; rpt. New York: Hen­ry Holt, 1994), S. 6 ↩ Roger Frie, Edge of Cata­stro­phe: Erich Fromm, Fascism, and the Holo­caust (New York: Oxford Uni­ver­si­ty Press, 2024), S. 104 ↩ Det­lev Claus­sen, Theo­dor W. Ador­no: Ein letz­tes Genie (Frankfurt/Main: S. Fischer, 2003); Pohrt, Wahn, Ideo­lo­gie und Rea­li­täts­ver­lust, S. 173 ↩ Pohrt, Wahn, Ideo­lo­gie und Rea­li­täts­ver­lust, S. 179 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Jar­gon der Eigent­lich­keit, S. 72 ↩ Det­lev Claus­sen, Gren­zen der Auf­klä­rung: Die gesell­schaft­li­che Gene­se des moder­nen Anti­se­mi­tis­mus (Frankfurt/Main: Fischer, 1994), S. 74 ↩ Leo Löwen­thal, »Ador­no und sei­ne Kri­ti­ker«, in: Löwen­thal, Schrif­ten, Bd. 4, hg. Hel­mut Dubiel (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1990), S. 65 ↩ Theo­dor W. Ador­no, »Ein­lei­tung in die Musik­so­zio­lo­gie«, in: Ador­no, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 14, hg. Rolf Tie­de­mann (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 2003), S. 213 ↩ Theo­dor W. Ador­no, »Über Jazz«, in Ador­no, Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 17, hg. Rolf Tie­de­mann (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 2003), S. 82–83 ↩ Fumi Oki­ji, Jazz as Cri­tique: Ador­no and Black Expres­si­on Revi­si­ted (Stan­ford: Stan­ford Uni­ver­si­ty Press, 2018), S. 11–30 ↩ Mey­er Kup­fer­man, Ato­nal Jazz: A Sys­te­ma­tic Approach to Ato­nal Jazz Impro­vi­sa­ti­on (Med­field, MA: Dorn Publi­ca­ti­ons, 1992) ↩ […]
  • Der Fall SiloneDer Fall Silo­ne22. April 2025Der Fall Silo­ne Igna­zio Silo­nes Rol­le im Kampf gegen den Faschis­mus   von Jörg Auberg Hei­li­ger, Revo­lu­tio­när, Ver­rä­ter In der pul­sie­ren­den Zeit des Kal­ten Krie­ges galt Igna­zio Silo­ne (1900–1978) bei anti­sta­li­nis­ti­schen Lin­ken in der west­li­chen Hemi­sphä­re als »säku­la­rer Hei­li­ger«, als der »gelieb­tes­te Volks­held der ita­lie­ni­schen Lin­ken«, des­sen Ruhm und Wahr­haf­tig­keit sich vor allem aus sei­ner Abkehr vom Kom­mu­nis­mus begrün­de­te, ohne den Sozia­lis­mus ver­ra­ten zu haben.1 In sei­nen Roma­nen, schrieb Jür­gen Rüh­le in sei­nem Stan­dard­werk über die Rol­le von Schriftsteller*innen im Kom­mu­nis­mus des 20. Jahr­hun­derts, »gewann die ita­lie­ni­sche Lin­ke mit ihrem Anti­fa­schis­mus, ihrer Ver­wur­ze­lung im Hei­mat­bo­den, ihrer eigen­wil­li­gen Reli­gio­si­tät und stol­zen Unab­hän­gig­keit exem­pla­ri­sche Gestalt«.2 An die­sem Mythos arbei­te­te Silo­ne selbst, als er – in der Bekennt­nis­an­tho­lo­gie ehe­ma­li­ger Kom­mu­nis­ten The God That Fai­led (1950) – dar­auf insis­tier­te, dass sozia­lis­ti­sche Poli­tik nicht an eine par­ti­ku­la­re Theo­rie, son­dern an den »Glau­ben« gebun­den sei. Je mehr sozia­lis­ti­sche Theo­rien ihren »wis­sen­schaft­li­chen« Cha­rak­ter beton­ten, umso flüch­ti­ger sei­en sie; nur sozia­lis­ti­sche Wer­te sei­en per­ma­nent. Auf Theo­rien kön­ne man eine Schu­le begrün­den, insis­tier­te Silo­ne, doch nur auf Basis von Wer­ten kön­ne eine Kul­tur, eine Zivi­li­sa­ti­on, eine neue Lebens­grund­la­ge zwi­schen Men­schen auf­ge­baut wer­den.3 Für den ehe­ma­li­gen Trotz­kis­ten und Lite­ra­tur­kri­ti­ker Irving Howe, des­sen Lebens­the­ma (und Lebens­trau­ma) das Schei­tern des Sozia­lis­mus war, ver­kör­per­te Silo­ne einen »Hero­is­mus der Ermü­dung« in den »dunk­len Zei­ten« des moder­nen Euro­pas, »im Her­zen unse­rer Kata­stro­phe«, hat­te aber zugleich die »Bega­bung für Eigen­sinn«, die ihn über die Bit­ter­keit und Ver­zweif­lung hin­weg half. Für Howe war Silo­ne »der am wenigs­ten ver­bit­ter­te Ex-Kom­­mu­­nist, der nach­denk­lichs­te Radi­kal­de­mo­krat« und damit ein Vor­bild gegen die blin­de Devo­ti­on gegen­über über­hol­ten Dog­men, auch wenn sie in links­dra­pier­ten Neu­ver­klei­dun­gen erneut unter das Volk gebracht wer­den soll­ten.4 Auch wenn in den 1950er-Jah­­ren, der Deka­de des »gesell­schaft­li­chen Kon­for­mis­mus«, Silo­nes poli­ti­sche Lite­ra­tur nicht mehr als »sen­ti­men­ta­le Nost­al­gie« erschei­nen moch­te, reprä­sen­tier­te für Howe ein Roman wie Fon­ta­ma­ra (1933), obgleich er auf den ers­ten Blick in der Nie­der­la­ge endet, trotz allem revo­lu­tio­nä­re Hoff­nung und einen vita­len Elan, der als Gegen­kraft zum anti­rea­lis­ti­schen Ästhe­ti­zis­mus der begin­nen­den Post­mo­der­ne wirk­te. »Silo­nes Roma­ne«, pos­tu­lier­te Howe, »ent­hal­ten die tief­grün­digs­te Visi­on des­sen, was Hero­is­mus in der moder­nen Welt sein kann«.5 In den 1960er-Jah­­ren nahm die Wert­schät­zung für Silo­nes Pro­sa­werk jedoch merk­lich ab. Sym­pto­ma­tisch ist die Antho­lo­gie des Ita­­li­en-Lie­b­ha­­bers Klaus Wagen­bach (Mein Ita­li­en, kreuz und quer), die erst­mals 2004 erschien und zwan­zig Jah­re spä­ter in einer aktua­li­sier­ten Aus­ga­be neu auf­ge­legt wur­de. Auch wenn in Wagen­bachs Ver­lag Silo­nes Roman Der Fuchs und die Kame­lie (1960) 1998 in einer über­ar­bei­te­ten Über­set­zung erschien, in dem – nach Irving Howe – noch ein­mal der »mensch­li­che Impuls« sich wider­spie­gel­te, der »das Bes­te im euro­päi­schen Sozia­lis­mus« reprä­sen­tie­re6, blieb Silo­ne in einem Quer­schnitt, der »die Geschich­te, die stets gegen­wär­ti­ge, die Klas­sen­kämp­fe, das Trau­ma des Faschis­mus, die andau­ern­de Span­nung zwi­schen Selbst­ent­fal­tung und dem Gefühl der Fremd­be­stimmt­heit«7 reflek­tie­ren soll, außen vor. Der Fokus lag nach Wagen­bachs Inten­ti­on auf der Lite­ra­tur der ita­lie­ni­schen Avant­gar­de der 1960er-Jah­­re und danach oder (wie Wagen­bach an ande­rer Stel­le schrieb) gegen die »Lan­ge­wei­le des ordent­lich gezim­mer­ten neo­rea­lis­ti­schen Romans«8. Ver­kör­pert wur­de die­se Rich­tung der »nach­ho­len­den« Moder­ni­sie­rung der ita­lie­ni­schen Lite­ra­tur durch die Grup­pe 63, die in Per­son von Nan­ni Bal­est­ri­ni, Umber­to Eco, Lui­gi Maler­ba, Gior­gio Man­ganel­li und ande­ren Autor*innen der Neo-Avan­t­­gar­­de den »Kampf gegen den kru­den und sen­ti­men­ta­len Rea­lis­mus der damals offi­ziö­sen Roman­li­te­ra­tur«9 (wie Wagen­bach das Pro­jekt beschrieb) zu orga­ni­sie­ren such­ten. In sei­nem pro­gram­ma­ti­schen Essay »Die Lite­ra­tur als Lüge« stritt Man­ganel­li den Anspruch der Lite­ra­tur ab, Aus­druck von Mora­li­tät zu sein: »Lite­ra­tur ist unmo­ra­lisch«, pos­tu­lier­te er, sei abtrün­nig von »jedem soli­da­ri­schen Gehor­sam, jeder Ein­wil­li­gung ins eige­ne oder frem­de gute Gewis­sen, jedem mit­mensch­li­chen Gebot«. In ers­ter Linie ent­schlie­ße sich der Schrift­stel­ler, »unnütz zu sein«. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der 1930er-Jah­­re, in der der Lite­ra­tur eine sozia­le Ver­ant­wor­tung zuge­schrie­ben wur­de, cha­rak­te­ri­sier­te Man­ganel­li die Lite­ra­tur als »aso­zi­al«: »Die Lite­ra­tur ist anar­chisch und folg­lich eine Uto­pie: als sol­che löst sie sich unun­ter­bro­chen auf, um neue Form zu gewin­nen. Wie alle Uto­pien ist sie infan­til, auf­rei­zend, ver­wir­rend.«10 Mit dem »Spiel­trieb« der post­mo­der­nen Lite­ra­tur nach 1945 konn­te Silo­ne sich nie anfreun­den. »Die alten Legen­den und Hei­li­gen­ge­schich­ten ste­hen ihm näher als die avan­cier­te zeit­ge­nös­si­sche Lite­ra­tur«11, urteil­te der Lite­ra­tur­kri­ti­ker Lothar Mül­ler anläss­lich des hun­derts­ten Geburts­ta­ges Silo­nes. Ähn­lich urteil­te Alber­to Mora­via: Silo­nes Werk gehö­re zu »einer inzwi­schen über­hol­ten Tra­di­ti­on des ita­lie­ni­schen Natu­ra­lis­mus«.12 Für Howe war Silo­ne nicht nur ein Held (wie Geor­ge Orwell oder Arthur Koest­ler), son­dern ein Meis­ter der mora­li­schen Klar­heit »in Momen­ten von Schwie­rig­kei­ten und Soli­da­ri­tät«, auch wenn (wie in Der Fuchs und die Kame­lie) sich der mora­li­sche Wider­stand gegen die Gezei­ten der Herr­schaft ledig­lich in Trä­nen äußert (»Die Trä­nen wecken kei­nen Toten wie­der auf, aber was soll man sonst tun.«).13 wie sich spä­ter – nach Silo­nes Tod – her­aus­stel­len soll­te, war der »mora­li­sche Wider­stand« durch­aus befleckt, Silo­nes Lite­ra­tur Aus­druck einer (mit Man­ganel­lis Wor­ten) »heroi­schen, mytho­lo­gi­schen Unauf­rich­tig­keit«, bevöl­kert mit Hei­li­gen, Revo­lu­tio­nä­ren und Ver­rä­tern in einer »Welt unge­mil­de­ter Här­te und zäher Resi­gna­ti­on« (Lothar Mül­ler).14   Silo­ne vor Silo­ne Am Ende sei­nes Lebens (im Jah­re 1978) sag­te Silo­ne – dem Schwei­zer Essay­is­ten Fran­çois Bon­dy zufol­ge – den kryp­ti­schen Satz: »Wenn der Faschis­mus ein­mal wie­der­kehrt, wird er nicht so dumm sein zu sagen: Ich bin der Faschis­mus. Er wird sagen: Ich bin der Anti­fa­schis­mus.«15 Mitt­ler­wei­le ist die­ser Satz von pseu­do­wis­sen­schaft­li­chen Leugner*innen der Kli­ma­ka­ta­stro­phe wie dem AfD-nahen »Euro­päi­schen Insti­tut für Kli­ma und Ener­gie« usur­piert wor­den, um öffent­lich­keits­wirk­sam Stim­mung gegen einen vor­geb­li­chen »grü­nen Faschis­mus« zu machen, und auch die AfD selbst funk­tio­niert den Anti­fa­schis­ten Silo­ne für ihre Zwe­cke um.16 Dabei blen­den die »Zom­bie-Faschis­ten«17 (um einen Aus­druck Robert W. McChes­neys zu ver­wen­den) sowohl die Vor­ge­schich­te als auch die sozia­len und his­to­ri­schen Pro­ble­me der mensch­li­chen Ent­wick­lung der Gegen­wart wie der Zukunft aus, um ihr reak­tio­nä­res Süpp­chen im Zeit­al­ter der fort­schrei­ten­den Regres­si­on bekömm­lich und schmack­haft über die »(anti-)sozialen« Medi­en hohn­la­chend zu ver­trei­ben.18 Ent­ge­gen die­sen Geschichts­fäl­schun­gen muss der abschlie­ßen­de Satz aus Silo­nes Faschis­­mus-Ana­­ly­­se Der Fascis­mus aus dem Jah­re 1934 (vor sei­ner Kar­rie­re als Roman­schrift­stel­ler und Sprach­rohr des Anti­kom­mu­nis­mus) in Erin­ne­rung blei­ben: »Die Zukunft gehört dem Sozia­lis­mus. Die Zukunft gehört der Frei­heit.«19 Auf der Frank­fur­ter Buch­mes­se 2024 rühm­te Fabio Stas­si, Erfin­der des Detek­tivs und Biblio­the­ra­peu­ten Vin­ce Cor­so (»Ich hei­ße Vin­ce Cor­so. Ich bin fünf­und­vier­zig, Wai­se, und ver­die­ne mei­nen Lebens­un­ter­halt, indem ich Leu­ten Bücher ver­schrei­be.«20), Silo­ne als den »berühm­tes­ten anti­fa­schis­ti­schen Dich­ter der Welt« und emp­fahl die Wie­der­lek­tü­re von Roma­nen wie Fon­ta­ma­ra (1933), der Silo­nes Kar­rie­re als Schrift­stel­ler nach sei­ner poli­ti­schen Abkehr vom Kom­mu­nis­mus ein­läu­te­te. Silo­ne sei, lob­te ihn Dwight Mac­do­nald in einer Rezen­si­on in der trotz­kis­ti­schen Zeit­schrift The New Inter­na­tio­nal im April 1939, »ein Intel­lek­tu­el­ler, ein Mann der Ideen«, der in sei­nen Ana­ly­sen des Faschis­mus und Auto­ri­ta­ris­mus ein hoch ent­wi­ckel­tes moder­nes Bewusst­sein reprä­sen­tier­te, wäh­rend die poli­ti­sche The­ma­tik in sei­ner Bel­le­tris­tik (wie in Fon­ta­ma­ra) »manie­riert« blei­be.21 In sei­nem Buch Bebel­platz erin­nert Stas­si an die Bücher­ver­bren­nung von 1933, als Student*innen in 34 Uni­ver­si­täts­städ­ten in Deutsch­land über 25.000 Bücher ver­brann­ten, wie Alber­to Man­guel in sei­nem Vor­wort schreibt: »Bücher wer­den zur Ele­gie ihrer selbst, Biblio­the­ken zu ihren Grä­bern.«22 Mit sei­nem gesell­schafts­the­ra­peu­ti­schen Ansatz der Lite­ra­tur wirkt Stas­si wie ein spä­ter »Sart­rea­ner«, der Lite­ra­tur als anti­fa­schis­ti­sches und demo­kra­ti­sches Pro­jekt, als »Nie­der­fahrt zu den Unter­ir­di­schen«23 (Man­ganel­li) begreift. »Die Kunst der Pro­sa ist mit dem ein­zi­gen Sys­tem soli­da­risch«, schrieb Jean-Paul Sart­re in sei­nem Essay Was ist Lite­ra­tur? (1947), »wo die die Pro­sa einen Sinn behält: mit der Demo­kra­tie. Wenn die eine bedroht ist, ist es auch die ande­re.«24 In sei­nen Detek­tiv­ro­ma­nen ent­wirft Stas­si mit den fik­tio­na­len Emp­feh­lun­gen sei­nes Biblio­the­ra­peu­ten Vin­ce Cor­so eine »kom­ple­xe und gran­dio­se Apo­lo­gie und Apo­theo­se der Lite­ra­tur« (Wal­ter van Ros­sum).25 Als Post­script wählt Stas­si ein Zitat Man­ganel­lis: »Die Lite­ra­tur ist Neu­ro­se, dar­um ist von so ent­schei­den­der Bedeu­tung für die Kul­tur der Moder­ne, eben weil sie ihr Traum ist, ihr Sym­ptom, ihre Krank­heit.«26 Exil als Wen­de­punkt Stas­si nimmt Silo­ne vor allem als gro­ßen Autoren mas­ku­li­ner Tra­di­ti­on wahr, als einen Schrift­stel­ler, der eine Kate­go­rie von Män­nern dar­stel­le, für die das Schrei­ben schwie­ri­ger als für ande­re sei, um ihm anschlie­ßend mit Lob­hu­de­lei­en ande­rer gro­ßer Schrift­stel­ler wie Gra­ham Gree­ne, Geor­ge Orwell und Albert Camus den Ehren­kranz zu flech­ten und – mit dem Urteil Wil­liam Faul­k­ners – zu dem sei­ner­zeit »größ­ten leben­den ita­lie­ni­schen Schrift­stel­ler« zu ver­klä­ren, ohne dass Stas­si die exak­te Quel­le die­ses Faul­k­­ner-Zitats angibt.27 Wäh­rend vie­le ita­lie­ni­schen Autor*innen wie Alber­to Mora­via, Car­lo Emi­lia Gad­da, Lui­gi Piran­del­lo oder Pier Pao­lo Paso­li­ni sich mit dem faschis­ti­schen Regime in Ita­li­en arran­gier­ten oder der faschis­ti­schen »Bewe­gung« anschlos­sen, ging Silo­ne Ende der 1920-er Jah­re ins Schwei­zer Exil. Auf­grund einer schwe­ren Atem­in­suf­fi­zi­enz ver­brach­te er meh­re­re Mona­te in Sana­to­ri­en in Asco­na und Davos und stand als Exi­lant unter stän­di­ger Beob­ach­tung der Schwei­zer Behör­den, wäh­rend er sich in sei­ner pre­kä­ren Situa­ti­on mit schlecht bezahl­ten Tätig­kei­ten als Schreib­kraft, Ita­lie­nisch­leh­rer, Kor­re­spon­dent und Über­set­zer durch­schlug. Neben sei­ner Lun­gen­krank­heit mach­te ihm auch die Poli­tik der »Sta­li­ni­sie­rung« und sei­ne »Exkom­mu­ni­ka­ti­on« durch die Kom­mu­nis­ti­sche Par­tei Ita­li­ens (PCI) im Juli 1931 stark zu schaf­fen.28 Etwas pathe­tisch schreibt sein Bio­graf Sta­nis­lao G. Puglie­se, dass sich Silo­ne im nüch­ter­nen Zürich »die Repu­ta­ti­on eines ein­zel­gän­ge­ri­schen und sor­gen­vol­len Man­nes erwarb, gebro­chen an Gesund­heit und Geist«, wobei jedoch die Exil­er­fah­rung ihm gehol­fen habe, sich neu zu erfin­den und aus einem Mit­glied der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei in das zu ver­wan­deln, was Anto­nio Gramsci in ihm stets gese­hen hat­te: in ers­ter Linie einen Schrift­stel­ler.29 Mit dem Roman Fon­ta­ma­ra über die Poli­ti­sie­rung einer Grup­pe von Bau­ern in einem fik­ti­ven Dorf in den Abruz­zen schuf er den Grund­stein sei­ner lite­ra­ri­schen Kar­rie­re, die ihren vor­läu­fi­gen Höhe­punkt in dem Roman Brot und Wein drei Jah­re spä­ter gewin­nen soll­te. Ein­ge­bet­tet zwi­schen die­sen bei­den Exil­ro­ma­nen war die Ana­ly­se des ita­lie­ni­schen Faschis­mus mit dem Titel Der Fascis­mus, die zwi­schen den Jah­ren 1931 und 1934 ent­stand und von Puglie­se als »bru­tal kar­ges Werk« cha­rak­te­ri­siert wird.30 Das Buch erschien 1934 auf Deutsch im Euro­­pa-Ver­­lag, womit der enga­gier­te Ver­le­ger Emil Oprecht das Schwei­zer Bür­ger­tum vom tota­li­tä­ren Wesen des ita­lie­ni­schen Regimes zu über­zeu­gen ver­such­te. »Die auf­wän­di­ge Halb­le­der­aus­ga­be gab der Zuver­sicht von Autor und Ver­le­ger Aus­druck«, schreibt Chris­toph Ema­nu­el Dejung in sei­ner Oprecht-Bio­­­gra­­fie, »gebil­de­te Krei­se auf­zu­rüt­teln: Zu Recht waren bei­de über­zeugt, mit ihrer wis­sen­schaft­lich fun­dier­ten Arbeit den wah­ren Cha­rak­ter des von kon­ser­va­ti­ven und katho­li­schen Krei­sen ver­harm­los­ten Macht­sys­tems Mus­so­li­nis auf­zu­de­cken.«31 Im Pro­zess des Zer­falls Den Auf­stieg des ita­lie­ni­schen Faschis­mus lei­te­te Silo­ne aus dem miss­lun­ge­nen Auf­bau eines ita­lie­ni­schen Staa­tes und dem Ver­fall der bür­ger­li­chen Gesell­schaft. In Anleh­nung an Gramsci beschrieb er den Faschis­mus als Bewe­gung einer bewaff­ne­ten Reak­ti­on, die aus der struk­tu­rel­len Schwä­che Ita­li­ens im Zuge der Ereig­nis­se wäh­rend des Ers­ten Welt­krie­ges und der Ver­wer­fun­gen danach her­vor­ging. Das Schei­tern des revo­lu­tio­nä­ren Pro­le­ta­ri­ats führ­te Gramsci auf poli­ti­sche, orga­ni­sa­to­ri­sche, tak­ti­sche und stra­te­gi­sche Män­gel der Arbei­ter­par­tei zurück. Der Sieg des Faschis­mus 1922 müs­se, führ­te Gramsci 1926 aus, »nicht als Sieg gese­hen wer­den, der über die Revo­lu­ti­on errun­gen wur­de, son­dern als eine Kon­se­quenz der Nie­der­la­ge, wel­che die revo­lu­tio­nä­ren Kräf­te auf­grund ihrer inne­ren Schwä­che erlit­ten«.32 Immer wie­der insis­tier­te Silo­ne, dass der Faschis­mus weder »vom Him­mel gefal­len« noch ein Ver­häng­nis, son­dern »ein Pro­dukt der Klas­sen­be­zie­hun­gen« sei.33 Ähn­lich wie in den Ana­ly­sen der »Frank­fur­ter Schu­le« ist der Begriff »Staats­ka­pi­ta­lis­mus« eine zen­tra­le Kate­go­rie in der Beschrei­bung des tota­li­tä­ren Sys­tems (Fried­rich Pol­lock bezeich­ne­te bei­spiels­wei­se die­se Form der Öko­no­mie als »eine töd­li­che Dro­hung für alle Wer­te der west­li­chen Zivi­li­sa­ti­on«34 »Der faschis­ti­sche Staats­ka­pi­ta­lis­mus hat auf die Mobi­li­sa­ti­on der wirt­schaft­li­chen Hilfs­quel­len hin­ge­ar­bei­tet, um das Regime zu hal­ten (ein Pro­blem, das die macht­ha­ben­de Klas­se beschäf­tigt und ver­folgt). Durch ihn hat das Regime eine Atem­pau­se gewon­nen, er hat in gewis­sem Maße den Pro­zeß des Zer­falls der ita­lie­ni­schen Wirt­schaft und die Panik der Bour­geoi­sie vor den immer wach­sen­den Schwie­rig­kei­ten auf die­sem Gebiet hin­aus­ge­scho­ben.«35 Für Puglie­se ist Silo­nes Faschis­­mus-Ana­­ly­­se das letz­te Über­bleib­sel aus sei­ner »Par­tei­m­en­ta­li­tät«, in Anwen­dung einer strik­ten mar­xis­ti­schen Metho­do­lo­gie und in einem pole­mi­schen Ton.36 Dabei ver­kennt er jedoch Silo­nes ana­ly­ti­sche Leis­tung in der »Ent­lar­vung« des faschis­ti­schen Sys­tems, das vor­geb­lich eine »neue Welt« schaf­fen woll­te, dabei jedoch ledig­lich die Rui­nen des bür­ger­li­chen Sys­tems neu ord­ne­te, wäh­rend die Arbei­ter­be­we­gung im Wider­stand gegen das tota­li­tä­re Sys­tem weit­ge­hend ver­sag­te. »Die poli­ti­sche Unrei­fe der Arbei­ter­be­we­gung«, urteil­te Silo­ne scharf, »hat in der Nach­kriegs­zeit das Klein­bür­ger­tum auf den Kapi­ta­lis­mus gesto­ßen und dem Sieg des Fascis­mus gehol­fen.«37 Der poli­ti­sche Gebrauchs­wert von Silo­nes Ana­ly­se war in der aku­ten Lage der tota­li­tä­ren Bedro­hung offen­sicht­li­cher als in spä­te­ren Jah­ren der poli­ti­schen »Ent­span­nung«. Vor allem Dani­el Guérins Mark­stein in der anti­fa­schis­ti­schen Dis­kus­si­on der 1930er-Jah­­re – Fascis­me et grand capi­tal (1936) – griff in der Dis­kus­si­on des ita­lie­ni­schen Faschis­mus immer wie­der auf Silo­nes Werk zurück, etwa in der Beschrei­bung der faschis­ti­schen Agrar­po­li­tik, die ent­ge­gen der Ankün­di­gun­gen Mus­so­li­nis und sei­ner Satra­pen den Kapi­ta­lis­mus in den agra­ri­schen Regio­nen Ita­li­ens zuguns­ten der Groß­grund­be­sit­zer rekon­sti­tu­ier­te.38 Guérins Ana­ly­se gehör­te neben Silo­nes poli­ti­scher Sati­re Die Schu­le der Dit­akt­oren (1938) zu den Stan­dard­tex­ten der Dis­kus­si­on um Staats­ka­pi­ta­lis­mus und büro­kra­ti­schen Kol­lek­ti­vis­mus im Faschis­mus und Sta­li­nis­mus in den frü­hen 1940er-Jah­ren.39 Silo­nes enga­gier­ter Ver­le­ger Oprecht sah sich vor allem durch das sechs­te Kapi­tel, in dem Silo­ne die faschis­ti­sche »Erobe­rung des fla­chen Lan­des« beschrieb, in sei­ner Hoff­nung auf eine anti­fa­schis­ti­sche Zukunft bestärkt. »Silo­ne gelingt es«, schreibt der Oprecht-Bio­­­graf Dejung, »das Gesche­hen der Macht­er­grei­fung als his­to­ri­sches Ereig­nis detail­ge­treu und mit ein­drück­li­cher Sach­lich­keit zu schil­dern, ohne ideo­lo­gi­sche Kli­schees zu bemü­hen.«40. Ame­ri­ka in den Abruz­zen Selb­st vier­zig Jah­re spä­ter wird Silo­nes Ana­ly­se noch eine authen­ti­sche Serio­si­tät zuge­stan­den. Im Nach­wort zum Reprint von Silo­nes Faschis­­mus-Ana­­ly­­se aus dem Jah­re 1978 im Ver­lag Neue Kri­tik emp­fahl der Her­aus­ge­ber, der Sozi­al­wis­sen­schaft­ler Chris­ti­an Rie­chers (1936–1993), neben der Lek­tü­re von Silo­nes Werk auch des­sen Roman Fon­ta­ma­ra zur Kennt­nis zu neh­men, in dem sich der »Wider­stand der armen Bau­ern gegen den ›moder­nen‹ Kapi­ta­lis­mus« arti­ku­lier­te, der »unter dem Faschis­mus sei­nen Ein­zug in Gebie­te hält, die bis data von gemü­t­­lich-bes­­tia­­lisch patri­ar­cha­li­schen Aus­beu­tungs­ver­hält­nis­sen bestimm­ten waren«.41 In der fik­ti­ven Roman­welt Fon­ta­ma­ras herrscht eine extre­me Hier­ar­chie: An der Spit­ze ste­hen Gott und der Fürst Tor­lo­n­ia, und bis nach unten ist es ein lan­ger Weg. Nach den Hun­den der Auf­se­her des Fürs­ten kommt nichts, »immer noch nichts«, »immer noch nichts« , bis schließ­lich am Ende die »Cafo­ni«, mit­tel­lo­se Klein­bau­ern, erschei­nen, wäh­rend in den Zwi­schen­stu­fen »die Behör­den« ange­sie­delt sind, die vor den »Cafo­ni« war­nen: »Laßt sie nicht her­ein. Nach­her haben wir das gan­ze Rat­haus vol­ler Läu­se.«42 Die Gegen­kraft zu den mit­tel­lo­sen Bau­ern ist »der Unter­neh­mer«, der in den Abruz­zen mit Tech­ni­ken des Groß­ka­pi­tals und der faschis­ti­schen Büro­kra­tie­agen­tu­ren »Ame­ri­ka« für sich und sei­ne Inter­es­sen ent­de­cken kann. »Die Cafo­ni müs­sen über den Oze­an«, sagt eine Stim­me im Roman, »um nach Ame­ri­ka zu gelan­gen … aber die­ser Räu­ber hat es wirk­lich hier ent­deckt.«43 In der Ima­gi­na­ti­on war »Ame­ri­ka« – mit den Wor­ten Italo Cal­vi­nos – wie ein mythi­sches Gegen­bild, eine »Uto­pie, eine gesell­schaft­li­che Alle­go­rie, die mit dem in Wirk­lich­keit exis­tie­ren­den Gebil­de glei­chen Namens kaum etwas gemein­sam hat«. Für die eine wie die ande­re Sei­te war »Ame­ri­ka« der »Inbe­griff für alle Mög­lich­kei­ten und Wirk­lich­kei­ten der zeit­ge­nös­si­schen Welt«, eine »ver­wor­re­ne Syn­the­se alles des­sen, das der Faschis­mus negie­ren und aus­schal­ten woll­te«.44 Dazu gehört auch die »Demo­kra­tie« in Fon­ta­ma­ra, die durch Mani­pu­la­ti­on und Kor­rup­ti­on auf­recht­erhal­ten wird. Als vie­le »Cafo­ni« gegen den amtie­ren­den Bür­ger­meis­ter stim­men, da er all­zu offen die Unter­neh­mer unter­stützt, wird die domi­nie­ren­de Posi­ti­on der herr­schen­den Funk­tio­nä­re durch die Stim­men von »Leben­­dig-Toten« in einer demo­kra­ti­schen Far­ce gesi­chert. Am Ende erhe­ben und orga­ni­sie­ren sich die »Cafo­ni«: »Nach soviel Lei­den und soviel Kämp­fen, nach soviel Unge­rech­tig­kei­ten, soviel Trä­nen und soviel Ver­zweif­lung, was tun?«45 Wie Eliza­beth Lea­ke schreibt, ist Fon­ta­ma­ra die Fik­tio­na­li­sie­rung des Gramscia­ni­schen Pro­jekts der »orga­ni­sa­to­ri­schen Funk­ti­on der Hege­mo­nie über die Gesell­schaft«, in dem sich eine Grup­pe der »Nie­de­ren« aus der Sta­sis mobi­li­sie­ren, um grund­le­gen­de Ver­än­de­run­gen in der Poli­tik ihrer Gedan­ken und Aktio­nen her­bei­zu­füh­ren.46 Furcht und Elend im Faschis­mus Silo­nes Repu­ta­ti­on als Anti­fa­schist wur­de stark beschä­digt, als im Jah­re 2000 zwei jün­ge­re His­to­ri­ker – Dario Bioc­ca and Mau­ro Cana­li – anhand von Doku­men­ten im Archiv der ita­lie­ni­schen Geheim­po­li­zei OVRA (Orga­niz­za­zio­ne di Vigi­lan­za e Repres­sio­ne dell’Antifascismo) den anti­fa­schis­ti­schen Autoren als mut­maß­li­chen Poli­zei­in­for­man­ten in den Jah­ren zwi­schen 1919 und 1931 ent­tarn­ten.47 Die Beweis­la­ge war jedoch kei­nes­wegs ein­deu­tig, da Infor­man­ten stets von ihren Auf­trag­ge­bern unter Deck­na­men geführt wer­den und Silo­ne sei­ne vor­geb­li­chen Berich­te kei­nes­wegs unter sei­nem Klar­na­men an die faschis­ti­sche Dienst­stel­le über­mit­tel­te. Für den Silo­­ne-Ver­­­tei­­di­­ger Fabio Stas­si ist die Lage ein­deu­tig: In sei­nen Augen ist der Ver­such, Silo­ne als faschis­ti­schen Spi­on zu gei­ßeln, nicht allein fak­tisch unbe­grün­det, son­dern auch ein nie­der­träch­ti­ges Unter­fan­gen, einen auf­rech­ten Mann, der Zeit sei­nes Lebens wegen sei­nes Non­kon­for­mis­mus ver­folgt wur­de, auch post­hum zu beschä­di­gen.48 Aller­dings ist die Sach­la­ge nicht so ein­fach, wie Stas­si sie dar­stellt. His­to­ri­ker wie John Foot oder der renom­mier­te Über­set­zer Wil­liam Wea­ver sehen den Ver­dacht, Silo­ne habe als Infor­mant für die ita­lie­ni­sche Geheim­po­li­zei aus unter­schied­li­chen Moti­ven gear­bei­tet, als durch­aus begrün­det an.49 Dage­gen hin­ter­fragt Silo­nes Bio­graf Puglie­se die Glaub­wür­dig­keit der Beschul­di­gun­gen: War­um soll­te das faschis­ti­sche Regime mit Infor­ma­tio­nen über sei­nen Infor­man­ten Silo­ne, als er zu einem pro­mi­nen­ten Akteur in den anti­fa­schis­ti­schen Bewe­gun­gen in Euro­pa und in den USA auf­stieg, hin­ter dem Berg hal­ten?50 Zugleich the­ma­ti­sier­te Silo­ne in sei­nen anti­fa­schis­ti­schen Roma­nen auch immer die Exis­tenz von Spit­zeln, die Furcht vor der Ent­de­ckung, dem Ver­fal­len der Schan­de des Ver­rats. In Brot und Wein (1936) kehrt bei­spiels­wei­se der Sozia­list Pie­tro Spi­na aus sei­nem Exil unter dem Deck­man­tel eines Pries­ters in die Abruz­zen zurück, um dort revo­lu­tio­nä­re Zel­len zu orga­ni­sie­ren. Die Klan­des­t­in­i­tät ist der Humus, auf dem der Ver­rat gedeiht. »Das Leben einer gehei­men Orga­ni­sa­ti­on in einem der Dik­ta­tur unter­stel­len Land«, heißt es an einer Stel­le im Roman, »ist fort­wäh­rend beherrscht von einem blin­den Kampf gegen die Poli­zei­spit­zel.«51 Zu den Spit­zeln gehört der mit­tel­lo­se Stu­dent Lui­gi Murica, der wegen sei­ner Mit­glied­schaft in einer revo­lu­tio­nä­ren Grup­pe ver­haf­tet wird und sich als Spit­zel ver­dingt. Anfangs lie­fert er ledig­lich schein­bar unbe­denk­li­che Infor­ma­ti­on, ver­strickt sich jedoch immer tie­fer in die Infor­man­ten­tä­tig­keit, bis er von der Furcht vor Ent­de­ckung und der zer­mür­ben­den Reue über sei­nen Ver­rat zer­rie­ben wird und nach einer neu­er­li­chen Ver­haf­tung an den Miss­hand­lun­gen im Gefäng­nis stirbt. Wäh­rend die Dik­ta­tur den Pro­zess der Ent­mensch­li­chung und das Elend der Angst per­p­etu­iert, bleibt die Eman­zi­pa­ti­on von Angst auch das Ziel des Spit­zels. »Die Revo­lu­ti­on ist ein Bedürf­nis«, erklärt Murica, »nicht mehr allein zu sein, einer gegen den ande­ren. Sie ist ein Ver­such, gemein­sam zu leben und nicht mehr Angst zu haben. Ein Bedürf­nis nach Brü­der­lich­keit.«52 Für vie­le Kri­ti­ker Silo­nes, die von sei­ner »Schan­de«, Infor­mant der ita­lie­ni­schen Geheim­po­li­zei zu sein, über­zeugt waren oder sind, offen­bar­te der vor­geb­li­che heroi­sche Kämp­fer gegen den Faschis­mus sei­ne Spit­zel­exis­tenz in der Figur von Murica.53 Zugleich könn­te sich der rea­le Autor in der gebro­che­nen Figur des Pie­tro Spi­na reflek­tie­ren, der in der Tar­nung die Herr­schaft über die eige­ne rea­le Exis­tenz ver­liert. »Die Angst, irr­sin­nig zu wer­den, bemäch­tigt sich sei­ner«, schreibt Silo­ne in Brot und Wein. »Er muß sich sei­nen Namen, sei­nen rich­ti­gen, wie­der­ho­len, muss alles ver­ste­cken, was zu sei­ner Ver­klei­dung als Pries­ter gehört, muß sein Knie, sei­ne Schul­tern, sein Gesicht betas­ten, sich in die eige­ne Hand bei­ßen, muß in sei­ner kör­per­li­chen Rea­li­tät einen Punkt des äußers­ten Wider­stan­des gegen sei­ne geis­ti­ge Ver­wir­rung suchen.«54 Dass Silo­ne unter einer Per­sön­lich­keits­stö­rung in den frü­hen 1930er-Jah­­ren litt, behaup­ten Bioc­ca und Cana­li in ihrer Stu­die und geben als Fak­tum an, Silo­ne habe sich in der Schweiz einer Psy­cho­ana­ly­se bei C. G. Jung unter­zo­gen, obwohl es dafür kei­nen kon­kre­ten Beweis gibt.55 Die Ver­ur­tei­lung Silo­nes basiert nicht auf Bewei­sen, son­dern ledig­lich auf Indi­zi­en. Ähn­lich wie zuletzt bei Sieg­fried Unsel­ds Ent­tar­nung als NSDAP-Mit­­glied wird »das Archiv« (das von staat­li­chen Büro­kra­tien betrie­ben und auf­recht erhal­ten wird) zum allei­ni­gen Bewah­rer der his­to­ri­schen Wahr­heit. Im Fal­le von Silo­ne ist die Quel­le der Ermitt­lung das Über­bleib­sel von geheim­po­li­zei­li­chen Akti­vi­tä­ten, die in ein Archiv über­führt wur­den, ohne den Pro­zess der Ent­ste­hung ein­zu­be­zie­hen. Wie Puglia­re (mit einem Hin­weis auf Jac­ques Der­ri­das Schrift Dem Archiv ver­schrie­ben aus dem Jah­re 1995) in sei­ner Ver­tei­di­gung Silo­nes aus­führ­te, ist das Archiv ein Ort, wo Erin­ne­rung, Geschich­te, Fik­ti­on, Tech­no­lo­gie, Macht und Auto­ri­tät inein­an­der wir­ken.56 »Die Archi­vie­rung bringt das Ereig­nis in glei­chem Maße her­vor, wie sie es auf­zeich­net«, schrieb Der­ri­da. »Das ist auch une­re poli­ti­sche Erfah­rung mit den soge­nann­ten Infor­ma­ti­ons­me­di­en.«57 So ist das »Archiv« kei­nes­wegs der Hort einer unum­stöß­li­chen Wahr­heit, son­dern eine »inter­es­sen­ge­steu­er­te« Rekon­struk­ti­on der Ver­gan­gen­heit. © Jörg Auberg 2025 Für Über­set­zun­gen aus dem Ita­lie­ni­schen wur­de die Soft­ware Fle­xiPDF NX/DeepL ver­wen­det. Biblio­gra­fi­sche Anga­ben: Fabio Stas­si. Bebel­platz: La not­te dei libri bru­cia­ti. Mit einem Vor­wort von Alber­to Man­guel. Paler­mo: Sel­le­rio Edi­to­re, 2024. 312 Sei­ten, 16 Euro. ISBN: 978–8‑838947–21‑6. Fabio Stas­si. Die See­le aller Zufäl­le. Aus dem Ita­lie­ni­schen von Annet­te Kopetz­ki. Karls­ru­he: Edi­ti­on Con­ver­so, 2024. 288 Sei­ten, 24 Euro. ISBN: 978–3‑949558–30‑6. Klaus Wagen­bach. Mein Ita­li­en, kreuz und quer. Aktua­li­sier­te und erwei­ter­te Aus­ga­be letz­ter Hand. Ber­lin: Wagen­bach, 2024. WAT . 400 Sei­ten. 18 Euro. ISBN: 978–3‑8031–2827‑0. Bild­quel­len (Copy­rights) Bei­trags­bild (Silo­­ne-Col­la­­ge) © Jörg Auberg Cover Decli­ne of the New © Vic­tor Gol­lan­cz Cover Mein Ita­li­en, kreuz und quer © Ver­lag Klaus Wagen­bach Cover Der Fuchs und die Kame­lie © Ver­lag Klaus Wagen­bach Cover Nazi-Ger­­man in 22 Les­sons © Favo­ri­ten­pres­se Video Fabio Stas­si auf der Frank­fur­ter Buch­mes­se 2024 (Aus­schnitt) © Edi­ti­on Con­ver­so Cover Bebel­platz © Sel­le­rio Edi­to­re Cover Die See­le aller Zufäl­le © Edi­ti­on Con­ver­so Cover Der Fascis­mus © Ver­lag Neue Kri­tik Cover Sur le fascis­me © La Décou­ver­te Cover Fon­ta­ma­ra © Bücher­gil­de Guten­berg Cover Brot und Wein © Bücher­gil­de Guten­berg Nach­wei­se Eliza­beth Lea­ke, The Reinven­ti­on of Igna­zio Silo­ne (Toron­to: Uni­ver­si­ty of Toron­to Press, 2003), S. 3–4 ↩ Jür­gen Rüh­le, Lite­ra­tur und Revo­lu­ti­on: Die Schrift­stel­ler und der Kom­mu­nis­mus in der Epo­che Lenins und Sta­lins (Frankfurt/Main: Bücher­gil­de Guten­berg, 1987), S. 402 ↩ Igna­zio Silo­ne, in: The God That Fai­led, hg. Richard Cross­man (1950; erw. New York: Colum­bia Uni­ver­si­ty Press, 2001), S. 114 ↩ Irving Howe, Poli­tics and the Novel (1957; rpt. Chi­ca­go: Ivan R. Dee, 2002), S. 226; Irving Howe, Decli­ne of the New (Lon­don: Vic­tor Gol­lan­cz, 1971), S. 280; Mau­rice Isser­mann, If I Had a Ham­mer …: The Death of the Old Left and the Birth of the New Left (New York: Basic Books, 1987), S. 80 ↩ Howe, Poli­tics and the Novel, S. 219, 223, 226; Howe, »Mass Socie­ty and Post­mo­dern Fic­tion«, Par­ti­san Review, 26, Nr. 3 (Som­mer 1959):420–436, rpt. in: Decli­ne of the New, S. 190–207 ↩ Howe, Decli­ne of the New, S. 292 ↩ Klaus Wagen­bach, Nach­wort zu: Mein Ita­li­en, kreuz und quer (Ber­lin: Wagen­bach, 2024), S. 370 ↩ Buch­stäb­lich Wagen­bach – 50 Jah­re: Der unab­hän­gi­ge Ver­lag für wil­de Leser (Ber­lin: Wagen­bach, 2014), S. 26 ↩ Klaus Wagen­bach, Nach­wort zu: Gior­gio Man­ganel­li, Lügen­buch (Ber­lin: Wagen­bach, 2000), S. 152 ↩ Man­ganel­li, Lügen­buch, S. 135–137 ↩ Lothar Mül­ler, »Das Schla­gen der Peda­le des Web­stuhls – Christ ohne Kir­che, Sozia­list ohne Par­tei: Zum hun­derts­ten Geburts­tag von Igna­zio Silo­ne«, Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung, 29. April 2000, Lite­ra­tur­bei­la­ge, S. iv ↩ Alber­to Mora­via und Alain Elkann, Vita di Mora­via: Ein Leben im Gespräch, übers. Ulrich Hart­mann (Frei­burg: Beck & Glück­ler, 1991), S. 360 ↩ Howe, Decli­ne of the New, S. 292–293; Igna­zio Silo­ne, Der Fuchs und die Kame­lie, übers. Han­na Dehio, rev. Mari­an­ne Schnei­der (Ber­lin: Wagen­bach, 1998), S. 140 ↩ Man­ganel­li, Lügen­buch, S. 142; Mül­ler, »Das Schla­gen der Peda­le des Web­stuhls«, S. iv ↩ Silo­ne, zit. in: Rüh­le, Lite­ra­tur und Revo­lu­ti­on, S. 404 ↩ Fred F. Frey, »Der grü­ne Faschis­mus hin­ter dem ›Weltrettungs‹-Getue«, https://eike-klima-energie.eu/2022/12/09/der-gruene-faschismus-hinter-dem-weltrettungs-getue/; sie­he auch https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4isches_Institut_f%C3%BCr_Klima_und_Energie; Chris­ti­an R. Schmidt, »Silo­nes War­nung«, jungle.world, Nr. 5 (2020), https://jungle.world/artikel/2020/05/silones-warnung; Mari­am Lau, »Die AfD regiert indi­rekt längst mit«, Die Zeit, 30. Juni 2024, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024–06/afd-parteitag-essen-parteivorsitz-demonstrationen/komplettansicht ↩ Robert W. McChes­ney, Vor­wort zu: John Bel­la­my Fos­ter, Trump in the White House: Tra­ge­dy and Far­ce (New York: Month­ly Review Press, 2017), S. 8 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Mini­ma Mora­lia: Refle­xio­nen aus dem beschä­dig­ten Leben (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1987), S. 268; Siva Vaid­hya­nathan, Anti-Social Media: How Face­book Dis­con­nects Us and Under­mi­nes Demo­cra­cy (New York: Oxford Uni­ver­si­ty Press, 2018); Andrew Marantz, Anti­so­cial: How Online Extre­mist Bro­ke Ame­ri­ca (Lon­don: Pica­dor, 2020) ↩ Igna­zio Silo­ne, Der Fascis­mus (Zürich: Euro­­pa-Ver­­lag, 1934; rpt. Frankfurt/Main: Ver­lag Neue Kri­tik, 1978), S. 285 ↩ Fabio Stas­si, Die See­le der Zufäl­le, übers. Annet­te Kopetz­ki (Karls­ru­he: Edi­ti­on Con­ver­so, 2024), S. 9 ↩ Dwight Mac­do­nald, »School for Dic­ta­tors«, The New Inter­na­tio­nal, 5, Nr. 4 (April 1939), S. 126–127 ↩ Alber­to Man­guel, Vor­wort zu: Fabio Stas­si, Bebel­platz: La not­te dei libri bru­cia­ti (Paler­mo: Sel­le­rio Edi­to­re, 2024, ePub-Ver­­­si­on), S. 9 ↩ Gior­gio Man­ganel­li, Man­ganel­li furio­so: Hand­buch für unnüt­ze Lei­den­schaf­ten, übers. Mari­an­ne Schnei­der (Ber­lin: Wagen­bach, 1985), S. 127 ↩ Jean Paul Sart­re, Was ist Lite­ra­tur?, Schrif­ten zur Lite­ra­tur, Bd. 2, hg. und übers. Trau­gott König (Rein­bek: Rowohlt, 1987), S. 54; ori­gi­nal: Sart­re, Situa­tions III, erw. Neu­aus­ga­be, hg. Arlet­te Elkaïm-Sar­t­­re (Paris: Gal­li­mard, 2013), S. 64 ↩ Wal­ter van Ros­sum, Sich ver­schrei­ben: Jean-Paul Sart­re, 1939–1953 (Frankfurt/Main: Fischer, 1990), S. 170; sie­he auch Lothar Bai­er, Was wird Lite­ra­tur? (Mün­chen: Kunst­mann, 2001), S. 54 ↩ Stas­si, Die See­le der Zufäl­le, S. 271 ↩ Stas­si, Bebel­platz, S. 122 ↩ Detail­lier­te Infor­ma­tio­nen zu Silo­nes Erfah­run­gen im Schwei­zer Exil fin­den sich in: Debo­rah Hol­mes, Igna­zio Silo­ne in Exi­le: Wri­ting and Anti­fa­scism in Switz­er­land, 1929–44 (New York: Rout­ledge, 2016, ePub-Ver­­­si­on); und Sta­nis­lao G. Puglie­se, Bit­ter Spring: A Life of Igna­zio Silo­ne (New York: Farr­ar, Straus and Giroux, 2009, ePub-Ver­­­si­on), S. 110–160. Zur Attrak­ti­on des Faschis­mus für Autoren wie Paso­li­ni cf. Simo­na Bon­da­vel­li, Fic­tions of Youth: Pier Pao­lo Paso­li­ni, Ado­le­s­cence, Fascisms (Toron­to: Uni­ver­si­ty of Toron­to Press, 2015) ↩ Puglie­se, Bit­ter Spring, S. 114; Lea­ke, The Reinven­ti­on of Igna­zio Silo­ne, S. 3–4 ↩ Puglie­se, Bit­ter Spring, S. 126 ↩ Chris­toph Ema­nu­el Dejung, Emil Oprecht: Ver­le­ger der Exil­au­to­ren (Mün­chen: Euro­pa Ver­lag, 2023, ePub-Ver­­­si­on), S. 133 ↩ Anto­nio Gramsci, »The Ita­li­an Situa­ti­on and the Tasks of the PCdI« (Lyon-The­­sen), in: The Anto­nio Gramsci Rea­der: Sel­ec­ted Wri­tin­gs 1916–1935, hg. David For­gacs (Lon­don: Law­rence and Wis­hart, 1999), S. 147 ↩ Silo­ne, Der Fascis­mus, S. 273 ↩ Fried­rich Pol­lock, Sta­di­en des Kapi­ta­lis­mus, hg. Hel­mut Dubiel (Mün­chen: C. H. Beck, 1975), S. 72 ↩ Silo­ne, Der Fascis­mus, S. 209 ↩ Puglie­se, Bit­ter Spring, S. 126 ↩ Silo­ne, Der Fascis­mus, S. 285 ↩ Dani­el Gué­rin, Sur le fascis­me: La peste bru­ne – Fascis­me et grand capi­tal (Paris: La Décou­ver­te, 2001), S. 408–409 ↩ Cf. Micha­el Wres­zin, A Rebel in Defen­se of Tra­di­ti­on: The Life and Poli­tics of Dwight Mac­do­nald (New York: Basic Books, 1994), S. 72–73; Jörg Auberg, New Yor­ker Intel­lek­tu­el­le: Eine poli­­tisch-kul­­tu­­rel­­le Geschich­te von Auf­stieg und Nie­der­gang, 1930–2020 (Bie­le­feld: tran­script, 2022), S. 135–139 ↩ Dejung, Emil Oprecht: Ver­le­ger der Exil­au­to­ren, S. 133 ↩ Chris­ti­an Rie­chers, Die Nie­der­la­ge in der Nie­der­la­ge: Tex­te zu Arbei­ter­be­we­gung, Klas­sen­kampf, Faschis­mus, hg. Felix Klo­po­tek (Müns­ter: Unrast Ver­lag, 2009), S. 295 ↩ Igna­zio Silo­ne, Fon­ta­ma­ra, übers. Han­na Dehio (Frankfurt/Main: Bücher­gil­de Guten­berg, 1963), S. 32, 40 ↩ Silo­ne, Fon­ta­ma­ra, S. 53 ↩ Italo Cal­vi­no, Vor­wort zu: Cesa­re Pave­se, Schrif­ten zur Lite­ra­tur, übers. Erna und Erwin Kop­pen (Ham­burg: Cla­as­sen, 1967), S. 9–10 ↩ Silo­ne, Fon­ta­ma­ra, S. 215 ↩ Anto­nio Gramsci, Mar­xis­mus und Kul­tur: Ideo­lo­gie, All­tag, Lite­ra­tur, hg. und übers. Sabi­ne Kebir (Ham­burg: VSA-Ver­­lag, 1983), S. 62; Lea­ke, The Reinven­ti­on of Igna­zio Silo­ne, S. 92 ↩ Dario Bioc­ca und Mau­ro Cana­li, L’informatore: Silo­ne, i comu­nis­ti e la Poli­zia (Mai­land: Luni Editri­ce, 2000); zum Hin­ter­grund sie­he Puglie­se, Bit­ter Spring, S. 279–308 ↩ Stas­si, Bebel­platz, S. 122 ↩ John Foot, Blood and Power: The Rise and Fall of Ita­li­an Fascism (Lon­don: Bloomsbu­ry, 2022, ePub-Ver­­­si­on), S. 194–196; Wil­liam Wea­ver, »The Mys­tery of Igna­zio Silo­ne«, New York Review of Books, 49, Nr. 4 (14. März 2002), https://www.nybooks.com/articles/2002/03/14/the-mystery-of-ignazio-silone/ ↩ Puglie­se, Bit­ter Spring, S. 290 ↩ Igna­zio Silo­ne, Brot und Wein, übers. Adolf Saa­ger (Zürich: Bücher­gil­de Guten­berg, 1936), S. 280 ↩ Silo­ne, Brot und Wein, S. 307 ↩ Puglie­se, Bit­ter Spring, S. 287 ↩ Silo­ne, Brot und Wein, S. 95 ↩ Hol­mes, Igna­zio Silo­ne in Exi­le, S. 38 ↩ Puglie­se, Bit­ter Spring, S. 281–282 ↩ Jac­ques Der­ri­da, Dem Archiv ver­schrie­ben, übers. Hans D. Gon­dek und Hans Nau­mann (Ber­lin: Brink­mann und Bose, 1997), S. 35 ↩ […]
  • Georg Seeßlen — Trump und Co.Georg Seeß­len — Trump und Co.4. März 2025Der »Hor­ror-Clown« des Faschis­mus Georg Seeß­len ana­ly­siert die Ban­den­herr­schaft Donald Trumps von Jörg Auberg »Ame­ri­ka inter­es­sier­te mich, es ist das inter­es­san­tes­te Land«, sag­te der fran­zö­si­sche Film­re­gis­seur Lou­is Mal­le in einem Inter­view mit der Film­jour­na­lis­tin Chris­ta Maer­ker. »So ging es jeden­falls mir immer. Es gibt vie­le mons­trö­se Sachen hier. Scho­ckie­ren­des. Aber es gibt auch eine Vita­li­tät und Ener­gie.«1 Jedoch kann auch die Vita­li­tät scho­ckie­ren­de und mons­trö­se Momen­te zei­ti­gen, wie der hys­te­ri­sche Sturm auf Capi­tol im Janu­ar 2021 nach der Abwahl Donald Trumps demons­trier­te. In der Atta­cke arti­ku­lier­te sich nicht der Pro­test von Verlierer*innen, die vom demo­kra­ti­schen Estab­lish­ment sich genas­führt fühl­ten, son­dern die Stam­pe­de von hys­te­ri­sier­ten Trumpist*innen (wie etwa dem Ver­schwö­rungs­prak­ti­ker und »QAnon-Scha­­ma­­nen« Jacob Chans­ley), die das »Medi­en-Framing« der Spek­ta­kel­ge­sell­schaft adäquat bedien­ten. Der alte 1968er Slo­gan »The who­le world is wat­ching« wur­de poli­tisch umfunk­tio­niert und für den anti­de­mo­kra­ti­schen Auto­ri­ta­ris­mus mas­sen­me­di­al neu auf­ge­la­den.2 That was then (in Fic­tion)   This is now (in rea­li­ty) Dis­rup­ti­on als neo­li­be­ra­les Kampf­mit­tel n sei­nem Buch Trump & Co betont der Kul­tur­kri­ti­ker Georg Seeß­len, dass »Dis­rup­ti­on« ein neo­li­be­ra­les Kampf­mit­tel sei. Ursprüng­lich beruh­te es auf dem Kon­zept der »krea­ti­ven Zer­stö­rung« des öster­rei­chi­schen Öko­no­men Joseph Schum­pe­ter, der es als Trieb­kraft der Inno­va­ti­on begriff. In ers­ter Linie war es (aus öko­no­mi­scher Per­spek­ti­ve) ein stän­di­ger Umstruk­tu­rie­rungs­pro­zess, bei dem bestehen­de »Geschäfts­mo­del­le« durch neue Pro­fit­ma­xi­mie­rungs­mo­del­le abge­löst wur­den.3 »Dis­rup­ti­on ist die neo­ka­pi­ta­lis­ti­sche Form von Klas­sen­kampf«, kon­sta­tiert Seeß­len; »die Gewin­ner machen den Ver­lie­rern gan­ze Bio­gra­fien und gan­ze Kul­tu­ren kaputt, und manch­mal ist das Kaputt­ma­chen selbst das ein­zi­ge Geschäfts­mo­dell.«4 In sei­ner Ana­ly­se des »Hor­ror­clowns des ame­ri­ka­ni­schen Faschis­mus« rekur­riert Seeß­len auf die The­ma­tik der »Blöd­ma­schi­nen«, wonach der »weit­läu­figs­te Roh­stoff des Kapi­ta­lis­mus« die »mensch­li­che Dumm­heit« sei.5 Für Seeß­len ist Trump kein sin­gu­lä­res Phä­no­men, son­dern Aus­druck einer Ent­wick­lung des poli­ti­schen Auto­ri­ta­ris­mus, die als Reak­ti­on auf die Ereig­nis­se der spä­ten 1960er Jah­re begann. Bereits das Team Richard Nixon/Spiro J. Agnew trug die anti-lin­ke Agen­da in Namen einer vor­geb­lich »schwei­gen­den Mehr­heit« vor sich her. »Ame­ri­ca is tired of pro­test. Ame­ri­ca is tired of Dani­el Ells­berg«, war der media­le Slo­gan den 1970ern.6 Nach einem kur­zen libe­ra­len Inter­mez­zo in der Prä­si­dent­schaft Jim­my Car­ters tri­um­phier­te schließ­lich der Neo­kon­ser­va­tis­mus in poli­ti­scher und kul­tu­rel­ler Form, wobei nicht zufäl­lig ehe­ma­li­ge »Frei­beu­ter« der Kul­tur­in­dus­trie wie Ronald Rea­gan oder Sil­vio Ber­lus­co­ni sich zu Poten­ta­ten ihrer jewei­li­gen Staats­un­ter­neh­men auf­schwan­gen, die zu Pro­to­ty­pen der Autokrat*innen des neu­en Jahr­hun­derts wur­den.7 Wie Dou­glas Kell­ner bereits 2016 her­vor­hob, ermög­lich­ten erst die Muta­tio­nen in Gesell­schaft, Poli­tik und Kul­tur eine Figur wie Donald Trump, der sich – auch mit Unter­stüt­zung der Spek­­ta­kel-Agen­­tu­­ren im Medi­en­be­reich – als Wie­der­gän­ger Mus­so­li­nis insze­nier­te, wäh­rend die nega­ti­ven Aspek­te des Faschis­mus im dunk­len Hin­ter­grund der Kulis­sen ver­schwan­den.8 Herr­schaft der Gang bwohl Seeß­len – in Anleh­nung an Umber­to Ecos Typo­lo­gie – auch auf die Merk­ma­le des Urfa­schis­mus wie Anti­mo­der­nis­mus, Irra­tio­na­lis­mus, Eli­tis­mus, Todes­kult oder Ver­schwö­rungs­theo­rie hin­weist9, ist sein pri­mä­res Refe­renz­sys­tem die Semio­lo­gie des Kinos, des Fern­se­hens und ande­rer Mas­sen­me­di­en­strö­me. Trump nimmt er in ers­ter Linie als »Gang-Lea­­der« wahr, des­sen Zie­le sich in Berei­che­rung, Lust­be­frie­di­gung, Zer­stö­rung und Aus­wei­tung des Macht­ter­ri­to­ri­ums erschöp­fen. »Die Gang ist ein flüs­si­ge­res Modell der ter­ro­ris­ti­schen Herr­schaft«, kon­sta­tiert Seeß­len; »sie baut ihr Geflecht der Abhän­gig­kei­ten und der Erpres­sun­gen auf (ein Omer­­tá-Gebot inklu­si­ve), bil­det Unter-Gangs und Alli­an­zen, ver­folgt aber auch ein Hit-and-Run-Kon­­­zept. Wo nichts mehr zu holen ist oder der Auf­wand zu groß, nimmt man sich ein ande­res Ziel vor.«10 In die­ser Beschrei­bung erin­nert Trump – mit Max Hork­hei­mer gespro­chen – an einen bru­ta­len »Gangs­ter­häupt­ling«, der »kei­ne Kri­tik ver­trägt und die ande­ren wie Dreck behan­delt, wenn sie nicht gera­de mäch­ti­ger sind als er«11. Er ist die Reinkar­na­ti­on des Syn­­­di­­kat-Chefs Litt­le Bona­par­te aus Bil­ly Wil­ders sati­ri­scher Komö­die Some Like it Hot (1959), der (als Vor­sit­zen­der der »Freun­de der ita­lie­ni­schen Oper«) wie Beni­to Mus­so­li­ni aus­sieht und agiert, dabei aber Zita­te aus Alex­an­der Popes Essay on Cri­ti­cism (»Irren ist mensch­lich, Ver­ge­ben gött­lich«) und dem Reper­toire des Chefs von Gene­ral Motors, Charles Wil­son, (»Was gut für das Land ist, ist gut für uns«) ver­wen­det.12 Trumps MAGA-Pro­­jekt (Make Ame­ri­ca Gre­at Again) ist nicht mehr als der »Aus­wurf der bür­ger­li­chen Gesell­schaft« (wie es bei Karl Marx hieß), der Ver­such einer despe­ra­ten »Tote­n­er­we­ckung« ange­sichts glo­ba­ler Ver­wer­fun­gen und Kri­sen in öko­no­mi­scher, öko­lo­gi­scher, poli­ti­scher und gesell­schaft­li­cher Hin­sicht, die auch mit einer rück­wärts­ge­wand­ten Restau­ra­ti­on ehe­ma­li­ger Macht­ver­hält­nis­se unter dem Kom­man­do alter wei­ßer Män­ner nicht aus der Welt geschaf­fen wer­den kön­nen.13 Den­noch greift die Reduk­ti­on der »trum­pis­ti­schen Auto­kra­tie« auf das Gang-Motiv aus der popu­lä­ren Mytho­lo­gie der Kul­tur­in­dus­trie zu kurz. »Die media­le Echo­kam­mer der Gang-Her­r­­schaft ist die ›Manos­phe­re‹«, ana­ly­siert Seeß­len, »ein Netz­werk der Miso­gy­nie und der patri­ar­cha­len Reak­ti­on, um die harm­lo­se­ren Aspek­te zu erwäh­nen, das Unter­grund­rau­schen zu Ver­­­ge­­wal­­ti­­gungs- und Mord­fan­ta­sien, immer ver­bun­den mit ande­ren Aspek­ten der rech­ten Welt­er­zäh­lung, von libe­ra­len ›Eli­ten‹, ›tie­fem Staat‹ und mar­xis­ti­scher Unter­wan­de­rung.«14 Die miso­gy­ne Grund­struk­tur des reak­tio­nä­ren Sys­tems (die in Gangs­ter­fil­men wie The Public Ene­my oder The Big Heat vor­herr­schend ist) ist für Seeß­len in der rea­len Welt »ein inne­rer Kitt des all­ge­mei­nen und vul­gä­ren Trum­pis­mus«15, wobei er nicht the­ma­ti­siert, war­um diver­se Gesell­schafts­grup­pen – Frau­en, Afro-Amerikaner*innen, Lati­nos & Lati­nas – trotz aller Wider­sprü­che und wider­strei­ten­den Inter­es­sen für die auto­ri­tä­re Herr­schaft von Trump und sei­ner Gefolgs­leu­te stimm­ten oder war­um ein Poli­ti­ker aus New York City so ekla­tant gegen den his­to­ri­schen Cha­rak­ter einer Stadt agi­tie­ren kann, die von Beginn an mul­ti­eth­nisch und divers geprägt war.16 Der Krieg der Zei­chen ndem sich Seeß­len auf das »Nar­ra­tiv« aus der kul­tur­in­dus­tri­el­len Mytho­lo­gie kapri­ziert und bereits im Unter­ti­tel auf Ber­tolt Brechts Thea­ter­stück über Arturo Ui (»Es ist das Gangs­ter­stück, das jeder kennt!«17) rekur­riert, ver­nach­läs­sigt er poli­ti­sche, sozia­le und öko­no­mi­sche Dimen­sio­nen der auto­ri­tä­ren Herr­schaft. Zwar rückt er – mit Theo­dor W. Ador­no gespro­chen – »das sub­jek­tiv Nich­ti­ge und Schein­haf­te« des Auto­kra­ten in den Fokus, eska­mo­tiert aber zugleich das wirk­li­che Aus­maß der auto­ri­tä­ren Macht­über­nah­me.18 Im gefäl­li­gen Gere­de über Dis­ney­world, Star Wars, Super­he­­ro-Comics, die Simpsons und James Bond ver­liert sich die kon­kre­te Ana­ly­se der rea­len Ver­hält­nis­se und lässt immer wie­der Trump als »Hor­ror-Clown« aus dem Sumpf der schwar­zen Lagu­ne blub­bernd auf­tau­chen. Beglei­tet wer­den die Beschrei­bun­gen der Tri­um­phe der »rech­ten Schar­la­ta­ne« von wabern­den Aus­sa­gen wie »Der liber­tä­re Auto­ri­ta­ris­mus ver­ab­schie­det sich bis zu einem gewis­sen Grad von den kon­ser­va­ti­ven Wer­ten« oder »Das Volk ist eine hys­te­ri­sier­te Mas­se, die sich unbe­dingt ver­ste­ti­gen will«. 19 Poli­tisch bleibt Seeß­len nebu­lös. In sei­nem Nar­ra­tiv per­so­na­li­siert er zuvör­derst den his­to­ri­schen Ver­lauf. Sili­­con-Mil­­li­ar­­dä­­re wie Elon Musk, Mark Zucker­berg, Peter Thiel, Jeff Bezos und ande­re füh­ren den »Hor­ror-Clown« Trump wie eine Mario­net­te, sug­ge­riert Seeß­len, doch inwie­fern die tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lung auf die gesell­schaft­li­che Sphä­ren und ihr admi­nis­tra­ti­ves Per­so­nal ein­wirkt, fin­det in sei­ner Argu­men­ta­ti­on kei­ne Berück­sich­ti­gung.20 In sei­ner Erzäh­lung agie­ren stets nur kon­spi­ra­ti­ve Ein­zel­tä­ter, wäh­rend die Kon­zen­tra­ti­on gesell­schaft­li­cher Macht eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le spielt.21 Bereits in Trumps ers­ter Run­de für den US-Prä­­si­­den­t­­schafts­­­wahl­­kampf 2016 posi­tio­nier­te sich der rechts­li­ber­tä­re Pay­­Pal-Begrün­­der Thiel für die Nomi­nie­rung Trumps (»Trump war eine der bes­ten Inves­ti­tio­nen Thiels«22), bemerkt der Jour­na­list Mal­colm Har­ris in Palo Alto, sei­nem Buch über die kali­for­ni­sche IT-Indus­­trie. Im zwei­ten Durch­gang schlos­sen sich sei­ne ehe­mals (mehr oder min­der) libe­ra­len Sili­­con-Unter­­neh­­mer­freun­­de – ohne wei­te­re Scham – dem Trump-Zug an. Bei Seeß­len fin­det die gesell­schaft­li­che Ent­wick­lung in den USA wie folgt ihren Nie­der­schlag: »Der Krieg der Zei­chen und der Bezeich­nun­gen hat sich von geschlos­se­nen Sys­te­men zu dyna­mi­schen Span­nun­gen ent­wi­ckelt; es geht nicht mehr um tra­di­tio­nel­le Bedeu­tung (eine direk­te Bezie­hung von Zei­chen und Bezeich­ne­ten), son­dern um affek­ti­ve Zustän­de, die sich gleich­sam ihren Zusam­men­hang selbst suchen.«23 Letz­te Aus­fahrt Poi­son­ville ber die tie­fer gehen­den sozia­len und poli­ti­schen Grün­de des momen­ta­nen Tri­um­phes reak­tio­nä­rer und neo­fa­schis­ti­scher Kräf­te  schweigt sich Seeß­len aus. Statt­des­sen repro­du­ziert er gän­gi­ge Kli­schees aus dem Reper­­toire-Bau­­kas­­ten des hoch­mü­ti­gen Res­sen­ti­ments gegen das pro­vin­zi­el­le Ame­ri­ka. »Das hin­ter­wäl­der­lische, bigot­te und reak­tio­nä­re Ame­ri­ka schien Relikt und teils lie­bens­wer­te, teils gru­se­li­ge Enkla­ve für den back­wood Hor­ror oder Schau­platz von Klein­­stadt-Idyl­­len mit kau­zi­gem Typen-Reser­­voir«, führt Seeß­len schon zu Beginn an, um den Mythos Ame­ri­kas als uni­ver­sa­les »Kraft­zen­trum von Demo­kra­tie und Libe­ra­lis­mus« zu »dekon­stru­ie­ren«. 24 Wie­der­um argu­men­tiert er aus der ein­ge­schränk­ten Per­spek­ti­ve des Pop­­kul­­tur-Kri­­ti­kers, wäh­rend der Blick für die gesell­schaft­li­chen Rea­li­tä­ten eher bei­läu­fig ist. Seeß­lens Wahr­neh­mung der »Ver­ges­se­nen« oder des »white trash« wird über den Topos der »for­got­ten men« (ein gän­gi­ges Mus­ter aus den 1930er-Jah­­ren) gesteu­ert, der vor allem im Best­sel­ler Hill­bil­ly Elegy des eins­ti­gen Trump-Kri­­ti­kers und spä­te­ren Vize­prä­si­den­ten im Trump-II-Team, J. D. Van­ce, repe­tiert wur­de. Das Opus des ver­lo­ge­nen und oppor­tu­nis­ti­schen Schrei­ber­lings der »Red­necks« war auch für vor­geb­li­che Lin­ke wie den Ver­le­ger und Viel­schrei­ber Klaus Bit­ter­mann ein Modell, um gegen die Zei­t­­geist-Lin­ke zu agi­tie­ren. Für ihn war der Reak­tio­när Van­ce ein »groß­ar­ti­ger Autor, der ein­dring­lich und über­zeu­gend zu beschrei­ben ver­steht, wie ver­lo­ren und depres­siv der deklas­sier­te wei­ße Arbei­ter ist, aber auch wie wenig er sich unter­krie­gen lässt«, wobei er unum­wun­den zur eige­nen Recht­fer­ti­gung der Lob­hu­de­lei zugibt, dass das Buch »kei­ne sozio­lo­gi­sche Ana­ly­se« prä­sen­tier­te, da offen­bar zu vie­le sozia­le Fak­ten Van­ces sub­jek­ti­ve Beob­ach­tun­gen und Erin­ne­run­gen und das Lese­ver­gnü­gen von will­fäh­ri­gen Rezen­sen­ten (die sich an der ver­meint­li­chen Wirk­lich­keit der Ver­lie­rer delek­tie­ren woll­ten, ohne vom Degout des Ver­lie­rers umweht zu sein) nur stö­ren könn­ten.25 Wäh­rend Seeß­lens Ana­ly­se über die Ursa­chen der Anfäl­lig­keit der länd­li­chen Bevöl­ke­rung für auto­ri­tä­re Poli­tik­mus­ter in einem wabern­den semio­ti­schen Nebel ver­harrt (»Der poli­ti­sche Kampf wird vom Schlacht­feld der Inter­es­sen zum Schau­platz der Effek­te«26), wirft die Sozio­lo­gin Arlie Rus­sell Hoch­schild in ihrem Buch Sto­len Pri­de (2024) einen kon­kre­ten Blick auf die Beweg­grün­de der Trump-Gefolgs­­­leu­­te in länd­li­chen Gebie­ten wie Ken­tu­cky. Ähn­lich wie in Dashiell Ham­metts Roman Red Har­ve­st, in dem poli­ti­sche Kor­rup­ti­on und loka­le Gangs­ter­herr­schaft in der Pro­vinz­stadt Per­son­ville ali­as Poi­son­ville ein­an­der bedin­gen, ist in Pik­e­ville in Ken­tu­cky der Zug in Rich­tung Trump-Sta­­te längst abge­fah­ren. In Pik­e­ville resul­tiert der Tri­umph von Trumps MAGA-Bewe­­gung weni­ger aus dem öko­no­mi­schen Pro­gramm Trumps, denn aus sei­ner Fähig­keit, ein »emo­tio­na­les Vaku­um« zu fül­len. In Pike Coun­ty konn­te Trump mit sei­ner reak­tio­nä­ren Agen­da tri­um­phie­ren (acht­zig Pro­zent der Bevöl­ke­rung stimm­ten für sein Pro­gramm, weil in der Gleich­zei­tig­keit des Ver­lusts von Arbeits­plät­zen im Berg­bau und dem Ein­strö­men von Opio­iden der Phar­ma­in­dus­trie die phy­si­sche und psy­chi­sche Balan­ce außer Kon­trol­le geriet), da Trump den Bedeu­tungs­ver­lust im sozia­len Gefü­ge mit mar­ki­gen Sprü­chen des star­ken Man­nes zu kom­pen­sie­ren ver­stand (obgleich er in der Ver­gan­gen­heit tat­säch­lich diver­se Unter­neh­men mit eige­ner Inkom­pe­tenz in die Insol­venz getrie­ben hat­te).27 Auch in Lou­is Mal­les US-ame­ri­­ka­­ni­­schen Doku­men­tar­fil­men wie God’s Coun­try (1986), in denen sich der kon­ser­va­ti­ve Auf­bruch von Far­mern im Mit­tel­wes­ten von Min­ne­so­ta Ende der 1970er in der Des­il­lu­si­on mit der neo­li­be­ra­len Poli­tik der »Rea­gano­mics« aus­drück­te, exem­pli­fi­ziert sich das »echt ame­ri­ka­ni­sche Wider­spruchs­rät­sel«28 (wie es Fried­rich Engels Ende des 19. Jahr­hun­derts bezeich­ne­te): Homo­ge­ni­tät und Diver­si­tät, Kon­ser­va­tis­mus und rebel­li­scher Geist.29 Obgleich die »Mid­wes­ter­ners« von den »rech­ten Schar­la­ta­nen« und ihren Hilfs­trup­pen (wie sie bei Seeß­len titu­liert wer­den) als eine Mas­se von Sub­al­ter­nen vor­ge­führt wer­den, wird der New Yor­ker Trump von media­len Vasal­len als »Gats­by für unse­re Zeit« gefei­ert, wobei sei­ne auf­ge­bla­se­ne Vul­ga­ri­tät als Inbe­griff des Erfolgs ver­kauft wird. Wie schon bei Scott Fitz­ge­rald bli­cken nur gigan­ti­sche blaue Augen über das Aschen­tal eines aus­ge­zehr­ten Kapi­ta­lis­mus.30 The End is Near bgleich Seeß­len mit sei­nem pop­kul­tu­rel­len Ansatz eini­ge Aspek­te des auto­ri­tä­ren Popu­lis­mus, wie er von Trump und ande­ren »Volks­tri­bu­nen« der Gegen­wart reprä­sen­tiert wird, mar­kant auf­leuch­ten lässt, bleibt er doch hin­ter der kri­ti­schen Ana­ly­se, wie sie John Bel­la­my Fos­ter, der Her­aus­ge­ber der lin­ken Zeit­schrift Month­ly Review, in sei­nem Buch Trump in the White House aus dem Jah­re 2017 vor­leg­te, weit zurück. »Das neo­fa­schis­ti­sche Mons­ter, ein­mal auf die Welt los­ge­las­sen, wird nicht ein­fach ver­schwin­den«31, schrieb Fos­ter damals. Die Ana­ly­se der ers­ten Trump-Run­­de – mit han­dels­üb­li­chen Faschis­ten wie Ste­ve Ban­non oder Sebas­ti­an Gor­ka – hat sich aktu­ell über­lebt, da in Trumps Zir­kel momen­tan ultra­rech­te »Influencer*innen« wie Lau­ra Loo­mer oder »Büro­­­kra­­tie-Kil­­ler« wie Elon Musk (der nicht ein­mal die dunk­le Ele­ganz des Auf­trags­kil­lers Nel­se Macleod in Howard Hawks’ Abge­sang auf den alten Wes­ten, El Dora­do, auf­zu­wei­sen ver­mag) als Vertreter*innen eines neu­en »Tech­­no-Faschis­­mus« sich aus­to­ben kön­nen.32 Daher ist es ver­ständ­lich, dass Fos­ter sein Buch nicht ledig­lich über­ar­bei­ten und den neu­en Gege­ben­hei­ten anpas­sen möch­te, son­dern ein neu­es Buch über das Trump-Regime schrei­ben möch­te, das (laut Pla­nung) ent­we­der Ende 2025 oder Anfang 2026 erschei­nen wird. Aller­dings bleibt die Fra­ge, ob dies ange­sichts der hys­te­ri­sier­ten Ereig­nis­se in den USA nicht bereits zu spät sein wird. © Jörg Auberg 2025 Biblio­gra­fi­sche Anga­ben: Georg Seeß­len. Trump & Co.: Der un/aufhaltsame Weg des Wes­tens in die Anti-Demo­kra­tie. Ber­lin: Bertz + Fischer, 2025. 240 Sei­ten, 18 Euro. ISBN: 978–3‑86505–779‑2. Bild­quel­len (Copy­rights) Trai­ler Seven Days in May (1964) Archiv des Autors Video­zu­sam­men­fas­sung Donald Trump vor dem U.S. Con­gress, 4. März 2025 © The Guar­di­an Cover Trump & Co. © Bertz + Fischer Film­aus­schnitt Some Like it Hot (1959) Archiv des Autors Sze­nen­fo­to The Public Ene­my Archiv des Autors Cover Ame­ri­can Fascism (2024) © New Repu­blic Cover Sto­len Pri­de © New Press Cover Trump in the White House © Month­ly Review Press   Nach­wei­se Chris­ta Maer­ker, Inter­view mit Lou­is Mal­le, 25. Okto­ber 1984, Los Ange­les, in: Lou­is Mal­le (Rei­he Film 34), hg. Peter W. Jan­sen und Wolf­ram Schüt­te (Mün­chen: Han­ser, 1985), S. 44–45 ↩ Cf. Todd Git­lin, The Who­le World is Wat­ching: Mass Media in the Making & Unma­king of the New Left (Ber­ke­ley: Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia Press, 1980) ↩ Cf. çapul­cu Redak­ti­ons­kol­lek­tiv, Dis­rupt! Wider­stand gegen den tech­no­lo­gi­schen Angriff (Müns­ter: Unrast-Ver­­lag, 2017), S. 11 ↩ Georg Seeß­len, Trump & Co.: Der un/aufhaltsame Weg des Wes­tens in die Anti-Demo­­kra­­tie (Ber­lin: Bertz + Fischer, 2025), S. 14 ↩ Cf. Jörg Auberg, »Roh­stoff Dumm­heit«, satt.org (5. Janu­ar 2013), https://www.satt.org/gesellschaft/13_01_kapital.html ↩ Git­lin, The Who­le World is Wat­ching, S.5 ↩ Cf. John Ganz, When the Clock Bro­ke: Con Men, Con­spi­ra­cists, and How Ame­ri­ca Cra­cked Up in the Ear­ly 1990s (New York: Farr­ar, Straus and Giroux, 2024) ↩ Dou­glas Kell­ner, Ame­ri­can Night­ma­re: Donald Trump, Media Spec­ta­cle and Aut­ho­ri­ta­ri­an Popu­lism (Rot­ter­dam: Sen­se Publishers, 2016), S. 11 ↩ Umber­to Eco, Der ewi­ge Faschis­mus, übers. Burk­hart Kroeber (Mün­chen: Han­ser, ³2020), S. 30–39 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 54 ↩ Max Hork­hei­mer, »Noti­zen 1949–1969«, in: Schrif­ten, Bd. 6, hg. Alfred Schmidt (Frankfurt/Main: Fischer, 1991), S. 217 ↩ Jef­frey Mey­ers, The Geni­us and the God­dess: Arthur Mil­ler and Mari­lyn Mon­roe (Lon­don: Arrow Books, 2010, ePub-Ver­­­si­on), S. 216, 341–342Fn ↩ Karl Marx, »Der acht­zehn­te Bru­mai­re des Lou­is Bona­par­te«, MEW, Bd. 8 (Ber­lin: Dietz, 2009), S. 116, 123; Robert Misik, »Donald Bona­par­te«, taz, 19. Febru­ar 2025, S. 12. Zur Popu­la­ri­tät Mus­so­li­nis in den USA cf. John P. Dig­gins, Mus­so­li­ni and Fascism: The View from Ame­ri­ca (Prince­ton, NJ: Prince­ton Uni­ver­si­ty Press, 1972), und Katy Hull, The Machi­ne Has a Soul: Ame­ri­can Sym­pa­thy with Ita­li­an Fascism (Prince­ton, NJ: Prince­ton Uni­ver­si­ty Press, 2021) ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 58 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 59 ↩ Fre­de­rick M. Bin­der und David M. Rei­mers, All the Nati­ons Under Hea­ven: An Eth­nic and Racial Histo­ry of New York City (New York: Colum­bia Uni­ver­si­ty Press, 1995) ↩ Ber­tolt Brecht, Der auf­halt­sa­me Auf­stieg des Arturo Ui (Ber­lin: Suhr­kamp, 1965), S. 9 ↩ Theo­dor W. Ador­no, Noten zur Lite­ra­tur, hg. Rolf Tie­de­mann (Frankfurt/Main: Suhr­kamp, 1981), S. 417 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 118, 123, 130 ↩ Zum Ein­fluss von »sozia­len Medi­en« auf die poli­ti­sche Dis­kurs­fä­hig­keit cf. Siva Vaid­hya­nathan, Anti­so­cial Media: How Face­book Dis­con­nects Us and Under­mi­nes Demo­cra­cy (New York: Oxford Uni­ver­si­ty Press, 2018); Andrew Marantz, Anti­so­cial: How Online Extre­mist Bro­ke Ame­ri­ca (Lon­don: Pica­dor, 2019) ↩ Cf. Georg Seeß­len, »Mum­pizm rel­oa­ded, oder die Welt sucht den Super-Influen­­cer«, kon­kret, 2/2025 (Febru­ar 2025), S. 28–29 ↩ Mal­colm Har­ris, Palo Alto: A Histo­ry of Cali­for­nia, Capi­ta­lism, and the World (Lon­don: River­run, 2022), S. 604 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 161–162 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 11 ↩ Klaus Bit­ter­mann, »Die letz­te Zuflucht der Ver­lie­rer«, taz, 24. Juni 2017, S. 12; zur kri­ti­schen Ein­ord­nung sie­he Nan­cy Isen­berg, »Left Behind«, New York Review of Books, 65:11 (28. Juni 2018), https://www.nybooks.com/articles/2018/06/28/left-behind-hillbilly-elegy-appalachia/ ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 95 ↩ Arlie Rus­sell Hoch­schild, Sto­len Pri­de: Loss, Shame, and the Rise of the Right (New York: New Press, 2024); Sarah Jones, »Pri­de and Pre­ju­di­ce«, Dis­sent, 72:1 (Win­ter 2025):127–130; Roger Bybee, »Rural Shame Helps Fuel Trump Back­ing by Poor«, New Poli­tics, 20:2 (Win­ter 2025):152–154; Dashiell Ham­mett, The Mal­te­se Fal­con – The Thin Man – Red Har­ve­st (New York: Everyman’s Libra­ry, 2000), S. 437 ↩ Fried­rich Engels, »Die Arbei­ter­be­we­gung in Ame­ri­ka«, MEW, Bd. 21 (Ber­lin: Dietz, 2023), S. 340; http://www.mlwerke.de/me/me21/me21_335.htm ↩ Peter Hou­ri­gan, »The Docu­men­ta­ries of Lou­is Mal­le«, Sen­ses of Cine­ma, Nr. 45 (Novem­ber 2007), https://www.sensesofcinema.com/2007/dvd/louis-malle-documentaries/; Pau­li­ne Guedj, Lou­is Mal­le: Regards sur l’Amérique (Niz­za: Les Edi­ti­ons Ova­dia, 2020), S. 192 ↩ Seeß­len, Trump & Co., S. 118; Greil Mar­cus, Under the Red White and Blue: Patrio­tism, Disen­chant­ment and the Stub­born Myth of the Gre­at Gats­by (New Haven: Yale Uni­ver­si­ty Press, 2020), S. 82; F. Scott Fitz­ge­rald, The Gre­at Gast­by (New York: Everyman’s Libra­ry, 2021), S. 20 ↩ John Bel­la­my Fos­ter, Trump in the White House: Tra­ge­dy and Far­ce (New York: Month­ly Review Press, 2017), S. 115 ↩ Robin Wood, Howard Hawks (Lon­don: BFI, 1983), S. 158–159; Kyle Chay­ka, »Tech­­no-Fascism Comes to Ame­ri­ca«, New Yor­ker, 26. Febru­ar 2025, https://www.newyorker.com/culture/infinite-scroll/techno-fascism-comes-to-america-elon-musk ↩ […]

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Kai Lindemann - Die Politik der Rackets

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